Verwaltungsrecht

Konkurrentenstreit – Anlassbeurteilung eines schwerbehinderten Richters

Aktenzeichen  3 CE 20.1849

Datum:
18.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24788
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
LlbG Art. 21 Abs. 2
SGB IX § 178 Abs. 2
BayInklR Ziff. 9.1 S. 2, 9.2.1 S. 4
VwGO § 146 Abs. 4

 

Leitsatz

1. In welchem Umfang bei der Beurteilung der Leistung schwerbehinderter Richter eine Minderung der Arbeits- und Verwendungsfähigkeit durch ihre Behinderung zu berücksichtigen ist, entzieht sich der gerichtlichen Überprüfung, weil dem Beurteilenden insoweit ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. In einer Beurteilung muss nicht erwähnt werden, dass ein Richter trotz einer mit der Behinderung verbundenen Erschwernis in quantitativer Hinsicht gleiche Leistungen erbringt, weil Ziff. 9.1 S. 2 BayInklR als Kann-Vorschrift ausgestaltet ist. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es gibt keinen Rechtssatz dergestalt, dass wenn einem Bewerber eine Anlassbeurteilung erteilt wird, solche Anlassbeurteilungen für alle Bewerber einzuholen sind. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 E 20.2704 2020-07-28 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 27.871,71 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 28. Juli 2020, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe überprüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände führen zu keiner anderen Beurteilung.
1. Der Antragsteller rügt, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass beiden Bewerbern die uneingeschränkte Verwendungseignung für das angestrebte Präsidentenamt bescheinigt worden sei. Während die Anlassbeurteilung des Antragstellers diese Feststellung enthalte, heiße es in der periodischen Beurteilung der Beigeladenen zum Stichtag 31. Dezember 2016 nur, dass diese bei gleichbleibender Leistung und Gewinnung weiterer Erfahrungen für eine Verwendung als Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof oder als Präsidentin geeignet sei. Dabei handele es sich lediglich um eine Prognose, dass diese Eignung zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise vorliegen könnte. Dass diese Beurteilung nach Einschätzung der Präsidentin des Verwaltungsgerichtshofs vom 16. April 2020 weiterhin Aktualität genieße, bestätige nur diese Prognose, nicht aber tatsächlich das Vorliegen der entsprechenden Eignung. Dem Besetzungsvermerk lasse sich jedenfalls nichts Näheres entnehmen. Dieser Umstand hätte auch unter dem Aspekt der Kompensation eines etwaigen Leistungsvorsprungs (Gesamtprädikat von 12 gegenüber 14 Punkten der Beigeladenen) im Rahmen des Auswahlermessens berücksichtigt werden müssen.
Damit kann der Antragsteller nicht durchdringen. An der Verwendungseignung der Beigeladenen besteht kein Zweifel und dementsprechend keine Veranlassung, die Möglichkeit zu erörtern, ob der Antragsteller in Bezug auf die Verwendungseignung deren Leistungsvorsprung kompensieren könnte. Die Verwendungseignung der Beigeladenen als Präsidentin eines Verwaltungsgerichts wird durch die Regelbeurteilung zum Stichtag 31. Dezember 2016 „bei gleichbleibender Leistung und Gewinnung weiterer Erfahrungen“ attestiert. Durch die Bestätigung der Präsidentin des Verwaltungsgerichtshofs vom 16. April 2020 ist belegt, dass die Leistungen der Beigeladenen konstant auf dem hohen Leistungsniveau verblieben sind. Die Gewinnung weiterer Erfahrungen der Beigeladenen, auf die der Antragsgegner hinweist, nämlich die Übernahme des Amts der Pressesprecherin des Verwaltungsgerichtshofs und der stellvertretenden Vorsitzenden des 8. Senats sind gerichtsbekannt, so dass der Klarstellung der Präsidentin des Verwaltungsgerichtshofs vom 7. September 2020, die Einschätzung vom 16. April 2020 impliziere die nunmehr uneingeschränkte Zuerkennung der Verwendungseignung, aus Sicht des Senats nicht widersprochen werden kann. Die Aussage zur Verwendungseignung ist stets Prognose (BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris Rn. 10); Teil eines (konstitutiven) Anforderungsprofils war sie bei der Ausschreibung der konkreten Präsidentenstelle nicht.
2. Der Antragsteller meint, die Auswirkungen seiner Schwerbehinderung auf seine Leistung, Eignung und Befähigung habe der Beurteiler nicht in hinreichendem Maß berücksichtigt. Der Beurteiler sei verpflichtet, die Schwerbehinderung nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern müsse auch Feststellungen dazu treffen, inwiefern sich die Schwerbehinderung hinsichtlich Leistung, Eignung und Befähigung auswirke. Ansonsten laufe der zu gewährende Nachteilsausgleich (Art. 21 Abs. 2 LlbG) ins Leere. Inwiefern die durch die Schwerbehinderung des Antragstellers bedingten Schwierigkeiten bei der Bewältigung seiner dienstlichen Aufgaben berücksichtigt worden seien, lasse sich der Beurteilung nicht entnehmen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts halte sich die Darstellung des Beurteilers im Schreiben vom 16. Juli 2020 nicht in den Grenzen des Beurteilungsspielraums. Inwieweit die Sehbehinderung tatsächlich bei der Bewertung von Leistung, Eignung und Befähigung Berücksichtigung gefunden habe, werde seitens des Beurteilers nicht dargelegt. Es sei offensichtlich, dass der Beurteiler den Maßstab der Ziffer 9.1 Satz 2 der Inklusionsrichtlinien nicht hinreichend berücksichtigt habe. Der Antragsteller habe dargelegt, dass sich die Sehbehinderung dahingehend auswirke, dass er erhebliche Probleme beim Lesen, Erfassen des Gelesenen, bei der Lesegeschwindigkeit und Ausdauer habe. Anders als Nichtsehbehinderte könne der Antragsteller nicht stundenlang lesen. Er benötige Pausen oder, sofern ihm diese nicht möglich seien, müsse er dann eintretende körperliche Beschwerden, wie etwa Kopfschmerzen, Schmerzen in dem die Lupe haltenden Arm und Ermüdung, verkraften. Das gelinge ihm freilich nur unter erheblicher Anstrengung und viel Disziplin. Nach Ziffer 9.2.1 der Inklusionsrichtlinien müsse sich der Beurteiler in den Stand versetzen, den Antragsteller so einzuschätzen, als würde er nicht unter einer massiv eingeschränkten Sehfähigkeit leiden.
Auch insoweit zeigt die Beschwerde keinen Rechtsfehler der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auf. In welchem Umfang bei der Beurteilung der Leistung schwerbehinderter Richter und Richterinnen eine Minderung der Arbeits- und Verwendungsfähigkeit durch ihre Behinderung zu berücksichtigen ist, entzieht sich der gerichtlichen Überprüfung, weil dem Beurteilenden insoweit ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. In welcher Weise der Dienstvorgesetzte die Qualität, Quantität und sonstigen Komponenten einer Arbeitsleistung gewichtet, obliegt als Akt wertender Erkenntnis dem Beurteiler (BVerwG, B.v. 5.8.1983 – 2 B 89.82 – juris Rn. 4). In welchem Ausmaß und mit welchen Auswirkungen der Beurteilende die Schwerbehinderteneigenschaft des Beurteilten bei der Beurteilung berücksichtigt, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich auch diesbezüglich darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BVerwG, B.v. 5.8.1983 a.a.O. juris Rn. 7 unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 8.78 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 27.2.2020 – 3 ZB 18.137 – juris Rn. 10). In der Rechtsprechung ist dabei geklärt, dass sich aus der besonderen Rechtsstellung als Schwerbehinderter kein Anspruch auf bevorzugte Behandlung, etwa bei Beförderungen, ableiten lässt, sondern die Vorschriften des Schwerbehindertenrechts vielmehr dem Ausgleich der durch die Schwerbehinderung bedingten Nachteile dienen. Dies wirkt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere auf die Maßstäbe aus, nach denen die Quantität der Arbeitsleistung zu bemessen ist.
Gemessen daran ist die Anlassbeurteilung des Antragstellers nicht zu beanstanden. Der Beurteiler, dem die Schwerbehinderung des Antragstellers bekannt war, hat eine Minderung der Arbeits- und Verwendungsfähigkeit im Sinne des Art. 21 Abs. 2 LlbG beim Antragsteller nicht festgestellt. Der Beurteiler hat auch nicht gegen die Beurteilungspraxis verstoßen, dass die dienstliche Beurteilung von schwerbehinderten Menschen insgesamt vom Wohlwollen aller Akteure des Beurteilungsverfahrens begleitet wird (Lorse, Die dienstliche Beurteilung, 7. Auflage 2020, Rn. 233a a.E.). Mit der Erläuterung des Beurteilers vom 16. Juli 2020 wird (nochmals) klargestellt, dass dieser nicht von geringeren Leistungen als bei einem nicht schwerbehinderten Kollegen ausgegangen ist. Dass in der Anlassbeurteilung nicht vermerkt wurde, dass der Vorsitzende Richter trotz der mit der Behinderung verbundenen Erschwernis in quantitativer Hinsicht gleiche Leistungen erbringt (Ziff. 9.1 Satz 2 BayInklR), führt in Anbetracht der Ausgestaltung der genannten Bestimmung als Kann-Vorschrift nicht auf eine materielle Rechtswidrigkeit der Beurteilung. Soweit sich der Antragsteller auf Ziff. 9.2.1 Satz 4 BayInklR bezieht, ist deren Funktion als Nachteilsausgleich zu berücksichtigen. Die Intention der Inklusionsrichtlinien besteht nicht darin, einen solchen stets ohne Betrachtung der gezeigten Leistungen zu gewähren. Ist eine Einbuße gegenüber der Leistung nichtbehinderter Kollegen nicht feststellbar, liefe dies auf einen Beurteilungsaufschlag hinaus. Dies träte jedoch in Widerspruch zur Verpflichtung, die Leistungen des schwerbehinderten Richters wahrheitsgetreu zu beschreiben. Denn nur so bleibt die Beurteilung mit denen nicht schwerbehinderter Kollegen vergleichbar und kann als Grundlage für die nach Art. 33 Abs. 2 GG zu treffende Auswahlentscheidung herangezogen werden.
Schließlich wäre auch bei einem anderen Verständnis der Ziff. 9.2.1 Satz 4 BayInklR eine Verbesserung des Gesamturteils um zwei Punkte nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Hinzukommt der Rückstand des Antragstellers gegenüber der Beigeladenen in den besonders wichtigen Beurteilungskriterien nach Ziffer 4. der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 25. November 2016 (AllMBl 2016, 2183), der durch die genannte Bestimmung der Inklusionsrichtlinien nicht ausgeglichen werden kann.
3. Weiter trägt der Antragsteller zum Grundsatz der Entwicklung der Anlassbeurteilung aus der Regelbeurteilung vor. Insoweit greife das Verwaltungsgericht zu kurz, wenn es darauf abstelle, dass die Anlassbeurteilung, bei deren Erstellung davon ausgegangen worden sei, dass keine Regelbeurteilung vorliege, ansonsten regelkonform erstellt worden sei. Wenn dem Beurteiler bekannt gewesen wäre, dass eine Regelbeurteilung für den Antragsteller mit 12 Punkten im Hinblick auf die zum 2. Februar 2016 erfolgte Beförderung bereits vorgelegen habe, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beurteiler von einem anderen Ausgangspunkt an die Erstellung der Anlassbeurteilung herangegangen wäre, nämlich im Hinblick auf die Fortentwicklung des Antragstellers über einen mehrjährigen Zeitraum als Vorsitzender Richter, der schon zum 30. Juni 2017 mit 12 Punkten beurteilt gewesen sei. Damit sei nicht auszuschließen, dass auch das Beurteilungsergebnis anders ausgefallen wäre. Damit schlage dieser Mangel auf das Gesamtprädikat durch. Die Beurteilung sei rechtsfehlerhaft, aufzuheben und mache demzufolge die Auswahlentscheidung fehlerhaft.
Mit diesen Einwänden kommt der Antragsteller über unbeachtliche Spekulationen nicht hinaus. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich ausgesprochen, dass es keinen Rechtsgrundsatz des Inhalts gibt, dass Folgebeurteilungen bei gleichbleibender oder sich steigernder Leistung im gleichen Amt stets besser ausfallen müssten (BVerwG, B.v. 16.4.2013 – 2 B 134.11 – juris Rn. 11). Gerade vor dem Hintergrund, dass gleiche Leistungen von unterschiedlichen Beurteilern unterschiedlich bewertet werden können (Beurteilungsspielraum), kann sich kein Anspruch auf Verbesserung der Beurteilung allein aufgrund von Anciennität ergeben. Dass plausibilisierungspflichtige Veränderungen des Gesamturteils oder von Einzelbeurteilungen vorlägen, hat der Antragsteller selbst nicht vorgetragen.
4. Der Antragsteller wendet sich gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Anlassbeurteilung des Antragstellers sei zu berücksichtigen, weil sie nun einmal vorliege. Es verkenne, dass im Fall der Beigeladenen keine Anlassbeurteilung vorliege. Damit werde die Anlassbeurteilung des Antragstellers zum Stichtag 20. März 2020 mit der periodischen Beurteilung der Beigeladenen zum Stichtag 31. Dezember 2016 verglichen. Dies verbiete sich jedoch, weil damit keine vergleichbaren Beurteilungen in das Auswahlermessen eingestellt worden seien. Beurteilungen seien hinsichtlich ihrer Aktualität nur dann vergleichbar, wenn sie im Hinblick auf den zugrunde gelegten Zeitraum möglichst gleich, nicht zwingend kongruent seien. Das sei hier nicht der Fall. Ein Vergleich werde auch nicht dadurch ermöglicht, dass eine Einschätzung der zuständigen Beurteilerin vom 16. April 2020 im Rahmen des Verfahrens eingeholt worden sei, die von einer weiterhin vorliegenden Aktualität der periodischen Beurteilung der Beigeladenen ausgehe. Wenn sich der Dienstherr entschließe, Anlassbeurteilungen einzuholen, seien diese für alle Bewerber gleichmäßig einzuholen, damit keine Verzerrung im Wettbewerb um die Stelle eintrete. Die Vorgehensweise des erstinstanzlichen Gerichts, vor diesem Hintergrund die Regelbeurteilung des Antragstellers zum Stichtag 30. Juni 2017 mit in den Blick zu nehmen, verbiete sich, da dies seitens des Antragsgegners gerade nicht erfolgt sei. Dieser Umstand lasse sich nur im Rahmen einer neuen Auswahlentscheidung heilen.
Auch diese Einwände treffen nicht zu. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich klargestellt, dass dem Bewerber, für den eine zeitnahe Anlassbeurteilung erstellt worden ist, kein den Bewerbungsverfahrensanspruch tangierender Vorteil gegenüber anderen Bewerbern mit Regelbeurteilung erwachsen darf, weil bei dem Anlassbeurteilten neuere Erkenntnisse in die Beurteilung einfließen konnten. Unterschiedliche Aktualitätsgrade der Beurteilungen einer Auswahlentscheidung seien jedoch in bestimmten Konstellationen zwangsläufig in Kauf zu nehmen. Dem vom Antragsteller aufgestellten Rechtssatz, wenn einem Bewerber eine Anlassbeurteilung erteilt werde, seien solche Anlassbeurteilungen für alle Bewerber einzuholen, hat es damit ausdrücklich widersprochen (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 57-59). Wenn der Bevollmächtigte des Antragstellers schließlich meint, ein Vergleich der Regelbeurteilung der Beigeladenen zum Stichtag 31. Dezember 2016 mit derjenigen des Antragstellers zum Stichtag 30. Juni 2017 lasse sich nur im Rahmen einer neuen Auswahlentscheidung anstellen, verkennt er, dass ein solcher Anspruch auf eine erneute Auswahlentscheidung nicht bestehen kann, weil sich – die Aufhebung der nicht erforderlichen Anlassbeurteilung unterstellt – auch bei diesem Vergleich der Antragsteller als chancenloser Bewerber darstellt, dessen Auswahl in Anbetracht des um zwei Punkte schlechteren Gesamtprädikats nicht möglich erscheint.
5. Der Antragsteller hält die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts für unzutreffend, die rechtswidrig unterlassene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretungsbeteiligung sei nicht entscheidungserheblich. Im Rahmen der Auswahlentscheidung und der Überprüfung des Auswahlermessens und des Verfahrens sei nur das zu berücksichtigen, was sich aus dem Auswahlvermerk ergebe. Sämtliche späteren Überlegungen, die sich gerade nicht aus dem Auswahlvermerk ergäben, seien unbeachtlich. Die Überlegungen des Verwaltungsgerichts zu Art. 46 BayVwVfG stellten einen unzulässigen Eingriff in das Ermessen des Antragsgegners dar.
Ungeachtet des Umstands, dass sich der Antragsgegner gegen den „Eingriff“ in sein Ermessen nicht selbst verwahrt hat, ist diesem Einwand durch die in der Beschwerdeerwiderung nachgewiesene nachträgliche nochmalige Billigung der Auswahlentscheidung durch den Staatsminister des Innern und für Integration in Kenntnis der Ausführungen der stellvertretenden Vertrauensperson für schwerbehinderte Menschen (richterliches Personal) in den ergänzenden Anmerkungen zum Protokoll der Präsidialratssitzung vom 15. Mai 2020 zu TOP 1 der Boden entzogen. Auf dem Entwurf der Antragserwiderung wurde nachgewiesen, dass der Staatsminister die Stellenbesetzung in Kenntnis der Einwände der Vertrauensperson erneut am 20. Juli 2020 gebilligt hat. Eine nachträgliche Heilung der zunächst unterbliebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung hält der Antragsteller ausweislich der Beschwerdebegründung selbst für möglich. Die Frist des § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX steht der noch im vorprozessualen Raum erfolgten Nachholung der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nicht entgegen, weil insoweit die Grundsätze des Art. 45 Abs. 1 BayVwVfG auch für andere dort nicht genannte Fehler gelten (BVerwG, B.v. 4.6.2019 – 1 WDS-VR 6.19 – juris Rn. 27; OVG Berlin-Bbg, U.v. 7. November 2018 – 10 B 4.16 – juris Rn. 42 m.w.N.) und der ihr zugedachte Schutz noch erfüllt werden konnte (BayVGH, B.v. 23.2.2018 – 6 CS 17.2556 – juris Rn. 18).
Zudem kann der Ansatz des Verwaltungsgerichts, Art. 46 VwVfG finde auch über den Bereich der gebundenen Verwaltungsentscheidungen Anwendung, wenn ein Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift offensichtlich ohne Einfluss auf die Entscheidung in der Sache sei, das Gericht zweifelsfrei und ohne jede Spekulation davon ausgehen könne, dass die Entscheidung ohne den Fehler genauso ausgefallen wäre, nicht dadurch widerlegt werden, dass der Antragsteller betont, es dürfe nur auf den Auswahlvermerk abgestellt werden. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sich der Antragsteller beruft (BVerwG, B.v. 13.11.2019 – 2 C 24.18 – juris), bezieht sich nur auf eine gebundene Entscheidung und widerlegt so den Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts nicht. Bei Auswahlentscheidungen kommt die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch erst dann zum Tragen, wenn dieser mit einem Nichtbehinderten konkurriert und beide aufgrund ihrer Aus- und Vorbildung, ihren Fähigkeiten und ihren Leistungen absolut gleich geeignet für das angestrebte Beförderungsamt sind (vgl. BVerwG, B.v. 15.2.1990 – 1 WB 36.88 – juris Rn. 21).
6. Die Beschwerde des Antragstellers ist demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6, § 47 GKG (wie Vorinstanz).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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