Verwaltungsrecht

Keine Untätigkeitsbeschwerde im Verwaltungsrecht

Aktenzeichen  4 C 16.635

Datum:
7.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 45,§ 123 Abs. 2 S. 1,§ 146 Abs. 1 S. 1, § 173 S. 1
GVG GVG § 198

 

Leitsatz

1 Beschwerden an das Oberverwaltungsgericht können gemäß § 146 Abs. 1 VwGO nur gegen verwaltungsgerichtliche „Entscheidungen“ erhoben werden. In dem bloßen Unterlassen gerichtlichen Handelns, insbesondere in dem Nichterlass eines Urteils oder Beschlusses, liegt noch keine (konkludente) Entscheidung, gegen die eine Beschwerde erhoben werden könnte. Eine „Untätigkeitsbeschwerde“ sieht die Verwaltungsgerichtsordnung nicht vor. (redaktioneller Leitsatz)
2 Gegen das Nichthandeln eines Gerichts kann nur die Verzögerungsrüge und nachfolgend Entschädigungsklage (§ 198 GVG) erhoben werden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

22 K 14.3755 2015-10-15 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

1. Die Beschwerde des Klägers wird verworfen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.Mit der über seinen Prozessbevollmächtigten am 29. März 2016 unmittelbar beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde „wegen Verfahrensverschleppung und Rechtsverweigerung“ begehrt der Kläger in dem beim Verwaltungsgericht München unter dem Aktenzeichen M 22 K 14.3755 anhängigen Hauptsacheverfahren „a) die sofortige einstweilige Anordnung, b) die sofortige Unterbringung des Klägers mit seiner Ehefrau in dem Charlotte-von-Kirchheim-Wohnheim bis zum Bezug der begehrten Wohnung am Einlass 3, c) einen unverzögerten Gerichtsbescheid“. Unverständlich sei die Verweisung des Verwaltungsstreitverfahrens durch das Bayerische Verwaltungsgericht an das unzuständige Landgericht München I, trotz des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Dezember 2015, Az. 4 C 15.2471.
Aus den beigezogenen Verfahrensakten des Verwaltungsgerichts München ergibt sich, dass der Kläger dort zusätzlich zu der auf Zurverfügungstellung einer Wohnung in der Corneliusstraße 2 gerichteten Klage (Az. 22 M K 14.3755) am 21. Januar 2016 auch einen Eilantrag gestellt hat mit dem Ziel, die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Wohnung in dem demnächst bezugsfertigen Neubau Am Einlass 3 zur Verfügung zu stellen (Az. M 22 E 16.291). Über beide Rechtsschutzbegehren ist bisher nicht entschieden worden.
II. 1. Der als „Beschwerde“ bezeichnete Rechtsbehelf ist unzulässig; die Anträge können auch nicht in ein zulässiges Rechtsschutzbegehren umgedeutet werden.
a. Soweit der Kläger dem Verwaltungsgericht in der seit August 2014 anhängigen Verwaltungsstreitsache „Verfahrensverschleppung und Rechtsverweigerung“ vorwirft und mit dem auf einen „unverzögerten Gerichtsbescheid“ gerichteten Antrag c) eine unverzügliche erstinstanzliche Hauptsacheentscheidung herbeiführen will, ist die Beschwerde unstatthaft. Beschwerden an das Oberverwaltungsgericht bzw. den Verwaltungsgerichtshof können gemäß § 146 Abs. 1 VwGO nur gegen verwaltungsgerichtliche „Entscheidungen“ erhoben werden. In dem bloßen Unterlassen eines beantragten oder im Gesetz geforderten gerichtlichen Handelns, insbesondere in dem Nichterlass eines Urteils oder Beschlusses, liegt noch keine (konkludente) Entscheidung, gegen die eine Beschwerde erhoben werden könnte. Eine „Untätigkeitsbeschwerde“ sieht die Verwaltungsgerichtsordnung nicht vor; sie ist auch weder von Verfassungs wegen noch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention geboten (BVerwG, B. v. 30.1.2003 – 3 B 8/03 – NVwZ 2003, 869; BayVGH, B. v. 8.1.2013 – 3 C 11/1707 – juris Rn. 3; Jeromin in Gärditz, VwGO, 2013, § 146 Rn. 14; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 146 Rn. 9 ff.). Gegen das Nichthandeln eines Gerichts kann sich ein Verfahrensbeteiligter nach geltendem Recht vielmehr nur im Rahmen von § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 198 ff. GVG mittels einer Verzögerungsrüge und einer evtl. nachfolgenden Entschädigungsklage zur Wehr setzen. Einen solchen Rechtsbehelf, der sich auf die Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens bezieht, hat der Kläger hier aber ersichtlich nicht eingelegt bzw. einlegen wollen.
b. Soweit mit dem auf „sofortige einstweilige Anordnung“ (Antrag a) und auf „sofortige Unterbringung des Klägers mit seiner Ehefrau in dem Charlotte-von-Kirchheim-Wohnheim bis zum Bezug der begehrten Wohnung am Einlass 3“ (Antrag b) gerichteten Begehren ebenfalls lediglich das Unterlassen einer beantragten (Eilrechtsschutz-)Entscheidung des Verwaltungsgerichts in den dort anhängigen Verfahren gerügt wird, gilt hinsichtlich der fehlenden Statthaftigkeit der Beschwerde das unter a. Gesagte entsprechend. Sollten die genannten Anträge dagegen so zu verstehen sein, dass der Kläger sich mit seinen Eilrechtsschutzbegehren (nunmehr) unmittelbar an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wendet und von ihm eine Regelungsanordnung nach § 123 VwGO fordert, wäre ein solcher Antrag mangels instanzieller Zuständigkeit unzulässig. Denn für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO das Gericht der Hauptsache zuständig; dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht (§ 123 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Für die Entscheidung über etwaige Eilanträge ist im vorliegenden Fall daher allein das Verwaltungsgericht zuständig, bei dem die zugehörigen Hauptsacheverfahren erstinstanzlich anhängig sind bzw. anhängig gemacht werden müssten (§ 45 VwGO).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da bei Verwerfung von im Kostenverzeichnis Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz nicht besonders aufgeführten Beschwerden nach der dortigen Nr. 5502 eine Festgebühr von 60,00 Euro anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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