Verwaltungsrecht

Keine Prozesskostenhile für eine Klage auf Zahlung von Wohngeld sowie Begründungspflicht bei Beschlüssen

Aktenzeichen  12 C 16.1420

Datum:
20.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 55020
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WoGG § 1 Abs. 2, § 10 Abs. 1, § 14 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 6, § 18 S. 1
WoGV § 13
EStG § 2 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 2, § 3 Nr. 1a, § 3c Abs. 1, § 32b Abs. 1 S. 1
VwGO § 117 Abs. 5, § 122 Abs. 2, § 155 Abs. 4

 

Leitsatz

1 Erleichterungen von der Begründungspflicht für Beschlüsse (§ 122 Abs. 2 VwGO) bestehen, wenn das Gericht einer hinreichenden Begründung vorangegangener Verwaltungsakte, Widerspruchsbescheide oder gerichtlicher Entscheidungen folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ein Verweis auf eine Erwiderung eines Beteiligten ist zur Begründung nicht ausreichend. (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Rahmen der Berechnung eines Anspruchs auf Wohngeld ist auch der nicht der Pfändung unterliegende Betrag des Krankengeldes als Einkommen zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 2 Nr. 6 WoGG iVm § 32b Abs. 1 S. 1 EStG). (redaktioneller Leitsatz)
3 Vom Krankengeld sind keine Werbungskosten abzuziehen, da es sich hierbei nach § 3 Nr. 1a EStG um eine steuerfreie Lohnersatzleistung handelt, bei der nach § 3c Abs. 1 EStG kein Werbungskostenabzug vorgenommen werden darf. (redaktioneller Leitsatz)
4 Belastungen (§ 10 Abs. 1 WoGG) können nur berücksichtigt werden, soweit diese vom Antragsteller tatsächlich geleistet werden; Betriebskosten können nur im Umfang des § 13 WoGV berücksichtigt werden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 8 K 16.874 2016-06-28 Ent VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird zurückgewiesen.
II.
Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1. Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 146 Abs. 1, § 147 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat ihr nicht abgeholfen (§ 148 Abs. 1 VwGO).
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 3. Mai 2016, mit dem der Antrag des Klägers auf Gewährung von Wohngeld in Form des Lastenzuschusses abgelehnt wurde, versagt. Die Klage hat keine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 166 VwGO, § 114 ff. ZPO), da im Ergebnis die der Versagung von Wohngeld zugrunde liegende Einkommensberechnung nicht zu beanstanden ist (§ 14 Abs. 1 WoGG).
2.1. Zwar unterliegt das erstinstanzliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht erheblichen Bedenken bezüglich der an richterliche Entscheidungen zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Durchdringungstiefe. Beschlüsse, die einem Rechtsmittel unterliegen, müssen begründet werden, um der durch die Entscheidung beschwerten Partei und auch dem Beschwerdegericht eine Grundlage für die Nachprüfung zu verschaffen (BVerfGE 6, 44; 71, 135; OLG Hamm, B. v. 8.10.1990 – 23 W 527/90 -; MDR 1991, 452). Ein Verstoß gegen die Begründungspflicht liegt nicht nur dann vor, wenn eine Entscheidungsbegründung gänzlich fehlt, sondern auch dann, wenn eine Entscheidung lediglich mit einer auf das Vorbringen des Rechtssuchenden nicht eingehenden, formelhaften Begründung versehen worden ist (vgl. OLG Hamm v. 8.10.1990, a. a. O. unter Hinweis auf Baumbach/Hartmann, ZPO, 48. Aufl., Anm. 1 Ab zu § 329 ZPO). Für den Inhalt der Begründung nach § 122 Abs. 2 Satz 1 VwGO gilt grundsätzlich dasselbe wie für die Begründung bei Urteilen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 20. Aufl. 2014, § 122 Rn. 6). Begründungserleichterungen gibt es nur für Beschlüsse, die in ihrer Begründung der Begründung vorangegangener Verwaltungsakte, Widerspruchsbescheide oder gerichtlicher Entscheidungen folgen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Der Verweis in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28. Juni 2016 auf die Erwiderung des Beklagten vom 20. Juni 2016 ist deshalb nicht ausreichend. Dies gilt auch insoweit, als das Gericht auf den streitgegenständlichen Verwaltungsakt Bezug nimmt. Denn der Bescheid vom 3. Mai 2016 enthält keinerlei Begründung, sondern lediglich den Berechnungsteil, der durchaus näherer Erläuterung bedurft hätte, warum die vom Kläger bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Argumente keine Berücksichtigung bei der Einkommensermittlung gefunden haben. Die Begründung des Verwaltungsgerichts ist auch deshalb nicht ausreichend, weil der Kläger im Klageverfahren verschiedene Gesichtspunkte vorgetragen hat, mit denen sich die angefochtene Entscheidung nicht befasst (vgl. OLG Hamm v. 8.10.1990, a. a. O.). Weder dieser Beschluss noch der ebenfalls nicht begründete Nichtabhilfebeschluss lassen erkennen, ob das Verwaltungsgericht die Begründung des Klägers überhaupt zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.
2.2. Der Senat macht indes nicht von der ihm nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 572 Abs. 3 ZPO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, dem Verwaltungsgericht die erneute Entscheidung zurück zu übertragen (vgl. hierzu BayVGH, B. v. 7.7.2016 – 12 C 16.416; OVG Berlin-Bbg, B. v. 17.3.2015 – OVG 6 M 21.15 – NVwZ-RR 2015, 599 f., Rn. 8 f.). Denn der Gesichtspunkt der Beschleunigung des Gesamtverfahrens hat im Beschwerdeverfahren besonderes Gewicht (vgl. Heßler in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 572 ZPO, Anm. IV 5a). Dies gilt umso mehr, weil sich der angefochtene Bescheid vom 3. Mai 2016 nach summarischer Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat im Ergebnis keinen Anspruch auf Bewilligung von Wohngeld.
2.3. Der Beklagte hat die Höhe des für den Bewilligungszeitraum maßgeblichen Einkommens des Klägers und damit auch die Höhe des Wohngelds zutreffend ermittelt. § 14 WoGG geht hinsichtlich des Jahreseinkommens eines zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieds von einem zweigliedrigen Einkommensbegriff aus (vgl. hierzu Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, § 14 Rn. 4). § 14 Abs. 1 Satz 1 WoGG knüpft zunächst an die Summe der positiven Einkünfte im Sinne von § 2 Abs. 1 und 2 EStG an. Neben den in § 14 Abs. 1 Satz 1 WoGG genannten Einkünften finden nach dem Katalog des § 14 Abs. 2 WoGG weitere Einkommensbestandteile bei der Bestimmung des wohngeldrechtlichen Einkommens Berücksichtigung. Hierzu rechnet nach § 14 Abs. 2 Nr. 6 WoGG i. V. m. § 32b Abs. 1 Satz 1 EStG auch Krankengeld als Lohnersatzleistung. Dies hat der Beklagte zutreffend in Höhe des nicht der Pfändung unterliegenden Betrags in Höhe von 812,04 Euro zugrunde gelegt. Das diesen Betrag übersteigende Krankengeld unterliegt der Pfändung von Unterhaltsansprüchen der nicht im Haushalt des Klägers lebenden Tochter Lisa-Maria. Weitere Unterhaltszahlungen leistet der Kläger eigenen Angaben zufolge nicht, so dass insoweit auch keine weiteren Abzüge erfolgen können. Insbesondere steht ihm kein Abzugsbetrag für Unterhaltsleistungen gemäß § 18 Satz 1 WoGG zu, da die Absetzung eines Betrags nach § 18 WoGG nur in Betracht kommt, wenn im maßgebenden Bewilligungszeitraum tatsächlich Aufwendungen zur Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen in Geld oder Sachwerten erbracht werden, denn nur diese realen Abflüsse sind absetzungsfähig (vgl. Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, a. a. O., § 18 Rn. 45). Tatsächliche Aufwendungen insoweit entstehen dem Kläger im Hinblick auf das zugrunde gelegte Einkommen indes weiter nicht.
2.4. Der Beklagte hat entgegen der Auffassung des Klägers zu Recht auch keine Fahrtkosten als Werbungskosten im Zeitraum der Wiedereingliederungsmaßnahme ab 11. März 2016 in Ansatz gebracht. Bei Krankengeld gilt § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht, da es sich hierbei nach § 3 Nr. 1a EStG um eine steuerfreie Lohnersatzleistung handelt, bei der nach § 3c Abs. 1 EStG kein Werbungskostenabzug vorgenommen werden darf. Folgerichtig umfasst die Verweisung auf § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG in § 14 Abs. 1 Satz 1 WoGG die in § 14 Abs. 2 WoGG aufgelisteten Einkommensbestandteile nicht (vgl. Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, a. a. O., § 14 Rn. 10; BayVGH, B. v. 14.7.2015 – 12 ZB 15.1152 – juris). Der Beklagte hat daher, ungeachtet der beim Kläger nach seinem Vorbringen auch während des Bezugs von Krankengeld angefallenen Fahrtkosten im Rahmen der Wiedereingliederungsmaßnahme, zu Recht insoweit keinen Werbungskostenabzug zugelassen.
2.5. Zutreffend hat der Beklagte auch nur allein den Kläger als nach § 6 WoGG zu berücksichtigendes Haushaltsmitglied und als Gesamtwohnfläche 80 m² angenommen. Gemäß § 2 WoGG sind Wohnraumräume Räume, die vom Verfügungsberechtigten zum Wohnen bestimmt und hierfür nach ihrer baulichen Anlage und Ausstattung tatsächlich geeignet sind und auch tatsächlich selbst genutzt werden (vgl. § 1 Abs. 2 WoGG). Der Kläger geht selbst davon aus, dass derzeit von ihm tatsächlich lediglich 80 m² genutzt werden. Soweit er die Auffassung vertritt, es müsse im Zusammenhang hiermit eine höhere Belastung als die angesetzten 249,06 Euro angenommen werden, kann er damit nicht durchdringen. Auch Ausgaben für Kapitaldienste sind zu Recht nicht berücksichtigt worden. Gemäß § 10 Abs. 1 WoGG sind Belastungen die Kosten für den Kapitaldienst und die Bewirtschaftung von Wohnraum in vereinbarter oder festgesetzter Höhe. Kosten für den Kapitaldienst hat der Kläger nicht geltend gemacht. Diese wurden eigenen Angaben zufolge von seinen Eltern übernommen. Als Belastung aus der Bewirtschaftung sind gemäß § 13 Abs. 1 der Wohngeldverordnung (WoGV) Instandhaltungskosten, Betriebskosten ohne die Heizungskosten und Verwaltungskosten auszuweisen. Gemäß § 13 Abs. 2 WoGV sind als Instandhaltungs- und Betriebskosten im Jahr 36,– Euro je Quadratmeter Wohnfläche und die für den Gegenstand der Wohngeld-Lastenberechnung entrichtete Grundsteuer anzusetzen. Darüber hinausgehende Bewirtschaftungskosten dürfen gemäß § 13 Abs. 2 Satz 3 WoGV nicht angesetzt werden. Der Beklagte hat daher zu Recht die vom Kläger entrichtete jährliche Grundsteuer sowie den Pauschalbetrag von 36,– Euro je Quadratmeter zu berücksichtigender Wohnfläche als Belastung aus den Instandhaltungs- und Betriebskosten zugrunde gelegt.
2.6. Demnach ist der Bescheid des Beklagten vom 3. Mai 2016, wonach dem Kläger kein Wohngeld zusteht, im Ergebnis insgesamt nicht zu beanstanden. Dem Kläger bleibt es unbenommen, im Fall der Änderung seiner finanziellen Verhältnisse, einen erneuten Wohngeldantrag zu stellen.
3. Abweichend von der regelmäßigen Kostenfolge bei einem ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittel (§ 154 Abs. 2 VwGO) hat hier der Beklagte gemäß § 155 Abs. 4 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Nach dieser Vorschrift können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Damit werden nicht nur sogenannte ausscheidbare Mehrkosten erfasst, die ursächlich auf ein Verschulden eines Verfahrensbeteiligten zurückzuführen sind. Die Regelung gilt vielmehr auch für die gesamten Rechtsbehelfskosten, wenn das Fehlverhalten eines anderen Verfahrensbeteiligten Anlass für das Verfahren war. Zulasten einer Behörde kommt dies etwa in Betracht, wenn ein Kläger unnötig in das Klageverfahren gedrängt worden ist (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 30.3.2011 – 7 KS 25/11 – juris, m. w. N.; VG Freiburg (Breisgau) v. 3.11.2011 – 5 K 155/10 – juris). Dies ist hier der Fall.
Der ablehnende Bescheid ist wegen eines Begründungsmangels zunächst formell rechtswidrig ergangen, weil nähere Ausführungen zur Ermittlung des Gesamteinkommens gefehlt haben. § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X verlangt, dass die Begründung die wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Gründe erkennen lässt, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Mit der Klageerwiderung vom 20. Juni 2016 konnte dieser Mangel zwar geheilt werden (§ 41 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 2 SGB X), da die verfahrensfehlerhafte Handlung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich der Kläger angesichts der fehlenden Begründung in dem ablehnenden Bescheid unnötig sowohl in das Klageverfahren als auch in das Beschwerdeverfahren gedrängt sehen musste, zumal auch dort – wie bereits ausgeführt – die gebotene Auseinandersetzung mit der Argumentation des Klägers ausgeblieben ist.
4. In Prozesskostenhilfesachen werden im Beschwerdeverfahren nach § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO Kosten nicht erstattet. Aufgrund der Festbetragsregelung in Ziff. 5502 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz bedurfte es der Festsetzung eines Streitwerts nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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