Verwaltungsrecht

Keine Zulassung der Berufung mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes

Aktenzeichen  8 ZB 18.31142

Datum:
13.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20059
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

Hinsichtlich der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist es nicht Aufgabe des Berufungsgerichts selbst, mögliche Tatsachen- oder Rechtsfragen aus dem Zulassungsvorbringen herauszuarbeiten und das klägerische Vorbringen hinsichtlich der exilpolitischen Tätigkeit anhand der Akten zu ergänzen und sich selbst die notwendigen Angaben im Einzelnen aus den Behördenunterlagen oder der erstinstanzlichen Entscheidung herauszusuchen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 12 K 17.45287 2017-12-19 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der ausdrücklich geltend gemachte Zulassungsgrund der „ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils“ kann die Zulassung der Berufung nicht begründen. Im Asylverfahren sind die Zulassungsgründe in der Sonderregelung des § 78 Abs. 3 AsylG abschließend aufgeführt. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO findet darin keine Entsprechung (vgl. OVG NW, B.v. 15.12.2017 – 13 A 2936/17.A – juris Rn. 11; OVG Berlin-Bbg, B.v. 19.3.2018 – OVG 10 N 7.18 – juris Rn. 5).
2. Die von den Klägern geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtlich Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 1 B 148.17 u.a. – juris Rn. 4 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 30.9.2015 – 1 B 42.15 – juris Rn. 3). Darzulegen sind mithin die konkrete Frage sowie ihre Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit und allgemeine Bedeutung (vgl. OVG NRW, B.v. 15.12.2017 – 13 A 2841/17.A – juris Rn. 3 ff.).
Diesen Anforderungen wird das klägerische Vorbringen schon deshalb nicht gerecht, weil es keine konkrete Grundsatzfrage formuliert. Der Vortrag der Kläger beschränkt sich vielmehr weitestgehend darauf, auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 14. November 2017 (21 ZB 17.31340) und das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 21. Juli 2017 (W 3 K 17.31739) Bezug zu nehmen. Es ist aber nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, selbst mögliche Tatsachen- oder Rechtsfragen aus dem Zulassungsvorbringen herauszuarbeiten (vgl. BVerwG, B.v. 24.3.2016 – 4 BN 42.15 – ZfBR 2016, 477 = juris Rn. 6 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; BayVGH, B.v. 23.3.2018 – 13a ZB 17.2530 – juris Rn. 5; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 124a Rn. 103). Aber selbst wenn man annähme, aus dem klägerischen Vorbringen ließe sich eine konkrete Grundsatzfrage entnehmen, fehlt es an jeglicher Darlegung zur Entscheidungserheblichkeit im vorliegenden Fall (vgl. BayVGH, B.v. 2.1.2018 – 11 ZB 17.31693 – juris Rn. 6; Happ in Eyermann, VwGO 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Nicht dargelegt wird, dass und inwiefern sich der Kläger zu 1 in Deutschland exilpolitisch betätigt hat. Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofs, das klägerische Vorbringen anhand der Akten zu ergänzen und sich selbst die notwendigen Angaben im Einzelnen aus den Behördenunterlagen oder der erstinstanzlichen Entscheidung herauszusuchen (vgl. BVerwG, B.v. 20.10.2016 – 4 B 45.16 u.a. – juris Rn. 2; B.v. 27.3.2007 – 1 B 271.06 – juris Rn. 3; VGH BW, B.v. 20.10.2006 – A 9 S 1157/06 – juris Rn. 3).
3. Soweit sich die Kläger auf Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung bezüglich des Zeitpunkts des Verlassens des Heimatlandes des Klägers zu 1 berufen, liegt auch keine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) vor. Davon ist nur auszugehen, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, insbesondere wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 9 B 11.17 – juris Rn. 3; B.v. 12.3.2014 – 5 B 48.13 – NVwZ-RR 2014, 660 = juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 21 ZB 18.30867 – juris Rn. 4).
Dass ein solcher Mangel vorliegt, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf. Soweit geltend gemacht wird, der Kläger zu 1 habe bei seiner informatorischen Anhörung vor dem Verwaltungsgericht nicht den 24. Oktober 2014 als Zeitpunkt seiner Flucht, sondern – wie bereits bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – den 24. Januar 2014 angegeben, steht dem die Beweiskraft der Niederschrift als öffentliche Urkunde entgegen, die gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 415 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis des durch das Gericht beurkundeten Vorgangs erbringt (vgl. BayVGH, B. v. 18.1.2018 – 8 ZB 17.31372 – juris Rn. 13; B.v. 27.11.2017 – 5 ZB 17.31744 – juris Rn. 15). Den Gegenbeweis zur Widerlegung der Richtigkeit des Inhalts dieser Urkunde haben die Kläger nicht erbracht (§ 415 Abs. 2 ZPO). Die bloße Behauptung der Möglichkeit eines anderen als des in der Urkunde angegebenen Geschehensablaufs reicht hierzu nicht aus (vgl. BVerwG, B.v. 7.10.1993 – 4 B 166.93 – NJW 1994, 535 = juris Leitsatz 2 und Rn. 12). Vielmehr erfordert der Gegenbeweis die volle Überzeugung des Gerichts (vgl. BGH, Urteil vom 31.5.2017 – VIII ZR 224/16 – juris Leitsatz 1 und Rn. 18; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 98 Rn. 197). Dieser wurde mit der Vorlage der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gefertigten handschriftlichen Notiz des Prozessbevollmächtigten der Kläger nicht geführt. Auch einen Antrag auf Protokollberichtigung gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 164 ZPO haben die Kläger nicht gestellt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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