Verwaltungsrecht

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für einen türkischen Kurden

Aktenzeichen  Au 6 K 17.34205

Datum:
19.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 31156
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1. Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist, gilt einheitlich der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr (“real Risk”), der demjenigen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Gruppenverfolgung allein wegen einer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden ist in der Türkei nicht zu befürchten. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. In der Türkei droht keine Verfolgung im Sinne des § 3 i. V. m. § 3a Abs. 2 AsylG in Gestalt einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf die Gewährung subsidiären Schutzes oder auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 31. Juli 2017 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet.
Im Einzelnen sind definiert die Verfolgungshandlungen in § 3a AsylG, die Verfolgungsgründe in § 3b AsylG und die Akteure, von denen eine Verfolgung ausgehen kann bzw. die Schutz bieten können, in §§ 3c, 3d AsylG. Einem Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, der nicht den Ausschlusstatbeständen nach § 3 Abs. 2 AsylG oder nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG unterfällt oder der den in § 3 Abs. 3 AsylG bezeichneten anderweitigen Schutzumfang genießt, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 Abs. 4 AsylG). Als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Zwischen den Verfolgungsgründen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m. § 3b AsylG) und den Verfolgungshandlungen – den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen, § 3a AsylG – muss für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Eine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist, gilt einheitlich der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“), der demjenigen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – juris) entspricht.
Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassen-den Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32).
Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU in Form einer widerlegbaren Vermutung ist im Asylerstverfahren zu beachten, wenn der Antragsteller frühere Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen mit Verfolgung als Anhaltspunkt für die Begründetheit seiner Furcht geltend macht, dass sich die Verfolgung im Falle der Rückkehr in das Heimatland wiederholen werde. Die solchen früheren Handlungen oder Bedrohungen nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU zukommende Beweiskraft ist von den zuständigen Behörden unter der sich aus Art. 9 Abs. 3 QRL ergebenden Voraussetzung zu berücksichtigen, dass diese Handlungen oder Bedrohungen eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen, den der Betreffende für seinen Antrag auf Schutz geltend macht (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 6.7.2012 – 10 B 18/12 – juris Rn. 5 unter Bezugnahme auf EuGH, U.v. 2.3.2010 – Rs. C-175/08 u.a. – juris Rn. 93; BVerwG, U.v. 5.5.2009 – 10 C 21/08 – juris Rn. 25). Die vorgenannte Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – BVerwGE 136, 377/382 Rn. 18) droht.
Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen (Nr. 1), vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden (Nr. 2), oder den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat (Nr. 3). Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AsylG).
Es ist Sache des Schutzsuchenden, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich Flüchtlinge insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Verfolgerland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
a) Die politische Lage in der Türkei stellt sich derzeit wie folgt dar:
Die Türkei ist nach ihrer Verfassung eine parlamentarische Republik und ein demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat und besonders den Grundsätzen des Staatsgründers Mustafa Kemal („Atatürk“) verpflichtet. Der – im Jahr 2014 erstmals direkt vom Volk gewählte – Staatspräsident hatte eine eher repräsentative Funktion; die Regierungsgeschäfte führte der Ministerpräsident. Durch die Verfassungsänderungen des Jahres 2018 ist die Türkei in eine Präsidialrepublik umgewandelt worden, in welcher Staats- und Regierungschef personenidentisch sind: Staatspräsidenten Erdoğan (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich – im Folgenden: BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 6 f. m.w.N.).
Im Parlament besteht von Verfassungs wegen ein Mehrparteiensystem, in welchem die seit dem Jahr 2002 regierende „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung“ (AKP) des früheren Ministerpräsidenten und heutigen Staatspräsidenten Erdoğan die zahlenstärkste Fraktion darstellt. Die heutige Parteienlandschaft in der Türkei ist geprägt von drei Faktoren, die sich gegenseitig verstärken: Erstens herrschen zwischen den Parteien relativ stabile Größenverhältnisse in der Relation 4 zu 2 zu 1. Die AKP ist stets unangefochten stärkste Kraft. Mit klarem Abstand folgt die CHP, die in der Regel halb so viele Stimmen bekommt wie die AKP, und darauf die MHP mit wiederum circa der Hälfte der Stimmen der CHP. Die pro-kurdische Partei der Demokratie der Völker (HDP) hat sich erst in den letzten Jahren dauerhaft etabliert. Zweitens sind die Wähler von drei der genannten Parteien relativ klar abgegrenzten Milieus zuzuordnen, die sich nicht nur nach ethno-kulturellen Zugehörigkeiten unterscheiden lassen, sondern auch nach divergierenden Lebensstilen sowie schichten-spezifischen sozialen und wirtschaftlichen Lagen. Die AKP stützt sich primär auf eine türkisch-national empfindende und ausgeprägt religiöse Wählerschaft mit konservativer Sittlichkeit und traditionellem Lebensstil, die eher den unteren Einkommens- und Bildungsschichten zuzurechnen ist. Die CHP dagegen vertritt die türkisch-säkularen Schichten höheren Bildungsgrades mit einem europäischen Lebensstil und durchschnittlich deutlich höheren Einkommen. Ob im Hinblick auf Schicht oder Bildung, Modernität oder Konservatismus: Die MHP steht zwischen den beiden größeren Parteien. Charakteristisch für sie ist ein stark ethnisch gefärbter türkischer Nationalismus, der sich in erster Linie als bedingungslose Identifikation mit dem Staat und als starke Ablehnung kurdischer Identität äußert. Die HDP gibt sich als linke Alternative, wird jedoch generell als die Partei der kurdischen Bewegung wahrgenommen. Mehr noch als bei den anderen Parteien ist die ethnisch-nationale Komponente für die Zugehörigkeit ihrer Anhängerschaft bestimmend. Drittens verfügen drei der genannten Parteien über geographische Stammregionen mit einem eigenen Milieu. So ist die AKP in allen Landesteilen stark vertreten, hat aber ihr Stammgebiet in Zentralanatolien und an der Schwarzmeerküste. Die CHP hat an den Küsten der Ägäis und in zweiter Linie in Thrazien und am Mittelmeer großen Rückhalt; die HDP hingegen in den primär kurdisch besiedelten Regionen. Die klare Aufteilung folgt auch der wirtschaftlichen Entwicklung der Stammregionen, denn die CHP reüssiert in den ökonomisch am stärksten entwickelten Regionen, die keine oder nur wenig staatliche Förderung benötigen. Die AKP vertritt die immer noch eher provinziell geprägten Gebiete, die auf staatliche Infrastrukturleistungen und Investitionen angewiesen sind. Die HDP ist in den kurdischen besiedelten Gebieten zuhause, die als Schauplatz des türkisch-kurdischen Konflikts (dazu unten) besonders unterentwickelt sind. Wahlergebnisse in der Türkei bilden deshalb nicht primär Verteilungskonflikte ab, sondern Identitäten ihrer Wähler: In den europäischen Ländern, die türkische Arbeitsmigranten aufgenommen haben, stimmten weit über 60 Prozent für Erdoğan und seine AKP; dagegen votierten in den USA, wo sich die türkische Migration aus Akademikern und anderen Angehörigen der Mittelschicht zusammensetzt, weniger als 20 Prozent für die AKP (zum Ganzen Stiftung Wissenschaft und Politik – SWP, Die Türkei nach den Wahlen: Alles wie gehabt und doch tiefgreifend anders, S. 2 f., www.swp-berlin.org).
In der Wahl vom 1. November 2015 errang die AKP zwar 49,5% der Stimmen, verfehlte aber die für eine Verfassungsänderung notwendige 2/3- bzw. 3/5-Mehrheit (mit anschließendem Referendum). Innenpolitisches Anliegen Erdoğans war der o.g. Systemwechsel hin zu einem exekutiven Präsidialsystem, was eine Verfassungsänderung voraussetzte. Nach dem Putschversuch im Juli 2016 (dazu sogleich) hat die AKP Anfang Dezember 2016 einen Entwurf zur Verfassungsänderung hin zu einem solchen Präsidialsystem ins Parlament eingebracht, das dieses Gesetz mit der für ein Referendum erforderlichen 3/5-Mehrheit beschloss. Das Verfassungsreferendum vom 16. April 2017 erreichte die erforderliche Mehrheit; mittlerweile wurde das bislang geltende Verbot für den Staatspräsidenten, keiner Partei anzugehören, aufgehoben; Staatspräsident Erdoğan ist seit Mai 2017 auch wieder Parteivorsitzender der AKP. In der vorverlegten Präsidentschaftswahl vom 24. Juni 2018 hat er die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen können; auch die regierende AKP errang bei der Parlamentswahl mit 42,5% der Stimmen die relative Mehrheit und zusammen mit den 11,2% Stimmenanteil der mit ihr verbündeten MHP auch die Mehrheit der Parlamentssitze (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 14.6.2019, S. 5, 7 f. – im Folgenden: Lagebericht; BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 6 f.).
Durch die damit abgeschlossene Verfassungsänderung wurde Staatspräsident Erdoğan zugleich Regierungschef, denn das Amt des Ministerpräsidenten entfällt. Ohne parlamentarische Mitsprache ernennt und entlässt der Staatspräsident die Regierungsmitglieder, kann Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen und vier der 13 Mitglieder im Rat der Richter und Staatsanwälte (HSK) ernennen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 7; Lagebericht ebenda S. 7).
In der Nacht vom 15./16. Juli 2016 fand in der Türkei ein Putschversuch von Teilen des Militärs gegen Staatspräsident Erdoğan statt, dem sich auf Aufrufe der AKP hin viele Bürger entgegen stellten und der innerhalb weniger Stunden durch regierungstreue Militärs und Sicherheitskräfte niedergeschlagen wurde. Staatspräsident Erdoğan und die Regierung machten den seit dem Jahr 1999 im Exil in den USA lebenden islamischen Prediger Fethullah Gülen und dessen bis dahin vor allem für ihr Engagement in der Bildung und in der humanitären Hilfe bekannte Gülen-Bewegung (zu ihrer Entwicklung Lagebericht ebenda S. 4 f.; BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 12 f.) für den Putsch verantwortlich. Diese wurde als terroristische Organisation eingestuft und ihre echten oder mutmaßlichen Anhänger im Zuge einer „Säuberung“, die sich auch auf Anhänger der verbotenen „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) erstreckte, mit einer Verhaftungswelle überzogen. Gegen ca. 511.646 Personen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet, über 30.000 Personen befinden sich in Haft, darunter fast 20.000 Personen auf Grund von Verurteilungen. Über 154.000 Beamte und Lehrer an Privatschulen wurden vom Dienst suspendiert bzw. aus dem Militärdienst entlassen. Flankiert wurden diese Maßnahmen durch die Ausrufung des Ausnahmezustands (Notstand), welcher der Exekutive erhebliche Handlungsvollmachten einräumte, mehrfach verlängert wurde und zwar am 19. Juli 2018 auslief, aber in einigen Bereichen in dauerhaft geltendes Recht überführt wurde (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 14.6.2019, S. 4 f. – im Folgenden: Lagebericht; Zahlen auch bei Kamil Taylan, Gutachten an das VG Karlsruhe vom 13.1.2017, S. 5, 7; BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 9, 15, 31). Zu diesen Regelungen gehören insbesondere die Ermächtigung der Gouverneure, Ausgangssperren zu verhängen, Demonstrationen und Kundgebungen zu verbieten, Vereine zu schließen sowie Personen und private Kommunikation intensiver zu überwachen (vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik – SWP, Die Türkei nach den Wahlen: Alles wie gehabt und doch tiefgreifend anders, S. 8, www.swp-berlin.org; BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 8).
Als Sicherheitsorgane werden die Polizei in den Städten, die Jandarma am Stadtrand und in den ländlichen Gebieten sowie der Geheimdienst (MIT) landesweit tätig; das Militär ging in den vergangenen Jahren seiner staatlichen Sonderrolle mit einer de-facto-Autonomie gegenüber parlamentarischer Kontrolle als Hüter kemalistischer Grundsätze verlustig (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 14.6.2019, S. 9) und dem Verteidigungsminister als ziviler Instanz unterstellt mit der zusätzlichen Befugnis des Staatspräsidenten, den Kommandeuren der Teilstreitkräfte direkt Befehle zu erteilen (BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 28). Durch die „Säuberungen“ in Folge des Putsches wurde sein innenpolitisches Gewicht gemindert und durch den Einmarsch in den grenznahen Gebieten Syriens wurden seine Kapazitäten nach außen gelenkt.
Neben dem Putschversuch im Juli 2016 prägt der Kurdenkonflikt die innenpolitische Situation in der Türkei, in welchem der PKK zugehörige oder von türkischen Behörden und Gerichten ihr zugerechnete Personen erheblichen Repressalien ausgesetzt sind (vgl. dazu unten). Die PKK (auch KADEK oder KONGRA-GEL genannt) ist in der Europäischen Union als Terrororganisation gelistet (vgl. Rat der Europäischen Union, B.v. 4.8.2017 – (GASP) 2017/1426, Anhang Nr. II. 12, ABl. L 204/95 f.) und unterliegt seit 1993 in der Bundesrepublik Deutschland einem Betätigungsverbot; ihre Anhängerzahl wird hier auf rund 14.000 Personen geschätzt (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, www.verfassungsschutz.de/de/ arbeitsfelder/af-auslaenderextremismus-ohne-islamismus/was-ist-auslaenderextremismus/ arbeiterpartei-kurdistans-pkk, Abfrage vom 26.4.2018). Die PKK wird als die schlagkräftigste ausländerextremistische Organisation in Deutschland eingestuft; sie sei in der Lage, Personen weit über den Kreis der Anhängerschaft hinaus zu mobilisieren. Trotz weitgehend störungsfrei verlaufender Veranstaltungen in Europa bleibe Gewalt eine Option der PKK-Ideologie, was sich nicht zuletzt durch in Deutschland durchgeführte Rekrutierungen für die Guerillaeinheiten zeige (Bundesamt für Verfassungsschutz, ebenda).
b) Eine Gruppenverfolgung allein wegen einer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden hat der Kläger nicht zu befürchten. Er gehört zu einer weit verbreiteten Bevölkerungsgruppe in der Türkei; Anhaltspunkte für eine staatliche oder staatlich geduldete Gruppenverfolgung ethnischer Kurden liegen nicht vor.
Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt voraus, dass entweder sichere Anhaltspunkte für ein an asylerhebliche Merkmale anknüpfendes staatliches Verfolgungsprogramm oder für eine bestimmte Verfolgungsdichte vorliegen, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.
Kurdische Volkszugehörige zählen etwa 13 Mio. bis 15 Mio. Menschen auf dem Gebiet der Türkei und stellen noch vor Kaukasiern und Roma die größte Minderheit in der Bevölkerung der Türkei (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 14.6.2019, S. 12 f. – im Folgenden: Lagebericht); sie unterliegen demnach aufgrund ihrer Abstammung keinen staatlichen Repressionen, zumal aus den Ausweispapieren in der Regel – sofern keine spezifisch kurdischen Vornamen geführt werden – nicht hervorgeht, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 3.8.2018, S. 15). Der private Gebrauch der in der Türkei gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmandschi und des weniger verbreiteten Zaza ist in Wort und Schrift keinen Restriktionen ausgesetzt, der amtliche Gebrauch ist allerdings eingeschränkt. Unterricht in kurdischer Sprache an öffentlichen Schulen war bis 2012 nicht erlaubt und wurde seither stufenweise bei entsprechender Nachfrage erlaubt; Dörfer im Südosten können ihre kurdischen Namen zurückerhalten. Die verfassungsrechtliche Festschreibung von Türkisch als einziger Nationalsprache bleibt jedoch erhalten und erschwert die Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen durch Kurden und Angehörige anderer Minderheiten, für die Türkisch nicht Muttersprache ist (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 14.6.2019, S. 13; BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 68). Seit der Verhängung des Notstands aber hat sich die Lage verändert: Zwei Drittel der per Notstandsdekret geschlossenen Medien sind kurdische Zeitungen, Onlineportale, Radio- und Fernsehsender, darunter auch IMC TV und die Tageszeitung „Özgür Gündem“ unter dem Vorwurf, „Sprachrohr der PKK“ zu sein (vgl. Lagebericht vom 3.8.2018, S. 15).
Kurdische Volkszugehörige unterliegen damit in der Türkei zwar einer gewissen Diskriminierung. Es fehlt aber jedenfalls an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen kritischen Verfolgungsdichte (vgl. zur Gruppenverfolgung BVerfG, B.v. 23.1.1991 – 2 BvR 902/85, 2 BvR 515/89, 2 BvR 1827/89 – BVerfGE 83, 216 m.w.N.; BVerwG, B.v. 24.2.2015 – 1 B 31/14 – juris). Das Gericht geht aufgrund der vorliegenden und ins Verfahren eingeführten Erkenntnismittel davon aus, dass eine Verfolgung kurdischer türkischer Staatsangehöriger jedenfalls nicht die von der Rechtsprechung verlangte Verfolgungsdichte aufweist, die zu einer Gruppenverfolgung und damit der Verfolgung eines jeden Mitglieds führt (im Ergebnis wie hier VG Aachen, U.v. 5.3.2018 – 6 K 3554/17.A – juris Rn. 51 m.w.N.). Unabhängig davon steht Kurden in der Westtürkei trotz der auch dort problematischen Sicherheitslage und der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen eine inländische Fluchtalternative offen (vgl. SächsOVG, U.v. 7.4.2016 – 3 A 557/13.A; BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 9 ZB 14.30399, alle juris). Sie können den Wohnort innerhalb des Landes wechseln und so insbesondere in Ballungsräumen in der Westtürkei eine in der Südosttürkei auf Grund der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und PKK etwa höhere Gefährdung verringern. Keine Ausweichmöglichkeiten hingegen bestehen, soweit eine Person Ziel behördlicher oder justizieller Maßnahmen wird, da die türkischen Sicherheitskräfte auf das gesamte Staatsgebiet Zugriff haben (Lagebericht ebenda S. 20).
Dies gilt auch für den nicht ortsgebundenen Kläger. Er schilderte in seiner Anhörung Diskriminierungen durch andere Privatpersonen aber keine Anhaltspunkte für eine systematische Gruppenverfolgung.
c) Eine individuelle Verfolgung wegen einer Zugehörigkeit/Zurechnung zur PKK oder HDP hat der Kläger nicht zu befürchten.
aa) Dem Kläger droht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung wegen einer Zugehörigkeit/Zurechnung zur PKK.
Eine weitere Gruppe, die staatlichen Nachstellungen ausgesetzt ist, sind Personen, denen eine Nähe zur kurdischen „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) vorgeworfen wird (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 14.6.2019, S. 6, 10 f. – im Folgenden: Lagebericht). Seit Sommer 2015 war die Türkei Ziel terroristischer Anschläge, welche seitens der türkischen Regierung u.a. der PKK zur Last gelegt wurden und Vorwand boten, den zwischen der Regierung und PKK-Chef Öcalan zur Beendigung des seit den 80er Jahren blutig ausgefochtenen Konflikts um eine kurdische Autonomie (zur Vorgeschichte und Entwicklung der PKK vgl. BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, Stand: 21.8.2019, S. 22 ff. m.w.N.) erfolgversprechend eingeleiteten Befriedungsprozess mit der PKK abzubrechen. Flankiert von einem nationalistisch ideologisierten Kurs geht die Türkei bedingungslos gegen die PKK vor und nutzt den Vorwurf des Terrorismus auch für weitergehende Freiheitsbeschränkungen und Repressalien. Der seit Juli 2015 nach – der PKK zugeschriebenen – Attentaten wieder militärisch ausgefochtene Konflikt zwischen Sicherheitskräften und PKK forderte erhebliche Opfer auf beiden Seiten sowie unter Zivilisten (vgl. AI, Amnesty Report Türkei 2016, S. 1). Schwere Waffen wie Panzer und Artillerie sollen dabei sogar in Wohngebieten eingesetzt worden und nach Informationen der Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) 321 Zivilpersonen getötet worden sein (vgl. AI, Auskunft an das VG Magdeburg vom 1.3.2018, S. 2; dazu auch Kamil Taylan, Gutachten an das VG Magdeburg vom 5.11.2017, S. 2 ff.). Neben Angriffen türkischer Sicherheitsorgane auf Stellungen der PKK im Südosten der Türkei kam es dort auch in Städten zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Armee einerseits und Mitgliedern der PKK-Jugendorganisation andererseits (vgl. AI, Amnesty Report Türkei 2016, S. 1, 2). Mittlerweile hat die Intensität der Kämpfe auf türkischem Territorium seit Spätsommer 2016 deutlich nachgelassen (BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, Stand: 21.8.2019, S. 15 a.E.).
Gefangene und verwundete Kämpfer der PKK werden in staatlichen Krankenhäusern behandelt und 24 Stunden von Polizisten oder Personal der türkischen Streitkräfte bewacht; eine Flucht aus dem Krankenhauszimmer ist daher sehr schwierig, aber im Einzelfall nicht ausgeschlossen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21.8.2019 an das VG Augsburg zu Frage 4).
Auf im Ausland begangene Straftaten türkischer Staatsangehöriger, die gegen die Verfassungsordnung oder ihre Funktionsfähigkeit gerichtet sind (Art. 309 bis Art. 316 tStGB), findet nach Art. 13 tStGB türkisches Recht Anwendung. Sollte die Tat im Namen einer Terrororganisation begangen worden sein, würde der Strafvorwurf auf „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ und „Sachbeschädigung“ lauten. Eine im Ausland begangene Straftat kann nach türkischem Recht verfolgt werden, wenn die Tat im türkischen Recht mit einer Strafe von mindestens einem Jahr geahndet wird, der Straftäter sich in der Türkei aufhält und im Ausland wegen dieser Straftat kein Urteil ergangen ist (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21.8.2019 an das VG Augsburg zu Frage 6a zu einem in Deutschland begangenen Brandanschlag auf eine türkische Auslandseinrichtung).
Bei einer Verurteilung wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ greifen Art. 5 i.V.m. Art. 314 Abs. 2 TStGB und beträgt das Strafmaß 5 bis 10 Jahre Freiheitsstrafe; häufig werde in der Türkei die Mindeststrafe angewandt, so dass es oftmals zu einer Gesamtstrafe von 6 Jahren und 3 Monaten mit Erhöhung um die Hälfte wegen der Begehung einer Terrorstraftat kommt. „Sachbeschädigung“ wird nach Art. 151 tStGB mit 4 Monaten bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe geahndet; bei Tatbegehung durch Brandstiftung werde die Haftstrafe nach Art. 152 tStGB bis auf das doppelte erhöht (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21.8.2019 an das VG Augsburg zu Frage 6b).
Bei einem Angriff [auf einen deutschen Polizisten in Deutschland während einer PKK-Sympathie-Kundgebung] ohne Terrorbezug greift Art. 11 tStGB und kann eine im Ausland begangene Straftat nach türkischem Recht verfolgt werden, wenn die Tat im türkischen Recht mit einer Strafe von mindestens einem Jahr geahndet wird, der Straftäter sich in der Türkei aufhält und im Ausland wegen dieser Straftat kein Urteil ergangen ist; beträgt das Strafmaß weniger als ein Jahr, hängt die Strafverfolgung vom Strafantrag des Opfers oder der ausländischen Regierung ab und muss der Strafantrag binnen sechs Monaten nach Einreise in die Türkei erfolgen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21.8.2019 an das VG Augsburg zu Frage 7a). Das Strafmaß hängt vom Einzelfall ab, handelt es sich um eine vorsätzliche einfache Körperverletzung, beträgt das Strafmaß nach Art. 86 tStGB 4 Monate bis zu 1 Jahr Freiheitsstrafe; handelt es sich um eine schwere Körperverletzung, beträgt das Strafmaß 1 Jahr bis zu 3 Jahre Freiheitsstrafe und bei Terrorbezug werde die Strafe um die Hälfte erhöht (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21.8.2019 an das VG Augsburg zu Frage 7b).
Zu etwaigen staatlichen Repressalien gegen Angehörige türkischer Straftäter in Deutschland wurde mitgeteilt, in der Türkei gelte das Schuldprinzip, das eine persönliche Vorwerfbarkeit voraussetze (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21.8.2019 an das VG Augsburg zu Frage 8).
Daher besteht eine verfolgungsrelevante Rückkehrgefährdung insbesondere bei Personen, die in das Visier der türkischen Sicherheitsbehörden geraten, weil sie dort als tatsächliche oder potentielle Unterstützer etwa der PKK oder anderer als terroristisch eingestufter Organisationen angesehen werden (vgl. VG Aachen, U.v. 5.3.2018 – 6 K 3554/17.A – juris Rn. 51 m.w.N.; auch BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, Stand: 21.8.2019, S. 96 a.E.).
Vorliegend hat der Kläger auch aus Sicht des türkischen Staats keinen persönlichen Bezug zur PKK. Ein entfernter familiärer Bezug zu zwei vor etwa 15 Jahren als PKK-Kämpfer getöteten Onkeln (Protokoll vom 19.11.2019 S. 3) war und ist nach seinen Schilderungen bisher kein Ansatzpunkt staatlicher Maßnahmen der Türkei gegen ihn gewesen. Dass dies mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nun anders wäre, ist nicht ersichtlich.
bb) Dem Kläger droht nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung wegen einer Zugehörigkeit/Zurechnung zur HDP bzw. hier DBP.
Der nun gewaltsam ausgetragene Kurdenkonflikt ließ auch die politische Vertretung der kurdischen Minderheit zum Ziel staatlicher Repressalien werden. Die meisten politisch Oppositionellen können sich nicht mehr frei und unbehelligt am politischen Prozess beteiligen. Abgeordnete mehrerer Parteien sind von der Immunitätsaufhebung im Juli 2016 betroffen, besonders auch die links-kurdische Partei „Demokratische Partei der Völker“ (HDP). Für die türkische Regierung war die HDP Verhandlungspartner im Befriedungsprozess; sie zog in der Parlamentswahl am 7. Juni 2015 mit 13,1% der Stimmen erstmals als Partei ins Parlament ein, nachdem sie zuvor durch unabhängige Kandidaten vertreten gewesen war. In der Parlamentswahl am 1. November 2015 gelang ihr mit 10,8% der Stimmen ebenso die Überwindung der Zehnprozenthürde zum Wiedereinzug ins Parlament wie in der Parlamentswahl am 24. Juni 2018 mit 11,7% der Stimmen und dies trotz Einschränkungen ihres Wahlkampfs u.a. durch die Inhaftierung ihres Spitzenkandidaten Demirtas (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 14.6.2019, S. 5 f., 10 f.), der wegen Äußerungen anlässlich der Newroz-Feiern 2013 zu einer Haftstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt worden ist (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, Stand: 21.8.2019, S. 59). Im Zuge von Anklagen wegen angeblicher Verstöße gegen Anti-Terror-Gesetze verloren 57 der damals 59 HDP-Parlamentsabgeordneten zunächst ihre Immunität und nach rechtskräftiger Verurteilung verloren neun Abgeordnete der HDP auch ihr Parlamentsmandat (Lagebericht ebenda S. 5 f., 11). Auch auf lokaler Ebene versucht die Regierung, den Einfluss der HDP und von deren Schwesterpartei DBP zu verringern. Die DBP stellt 97 der Bürgermeister im Südosten der Türkei und ist dort die vorherrschende politische Kraft. Genauso wie vielen der HDP-Abgeordneten wird vielen DBP-Mitgliedern Unterstützung der PKK vorgeworfen. Im Zuge der Notstandsdekrete wurden 93 gewählte Kommunalverwaltungen überwiegend im kurdisch geprägten Südosten der Türkei mit der Begründung einer Nähe zu terroristischen Organisationen (PKK, Gülen-Bewegung) abgesetzt und durch sog. staatliche Treuhändler ersetzt (Lagebericht ebenda S. 10). Teilen der Basis der HDP werden Verbindungen zur PKK nachgesagt sowie zu deren politischer Dachorganisation „Union der Gemeinschaften Kurdistans“ (KCK), welcher von türkischen Behörden unterstellt wird, von der PKK dominierte quasi-staatliche Parallelstrukturen (z. B. Sicherheit, Wirtschaft) aufzubauen (Lagebericht ebenda S. 11). Strafverfolgung gegen die PKK und die KCK trifft daher teilweise auch Mitglieder der HDP/DBP, darunter auch zahlreiche Bürgermeister und andere Mandatsträger unter dem Vorwurf, Mitglieder der KCK und damit einer terroristischen Vereinigung zu sein (Strafrahmen: 15 Jahre bis lebenslänglich). Bei mehreren Verhaftungswellen im Südosten des Landes sowie in den Ballungszentren Istanbul, Ankara und Izmir wurden seit Mitte 2011 auch Journalisten, Akademiker, Gewerkschafter und Rechtsanwälte inhaftiert sowie 845 Personen wegen kritischer öffentlicher Äußerungen gegen den Militäreinsatz in Afrin (Lagebericht ebenda S. 6, 10). Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen vom 24. Juni 2018 überwand die HDP mit 11,7% der Stimmen erneut die Zehnprozenthürde (vgl. N.N., Präsidialsystem in der Türkei: Noch mehr Macht für Erdogan, www.spiegel.de, Abruf vom 26.6.2018). Während des Wahlkampfes im Jahr 2018 haben türkische Behörden einige Wahlhelfer der HDP verhaftet oder einer Sicherheitskontrolle unterzogen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, Stand: 21.8.2019, S. 60). Der Druck auf die HDP dauert an; so wurden die der HDP angehörenden Bürgermeister von Diyarbakir, Mardin und Van im Südosten der Türkei am 19. August 2019 ihrer Ämter enthoben; gegen sie wird wegen der Verbreitung von Terrorpropaganda und der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und Sympathiekundgebungen mit den Betroffenen wurden gewaltsam aufgelöst (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, Stand: 21.8.2019, S. 7).
Vorliegend war der Kläger nicht Ziel individueller staatlicher Maßnahmen der Türkei gegen seine Person wegen seiner behaupteten Mitgliedschaft in der HDP bzw. seiner erst in der mündlichen Verhandlung durch Mitgliedsbescheinigung vom 8. Mai 2017 belegten Mitgliedschaft in der DBP (VG-Akte Bl. 65). Insoweit hat der Kläger zwar sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung gegenüber seinem Vorbringen beim Bundesamt deutlich gesteigert, als er erst jetzt angab, in der HDP in einem Komitee für zehn Jugendliche zuständig gewesen zu sein und Kundgebungen mit vorbereitet und daran sowie am Auftritt eines kurdischen Künstlers teilgenommen zu haben (Protokoll vom 19.11.2019 S. 4 f.), was zu Zweifeln an seiner Glaubwürdigkeit führt. Allerdings ergibt sich selbst daraus keine konkrete individuelle Verfolgungswahrscheinlichkeit für den Kläger, da er auch angab, bei polizeilich gewaltsam aufgelösten Kundgebungen regelmäßig rechtzeitig geflohen und nur einmal bei einer Kundgebung für * fotografiert worden zu sein (ebenda S. 5). Da dies nicht zu individuellen polizeilichen Maßnahmen geführt hat, sondern nur den Kläger kollektiv als Teil der Menge der Kundgebungsteilnehmer betraf, ist nicht davon auszugehen, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung wegen einer Zugehörigkeit/Zurechnung zur DBP droht.
cc) Dem Kläger droht aus denselben Gründen auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung wegen einer sonst seitens des türkischen Staats als „Terrorismus“ bezeichneten Handlung/Haltung.
Unscharf und Vorwand für die Bandbreite an Repressalien ist der von türkischen Behörden und Gerichten angewandte Begriff des „Terrorismus“. Zwar gewährleistet die türkische Rechtsordnung die Presse- und Meinungsfreiheit, schränkt sie jedoch durch zahlreiche Bestimmungen der Straf- und Antiterrorgesetze ein mit einer unspezifischen Terrorismusdefinition. Seitens der regierenden AKP wird eine Neudefinition des „Terrorismus“-Begriffs im Antiterrorgesetz vorbereitet, wonach auch Personen, die in Medien und sozialen Netzwerken „Terrorpropaganda betreiben sowie Terrororganisationen logistische Unterstützung leisten“, erfasst werden. Ebenso problematisch ist jedoch die sehr weite Auslegung des „Terrorismus“-Begriffs durch die Gerichte. So kann etwa auch öffentliche Kritik am Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte in den Kurdengebieten der Südosttürkei bei entsprechender Auslegung bereits den Tatbestand der Terrorpropaganda erfüllen. Die „Beleidigung des Türkentums“ ist gemäß Art. 301 tStGB strafbar und kann von jedem Staatsbürger zur Anzeige gebracht werden, der Meinungs- oder Medienäußerungen für eine Verunglimpfung der nationalen Ehre hält (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 14.6.2019, S. 5, 11 f.).
Ziel von Verhaftungen sind auch regierungskritische Journalisten, so sollen seit Beginn der dem Putschversuch folgenden „Säuberungen“ nach Angaben von „Reporter ohne Grenzen“ Journalisten unter dem Vorwurf der Unterstützung der Gülen-Bewegung oder der PKK inhaftiert; rund 3.000 Journalisten durch Schließung ihrer Medien oder Entlassung arbeitslos ohne Chance auf Wiedereinstellung, 90% der Medien stehen unter staatlicher Kontrolle und die restlichen Medien werden durch Werbeentzug finanziell ausgehungert und zur Selbstzensur gezwungen (Lagebericht ebenda S. 5, 11 f.). Der ehemalige Chefredakteur der Zeitung „Cumhuriyet“, Can Dündar, sowie der Leiter des Ankaraner Büros der Tageszeitung, Erdem Gül, wurden im Mai 2016 wegen Verrats von Staatsgeheimnissen zu fünf Jahren und zehn Monaten bzw. fünf Jahren Haft verurteilt, das Kassationsgericht hob das Urteil gegen Dündar auf und verwies es zur erneuten Verhandlung zurück. Can Dündar hält sich derzeit in Deutschland auf und kündigte an, er werde nicht in die Türkei zurückkehren, weil er dem Rechtssystem nicht vertraue. Gül wurde im Berufungsverfahren freigesprochen. Weitere Journalisten wurden zu langen Haftstrafen verurteilt (Lagebericht ebenda S. 11 f.). Die Strafverfahren gegen Regierungskritiker und Journalisten werden als unfair bewertet (so AI, Amnesty Report Türkei 2016, S. 2). Medien mit Kontakten zur Gülen-Bewegung wurden innerhalb von sechs Wochen per Dekret geschlossen (Lagebericht ebenda S. 12; auch AI, Amnesty Report Türkei 2016, S. 2); das Privatvermögen bei Gülennahen Medienorganen angestellter Journalisten und Publizisten wurde Ende Dezember 2016 beschlagnahmt. Insgesamt wurden seit Juli 2016 knapp 200 Medienorgane geschlossen, eine Selbstzensur der Presse nimmt zu und auch das Internet in der Türkei ist nicht vollständig frei (Lagebericht ebenda S. 12). Teils soll schon genügen, in Publikationen die PKK nicht als „Terrororganisation“ im Sinne der amtlich-türkischen Sprachregelung zu bezeichnen, um als Journalist ihrer Unterstützung beschuldigt zu werden (vgl. Kamil Taylan, Gutachten an das VG Karlsruhe vom 13.1.2017, S. 7).
Vorliegend ist der Kläger nicht deswegen in den Blick der türkischen Sicherheitsorgane geraten; auf die obigen Ausführungen wird hierzu verwiesen.
d) Der Kläger konnte auch mit seinem individuellen Vortrag sonst nicht glaubhaft machen, dass ihm in der Türkei eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht.
aa) Hierbei ist der Bescheidsbegründung der Beklagten zu folgen, wonach der Kläger keine an ihn individuell gerichteten Bedrohungen oder gar Übergriffe geschildert hat, sondern nur kollektive Maßnahmen gegen Kundgebungsteilnehmer, die auch ihn betrafen, aber nicht zu individuellen polizeilichen Maßnahmen gegen ihn geführt haben.
bb) Auch eine Verfolgung i. S. des § 3 i.V.m. § 3a Abs. 2 AsylG in Gestalt einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung droht ihm nicht.
Nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ist eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt dann als Verfolgungshandlung zu qualifizieren, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, sich also als Verbrechen gegen den Frieden, als ein Kriegsverbrechen oder als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen würden.
Zwar unterliegt ein Mann grundsätzlich der gesetzlichen Wehrpflicht, die in der Türkei ab dem 20. Lebensjahr beginnt. Der Wehrdienst wird in den Streitkräften oder der Jandarma abgeleistet. Söhne und Brüder gefallener Soldaten können vom Wehrdienst befreit werden; im Ausland lebende Türken können sich gegen ein Entgelt freikaufen, das mit Änderung des Wehrgesetzes im Januar 2016 von 6.500 Euro auf 1.000 Euro gesenkt und 2018 auf 2.000 Euro erhöht wurde (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 14.6.2019, S. 17 – im Folgenden: Lagebericht), und sogar eine bis zum 3. November 2018 befristete Freikaufsmöglichkeit für in der Türkei lebende Türken eröffnete sowie für im Ausland lebende Türken (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, Stand: 21.8.2019, S. 46). Insgesamt werden jährlich etwa 300.000 Wehrpflichtige eingezogen; rund 1,9 Mio. Wehrpflichtige haben wegen Studiums und weitere rund 3 Mio. Wehrpflichtige aus anderen Gründen den Wehrdienst aufgeschoben; ca. 650.000 Wehrpflichtige entziehen sich der Dienstpflicht (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 27 f.).
Das am 25. Juni 2019 in Kraft getretene neue Wehrgesetz verkürzte die Dauer der Wehrpflicht von zwölf auf sechs Monate, wobei männliche türkische Staatsbürger nur noch eine einmonatige militärische Ausbildung absolvieren müssen und sich von den restlichen fünf Monaten ihres Wehrdienstes unter Zahlung von 31.000 TL (ca. 4.725 Euro) freikaufen können. Dies gilt auch für bereits Wehrdienst leistende Männer. Nach sechs Monaten kann freiwillig gegen Entgelt weiter gedient werden (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, Stand: 21.8.2019, S. 6).
Wer wehrpflichtig ist, aber sich der Musterung entzieht, gilt als „Musterungsflüchtiger“, was eine Ordnungswidrigkeit darstellt und mit Geldstrafen geahndet wird. Die Verjährung richtet sich nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht und greift proportional zur Höhe der Geldbuße nach drei, vier oder fünf Jahren Verjährungsfrist. Wer sich nach erfolgter Musterung und Einberufung dem Wehrdienst entzieht, gilt als „Wehrdienstflüchtiger“, was eine Straftat darstellt und mit Geldstrafen geahndet wird, die in der Höhe von der Dauer der Wehrdienstentziehung sowie davon sind, ob der Wehrdienstflüchtige sich stellt oder gefasst wird. Die Verjährung richtet sich nach Art. 66 tStGB und greift, wenn der Wehrdienstflüchtige sich stellt oder gefasst wird (zum Ganzen Deutsche Botschaft Ankara, Auskunft vom 1.6.2017 an das BAMF, S. 2).
In der Türkei gibt es kein Recht zur Verweigerung des Wehrdienstes oder einen Anspruch auf Ableistung eines Ersatzdienstes. Musterungsverweigerer, Wehrdienstverweigerer und Fahnenflüchtige werden strafrechtlich verfolgt. Wehrdienstpflichtige werden im zentralen elektronischen Fahndungsregister (GBT) erfasst; Sicherheitsbeamte an der Grenze und im Inland können an Hand der Identitätsnummer des Betroffenen einen Eintrag im GBT prüfen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Augsburg vom 6.3.2019 zu Frage 7). Wehrdienstentziehung wird in der Türkei zunächst mit einer Geldbuße geahndet unter Berücksichtigung der Zeitspanne des Wehrdienstentzugs sowie ob sich der Betroffene selbst bei den Wehrbehörden gemeldet hat oder festgenommen wurde (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Augsburg vom 6.3.2019 zu Frage 6). Wird ein erlassener Bußgeldbescheid bestandskräftig und meldet sich der Betroffenen danach nicht bei der Wehrbehörde zum Dienstantritt, können auch Freiheitsstrafen zwischen 2 und 36 Monaten verhängt werden; in der Regel wird von der Mindeststrafe Gebrauch gemacht und können kurzzeitige Gefängnisstrafen nach Art. 50 tStGB u.a. auch in Geldstrafen umgewandelt werden (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Augsburg vom 6.3.2019 zu Frage 6). Seit Änderung von Art. 63 tMilStGB ist bei unentschuldigtem Nichtantritt oder Fernbleiben vom Wehrdienst statt einer Freiheitsstrafe zunächst eine Geldstrafe zu verhängen. Subsidiär bleiben aber Haftstrafen bis zu sechs Monaten möglich, insbesondere nach Art. 67 tStGB bei Flucht ins Ausland. Die Verjährungsfrist richtet sich nach Art. 66e tStGB und beträgt zwischen fünf und acht Jahren, falls die Tat mit Freiheitsstrafe bedroht ist. Suchvermerke für Wehrdienstflüchtlinge werden seit Ende 2004 nicht mehr im Personenstandsregister eingetragen (vgl. Lagebericht ebenda S. 18; BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, Stand: 21.8.2019, S. 49). Die Vollstreckung solcher Haftstrafen wurde wegen Platzmangels in den Haftanstalten regelmäßig aufgeschoben, so dass fast niemand eine solche Haftstrafe verbüßen musste; auch nach einer Gesetzesänderung, dass Haftstrafen über drei Monaten verbüßt werden müssten, wird der Haftantritt aus demselben Gründen aufgeschoben (vgl. Kamil Taylan, Gutachten an das VG Magdeburg vom 5.11.2017, S. 10). Die Haftbedingungen in Militärhaftanstalten unterscheiden sich nach Kenntnis des Auswärtigen Amts grundsätzlich nicht von jenen in anderen Haftanstalten; das türkische Wehrrecht sieht eine Haft in einer Militärhaftanstalt jedoch erst vor, wenn ein Wehrpflichtiger während des Ableistens des Wehrdienstes wegen einer Straftat verurteilt wird (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Augsburg vom 6.3.2019 zu Frage 7). Wehrdienstflüchtige werden auch nicht per Hausdurchsuchung am Wohnort sondern per GBT gesucht (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Augsburg vom 6.3.2019 zu Frage 6) und dürften daher beim Grenzübertritt auffallen sowie – im Falle eines Haftbefehls – in Untersuchungshaft genommen werden (vgl. Kamil Taylan, Gutachten an das VG Magdeburg vom 5.11.2017, S. 12).
Soweit bis zum Jahr 2009 Personen die türkische Staatsangehörigkeit aberkannt wurde, die sich dem Wehrdienst entzogen hatten, können sie mittlerweile durch Novellierung des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes unabhängig von ihrem Wohnsitz wieder die Staatsangehörigkeit erhalten (vgl. Lagebericht ebenda S. 18) und unterliegen dann weiterhin der Wehrpflicht (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Augsburg vom 6.3.2019 zu Frage 6). Nach der Verbüßung einer wegen Wehrdienstverweigerung verhängten Haftstrafe erfolge normalerweise die Befreiung von der Dienstpflicht (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, Stand: 21.8.2019, S. 48).
Zwar hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für das türkische System, das keinen Ersatzdienst und kein Verfahren vorsieht, in dem dargelegt werden kann, ob die Voraussetzungen einer Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen vorliegen, eine Verletzung der von Art. 9 EMRK garantierten Gewissensfreiheit angenommen, weil es keinen gerechten Ausgleich zwischen dem allgemeinen Interesse der Gesellschaft und jenem von Wehrdienstverweigern trifft (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.2018 – 1 VR 12/17 – juris Rn. 87; BVerwG, U.v. 6.2.2019 – 1 A 3.18 – juris Rn. 110 jeweils unter Verweis auf EGMR, U.v. 12.6.2012 – 42730/05). Allerdings bezog sich diese Bewertung eines angemessenen Ausgleichs auf die Strafpraxis vor der Reform der Wehrstrafverfolgung mit einer deutlichen Milderung der vormals strengeren Strafen (vgl. oben), so dass die frühere Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wegen der damals harten Mehrfachbestrafung auf das heute deutlich abgemilderte Sanktionensystem (vgl. oben: Geldbuße, Geldstrafe, Haftstrafe, die regelmäßig nicht vollstreckt, sondern umgewandelt oder aufgeschoben wird) so nicht mehr übertragbar ist (das übersieht BVerwG, U.v. 6.2.2019 – 1 A 3.18 – juris Rn. 110, ohne nähere Würdigung der aktuellen Auskunftslage zum Sanktionensystem und unter Verweis auf EGMR, U.v. 12.6.2012 – 42730/05).
Es ist daher gerade nicht ersichtlich, dass die Verhängung einer Geldbuße oder Geldstrafe oder im Wiederholungsfall einer Haftstrafe, die regelmäßig nicht vollstreckt, sondern umgewandelt oder aufgeschoben wird, keinen angemessenen Ausgleich zwischen der Durchsetzung des staatlichen Dienstanspruchs einerseits und der privaten Gewissensentscheidung des Betroffenen andererseits darstellte. Anhaltspunkte für eine im vorliegenden Fall abweichende Bewertung sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
Soweit der Kläger angab, wehrdienstflüchtig zu sein, ist nicht erkennbar, dass er schon gemustert und für wehrtauglich erklärt oder gar einberufen worden wäre; Gegenteiliges ist auch seinem Vorbringen nicht zu entnehmen (Protokoll vom 19.11.2019 S. 2). Er rechnete nur mit seiner Einberufung und sei deswegen geflohen (ebenda S. 2).
Dessen ungeachtet läge hier auch keine Verletzung von Art. 9 EMRK vor. Sie setzt voraus, dass der Betroffene glaubhaft machen kann, dass er den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigert. Eine solche Gewissensentscheidung setzt eine sittliche Entscheidung voraus, die der Kriegsdienstverweigerer innerlich als für sich bindend erfährt und gegen die er nicht handeln kann, ohne in schwere Gewissensnot zu geraten. Erforderlich ist eine Gewissensentscheidung gegen das Töten von Menschen im Krieg und damit die eigene Beteiligung an jeder Waffenanwendung. Sie muss absolut sein und darf nicht situationsbezogen ausfallen (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.2018 – 1 VR 12/17 – juris Rn. 87 m.w.N.). Dies ist aufgrund der persönlichen Entwicklung, der Lebensführung, des bisherigen Verhaltens, der Einflüsse, denen er ausgesetzt war und noch ist, sowie aufgrund der Motivation seiner Entscheidungsbildung zu beurteilen (std. Rspr., BVerwG, U.v. 18.10.1972 – 8 C 46.72 – BVerwGE 41, 53/55; BVerwG, U.v. 24.10.1984 – 6 C 49.84 – BVerwGE 70, 216/221; BVerwG, U.v. 1.2.1989 – 6 C 61.86 -BVerwGE 81, 239/240 f.). Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung aller in Betracht kommenden Umstände. Da die Gewissensentscheidung das Ergebnis innerer Erkenntnisprozesse ist, müssen durch das Gericht innere Vorgänge beurteilt werden. Hierbei kommt es maßgeblich auf die Schlüssigkeit und Glaubhaftigkeit des Vorbringens an (vgl. BVerwG, B.v. 3.8.2018 – 6 B 124.18 – beck-online Rn. 11 ff.).
Der Kläger hat bei der Anhörung beim Bundesamt angegeben, er sei wegen des Militärdienstes geflohen (BAMF-Akte Bl. 42); er habe einen Einberufungsbescheid der türkischen Armee erhalten und wolle nicht gegen Kurden kämpfen (ebenda Bl. 42). Zwischen Türken und Kurden bestehe ein großer Unterschied, er wolle auf gar keinen Fall gegen Kurden kämpfen; würde er in der türkischen Armee dienen, würde er gegen Kurden kämpfen müssen (ebenda Bl. 44). Auch in der Klagebegründung betonte er, der Kläger wolle nicht zum Militärdienst, da er nicht bereit sei, auf seine eigenen Landsleute zu schießen und gegen diese zu kämpfen. Der Kläger würde nicht an diesen Kämpfen teilnehmen, weder im Nordirak noch in Syrien. Eine Wehrdienstverweigerung kurdischer Jugendlicher werde als Ausdruck einer politischen Haltung gegen die türkische Regierung angesehen. Diese Motive bestätigte und vertiefte er in der mündlichen Verhandlung (Protokoll vom 19.11.2019 S. 2 f.).
Das allerdings sind keine ausgeprägten ethischen Motive als Grundlage einer absoluten Gewissensentscheidung, wie sie für eine Verletzung von Art. 9 EMRK erforderlich wäre, sondern die Ablehnung der türkischen Kurdenpolitik. Der Kläger lehnt nicht den Wehrdienst als solchen sondern den Wehrdienst in der türkischen Armee ab. Doch selbst bei einer Unterstellung, dass der Kläger aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigern würde, ergeben sich aus den angegebenen Erkenntnismitteln aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der türkische Staat Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen systematisch härter oder anders bestraft als andere Wehrdienstverweigerer. Auch die Klägerseite hat hierzu nichts Gegenteiliges vorgetragen. Deshalb fehlt es insoweit an der erforderlichen Kausalbeziehung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsmerkmal. Zudem ist kein unverhältnismäßiger Ausgleich zwischen der individuellen Gewissensfreiheit und dem staatlichen Anspruch auf Wehrdienstleistung ersichtlich angesichts der vergleichsweise milden Strafpraxis mit Geldstrafe, Aufschub und Umwandlung von Haftstrafen.
Soweit im vorliegenden Fall eine Strafverfolgung wegen Wehrdienstentziehung möglich ist, droht jedoch keine hinreichend wahrscheinliche Beteiligung an Kriegsverbrechen (vgl. BVerwG, U.v. 6.2.2019 – 1 A 3.18 – juris Rn. 98); besondere Umstände, aus denen sich ergibt, dass Strafmaßnahmen nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht gelten, sind nicht ersichtlich (als Maßstab bei EuGH, U.v. 20.11.2013 – C-472/13; BVerwG, U.v. 6.2.2019 – 1 A 3.18 – Rn. 98; BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 31/18 – juris Rn. 15). Insbesondere gibt es keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an gruppenbezogenen Merkmalen bzw. persönlichen Merkmalen i.S.v. § 3b AsylG oder an der Volkszugehörigkeit (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Augsburg vom 6.3.2019 zu Frage 7) orientiert ist, mithin ein „Politmalus“ oder „Religionsmalus“ erfolgt. Im Gegenteil können homosexuelle Wehrpflichtige auf Antrag und nach Begutachtung grundsätzlich als für den Wehrdienst untauglich eingestuft werden; die aktuelle Handhabung ist offen (vgl. Lagebericht ebenda S. 18 f.). Die Heranziehung zum Wehrdienst und die Bestrafung wegen seiner Verweigerung in der Türkei stellen daher keine politische Verfolgung dar (wie hier BVerwG, U.v. 6.2.2019 – 1 A 3.18 – juris Rn. 98; VG München, B.v. 5.4.2018 – M 1 S 17.46575 – juris Rn. 13 m.w.N.).
Kurden werden bei der Heranziehung zum Militärdienst ebenso wie bei einer Bestrafung wegen Militärdienstentziehung auch nicht aufgrund ihres Volkstums in asylerheblicher Weise benachteiligt. Die Heranziehung zum Militärdienst in der Türkei und die Bestrafung ihrer Nichtbefolgung stellen keine Form politischer Verfolgung dar, da sie allgemein gegenüber allen männlichen Staatsangehörigen ausgeübt werden. Auch eine Militärdienstverweigerung durch Flucht ins Ausland wird ohne weitere Verdachtsmomente nicht als Sympathie für separatistische Bestrebungen ausgelegt. Es liegen schließlich auch keine Erkenntnisse darüber vor, dass Militärdienstpflichtige, die ihre Strafe wegen Dienstentziehung oder Fahnenflucht verbüßen, misshandelt werden oder in der vorausgehenden Polizei- oder Militärhaft generell Folter zu erleiden haben. Das gilt sowohl dann, wenn sich ein Militärdienstflüchtiger im Inland stellt oder er ergriffen wird, als auch insbesondere dann, wenn er bei der Einreise aus Deutschland von den Sicherheitsbeamten an der Grenze als solcher erkannt und festgenommen wird (zum Ganzen VG Aachen, U.v. 5.3.2018 – 6 K 3554/17.A – juris Rn. 44 m.w.N.). Die türkischen Wehrrechtsbestimmungen treffen keine Unterschiede wegen ethnischer Zugehörigkeiten türkischer Staatsbürger (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 6.3.2019 an das VG Augsburg zu Frage 7).
Die türkischen Streitkräfte setzen Wehrpflichtige gezielt in anderen Landesteilen als ihrer Herkunftsregion ein; nach kurdischen Angaben würden kurdischstämmige Rekruten gezielt in den Konfliktgebieten im Südosten eingesetzt, um den Alleinvertretungsanspruch der PKK für Kurden zu diskreditieren; für eine systematische Diskriminierung kurdischer oder alevitischer Minderheitenangehöriger in der Armee fehlten aber Anhaltspunkte (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, Stand: 21.8.2019, S. 47 f.).
Die türkischen Streitkräfte verwehren Anhängern der PKK eine Waffenausbildung Wehrpflichtiger oder treffen sonst Maßnahmen nur, wenn ihnen überhaupt bekannt ist, dass der Rekrut der PKK gedient hat (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21.8.2019 an das VG Augsburg zu Frage 2).
Der Einmarsch der türkischen Streitkräfte in Nordsyrien im Oktober 2019 mag völkerrechtswidrig sein. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass kurdischstämmige Wehrpflichtige hierbei eingesetzt werden, insbesondere (zuvor) musterungs- oder wehrdienstflüchtige Wehrpflichtige wie der Kläger, liegen ebenso wenig vor wie belastbare Anhaltspunkte dafür, dass über die militärischen Operationen hinaus von türkischer Seite gezielt Kriegsverbrechen begangen werden (solche Vorwürfe erhebt Amnesty International, ohne Datum, www.amnesty.de/allgemein/ pressemitteilung/syrien-syrien-amnesty-wirft-tuerkischen-streitkraeften-und-verbuendeten, Abruf vom 21.10.2019). Dies gilt umso mehr, als kurdische Einheiten der YPG nach aktueller Nachrichtenlage das Grenzgebiet zur Türkei verlassen und sich zurückziehen, während Truppen des syrischen Assad-Regimes nach Norden vorrücken (vgl. N.N., Kurden räumen Grenzstadt zur Türkei, www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nordsyrien-kurden-raeumen-grenzstadt-zur-tuerkei-16443402.html, Abruf vom 21.10.2019). Eine türkisch-kurdische Konfrontation in Nord-Syrien und eine Fortdauer der Kämpfe wird damit weniger wahrscheinlich; erst recht ein dortiger Einsatz des Klägers im Fall seiner Rückkehr in die Türkei und seiner Einberufung zum Wehrdienst.
2. Der Kläger hat aus den soeben dargelegten Gründen auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr in die Türkei ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
3. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Auf den Bescheid des Bundesamts wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
a) Dem Kläger steht kein Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Dies ist auch der Fall, wenn es dem Betroffenen nicht (mehr) gelingen würde, seine elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – Asylmagazin 2015, 197) und die aus zu erwartenden schwierigen Lebensbedingungen resultierenden Gefährdungen im Einzelfall eine solche Intensität aufweisen, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist. Die Gefahren müssen ein Mindestmaß an Schwere unter Berücksichtigung der Gesamtumstände aufweisen.
Hier liegen diese besonders strengen Voraussetzungen nicht vor:
aa) Der erwachsene, gesunde und erwerbsfähige Kläger würde im Fall seiner Abschiebung in die Türkei keiner besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt sein, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass seine elementarsten Bedürfnisse im Sinne eines absoluten Existenzminimums nicht gesichert wären (vgl. oben zur zumutbaren inländischen Fluchtalternative).
Die Grundversorgung und die medizinische Versorgung sind nach Überzeugung des Gerichts für Rückkehrer in der Türkei jedenfalls im Umfang des absoluten Existenzminimums gesichert.
In der Türkei gibt es zwar keine mit dem deutschen Recht vergleichbare staatliche Sozialhilfe. Sozialleistungen für Bedürftige werden aber über den Förderungsfonds für Soziale Hilfe und Solidarität gewährt und von den in 81 Provinzen und 850 Kreisstädten vertretenen 973 Einrichtungen der Stiftungen für Soziale Hilfe und Solidarität (Sosyal Yardımlaşma ve Dayanişma Vakfi) ausgeführt, die den Gouverneuren unterstellt sind. Anspruchsberechtigt sind bedürftige Staatsangehörige, die sich in Armut und Not befinden, nicht gesetzlich sozialversichert sind und von keiner Einrichtung der sozialen Sicherheit ein Einkommen oder eine Zuwendung beziehen, sowie Personen, die gemeinnützig tätig und produktiv werden können. Die Leistungsgewährung wird von Amts wegen geprüft. Eine neu eingeführte Datenbank vernetzt Stiftungen und staatliche Institutionen, um Leistungsmissbrauch entgegenzuwirken. Leistungen werden gewährt in Form von Unterstützung der Familie (Nahrungsmittel, Heizmaterial, Unterkunft), Bildungshilfen, Krankenhilfe, Behindertenhilfe sowie besonderen Hilfeleistungen wie Katastrophenhilfe oder Volksküchen. Die Leistungen werden in der Regel als zweckgebundene Geldleistungen für neun bis zwölf Monate gewährt. Darüber hinaus existieren weitere soziale Einrichtungen, die ihre eigenen Sozialhilfeprogramme haben (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 14.6.2019, S. 25 f. – im Folgenden: Lagebericht).
Die medizinische Versorgung durch das staatliche Gesundheitssystem hat sich in den letzten Jahren strukturell und qualitativ erheblich verbessert, vor allem in ländlichen Gegenden sowie für die arme, (bislang) nicht krankenversicherte Bevölkerung. Auch wenn Versorgungsdefizite vor allem in ländlichen Provinzen bei der medizinischen Ausstattung und im Hinblick auf die Anzahl von Ärzten bzw. Pflegern bestehen, sind landesweit Behandlungsmöglichkeiten für alle Krankheiten gewährleistet. Landesweit gab es im Jahr 2017 1.518 Krankenhäuser mit einer Kapazität von 226.000 Betten, davon ca. 60% in staatlicher Hand. Die Behandlung bleibt für die bei der staatlichen Krankenversicherung Versicherten mit Ausnahme der „Praxisgebühr“ unentgeltlich. Grundsätzlich können sämtliche Erkrankungen in staatlichen Krankenhäusern angemessen behandelt werden, insbesondere auch chronische Erkrankungen wie Krebs, Niereninsuffizienz (Dialyse), Diabetes, Aids, Drogenabhängigkeit und psychiatrische Erkrankungen. Wartezeiten in den staatlichen Krankenhäusern liegen bei wichtigen Behandlungen/Operationen in der Regel nicht über 48 Stunden. In vielen staatlichen Krankenhäusern ist es jedoch (nach wie vor) üblich, dass Pflegeleistungen nicht durch Krankenhauspersonal, sondern durch Familienangehörige und Freunde übernommen werden. Durch die zahlreichen Entlassungen nach dem gescheiterten Putschversuch, von denen auch der Gesundheitssektor betroffen ist, kommt es nach Medienberichten gelegentlich zu Verzögerungen bei der Bereitstellung medizinischer Dienstleistungen (vgl. Lagebericht ebenda S. 26). Psychiater praktizieren und elf psychiatrische Fachkliniken mit einer Bettenkapazität von rund 4.000 Plätzen standen im Jahr 2017 zur Verfügung, weitere Betten gibt es in besonderen Fachabteilungen einiger Regionalkrankenhäuser. Auch sind therapeutische Zentren für Alkohol- und Drogenabhängige vorhanden (vgl. Lagebericht ebenda S. 26; zur Behandlung psychischer Erkrankungen auch ebenda Anlage I S. 33 f. sowie Schweizer Flüchtlingshilfe SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 18.8.2016, Behandlung und Pflege einer schizophrenen Person im Südosten der Türkei, S. 2). Die spezialisierte psychiatrische Fachklinik in Elazig deckt die Versorgung von Patienten in Südost- und Ostanatolien ab und verfügt über insgesamt 488 Betten, stationäre psychiatrische Versorgung ist auch in den Universitätskliniken in Gaziantep, Diyarbakir und Sanliurfa gewährleistet (SFH ebenda S. 3).
Zum 1. Januar 2012 hat die Türkei eine allgemeine, obligatorische Krankenversicherung eingeführt für alle Personen mit Wohnsitz in der Türkei mit Ausnahmen u.a. für Soldaten/Wehrdienstleistende und Häftlinge. Die obligatorische Krankenversicherung erfasst u. a. Leistungen zur Gesundheitsprävention, stationäre und ambulante Behandlungen und Operationen, Laboruntersuchungen, zahnärztliche Heilbehandlungen sowie Medikamente, Heil- und Hilfsmittel. Unter bestimmten Voraussetzungen sind auch Behandlungen im Ausland möglich. Nicht der Sozialversicherungspflicht unterfallende türkische Staatsbürger mit einem Einkommen von weniger als einem Drittel des Mindestlohns können von der Beitragspflicht befreit werden. Bei einem Einkommen zwischen einem Drittel und dem doppelten Mindestlohn gelten ermäßigte Beitragssätze. Bis Mitte des Jahres 2014 haben sich rund 12 Mio. Türken einer solchen Einkommensüberprüfung unterzogen, für rund 8 Mio. von ihnen hat der Staat die Zahlung der Beiträge übernommen (vgl. Lagebericht, ebenda S. 27). Die für eine gesundheitliche Versorgung mittelloser türkischer Staatsbürger bisher geltenden „Grünen Karten“ (2011: knapp 9 Millionen Inhaber) sind ausgelaufen, ihre Inhaber sollen in die allgemeine Krankenversicherung überwechseln. Für Kinder bis zum Alter von 18 bzw. 25 Jahren, Ehepartner und (Schwieger-)Elternteile ohne eigenes Einkommen besteht die Möglichkeit einer Familienversicherung. Besondere Beitragsregelungen gelten schließlich auch für Bezieher von Alters- und Erwerbsminderungsrenten (vgl. Lagebericht ebenda S. 28).
bb) Der Kläger würde im Fall seiner Abschiebung in die Türkei auch nicht wegen seiner Asylantragstellung unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.
Rückkehrerinnen und Rückkehrer werden nach vorliegenden Erkenntnissen keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen. Dem Auswärtigen Amt und türkischen Menschenrechtsorganisationen, zu denen die Deutsche Botschaft engen Kontakt unterhält, ist in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden, in dem ein aus Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten – dies gilt auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen – gefoltert oder misshandelt worden ist (vgl. Lagebericht ebenda S. 28; a.A. allerdings unter Verweis auf Quellen lediglich zum Risiko von Festnahmen und nicht von Folter VG Freiburg, U.v. 13.6.2018 – A 6 K 4635/17 – juris Rn. 28 ff.).
Aufgrund eines Runderlasses des türkischen Innenministeriums dürfen keine Suchvermerke (insbesondere für Wehrdienstflüchtlinge oder zur Fahndung ausgeschriebene Personen) mehr ins Personenstandsregister eingetragen werden; vorhandene Suchvermerke sollen Angaben türkischer Behörden zufolge im Jahr 2005 gelöscht worden sein (vgl. Lagebericht ebenda S. 28).
Unbegleitet zurückkehrende Minderjährige finden in der Regel Aufnahme bei Verwandten, sonst im Einzelfall ggf. in einem Waisenhaus oder Kinderheim. In letzterem Fall sollten die zuständigen türkischen Behörden rechtzeitig informiert werden (vgl. Lagebericht ebenda S. 28).
In der Türkei finden strenge Ausreisekontrollen für alle Personen statt. Ein- und Ausreisedaten werden genauestens erfasst und die Reisenden in den entsprechenden türkischen Fahndungssystemen überprüft. Türkischen Staatsangehörigen, gegen welche ein vom türkischen Innenministerium oder von einer Staatsanwaltschaft verhängtes Ausreiseverbot vorliegt und die auf einer entsprechenden Liste stehen, wird die Erteilung eines Reisepasses versagt oder sie werden bei Besitz eines Reisepasses an der Ausreise gehindert. Bei bestehendem Ausreiseverbot kann ein Reisepass auch durch Bestechung kaum erlangt werden, denn seine Ausstellung erfordert, dass ein vorhandener Listeneintrag zuvor auf amtliche Veranlassung durch richterlichen Beschluss oder Beschluss des Innenministeriums gelöscht wird (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das BAMF vom 11.6.2018, S. 1 f.) sowie der Antragsteller zwecks Abnahme von Fingerabdrücken persönlich vorspricht (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 8.10.2018 an das BAMF, S. 1). Nach Regierungsangaben seien im Zuge der Ermittlungen gegen die Gülen-Bewegung über 234.000 Reisepässe annulliert worden für dieser Bewegung zugerechnete Personen und ihre Ehepartner; für einen Teil der Betroffenen sei die Annullierung nach Ende des Ausnahmezustandes widerrufen worden (BFA, Länderinformationsblatt Türkei vom 18.10.2018, S. 79). Ausreisesperren wurden im Juli 2016 für rund 200.000 Personen verhängt und im Juli 2018 für rund 150.000 Personen unter ihnen wieder aufgehoben; Auskünfte über bestehende Ausreisesperren können über die Datenbanken eDevlet des türkischen Innenministeriums und UYAP des türkischen Justizministeriums vom Betroffenen oder einem von diesem bevollmächtigten Rechtsanwalt sowie sogar durch Nachfragen bei der örtlichen Polizeistation durch bevollmächtigte Verwandte ersten Grades erlangt werden (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 8.10.2018 an das BAMF, S. 2; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 11.10.2018 an das BAMF, S. 2).
An Grenzübergängen werden im Rahmen der allgemeinen und erkenntnisbasierten Fahndung der türkischen Polizei mobile Kommunikationsendgeräte (Handy, Tablet, Laptop) von Reisenden ausgelesen, um insbesondere regierungskritische Beiträge / Kommentare auf Facebook, WhatsApp, Instagram etc. festzustellen, die wiederum in Maßnahmen wie z.B. Einreiseverweigerung, Vernehmung, Mitnahme zur Dienststelle, Festnahme, Strafanzeige usw. münden können (vgl. Lagebericht ebenda S. 32).
Bei dem e-Devlet System (e-Devlet Sistemi) handelt es sich um ein staatlich betriebenes Online-Portal, in das staatliche Institutionen mit ihren Datenbanken integriert sind. Türkische Staatsbürger erhalten, nachdem sie sich durch Hinterlegung ihrer persönlichen Daten zur Teilnahme am System angemeldet haben, durch Einloggen mit einem Passwort Zugang zu allen freigegebenen Daten, die die eigene Person betreffen. Mit Hilfe des e-Devlet Systems können türkische Staatsbürger u.a. diverse behördliche Dienstleistungen im Online-Verfahren in Anspruch nehmen, ohne persönlich bei den Behörden vorsprechen zu müssen. Haftbefehle und andere Eintragungen aus dem Justizbereich sind im sog. UYAP-System erfasst. Über einen Link im eDevlet System kann sich jeder türkische Staatsbürger – nach Hinterlegung seiner persönlichen ID-Daten für die Zugangsberechtigung – auch im UYAP-System anmelden (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 11.10.2018 an das BAMF, S. 1 f.) und dort als Privatnutzer allerdings nur schlagwortartig Übersichten einsehen, via Internet sogar aus dem Ausland (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 13.2.2019 an das BAMF, S. 2).
Das UYAP-System ist eine vom Justizministerium betriebene Online Plattform, zu der jeder türkische Staatsbürger den Zugang beantragen kann. In diesem System kann der Privatnutzer schlagwortartig seine eigene Person betreffende Übersichten aus dem justiziellen Bereich, z.B. Art der (Straf)-Verfahren, Aktenzeichen, Gerichtsbezeichnung, Verhandlungstage einsehen. Zugang zu (Volltext-)Akteninhalten der einzelnen Verfahren wie z.B. Anklageschriften, Urteile u.a., besteht für Privatnutzer nicht (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 27.9.2018 an das BAMF, S. 2 f.). Eingesehen und ausgedruckt werden kann von Privatnutzern lediglich die o. g. Kurzübersicht. Einträge über ihre Mandanten sind für Anwälte, die den Justizbehörden die Bevollmächtigung ihrer Mandatsgeber nachgewiesen haben, auch auf elektronischen Weg zugänglich. Die Justizbehörden erteilen bevollmächtigten Rechtsanwälten den Zugang auf die im UYAP-System erfassten Eintragungen ihrer Mandanten. Bevollmächtigte Rechtsanwälte haben außer auf die oben beschriebenen Kurzübersichten dann auch Zugriff auf Volltexte und können diese herunterladen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 11.10.2018 an das BAMF, S. 2). Dazu zählen grundsätzlich auch in e-Devlet und UYAP hinterlegte Informationen über Ermittlungsverfahren und Haftbefehle selbst in Verfahren mit Bezug zur Gülen-Bewegung („FETÖ“), lediglich im Ermittlungsstadium, für als „geheim“ eingestufte Ermittlungen ist der anwaltliche Anspruch auf Einsicht oder ist ein Herunterladen der Aktenbestandteile nicht oder nur eingeschränkt möglich (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 27.9.2018 an das BAMF, S. 1 f.; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 13.2.2019 an das BAMF, S. 3; auch SFH, Türkei: Zugang zu verfahrensrelevanten Akten vom 1.2.2019, S. 5 f., 7 f.). Art und Umfang der Beschränkung der Akteneinsicht variieren von Fall zu Fall (so Schweizer Flüchtlingshilfe SFH, Türkei: Zugang zu verfahrensrelevanten Akten vom 1.2.2019, S. 6 f.). Sind die Ermittlungen abgeschlossen und wird ein Gerichtsverfahren eingeleitet, bestehen solche Einschränkungen in der Regel nicht mehr; im Stadium des Gerichtsverfahrens haben der Angeklagte bzw. sein Bevollmächtigter – seit ca. Oktober 2018 auch online über UYAP – Zugriff auf die zu den Verfahrensakten gehörenden Schriftstücke und Beweismittel (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 13.2.2019 an das BAMF, S. 3). Teilweise abweichend wird berichtet, Akten der Staatsanwaltschaft in abgeschlossenen oder nicht abgeschlossenen Gerichtsverfahren seien seit Frühjahr 2018 nicht mehr über UYAP zugänglich (so SFH, Türkei: Zugang zu verfahrensrelevanten Akten vom 1.2.2019, S. 5); gleichwohl wird in derselben Quelle ausgeführt, dass ein Zugriff über UYAP nach Anklageerhebung üblicherweise und erst recht nach Annahme der Anklage durch das Gericht sowie nach Abschluss des Verfahrens möglich sei (so SFH, Türkei: Zugang zu verfahrensrelevanten Akten vom 1.2.2019, S. 8 f.).
In der Türkei finden Einreisekontrollen für alle Personen statt. Bei dieser Personenkontrolle können türkische Staatsangehörige mit einem gültigen türkischen, sie zur Einreise berechtigenden Reisedokument die Grenzkontrolle grundsätzlich ungehindert passieren. Seit dem Putschversuch vom Juli 2016 werden alle türkischen Staatsangehörigen auch auf Inlandsflügen einer fahndungsmäßigen Überprüfung unterzogen. In Fällen von Rückführungen gestatten die Behörden die Einreise nur mit türkischem Reisepass oder Passersatzpapier (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 14.6.2019, S. 28 f.). Die Einreisekontrollen wurden bereits im Zuge der Flüchtlingskrise verstärkt, nicht erst seit dem Putschversuch (vgl. Kamil Taylan, Gutachten an das VG Karlsruhe vom 13.1.2017, S. 3), nun aber gezielter mit Listen mutmaßlicher Gülen- oder PKK-Anhänger (Schweizer Flüchtlingshilfe SFH, Schnellrecherche an das VG Karlsruhe vom 17.2.2017, S. 2). Ein abgelehnter kurdischer Asylbewerber läuft bei der Rückkehr nicht Gefahr, allein wegen seiner Volkszugehörigkeit verhaftet zu werden; hat er sich in Deutschland für kurdische Rechte oder Organisationen aktiv eingesetzt oder z.B. regelmäßig an pro-kurdischen Demonstrationen teilgenommen, erhöht dies das Risiko (vgl. Kamil Taylan, Gutachten an das VG Karlsruhe vom 13.1.2017, S. 3 f., 28 f.; auch SFH ebenda S. 2, 3, 10 f.).
b) Ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG wegen einer zielstaatsbezogenen erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen, die eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung voraussetzt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, liegt im Fall des Klägers nicht vor und ist auch nicht geltend gemacht.
4. Nachdem sich auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG als rechtmäßig erweist, da dem Kläger derzeit kein die Befristungsdauer möglicherweise berührendes Aufenthaltsrecht bzw. Anspruch hierauf zusteht und eine Eheschließung mit seiner Freundin auch nicht konkret bevorsteht (Protokoll vom 19.11.2019 S. 6), war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben