Verwaltungsrecht

Keine Verletzung des Art. 3 EMRK bei Abschiebung einer Familie mit einem Kleinkind in die Türkei

Aktenzeichen  Au 6 K 18.31132

Datum:
25.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17134
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Ein Kleinkind, das zusammen mit den erwachsenen, gesunden und erwerbsfähigen Eltern in die Türkei abgeschoben wird, wird keiner besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt sein, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass seine elementarsten Bedürfnisse im Sinne eines absoluten Existenzminimums nicht gesichert wären. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Asyl, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf die Gewährung subsidiären Schutzes oder auf Feststellung eines Abschiebungsverbots (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 7. Juni 2018 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
1. Die Klägerin hat mangels Vorverfolgung in eigener Person keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG sowie mangels entsprechender Schutzzuerkennung für ihre Eltern auch keinen Anspruch auf Familienflüchtlingsschutz nach § 26 Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 AsylG. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil dort verwiesen (vgl. VG Augsburg, U.v. 25.7.2018 – Au 6 K 17.34920).
2. Die Klägerin hat aus denselben Gründen wie ihre Eltern auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG oder auf entsprechenden Familienschutz nach § 26 Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 AsylG. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil dort verwiesen (vgl. VG Augsburg, U.v. 25.7.2018 – Au 6 K 17.34920).
3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Auf den Bescheid des Bundesamts wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
a) Der Klägerin steht kein Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Dies ist auch der Fall, wenn es dem Betroffenen nicht (mehr) gelingen würde, seine elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen (vgl. BayVGH, U.v. 21.25.2014 – 13a B 14.30285 – Asylmagazin 2015, 197) und die aus zu erwartenden schwierigen Lebensbedingungen resultierenden Gefährdungen im Einzelfall eine solche Intensität aufweisen, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist.
Hier liegen diese besonders strengen Voraussetzungen nicht vor, denn die erwachsenen, gesunden und erwerbsfähigen Eltern der Klägerin würden mit ihrer gesamten Familie im Fall ihrer Abschiebung in die Türkei keiner besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt sein, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass ihre elementarsten Bedürfnisse im Sinne eines absoluten Existenzminimums nicht gesichert wären. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil dort verwiesen (vgl. VG Augsburg, U.v. 25.7.2018 – Au 6 K 17.34920). Individuelle gefahrerhöhende Umstände sind für die Klägerin weder ersichtlich noch geltend gemacht.
b) Ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG wegen einer zielstaatsbezogenen erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen, die eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung voraussetzt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, liegt im Fall der Klägerin ebenfalls nicht vor.
4. Nachdem sich auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG – mangels gegenläufiger schutzwürdiger Belange der Klägerin – als rechtmäßig erweist, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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