Verwaltungsrecht

keine Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei fortdauernder Identitätstäuschung

Aktenzeichen  19 ZB 20.107

Datum:
10.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15860
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 25 Abs. 5 S. 3, S. 4, § 60a Abs. 2 S. 1, Abs. 2c S. 1

 

Leitsatz

Ein Attest eines Facharztes für Allgemeinmedizin, in dem ohne jegliche weitere Erläuterungen eine Reiseunfähigkeit und die Gefahr einer suizidalen Handlung behauptet wird, erfüllt nicht die Anforderungen des § 60a Abs. 2c S. 3 AufenthG und ist somit nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit gemäß § 60a Abs. 2c S. 1 AufenthG zu widerlegen.  (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 5 K 18.557 2019-12-04 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsantragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsantragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Der nach Behauptung am … 1987 geborene Kläger, der im Jahr 2011 in das Bundesgebiet einreiste, erfolglos ein Asylverfahren betrieb, seit dem 28. März 2015 vollziehbar ausreisepflichtig ist und dessen Aufenthalt seit dem 29. Juli 2015 im Bundesgebiet deswegen geduldet wird, weil für ihn keine Reisedokumente vorliegen (die Identität des Klägers ist ungeklärt), wendet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 4. Dezember 2019, durch das seine Klage, den Beklagten zu verpflichten ihm „eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen“ abgewiesen worden ist.
Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), dessen Beurteilung sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts richtet (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12), so dass eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 10 ZB 15.1804 – juris Rn. 7), liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Klägerseite im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Das wird zwar regelmäßig der Fall sein. Jedoch schlagen Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil (bzw. ein Gerichtsbescheid) sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris Rn. 9).
Der Kläger trägt (in weitgehender Wiederholung seiner Angaben vor dem Verwaltungsgericht; der Senat lässt offen, ob sein Vorbringen den Anforderungen des Darlegungsgebots nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entspricht) vor, der Kläger könne zumindest dem Grunde nach einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG herleiten. Er sei seit vielen Jahren durchgehend im Besitz einer Duldung, die regelmäßig verlängert werde. Er befinde sich in ständiger und engmaschiger ärztlicher Behandlung. Des Weiteren bestehe bei ihm eine Reiseunfähigkeit. Ärztliche Atteste seien vorgelegt worden. Es ergebe sich ein Ausreisehindernis aus seiner gesundheitlichen Situation. Dieses Vollstreckungshindernis sei kausal für den langjährigen Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet. Zwar verfüge er über keinen gültigen Nationalpass. Dies sei jedoch nicht kausal für den weiteren Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland. Es sei deshalb auch unerheblich, ob der Kläger das Vollstreckungshindernis der Passlosigkeit selbst zu vertreten habe. Wegen der dokumentierten Erkrankung des Klägers sei nachvollziehbar, dass dieser nur über sehr eingeschränkte Fähigkeiten verfüge, sich selbständig um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen. Im Hinblick auf die Erkrankung des Klägers sei auch belegt, dass dieser keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Es sei daher von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG abzusehen, da ein atypischer Fall gegeben sei. Der Ausschlusstatbestand des § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG sei dem Kläger nicht entgegen zu halten. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 25 Abs. 5 AufenthG geschaffen habe, um sogenannte Kettenduldungen zu vermeiden. Auch sei die Begründung des Verwaltungsgerichts nicht ausreichend. Denn es beziehe sich in seinem Urteil im Wesentlichen auf Ausführungen in einem Prozesskostenhilfebeschluss. In diesem Prozesskostenhilfebeschluss beziehe sich das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids des Beklagten.
Ernstliche Zweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG, ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers nicht.
Zu Recht weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass einem Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG bereits der Ausschlusstatbestand des § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG entgegensteht. Danach darf eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist (Satz 3). Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt (Satz 4). Davon ausgehend ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe falsche Angaben zu seiner Identität gemacht und mache sie nach wie vor, nicht ernstlich zweifelhaft. Der Kläger behauptet, er sei aserbaidschanischer Staatsangehöriger. Eine Bereitschaft, an der Beschaffung von Identitätsdokumenten betreffend sein behauptetes Heimatland mitzuwirken, zeigte er nicht. Bemühungen des Beklagten, (aufgrund der Angaben des Klägers) Passersatzpapiere zu erlangen, blieben erfolglos. Die Annahme des Beklagten, es sei daher erwiesen, dass er falsche Angaben zu seiner Person mache und über seine Identität und Staatsangehörigkeit täusche, ist mithin nachvollziehbar. Ebenso wenig erfüllt er (ausgehend davon, dass er – worauf der Beklagte ebenfalls zurecht hinweist – für den Nachweis seiner Identität und Staatsangehörigkeit darlegungs- und beweispflichtig ist) zumutbare Anforderungen zur Beseitigung dieser Ausreisehindernisse. Auch hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt, ob es irgend geartete rechtfertigende Gründe für seine Falschangaben, seine Täuschungshandlungen bzw. seine Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse geben könnte. Allein der Hinweis, er verfüge krankheitsbedingt nur über eingeschränkte Fähigkeiten, sich selbständig um einen Nationalpass zu kümmern, reicht in Anbetracht der gesetzlichen Anforderungen und seines Verhaltens nicht aus. Insbesondere sind Anhaltspunkte für eine etwaige Unzumutbarkeit eines Tätigwerdens zur Identitätsklärung nicht ersichtlich.
Zu Recht geht das Verwaltungsgericht (ebenso wie der Beklagte) auch davon aus, dass allein das Verhalten des Klägers ursächlich für die Unmöglichkeit seiner Ausreise und die Erteilung von Duldungen gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist. Soweit der Kläger (sinngemäß) behauptet, er habe einen Anspruch auf Duldungserteilung wegen Reiseunfähigkeit, trifft dies nicht zu:
Nach der Bestimmung des mit Wirkung zum 17. März 2016 (Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 – BGBl I S. 390) eingeführten § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, wenn nicht der Ausländer eine im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft macht. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände enthalten, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Legt der Ausländer ärztliche Fachberichte vor, sind diese zum Beweis für ein Abschiebungshindernis nur geeignet, wenn sie nachvollziehbar die Befundtatsachen angeben, gegebenenfalls die Methode der Tatsachenerhebung benennen und nachvollziehbar die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes sowie die Folgen darlegen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich in Zukunft ergeben, wobei sich Umfang und Genauigkeit der erforderlichen Darlegung jeweils nach den Umständen des Einzelfalls richten. Insbesondere ist es dem Arzt, der ein Attest ausstellt, untersagt, etwaige rechtliche Folgen seiner fachlich begründeten Feststellungen und Folgerungen darzulegen oder sich mit einer rechtlichen Frage auseinanderzusetzen (BayVGH, B.v. 18.10.2013 – 10 CE 13.1890 – juris Rn. 21; VGH BW, B.v. 10.7.2003 – 11 S 2262/02 – juris Rn. 12). Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zu den prognostizierten Folgerungen kommt und welche Tatsachen dieser Einschätzung zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2017 – 10 CE 17.349 – juris Rn. 19; B.v. 5.1.2017 – 10 CE 17.30 – juris Rn. 7).
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht (sinngemäß) davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen, deren Erfüllung die Rechtsprechung für den Nachweis seelischer Beeinträchtigungen verlangt und die Anforderungen, die § 60a Abs. 2c AufenthG an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung stellt, auf die Substantiierung der Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG betreffende Geltendmachung der Unmöglichkeit einer Ausreise durch die Kläger zu übertragen sind. Davon ausgehend vermag der Kläger die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (und des Beklagten), die vorgelegten Atteste würden die Anforderungen gemäß § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG nicht erfüllen und seien somit nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit gemäß § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG zu widerlegen, nicht in Frage zu stellen. Dies gilt insbesondere für das zuletzt vorgelegte Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin A. vom 9. November 2019 (im Wesentlichen inhaltsgleich mit einem Attest dieses Arztes vom 11.7.2016), in dem ohne jegliche weitere Erläuterungen eine Reiseunfähigkeit und die Gefahr einer suizidalen Handlung behauptet wird. In den Blick zu nehmen ist insoweit zudem, dass die Psychiaterin K. in einer Stellungnahme vom 2. Juni 2016 aufgrund einer erstmaligen und letztmaligen Vorstellung des Klägers (weitere Termine seien nicht zustande gekommen) Äußerungen zur Reisefähigkeit nicht tätigt, allerdings den „Verdacht“ auf paranoide Schizophrenie äußert.
Im Übrigen stellt das Antragsvorbringen des Klägers auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts (und des Beklagten in seinem Bescheid vom 19.2.2018), die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG scheitere (zusätzlich) am Nichtvorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG, da weder der Lebensunterhalt des Klägers gesichert sei (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), noch der Kläger seine Passpflicht nach § 3 AufenthG erfülle (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG), auch seien die Identität und die Staatsangehörigkeit des Klägers nicht geklärt (§ 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG).
Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ist grundsätzlich erforderlich, dass die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 19.11.2011 – 1 C 3.10 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 30.10.2018 – 10 C 18.1782 – juris Rn. 7). Allerdings kann nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von der Anwendung der Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG abgesehen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist insoweit eine umfassende Interessenabwägung erforderlich, bei der nach Ermessen darüber zu entscheiden ist, ob im Hinblick auf die Gewichtigkeit der einschlägigen öffentlichen und privaten Interessen sowie der gesetzgeberischen Intention, Kettenduldungen möglichst zu vermeiden, auf eine allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG verzichtet werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 14.5.2013 – 1 C 17/12 – BVerwGE 146, 281; B.v. 3.12.2014 – 1 B 19/14 – juris Rn. 7). Dabei besteht grundsätzlich ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Identifizierung eines Ausländers vor der Legalisierung seines Aufenthalts und an der Erfüllung diesbezüglicher Mitwirkungspflichten (vgl. BVerwG, U.v. 14.5.2013, a.a.O. Rn. 30). Es ist ein legitimes Anliegen, die Verfestigung eines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland durch Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG jedenfalls in den Fällen zu verhindern, in denen der Ausländer an der Klärung seiner Identität nicht ausreichend mitwirkt (vgl. BVerwG, B.v. 3.12.2014 – 1 B 19/14 – juris Rn. 7). Bei der Prüfung einer Ausnahme von der Voraussetzung der eigenständigen Lebensunterhaltssicherung ist zu berücksichtigen, ob Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer in absehbarer Zeit in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Bei der anzustellenden Prognose ist die Qualifikation des Ausländers, insbesondere seine Ausbildung und seine Sprachkenntnisse ebenso zu berücksichtigen wie die Frage, ob sich der Ausländer in der Vergangenheit um eine Beschäftigung bemüht hat. Ist absehbar, dass der Ausländer auf unabsehbare Zeit von Sozialleistungen abhängig sein wird, sprechen gute Gründe dafür, von der Voraussetzung der Lebensunterhaltssicherung nicht abzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2019 – 10 ZB 18.2195 – juris Rn. 7). Eine dauerhafte Erkrankung, die einer lebensunterhaltssichernden Erwerbstätigkeit entgegensteht, begründet für sich allein noch nicht die Annahme eines Ausnahmefalls (vgl. Samel in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020 AufenthG § 5 Rn 27). Davon ausgehend hat der Kläger die Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die Ermessensentscheidung des Beklagten gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, von den Regelerteilungsvoraussetzungen nicht abzusehen, sei nicht zu beanstanden, nicht ernsthaft in Frage gestellt. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht darauf hin, dass der Kläger diesbezüglich bereits im Klageverfahren nichts geltend gemacht habe.
Anzumerken ist schließlich, dass eine Dauerduldung eine im Aufenthaltsgesetz angelegte Form eines langdauernden Aufenthalts in Deutschland ist (vgl. BeckOK, AuslR Maaßen/Kluth, Stand 1.1.2021 Aufenthaltsgesetz § 25 Rn. 124).
Auch die Rüge des Klägers, die Begründung des Verwaltungsgerichts „zur Widerlegung“ eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sei nicht ausreichend, begründet keine ernstlichen Zweifel an dessen Entscheidung. Ebenso wenig liegt der (sinngemäß geltend gemachte) Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Geltendmachung und Vorliegen eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann) vor.
Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil ausreichend mit Entscheidungsgründen gemäß § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO versehen. Zwar ermöglicht § 117 Abs. 5 VwGO dem Wortlaut nach (lediglich) die Möglichkeit der Bezugnahme auf angefochtene Bescheide. Eine Bezugnahme auf eine vorangegangene Entscheidung (wie hier einem Beschluss der Kammer im Prozesskostenhilfeverfahren) ist jedoch zulässig (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.1997 – 2 B 103.97 – juris). Dadurch bleibt grundsätzlich die Funktion der schriftlichen Gründe gewahrt, deutlich zu machen, dass das Gericht alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt und sich mit ihnen auseinandergesetzt hat (vgl. Stuhlfauth in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 117 Rn. 22). Diesen Vorgaben genügt das Urteil des Verwaltungsgerichts. Davon ausgehend, dass jedenfalls ein Kern der Begründung sich aus einem Urteil ergeben muss (Stuhlfauth a.a.O. Rn. 22) hat das Erstgericht ausreichend einen Tatbestand formuliert und nachvollziehbar unter Bezugnahme auf den Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2018 und seinen Prozesskostenhilfebeschluss vom 27. November 2019 dargelegt, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG nicht besteht. Bei verständiger Würdigung sind die Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts auch unter dem Blickwinkel ausreichend, dass der Beschluss der Kammer vom 27. November 2019 das dem Urteil vorausgehende Prozesskostenhilfeverfahren betraf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 3, Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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