Verwaltungsrecht

Keine Gewähr subsidiären Schutzes für Asylbewerber aus Bangladesch

Aktenzeichen  M 17 K 15.30817

Datum:
4.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylG muss ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylG und Art. 15 lit. b der Qualifikationsrichtlinie insoweit identischen Schutzbereich von Art. 3 EMRK zu fallen. Unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung in diesem Sinne sind daher nur Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (wie VGH Mannheim BeckRS 2012, 48611). (red. LS Clemens Kurzidem)
Bei der Prüfung, ob die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht, ist der asylrechtliche Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ anzulegen, wobei das Element der Konkretheit der Gefahr das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation kennzeichnet. Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit steht eine Rechtsgutsverletzung bevor, wenn bei qualifizierender Betrachtungsweise, d.h. bei einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung, die für die Rechtsgutsverletzung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. (red. LS Clemens Kurzidem)
Die Angabe eines Asylbewerbers, er werde wegen der Mitgliedschaft seines Vaters bei Jamaat-e-Islami (JI) von Anhängern der Awami League (AL) bedroht, stellt keinen stichhaltigen Grund für die Annahme dar, ihm drohe in Bangladesch ernsthafter Schaden in Form einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 AsylG droht. (red. LS Clemens Kurzidem)
Die aktuelle Erkenntnislage zu Bangladesch stützt die Verfolgung von Angehörigen der Mitglieder der JI durch den Staat oder Parteien oder Organisationen, wie die AL, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, nicht. (red. LS Clemens Kurzidem)
Allein wegen der harten Lebensbedingungen und allgemein bestehenden ärmlichen Verhältnisse in Bangladesch vermag sich ein Asylbewerber weder auf § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG noch auf § 60 Abs. 5 AufenthG unter Berücksichtigung von Art. 3 EMRK berufen. In einer Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse liegt daher nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, die die  Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllt (vgl. BVerwG BeckRS 2013, 49252). (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Da die Klage erkennbar auf die Aufhebung der Ziffern 3, 4 und 5 des Bescheides vom 18. Mai 2015 gerichtet ist, ist der Klageantrag gemäß § 88 VwGO mit Blick auf die Klageschrift vom 5. Juni 2015 mithin dahingehend auszulegen, dass der Kläger beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) zuzuerkennen sowie festzustellen, dass bei ihm Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG bezüglich Bangladesch vorliegen.
Die so zu verstehende – zulässige (insbesondere nach Maßgabe von § 74 Abs. 1 AsylG rechtzeitig innerhalb von zwei Wochen erhobene) – Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 18. Mai 2015 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG) in Ziffern 3, 4 und 5 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gem. § 4 AsylG oder auf Feststellung, dass Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 5 und /oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Bangladesch vorliegen.
Das Gericht folgt insoweit der zutreffenden Begründung der Beklagten im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG).
1. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) nicht vor.
1.1. Subsidiärer Schutz ist zu gewähren, wenn stichhaltige Gründe dafür vorliegen, dass dem Ausländer die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder eine unmenschlicher oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) droht. Für die Frage, ob stichhaltige Gründe für die Annahme einer Gefahr der in § 4 Abs. 1 AsylG genannten ernsthaften Schäden vorliegen, ist die Richtlinie 2011/95/EU (QualRL), insbesondere Art. 4 Abs. 4 QualRL, ergänzend anzuwenden (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 4 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 4 Abs. 3 Satz 1 und § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG sowie § 2 Abs. 13 Nr. 2 AufenthG).
Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und Art. 15 lit. b QualRL insoweit identischen Schutzbereich von Art. 3 EMRK zu fallen. Die Bewertung dieses Minimums ist nach der Natur der Sache relativ. Kriterien hierfür sind abzuleiten aus allen Umständen des Einzelfalles, wie etwa der Art der Behandlung oder Bestrafung und dem Zusammenhang, in dem sie erfolgte, der Art und Weise ihrer Vollstreckung, ihrer zeitlichen Dauer, ihrer physischen und geistigen Wirkungen, sowie gegebenenfalls abgestellt auf Geschlecht, Alter bzw. Gesundheitszustand des Opfers. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (vgl. VGH BW, U. v. 6.3.2012 – A 11 S 3070/11 – juris Rn. 16; Hailbronner, Ausländerrecht Bd. 3, Stand 6/2014 § 4 AsylVfG Rn. 21 ff.).
Bei der Prüfung, ob eine konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht, ist der asylrechtliche Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ anzulegen, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation kennzeichnet. Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit steht die Rechtsgutsverletzung bevor, wenn bei qualifizierender Betrachtungsweise, d. h. bei einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung, die für die Rechtsgutsverletzung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Die in diesem Sinne erforderliche Abwägung bezieht sich nicht allein auf das Element der Eintrittswahrscheinlichkeit, sondern auch auf das Element der zeitlichen Nähe des befürchteten Ereignisses; auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs ist in die Betrachtung einzubeziehen (vgl. VGH BW, U. v. 6.3.2012 – A 11 S 3070/11 – juris Rn. 17 unter Bezugnahme auf BVerwG, B. v. 10.04.2008 – 10 B 28.08 – juris Rn. 6; U. v. 14.12.1993 – 9 C 45.92 – juris Rn. 10 f.; U. v. 05.11.1991 – 9 C 118.90 – juris Rn. 17).
Bei der individuellen Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz sind alle mit dem Herkunftsland verbundenen Tatsachen zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag relevant sind, einschließlich der Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Herkunftslands und der Weise, in der sie angewandt werden, sowie die maßgeblichen Angaben des Antragstellers und die von ihm vorgelegten Unterlagen, einschließlich Informationen zu der Frage, ob er einen ernsthaften Schaden erlitten bzw. erleiden könnte (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a und b Richtlinie 2011/95/EU). Weiterhin sind zu berücksichtigen die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Ausländers, einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter, um bewerten zu können, ob in Anbetracht seiner persönlichen Umstände die Handlungen, denen er ausgesetzt war oder ausgesetzt sein könnte, einem sonstigen ernsthaften Schaden gleichzusetzen sind (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. c Richtlinie 2011/95/EU).
1.2. Gemessen an diesen Grundsätzen geht das Gericht davon aus, dass dem Kläger in Bangladesch keine Gefahren im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG drohen.
Die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) hat der Kläger nicht geltend gemacht; hierfür ist auch nichts ersichtlich.
Auch besteht für den Kläger als Zivilperson keine ernsthafte und individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG), da ein solcher in Bangladesch derzeit nicht herrscht.
Eine dem Kläger im Falle der Rückkehr nach Bangladesch drohende Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure scheidet ebenfalls aus.
Soweit der Kläger im Wesentlichen angab, dass er wegen der Mitgliedschaft seines Vaters zur … von Anhängern der AL bedroht worden sei, stellt dies keinen stichhaltigen Grund für die Annahme dar, dass dem Kläger in Bangladesch ernsthafter Schaden in Form einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 AsylG droht.
1.2.1. Es fehlt insofern bereits am substantiierten Vortrag. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger erst 18 Jahre alt ist, sind seine Angaben derart vage, unsubstantiiert und widersprüchlich, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass dem Kläger in Bangladesch tatsächlich eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht.
Die Tatsache, dass ein Drittstaatsangehöriger bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist gemäß Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Betroffene erneut von einem solchen Schaden bedroht wird. Zur Privilegierung des Vorgeschädigten wird in Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU eine tatsächliche (aber im Einzelfall widerlegbare) Vermutung normiert, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden, sofern ein innerer Zusammenhang zwischen dem erlittenen Schaden und dem befürchteten Schaden besteht. Dadurch wird der Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden (BVerwG, U. v. 07.09.2010 – 10 C 11.09 – juris; BVerwG, U. v. 27.04.2010 – 10 C 5.09 – juris; VG Ansbach, U. v. 30.10.2013 – AN 1 K 13.30400 – juris; VG Regensburg, U. v. 20.03.2013 – RN 8 K 12.30176 – juris; zum neuen Recht: VG Aachen U. v. 09.12.2013 – 1 K 2546/12.A – juris).
Das Gericht muss – für einen Erfolg des Zuerkennungsbegehrens – die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieser Gefahr läuft, ernsthaften Schadens zu erleiden, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Herkunftsstaat befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu. Demgemäß setzt die Zuerkennung subsidiären Schutzes voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der den drohenden ernsthaften Schaden begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumen von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Schutzbegehren lückenlos zu tragen. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist dabei gesteigerte Bedeutung beizumessen. Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände der Gefahr eines ernsthaften Schadens hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen.
In Anwendung dieser Grundsätze sind bei dem Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht festzustellen.
Das Gericht ist der Auffassung, dass der Kläger offensichtlich keine in sich stimmige Sachverhaltsschilderung unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumen von Widersprüchen und Unstimmigkeiten abgegeben hat, die geeignet ist, das Schutzbegehren lückenlos zu tragen, sondern sich vielmehr in Widersprüche verwickelt hat.
Zu den Unstimmigkeiten, die das Bundesamt in seinem Bescheid vom 18. Mai 2015 angeführt hat, treten weitere erhebliche Widersprüche aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 4. August 2016 hinzu. So gab der Kläger in der Anhörung vor dem Bundesamt insbesondere an, dass seine Mutter nach ihrer gemeinsamen Flucht zu einer bekannten Familie in … noch am selben Tage zusammen mit seiner Schwester wieder nach … zurückgefahren sei. Dem entgegen führte der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 4. August 2016 aus, dass sie sich gemeinsam (also auch die Mutter) einige Tage bei den guten Bekannten in … aufgehalten hätten. Die Mutter sei daraufhin alleine wieder nach Dhaka zurückgefahren. Die etwa 10 Jahre alte Schwester des Klägers sei bei ihm geblieben. Bei den geschilderten Umständen handelt es sich um Geschehensabläufe, die nicht nur unmaßgebliche nebensächliche Details wiedergeben, sondern über deren Einzelheiten eine Erinnerung des Klägers erwartet werden kann. Auch sind seine Angaben zur vermeintlichen Bedrohungslage aufgrund der Funktion des Vaters in der Partei … so detailarm, dass sie nicht geeignet sind, ein auch nur ansatzweise nachvollziehbares Bild eines realen Geschehensablaufs zu vermitteln. Das Bundesamt moniert zu Recht in seinem Bescheid vom 18. Mai 2015, dass es bei der bloßen Behauptung durch den Kläger bleibt, dass sein Vater eine hohe Funktion bei der … ausgeübt habe, ohne dies näher zu substantiieren. Es fehlen Nachweise sowie genauere Erläuterungen über die Tätigkeit seines Vaters.
1.2.2. Aber auch die aktuelle Erkenntnislage stützt keine Verfolgung von Angehörigen der Mitglieder der … durch den Staat oder Parteien oder Organisationen, wie die AL, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (VG München, U. v. 9.2.2016 – M 17 K 15.31451). Nach Berichten (Agence France-Presse vom 18.2.2013; US Commission on International Religious Freedom vom 7.5.2013; ACCORD, Anfragebeantwortung zu Bangladesch: Informationen zur Partei JI vom 3. Juli 2013 [a-8427-2 (8437)]; Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Wahlen im Januar 2014 in Bangladesch [BR-Drs. 109/14]) ist die … die größte radikal-islamische Partei in Bangladesch, die immer wieder zu landesweiten Streiks aufgerufen habe und Hauptdrahtzieher von Gewalttaten sei. Nach den Wahlen im Januar 2014 seien tausende Bürger, die schutzbedürftigen Minderheiten angehören, insbesondere Hindus, Opfer gewalttätiger Angriffe vor allem von militanten Anhängern von … geworden und aus ihren Häusern vertrieben worden. Zwar seien hochrangige Funktionäre für Kriegsverbrechen während des Unabhängigkeitskrieges Bangladeschs 1971 angeklagt und teils zu Todesstrafen oder lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden, eine politische Verfolgung durch den Staat für rangniedrige Funktionäre oder gar deren Angehörige lässt sich daraus allerdings nicht ableiten. Zwar ist die … durch Verhaftungen geschwächt, genießt jedoch Sympathien in Teilen der Beamtenschaft. Der Partei ist die Teilnahme an Wahlen zwar untersagt, jedoch können bei Kommunalwahlen „unabhängige“ Kandidaten antreten (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch vom 14. Januar 2016, Stand Januar 2016, S. 20, im Folgenden: Lagebericht). Soweit der Kläger daher ausführt, er fühle sich von Behörden jeglicher Art bedroht und verfolgt, da die AL Regierungspartei sei, erscheint diese Befürchtung aufgrund dieser Erkenntnislage unbegründet. Auch dass die bangladeschischen Behörden oder aber auch Mitglieder der AL oder Kriminelle den Kläger nach seiner Rückkehr gezielt suchen und ausfindig machen wollten, erscheint nach über fünf Jahren Kontaktlosigkeit zum Vater, dessen unklare Stellung in der Partei … und der dargestellten aktuellen Lage jedenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich.
1.2.3. Aber selbst bei Annahme einer drohenden erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG kommt gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i. V. m. § 3e Abs. 1 AsylG die Gewährung subsidiären Schutzes für den Kläger nicht in Betracht, weil er sich insofern ebenfalls auf eine inländische Fluchtalternative verweisen lassen muss. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzes setzt voraus, dass der Betroffene in anderen Teilen seines Heimatlandes keine zumutbare Zuflucht finden kann. Dem Ausländer wird nach § 3e AsylG der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt, wenn er
1. in einem Teil seines Heimatlandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2. sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Der Kläger könnte sich den angeblichen Bedrohungen der Mitglieder der AL resp. Krimineller dadurch entziehen, dass er seinen Aufenthaltsort verlegt. Rechtliche Hindernisse, sich in anderen Landesteilen niederzulassen, bestehen nicht. Art. 36 der Verfassung garantiert Freizügigkeit (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 10. Juni 2016 auf Anfrage des VG München vom 29. Januar 2016 Gz.: 508-9-516.80/48694). Obwohl Neuankömmlinge wegen fehlender familiärer Bindungen und aufgrund der engen Nachbarschaftsverhältnisse auffallen und somit der Anonymität auch in Städten Grenzen gesetzt sind (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 10. Juni 2016 auf Anfrage des VG München vom 29. Januar 2016 Gz.: 508-9-516.80/48694), ist nicht ersichtlich, dass die Männer, die den Kläger vor der Ausreise angeblich bedroht haben, den Kläger in einem anderen Landesteil von Bangladesch, dem – von reinen Stadtstaaten abgesehen – mit 159,5 Millionen Einwohnern am dichtesten besiedelten Staat der Welt (vgl. Auswärtiges Amt, Länderinfos Bangladesch, Stand August 2015; http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-nodes_Uebersichtsseiten/Bangla-desch_node.html), in dem kein landesweites Meldewesen existiert (Lagebericht, S. 20) ausfindig machen wollten und könnten.
2. Ferner bestehen keine Anhaltspunkte für Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG.
Allein wegen der harten Lebensbedingungen und allgemein bestehenden ärmlichen Verhältnisse in Bangladesch vermag sich der Kläger weder auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch auf § 60 Abs. 5 AufenthG unter Berücksichtigung von Art. 3 EMRK zu berufen. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse kann nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschlich oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen (BVerwG, U. v. 31.01.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, S. 1167ff. – juris Rn. 23 – 26 sowie Rn. 38; VGH BW, U. v. 24.07.2013 – A 11 S 697/13 m. w. N.). Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger eine Existenzgrundlage bei seiner Rückkehr gänzlich fehlen würde, sind nicht ersichtlich. Die humanitären Bedingungen für Rückkehrer sind grundsätzlich nicht als derart schlecht zu bewerten, dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRGK aufweisen. Unter Berücksichtigung der derzeit Lebensverhältnisse im Bangladesch (vgl. dazu den streitgegenständlichen Bescheid, § 77 Abs. 2 AsylG) reicht hierfür der bloße Verweis des Klägers auf sein junges Alter und den angeblich fehlenden Kontakt zu seiner Familie schon im Ansatz ganz offensichtlich nicht aus. Als junger arbeitsfähiger Mann ist er zudem in der Lage, wie jeder andere dort Lebende in der vergleichbaren Situation, seinen Lebensunterhalt in seinem Heimatland durch eigene Tätigkeit sicherzustellen.
Was insbesondere § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anbetrifft, fehlt es an einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Die behauptete Bedrohungslage erfüllt diese Voraussetzungen nicht, zumal für den Kläger – wie dargestellt – die Möglichkeit besteht, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen.
3. Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 34 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 38 Abs. 1 AsylG.
4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylVfG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben