Verwaltungsrecht

Keine Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  1 ZB 17.385

Datum:
29.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21152
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 26 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1
BayVwVfG Art. 35 S. 1
BauGB § 11
VwGO § 86 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 5, § 124a Abs. 4 S. 4, § 124a Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

Es begründet für sich allein keine Eingriffsgrundlage, dass die städtebauliche Planung einen typischen Gegenstand des öffentlichen Rechts darstellt und die Gemeinden nach § 11 Abs. 1 BauGB berechtigt sind, ihre im Rahmen der Planung entstehenden Kosten auf den Planungsbegünstigten vertraglich umzulegen.  (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 K 16.864 2016-11-22 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 9.769,75 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von bezahlten Planungskosten. Die Klägerin hatte anlässlich eines von der Beklagten im Jahr 2010 gefassten Aufstellungsbeschlusses mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 im Wesentlichen mitgeteilt, dass sie die Beklagte beauftrage, ihr Grundstück in den Bebauungsplan einzubeziehen, sie die hierfür entstehenden Kosten für die Planungsänderung übernehme und bitte, über die Kosten vorab informiert zu werden. Die Beklagte teilte mit E-Mail vom 17. November 2011 den damaligen Planungsstand mit, informierte über das Vorliegen von Angeboten eines Stadtplanungsbüros und eines Schallschutzgutachters sowie über mögliche Kosten für das Gutachten in Höhe von „ca. 2.250,00 Euro“ (zzgl. Nebenkosten). Mit Schreiben vom 14. August 2013 übermittelte die Beklagte der Klägerin eine Schlussrechnung über 9.769,75 Euro mit der Bitte um Überweisung. Nach erfolgloser Mahnung vom 5. Mai 2014 erließ die Beklagte am 30. November 2015 eine Vollstreckungsanordnung („Ausstandsverzeichnis“). Nach Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegenüber einem Kreditinstitut der Klägerin zahlte die Klägerin am 18. Dezember 2015 den vorgenannten Betrag unter Vorbehalt der Rückforderung. Daraufhin hob die Beklagte die Verfügung vom 15. Dezember 2015 auf. Das Verwaltungsgericht hat in dem von der Klägerin angestrengten Klageverfahren dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte in dem beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Zulassungsverfahren.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen rechtlichen Schwierigkeit der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), liegen nicht vor (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch gegen die Beklagte gemäß Art. 28 Satz 1 VwZVG begründet ist. Ist zu Unrecht vollstreckt worden, so wird der Anspruch auf Erstattung der bereits geleisteten Beträge ausgelöst.
Bei dem von der Beklagten als „Schlussrechnung“ bezeichneten Schreiben vom 14. August 2013 handelt es sich nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht um einen Verwaltungsakt im Sinn von Art. 35 BayVwVfG, sondern um ein bloßes tatsächliches Verwaltungshandeln der Beklagten in Form einer zivilrechtlichen Zahlungsaufforderung an die Klägerin. Eine öffentlich-rechtliche Rechtsgrundlage, die die Beklagte zum Eingriff in Grundrechte der Klägerin ermächtigen würde (vgl. BVerwG, U.v. 13.2.1976 – IV C 44.74 – BVerwGE 50, 171), ergibt sich vorliegend weder nach § 11 BauGB (vertragliche Rechtsgrundlage), noch liegt eine gesetzliche Rechtsgrundlage vor. Die Ausführungen der Beklagten, dass die städtebauliche Planung einen typischen Gegenstand des öffentlichen Rechts darstelle und die Gemeinden auch nach § 11 Abs. 1 BauGB berechtigt seien, ihre im Rahmen der Planung entstehenden Kosten auf den Planungsbegünstigten vertraglich umzulegen, führen nicht dazu, dass das vorgenannte Schreiben als Verwaltungsakt anzusehen sein müsste. Denn die Beklagte hat vorliegend keinen solchen, nach § 11 BauGB möglichen, städtebaulichen Vertrag mit der Klägerin geschlossen. Eine Herleitung der Befugnisse der Beklagten allein aus der (möglichen) öffentlich-rechtlichen Regelung ist nicht ausreichend, um das vorgenannte Schreiben als Verwaltungsakt zu qualifizieren, zumal auch bei Abschluss eines möglichen öffentlich-rechtlichen Vertrags nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 BauGB ein unmittelbarer Vollzug voraussetzt, dass sich die Klägerin der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hätte. Vorliegend fehlt es an einer hoheitlichen Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Im Übrigen ist für die Frage, ob die Beklagte die in der „Schlussabrechnung“ bezeichnete Zahlungsaufforderung als Leistungsbescheid verstanden wissen wollte, der erklärte, nicht aber der innere Wille, maßgebend (vgl. BVerwG, U.v. 12.1.1973 – VII C 3.71 – BVerwGE 41, 305; U.v. 26.4.1968, IV C 113.67 – BVerwGE 29, 310).
Soweit die Beklagte (noch) in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO genügenden Weise ausführt, das Verwaltungsgericht habe das Ausstandsverzeichnis zu Unrecht nicht als taugliche Grundlage der Vollstreckung angesehen und dabei auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 20. Juli 2016 (Au 7 K 16.145) und des Landgerichts Detmold vom 1. August 2014 (3 T 108.14) verweist, wonach nunmehr eine Vollstreckung aus dem Ausstandsverzeichnis ohne zugrundeliegenden Leistungsbescheid zulässig sei, übersieht sie, dass auch diese Entscheidungen die Vollstreckung von (bestandskräftigen) Verwaltungsakten betreffen. Liegt aber – wie hier – kein Verwaltungsakt vor, kommt es weder entscheidend darauf an, dass die Rechtmäßigkeit des der Vollstreckung zugrunde liegenden Verwaltungsakts im Vollstreckungsverfahren nicht mehr geprüft wird, noch darauf, was Grundlage der Zwangsvollstreckungsmaßnahme ist.
Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend ausgeführt, dass die Zahlung der Klägerin an die Beklagte ohne Rechtsgrund erfolgte, weil die Klägerin in dem Schreiben vom 24. Oktober 2011 aus Sicht eines objektiven Empfängers zu erkennen gegeben habe, noch nicht verbindlich und uneingeschränkt eine Kostenübernahme für ihr offenbar zu diesem Zeitpunkt der Höhe nach unbekannte Planungskosten zu übernehmen und auch nach Erhalt der Prognose zu Kosten für die Erstellung eines Schallschutzgutachtens – zumindest in diesem Umfang – keine verbindliche Übernahmeerklärung abgegeben habe. Die Ausführungen der Beklagten, wonach bei einer wörtlichen Auslegung des Schreibens die informatorische Bitte um Mitteilung der Kosten nicht als fehlender Bindungswille interpretiert werden könne, sondern nur um eine „Information“, damit entsprechende Dispositionen getroffen werden könnten, vermag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht zu begründen. Denn nach der hier maßgeblichen Auslegung am objektiven Empfängerhorizont nach § 133 BGB und unter Berücksichtigung, dass auch eine Kostenübernahme nach § 11 Abs. 3 BauGB nur in schriftlicher Form möglich wäre, hätte die Klägerin nach Erhalt der E-Mail vom 17. November 2011 eine verbindliche Übernahmeerklärung abgeben müssen. Das ist nicht erfolgt. Darauf, ob die Klägerin sich im gerichtlichen Verfahren auf einen fehlenden Bindungswillen berufen hat, kommt es daher nicht entscheidend an.
Soweit die Beklagte unter Verweis auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Augsburg und des Landgerichts Detmold vorträgt, dass die Rechtssache rechtlich schwierig sei, da zu klären sei, ob das Ausstandsverzeichnis als eigenständige Vollstreckungsgrundlage herangezogen werden könne, wird nicht aufgezeigt, warum diese Frage rechtlich schwierig zu beantworten ist noch liegt nach den vorstehenden Ausführungen die angenommene Schwierigkeit vor.
Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Die Beklagte macht als Verfahrensmangel eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend. Das Verwaltungsgericht habe die in der mündlichen Verhandlung erfolgten Ergänzungen des Sachverhalts nicht zur Kenntnis genommen. In dem Zeitraum zwischen der Kostenübernahmeerklärung vom 24. Oktober 2011 und der Anforderung der Kosten durch Schreiben vom 14. August 2013 hätten umfangreiche Planungsmaßnahmen und Abstimmungen zwischen den Beteiligten stattgefunden. Insbesondere sei nach Abgabe der Kostenübernahmeerklärung unmittelbar mit den Planungsleistungen begonnen worden und diese – betreffend die Einbeziehung des Grundstücks der Klägerin – noch im Dezember 2011 abgeschlossen worden. Im Jahr 2012 habe sie die Klägerin vor die Wahl gestellt, ob sie sich verbindlich an der Planung beteiligen wolle oder nicht, da auf dem Grundstück der Klägerin zwingend Maßnahmen zum Schallschutz hätten durchgeführt werden müssen. Nachdem die Klägerin keine verbindliche Erklärung abgegeben habe, sei das Planungsverfahren ohne weitere Beteiligung der Klägerin weitergeführt worden. Hätte das Gericht dies zur Kenntnis genommen, hätte es nicht zu dem Schluss kommen können, dass eine konkludente Vertragsannahme wegen des langen Zeitraums ausgeschlossen sei. Die Beklagte übersieht dabei, dass die Untersuchungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO nur Tatsachen erfasst, die nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich sind (vgl. BVerwG, B.v. 12.2.2019 – 9 B 47.18 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 17.3.2008 – 1 ZB 07.57 – juris Rn. 22). Da es – wie ausgeführt – nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts allein auf die schriftlichen Erklärungen ankam, die einen öffentlich-rechtlichen Vertrag hätten begründen können, scheidet eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht aus.
Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt, dass im Zulassungsverfahren der ursprüngliche Haupt- und Hilfsantrag nicht mehr anhängig waren.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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