Verwaltungsrecht

Keine Klagebefugnis aus faktischer Benutzung eines Grundwasser-Brunnens

Aktenzeichen  20 ZB 16.1045

Datum:
15.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 51386
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 2 Abs. 2
KrWG § 36 Abs. 1 Nr. 4
VwGO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

Eine Verletzung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG kann sich nur aus der Beeinträchtigung eines rechtlich geschützten Verhaltens ergeben. Es besteht kein Anspruch, die Gesundheit eines Klägers vor “freiwilligen Gefahren” zu schützen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

17 K 15.3501 2016-04-07 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000,– € festgesetzt.

Gründe

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – DVBl 2004, 838; BayVGH, B.v. 24.2.2006 – 1 ZB 05.614 – juris Rn. 11; B.v. 19.3.2013 – 20 ZB 12.1881 – juris Rn. 2). Ist das angefochtene Urteil auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt (Mehrfachbegründung), kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht ist und vorliegt (BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – BauR 2013, 2011 = juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – juris Rn. 31 m. w. N.).
Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil vom 7. April 2016 damit begründet, dass die Klage bereits unzulässig sei, da der Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf die begehrte Ergänzung der Plangenehmigung haben könne (fehlende Klagebefugnis). Diese Auffassung hat es auf zwei selbstständig tragende Begründungsansätze gestützt. Entgegen der Begründung des Zulassungsantrags handelt es sich bei den Ausführungen des Urteils unter 2.c) nicht um Ausführungen zur Begründetheit, sondern um solche zur Unzulässigkeit. Dies ergibt sich aus dem Obersatz der Entscheidungsgründe, nach dem die Klage (allein) wegen Unzulässigkeit und nicht auch wegen Unbegründetheit abgewiesen wurde.
Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts ist auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers im Berufungszulassungsverfahren rechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Kläger dort angeführten Gesichtspunkte führen zu keiner anderen Bewertung. Der Kläger muss hinreichend substantiiert solche Tatsachen vorbringen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er einen Anspruch auf die begehrte Ergänzung der Plangenehmigung haben kann. Ob es einen solchen Anspruch möglicherweise gibt, ist in erster Linie nach den verfassungskonform auszulegenden Normen des einfachen Rechts unter Anwendung der Schutznormtheorie zu entscheiden (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 92).
Der Kläger bringt in der Zulassungsbegründung gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, er sei nicht klagebefugt vor, dass die Klagebefugnis sich aus der als drittschützend anerkannten Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 4 KrWG und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit (aus Art. 2 Abs. 2 GG) ergebe. Insbesondere die Annahme des Verwaltungsgerichts, nur der Inhaber einer wasserrechtlichen Gestattung könne sich auf eine Gesundheitsbeeinträchtigung wegen der möglichen Beeinträchtigung der Wasserqualität berufen, sei unzutreffend.
Damit wird die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger schon mangels eines Rechts auf Bezug von Wasser einer bestimmten Menge und Qualität keinen Anspruch auf die begehrte Ergänzung der Plangenehmigung haben könne, nicht in Frage gestellt. Der Kläger übersieht nämlich, dass das Verhalten, das zu der befürchteten Verletzung seines Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG führen könnte, rechtlich nicht geschützt ist. Denn der Kläger kann sich weder aus eigenem noch aus abgeleitetem Recht auf eine geschützte Rechtsposition für den Bezug von (Grund-)Wasser aus dem auf dem Grundstück seines Bruders befindlichen Brunnen berufen. Eine dem Beklagten zuzurechnende Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit kann aus der faktischen Benutzung aber bereits mangels eines hoheitlichen Eingriffs nicht abgeleitet werden. Wie der Beklagte in seiner Erwiderung zutreffend ausführt, besteht kein Anspruch, die Gesundheit des Klägers vor „freiwilligen Gefahren“ zu schützen, wie sie der Kläger mit dem Verbrauch des Wassers aus dem Hausbrunnen seiner Ansicht nach auf sich nähme, und damit auch keine Klagebefugnis. Dass der Kläger ausweislich der Antragsbegründung kein subjektives Recht im Hinblick auf Menge und Güte des Wassers des Brunnens geltend macht, ist unerheblich. Ergänzend wird auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom gleichen Tage im Parallelverfahren des Bruders des Klägers (Az. 20 ZB 16.931) Bezug genommen.
Auf den zweiten, im Urteil des Verwaltungsgerichts unter Ziff. 2.c) dargestellten Begründungsansatz kommt es für den Erfolg des Zulassungsantrags nicht an, da bereits der erste Begründungsansatz durch den Zulassungsantrag nicht in Frage gestellt wird.
2. Aus den gleichen Gründen weist die Rechtssache keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Besondere tatsächliche Schwierigkeiten bestehen ebenfalls nicht, da es auf die klägerseits geltend gemachten geologischen Fragen nicht ankommt.
Daher ist der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs.1 und 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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