Verwaltungsrecht

Keine systemischen Mängel im Asylverfahren in Bulgarien

Aktenzeichen  B 3 K 15.30099

Datum:
21.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 26a, § 34a
GG GG Art. 16a
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 In Bulgarien läuft ein Asylbewerber keine Gefahr, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, sodass keine systemischen Mängel im bulgarischen Asylverfahren oder den dortigen Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen (ebenso VG Düsseldorf BeckRS 2014, 58229). (redaktioneller Leitsatz)
2 Abschiebungsanordnung und Abschiebungsandrohung sind unterschiedliche Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung, die nicht teilidentisch sind; insbesondere stellt sich eine Abschiebungsanordnung nicht als spezielle Ausformung der Abschiebungsandrohung dar. Eine Abschiebungsandrohung ist nicht als Minus in jeder Abschiebungsanordnung mitenthalten (ebenso BVerwG BeckRS 2015, 54736). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die in ihrem Anfechtungsbegehren zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Die Klage ist nur hinsichtlich des Anfechtungsbegehrens zulässig. Der Anfechtungsantrag gegen die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags ist statthaft und ausreichend zur Erlangung des von den Klägern erstrebten Rechtsschutzziels, der erneuten Aufnahme des Verwaltungsverfahrens durch die Beklagte (BayVGH, Urteil vom 28.02.2014, Az. 13a B 13.30295 und Beschlüsse vom 23.01.2015, Az. 13a ZB 14.50071 und 02.02.2015, Az. 13a ZB 14.50068). Vor diesem Hintergrund ist auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Anfechtungsklage gegeben, weil schon die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides grundsätzlich ein weiteres Prüfprogramm der Beklagten von Gesetzes wegen auslöst.
Hinsichtlich des zusätzlich gestellten Verpflichtungsantrags ist die Klage hingegen unzulässig (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 21.10.2014, Az. RO 9 K 14.30217). In der vorliegenden besonderen Fallkonstellation besteht keine Pflicht des Verwaltungsgerichts zum „Durchentscheiden“. Wäre das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen, ginge den Klägern eine Tatsacheninstanz verloren, die nach § 24 AsylVfG mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist (BayVGH, a. a. O.). Zudem würde das Gericht nicht die Entscheidung einer vorrangig mit einer sachlichen Prüfung befassten Fachbehörde kontrollieren, sondern sich anstelle der Exekutive erstmalig selbst mit dem Antrag in der Sache befassen, was auch unter Gewaltenteilungsgesichtspunkten nicht unproblematisch erscheint. Daher ist der Verpflichtungsantrag, ohne dass es eines weiteren richterlichen Hinweises bedurfte, als unzulässig abzuweisen.
2. Soweit die Klage zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 26.01.2015 erweist sich in Nr. 1 als rechtmäßig und verletzt die Kläger auch im Übrigen nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a. Nr. 1 des angefochtenen Bescheides vom 26.01.2015 – Ablehnung der Asylanträge als unzulässig – ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen folgt das Gericht zunächst der insoweit zutreffenden Begründung im angefochtenen Bescheid und macht sie zum Gegenstand der Begründung dieser Entscheidung (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Den aus Syrien stammenden Klägern wurde in Bulgarien unstrittig die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, weshalb das Bundesamt im angefochtenen Bescheid auch (deklaratorisch) tenoriert hat, dass der Kläger nicht nach Syrien abgeschoben werden darf (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Das Bundesamt ist bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt; ein gleichwohl gestellter Asylantrag ist unzulässig (so BVerwG, U.v. 17.06.2014 – 10 C 7/13 – unter Hinweis auf Art. 33 Abs. 2 lit.a der Richtlinie 2013/32/EU-Asylverfahrensrichtlinie 2013 – juris Rn. 23 und BayVGH, B.v. 12.01.2015 – 20 ZB 14.30091 – juris Rn. 1).
Der Beklagten war es im Übrigen unbenommen, diese Tenorierung zu wählen, obwohl auch die Möglichkeit bestanden hätte, gemäß § 26a AsylVfG i. V. m. § 31 Abs. 4 AsylVfG nur festzustellen, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht.
Die Kläger sind aus Bulgarien, einem sicheren Drittstaat im Sinn von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 26a Abs. 2 AsylVfG in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Da es sich bei Bulgarien um einen sicheren Drittstaat handelt, ist aufgrund des vom Bundesverfassungsgericht zu eben dieser Drittstaatenregelung entwickelten Konzepts der normativen Vergewisserung davon auszugehen, dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist (vgl. grundsätzlich BVerwG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 u. a. – juris).
Zwar sind die Lebensbedingungen für Personen mit zuerkannter Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiärem Schutzstatus in Bulgarien nicht leicht. Weder ist aber eine Verletzung der in Art. 26 ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote erkennbar noch herrschen in Bulgarien derart handgreiflich eklatante Missstände, die die Annahme rechtfertigen, anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt und dem Kläger müsste unabweisbar Schutz gewährt werden. Eine solche Behandlung muss vielmehr ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK zu gelten. Dieses Mindestmaß erreichen die Verhältnisse, denen anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte in Bulgarien ausgesetzt sind, nicht (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 27.10.2014 – 17 L 2200/14.A – juris). Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht etwa dazu, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen. Generell reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten (vgl. EGMR, B.v. 02.04.2013 – 27725/10 – juris). Der UNHCR berichtet zwar („Bulgarien als Asylland, Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien, April 2014), dass der Zugang zu einer stabilen Beschäftigung Flüchtlingen in Bulgarien schwer fällt und es an angemessenen und erschwinglichen Unterkünften mangelt (vgl. Ziffer 2.7). Diese genannten Probleme treffen jedoch offensichtlich auf eine Vielzahl von Mitgliedsstaaten zu. Mögen sie in Bulgarien ausgeprägter sein, ist hierin jedoch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu sehen.
Das Gericht ist zwar aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel davon überzeugt, dass derzeit in Bulgarien ein wirklich vielversprechendes Integrationsprogramm für anerkannte Flüchtlinge nicht existiert. Auch die Aussagen von UNHCR (a. a. O.), von Dr. phil. V. I. („Bericht über die derzeitige, wirtschaftliche und soziale Lage anerkannter Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigter in Bulgarien“ vom 27.08.2015) sowie die Auskünfte des Auswärtigen Amtes (Auskunft an VG Stuttgart vom 23.07.2015, Az. A 13 K 1733/15), wonach die Situation der bereits anerkannten Flüchtlinge in Bulgarien in Bezug auf Wohnung, Arbeit und Sprachkurse unbefriedigend ist, macht deutlich, dass die Lage der anerkannten Schutzberechtigten in Bulgarien weiterhin prekär ist und dass die bulgarischen Behörden nicht alle Missstände beseitigt haben. So ist den genannten Unterlagen zu entnehmen, dass dieser Personenkreis durchaus auf dem freien Arbeitsmarkt Arbeit suchen und antreten kann. Dazu bedarf es jedoch einer Registrierung bei einem Jobcenter, die abhängig ist von einer Meldebestätigung, d. h. einer Unterkunft. Per Gesetz haben die international Schutzberechtigten auch Anrecht auf Sozialhilfe unter denselben Bedingungen und nach demselben Verfahren wie bulgarische Staatsbürger. Dazu bedarf es jedoch eines Ausweisdokuments (Ausweiskarte eines international Schutzberechtigten) und einer zivilen Adressregistrierung, d. h. des Nachweises einer Unterkunft. Damit ist die Teilhabe am Leben in Bulgarien (Arbeit, Unterstützung) in aller Regel abhängig vom Nachweis einer Unterkunft. Laut Gesetz steht ihnen auch das Recht auf medizinische Versorgung unter denselben Bedingungen zu wie bulgarischen Staatsangehörigen. Ist der betroffene Ausländer allerdings arbeitslos, muss er die Krankenversicherung selbst bezahlen. Um dies tun zu können, muss er erst eine „Modell 7“ Erklärung bei der örtlichen Steuerbehörde abgeben.
Ein Verstoß gegen Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union oder ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK lässt sich daraus jedoch noch nicht ableiten (vgl. VGH BW, U.v. 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 – juris Rn. 59; zu Bulgarien als sicheren Drittstaat s.a. VG Ansbach, U.v. 22.4.2015 – AN 14 K 15.50044 – juris Rn. 17 ff. u. VG Gelsenkirchen, U.v. 8.5.2015 – 18a K 3619/14.A – juris Rn. 23 ff.). Dabei darf nicht übersehen werden, dass das Unionsrecht den Betroffenen lediglich Inländergleichbehandlung (vgl. etwa Art. 26, 27, 28 Abs. 1, 29, 30 RL 2011/95/EU) oder Gleichbehandlung mit anderen sich rechtmäßig aufhaltenden Ausländern (vgl. etwa Art. 32 und 33 RL 2011/95/EU) verspricht und sie damit nur teilhaben an den schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen weiter Teile der bulgarischen Bevölkerung.
Ergänzend sei unter dem Aspekt der systemischen Mängel hinzugefügt, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinen Urteilen vom 29.01.2015, denen sich das erkennende Gericht anschließt, unter eingehender und sorgfältiger Würdigung des vorliegenden aktuellen Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie Dublin-Rückkehrern zu der Überzeugung gelangt, dass in der Gesamtschau das bulgarische Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen nicht an systematischen Schwachstellen leiden, die befürchten ließen, dass Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen werden (Az. 13 AB 14.50038 und 50039 – juris Leits. 2 und Rn. 29 bis 47 bzw. 50).
Der Bericht von Pro Asyl, April 2015 „Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien“ stützt sich im Wesentlichen auch auf die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in oben genannten Entscheidungen herangezogenen Quellen, bewertet diese jedoch (teilweise) anders. Die überzeugende Würdigung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird damit allerdings nicht in Frage gestellt (s.a. VG Düsseldorf B.v. 04.05.2015 – 15 L 947/15.A – juris Rn. 25 ff. unter Einbezug des o.g. Berichts von Pro Asyl, April 2015), zumal der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in den oben genannten Urteilen vom 29.01.2015 – insoweit in Einklang mit den Forderungen von Pro Asyl Bericht 4.2 Seite 43 – eine gesonderte Überprüfung bei besonders schützenswerten Personen vorsieht (BayVGH, 29.01.2015 a. a. O. Rn. 44 bzw. 50; vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg vom 18.03.2015, Az. A 11 S 2042/14, sowie vom 01.04.2015, Az. A 11 S 106/15; OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.01.2015, Az. 14 A 134/15.A).
Die Empfehlungen des UNHCR, bei Asylsuchenden bzw. anerkannten Schutzberechtigten mit besonderen Bedürfnissen eine Einzelfallbewertung durchzuführen, haben vorliegend auf das Ergebnis keine Auswirkung.
Nach der dem Gericht vorgelegten hausärztlichen Bescheinigung vom 06.03.2016 für die Klägerin zu 2. gehört diese aufgrund der vorgetragenen Erkrankungen nicht zu einem besonders schützenswerten Personenkreis (siehe Art. 21 der EU-Richtlinie 2013/33 vom 26.06.2013). Diese Bestätigung enthält schon keine nachvollziehbare Diagnostik und genügt auch im Übrigen nicht den höchstrichterlichen Mindestanforderungen an ein fachärztliches Attest zum Vorliegen einer PTBS: „Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatlang gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist.“ (Bundesverwaltungsgericht U.v. 11.2.2007 – 10 C 8/07 – juris Rn. 15). Qualifizierte ärztliche Bescheinigungen fordert auch der seit 17.03.2016 gültige § 60a Abs. 2b AufenthG.
Soweit der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, seit neun Monaten habe kein Neurologen-Termin erlangt werden können, vermag das – auch angesichts der Asylantragstellung am 26.05.2014 – nicht zu erklären, warum das vorgelegte hausärztliche Attest derart vage bleibt und weder die Indikation für die Betreuung durch einen Nervenfacharzt, noch die „regelmäßige Einnahme von Medikamenten“ auch nur ansatzweise konkretisiert. Ein medizinisch unabweisbarer Behandlungsbedarf, dem überdies das Gesundheitssystem in Bulgarien erforderlichenfalls nicht gewachsen wäre, erschließt sich daraus nicht. In diesem Zusammenhang ist auch auf die seit 17.03.2016 gültige Neuregelung in § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG hinzuweisen, wonach es nicht erforderlich ist, dass die medizinische Versorgung im Zielland mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist.
Auch das Vorbringen der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2016 erlaubt es dem Gericht nicht, bei dieser Familie von einem im normativen Vergewisserungskonzept betreffend das Unionsmitglied Bulgarien als sicherem Drittstaat nicht aufgegangenen Sonderfall auszugehen. Im Kern machen die Kläger zu 1. und 2. geltend, dass sie die Lebensbedingungen in Bulgarien für sich und ihre Kinder als (zu) schlecht empfinden; sie wollten von Anfang an – nur – nach Deutschland, weil sie hier Familienangehörige haben und gerade auch für ihre Kinder gute Bildungs- und Lebenschancen sehen. So sehr dieses Vorbringen menschlich nachvollziehbar ist, so wenig gibt es dem Gericht eine Handhabe, die Familie der Kläger angesichts des von der Republik Bulgarien zuerkannten Flüchtlingsschutzes als humanitären Sonderfall einzustufen.
Dass syrische Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland Verwandte haben, ist eher der Regel- als der Ausnahmefall. Ebenso bevorzugen syrische Flüchtlinge regelmäßig die Bundesrepublik Deutschland als Zielland in Europa, gerade weil sie großen Wert auf die Zukunft ihrer Kinder legen.
Dass das Niveau der sozialen Leistungen und die Lebensbedingungen in Bulgarien insgesamt nicht denen in der Bundesrepublik Deutschland entsprechen, vermag auf der Hand liegend ebenfalls keinen humanitären Sonderfall zu begründen. Die Lebensbedingungen in der Europäischen Union sind teilweise massiv uneinheitlich und deshalb umfasst Flüchtlingsschutz notwendig auch (nur) die Teilhabe an den Lebensbedingungen der „Einheimischen.“ Die Lebensfähigkeit und Lebenstüchtigkeit der Kläger in Bulgarien ist im Übrigen schon dadurch dokumentiert, dass sie auf dem privaten Wohnungsmarkt eine Wohnung in Sofia erlangt haben. Wie ihre Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung zu Recht hervorgehoben hat, ist der Zugang zu staatlichen Leistungen in Bulgarien an die Wohnsitznahme geknüpft.
Ergänzend und ohne dass es für diese Entscheidung noch darauf ankäme, ist hinzuzufügen: Am Wunsch und besten Willen der Kläger zur Integration in die bundesdeutsche Gesellschaft kann kein Zweifel bestehen. Sie bringen offenbar alle guten Voraussetzungen dafür mit. Die Entscheidung des Gerichts darf diesen Aspekt – wie auch in der mündlichen Verhandlung mehrfach erläutert – jedoch bei dieser Entscheidung nicht berücksichtigen.
b. Die Abschiebungsandrohung Nr. 2 des angefochtenen Bescheides vom 26.01.2015 ist rechtswidrig.
Die Ablehnung des Asylantrags der Kläger ist hier zwar gerade nicht auf die Einreise aus einem sicheren Drittstaat im Sinne von § 26a AsylG, sondern auf den Schutzstatus als Flüchtling in einem sicheren Drittstaat gestützt worden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof kommt aber in seinem Beschluss vom 05.10.2015 (Az. 21 ZB 15.30178 – juris Rn. 2 ff.) offenbar auch für diesen Fall zu der Schlussfolgerung, dass – wegen der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat gem. § 26a AsylG – gem. § 34a Abs. 1 AsylG eine Abschiebungsanordnung „zwingend“ zu erlassen ist (s.a. BVerwG, B.v. 23.10.2015 – 1 B 41/15 – juris, wonach Abschiebungsanordnung und Abschiebungsandrohung keine teilidentischen Vollstreckungsmaßnahmen darstellen).
Dies führt indes nicht zur Aufhebung der Abschiebungsandrohung in Nr. 2 des angefochtenen Bescheides vom 26.01.2015, weil eine Rechtsverletzung der Kläger durch den – rechtswidrigen – Ausspruch einer Abschiebungsandrohung statt einer Abschiebungsanordnung nicht ersichtlich ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 05.10.2015 (a. a. O. Rn. 16) zitierten Regelungswillen des Gesetzgebers, „von einer Abschiebungsandrohung abzusehen, weil eine Rückführung in den Drittstaat regelmäßig nur kurzfristig durchgeführt werden kann und die Möglichkeit einer freiwilligen Rückreise in den Drittstaat im Allgemeinen nicht besteht (vgl. BT-Drs. 12/4450 Begr. S 23)“, kann eine drittschützende Wirkung nicht entnommen werden, zumal bei Abschiebungshindernissen, die sich erst nach der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsanordnung ergeben, ohnehin ggf. – weiterer – Eilrechtsschutz veranlasst ist (etwa entgegen VG Ansbach U.v. 7.10.2015 – AN 11 K 15.50067 – juris Rn. 35).
Das in § 34a AsylG normierte Erfordernis, dass die Anordnung einer Abschiebung in einen sicheren Drittstaat deren rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit voraussetzt (s. dazu BayVGH, B.v. 12.03.2014 – 10 CE 14.427 – juris Rn. 4), ist ersichtlich der Zielsetzung der Sonderregelung geschuldet, wonach eine Rückführung in „allernächster Zeit“ nach Erlass der Abschiebungsanordnung erfolgen soll (s. Funke – Kaiser, Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, Lose Blatt, Bd. 2, Rn. 20 zu § 34a), was bei einer Abschiebungsandrohung gemäß §§ 34, 38 AsylG mit einer Ausreisefrist von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens gerade nicht der Fall ist. Diese Ausreisefrist beinhaltet zugunsten des Klägers insbesondere auch die aufschiebende Wirkung seiner Klage (§ 38 Abs. 1 i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG), weshalb ein diesbezüglicher Ausspruch in einem Eilverfahren nicht vonnöten war.
Im Kern ist hinsichtlich der – fehlenden – Rechtsverletzung jedoch darauf abzustellen, dass auch im Rahmen der ausgesprochenen Abschiebungsandrohung ohne jegliche qualitative Abstriche sichergestellt ist, dass eine Abschiebung der Kläger zwingend erst und nur dann erfolgen kann, wenn die Rückübernahme der Kläger aufgrund des Rückübernahmeabkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Bulgarien vom 01.02.2006 sichergestellt ist und auch ansonsten (keine inlandsbezogenen) Abschiebungshindernisse vorliegen.
Dass die Kläger insofern nur aufgrund der Prüfungszuständigkeit der Ausländerbehörde in ihren Rechten verletzt wären, erschließt sich nicht, denn die Ausländerbehörden sind ohnehin in jeden Abschiebungsvorgang in direktem örtlichen Kontakt eingebunden und verfügen über die maßgebenden Informationen zu den individuellen Verhältnissen der Abzuschiebenden.
Die Klage war sonach insgesamt abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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