Verwaltungsrecht

Konkurrentenstreit zwischen einem Beamten und einem Angestellten

Aktenzeichen  W 1 E 19.835

Datum:
21.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 20317
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
GG Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Voraussetzung für das Vorliegen eines Bewerbungsverfahrensanspruchs ist, dass es sich um die Vergabe eines Dienstpostens in der Weise handeln muss, dass entweder mit der Übertragung des Dienstpostens unmittelbar eine Beförderung (Ernennung in ein bestimmtes statusrechtliches Amt) verbunden ist oder dass der Dienstposten als „Beförderungsdienstposten“ oder „Bewährungsdienstposten“ zunächst nach den Grundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG im Wege der Unterbesetzung zur Probe übertragen wird, wobei der ausgewählte Bewerber später – ohne weiteres Auswahlverfahren – befördert werden soll. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Grundsatz der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG gilt auch bei der Besetzung eines Dienstpostens, wenn die Auswahl zwischen einem Beamten und einem Angestellten zu treffen ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Erwägungen des Dienstherrn, welche seine Entscheidung für einen bestimmten Bewerber leiten, sind in einem Auswahlvermerk zu dokumentieren. Diese Auswahlerwägungen können nicht erstmals im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens dargelegt werden.  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die Besetzung der Stelle des Bauamtsleiters mit dem Beigeladenen rückgängig zu machen und untersagt, die Stelle des Bauamtsleiters bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Bewerbung des Antragstellers in der Hauptsache mit dem Beigeladenen zu besetzen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller steht als technischer Beamter im Dienst des Antragsgegners (Besoldungsgruppe A9). Der Beigeladene ist als Bautechniker bei der Antragsgegnerin angestellt (Entgeltgruppe 10).
Das Bauamt der Antragsgegnerin ist in die Bereiche Hochbau und Tiefbau aufgegliedert, wobei der Antragsteller für den Hochbau und der Beigeladene für den Tiefbau zuständig ist. Beide arbeiten in ihren Bereichen jeweils selbständig.
Die Antragsgegnerin beabsichtigte einen Bauamtsleiter zu bestimmen. Eine Ausschreibung dieser Stelle erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 29. April 2019 bewarb sich der Antragsteller bei der Verwaltungsgemeinschaft Hettstadt auf die Stelle des Bauamtsleiters und bat um schriftliche Mitteilung im Falle der Nichtberücksichtigung. Ebenso bewarb sich der Beigeladene auf diese Stelle.
Unter dem 25. Juni 2019 wurde dem Antragsteller mündlich mitgeteilt, dass der Beigeladene die Stelle des Bauamtsleiters ab dem 1. Juli 2019 erhalten solle. Mit Schreiben vom 27. Juni 2019 wurde dem Antragsteller dies nochmals schriftlich mitgeteilt, wobei das Schreiben mittels Hauspost versandt wurde. Der Antragsteller befand sich zu diesem Zeitpunkt jedoch im Krankenstand, sodass ihn das Schreiben zunächst nicht erreichte. Der Beigeladene erhielt sodann zum 1. Juli 2019 den Titel Bauamtsleiter.
Am 3. Juli 2019 ließ der Antragsteller vorsorglich Widerspruch gegen die Entscheidung einlegen und forderte die Antragsgegnerin auf, die Besetzung nicht vorzunehmen, bis endgültig über die Besetzung entschieden wurde.
Mit Schreiben vom 5. Juli 2019 teilte die Verwaltungsgemeinschaft Hettstadt dem Antragsteller mit, dass die Besetzung bereits zum 1. Juli 2019 erfolgt sei und sandte dem Antragsteller eine Kopie des sich noch in der Hauspost befindlichen Schreibens vom 27. Juni 2019 zu.
Mit Schreiben vom 9. Juli 2019 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg einen Antrag auf Erlass einer einsteiligen Anordnung stellen. Es gebe eine entsprechende Stelle als Leiter des Bauamtes. Ab dem 1. November 1997 sei Herr T. Leiter des Bauamtes gewesen. Dieser habe wegen seiner Leitung eine Zulage gewährt bekommen. Da es eine Sachgebietsleitung gegeben habe, hätte eine entsprechende Ausschreibung der Stelle erfolgen müssen. Zudem sei der Vortrag der Antragsgegnerin widersprüchlich. Würde die Bestellung des Bauamtsleiters unter das Direktionsrecht fallen, würde es sich um eine laufende Angelegenheit handeln, sodass eine Versammlung der Gemeinschaft zur Legitimation der Entscheidung nicht notwendig gewesen wäre. Eine Gemeinschaftsversammlung sei allerdings notwendig, wenn eine Stellenbesetzung anstehe, die nach außen wirksam sein solle. Zudem sei der Titel Bauamtsleiter nicht notwendig, wenn es nur darum gehe, an Sitzungen oder Besprechungen teilzunehmen. Zudem habe die Bezeichnung auch Auswirkungen auf die zukünftigen Beurteilungen des Beigeladen und des Antragstellers. Alleine aus dem Begriff „Leiter“ ergebe sich eine in der Hierarchie höhere Stellung. Der Titel suggeriere die Möglichkeit Weisungen zu erteilen. Ein Abwarten in der Hauptsache sei dem Antragsteller nicht zumutbar, da dem Beigeladenen ein Erfahrungsvorsprung erwachsen könne.
Der Antragsteller beantragt,
Die Ernennung des Beteiligten zum Leiter des Bauamtes wird vorläufig aufgehoben und der Antragsgegnerin untersagt, die Stelle des Leiters des Bauamtes bei der Antragsgegnerin mit einem Bewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden worden ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag des Antragstellers im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 VwGO, die Aufhebung der Ernennung des Beteiligten zum Leiter des Bauamtes sowie die Untersagung, die Stelle des Leiters des Bauamtes bei der Antragsgegnerin mit einem Bewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden worden ist, wird abgelehnt.
Mit der Bestimmung eines Bauamtsleiters sei weder die Übertragung eines anderen Amtes noch der Erhalt eines höheren Gehalts verbunden. Es gebe keine Veränderung in der Tätigkeit und der Besoldung. Es handele sich weder um eine Versetzung noch um eine Umsetzung. Eine Ernennung im beamtenrechtlichen Sinne sei nicht erfolgt. Da es keine Stelle „Leiter des Bauamtes“ gebe, müsse auch keine Ausschreibung erfolgen. Der Bauamtsleiter solle nur für die Gesamtorganisation und die Gesamtkoordination des Bauamtes hauptverantwortlich sein. Zudem solle er bei den wöchentlich stattfindenden Besprechungen der Geschäftsführung anwesend sein. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Auch fehle es an einem solchen, da die behördliche Entscheidung jederzeit rückgängig gemacht werden könne, da der Beigeladene keinen Anspruch auf ein bestimmtes Amt im konkret-funktionellen Sinne habe. Es drohe kein Rechtsverlust.
Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Dabei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung setzt voraus, dass die begehrte einstweilige Anordnung geeignet und notwendig ist, den auf Art. 33 Abs. 2 GG beruhenden materiellen Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers zu sichern und dadurch einen endgültigen Rechtsverlust zu seinem Nachteil abzuwenden.
Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Grundlegende Voraussetzung für das Vorliegen eines Bewerbungsverfahrensanspruchs ist, dass es sich aus der Sicht des potentiellen Bewerbers um die Vergabe eines Dienstpostens in der Weise handeln muss, dass entweder mit der Übertragung des Dienstpostens unmittelbar eine Beförderung (Ernennung in ein bestimmtes statusrechtliches Amt) verbunden ist oder dass der Dienstposten als „Beförderungsdienstposten“ oder „Bewährungsdienstposten“ (vgl. zum Letzteren VGH Mannheim, B.v. 16.10.2007, Az.: 4 S 2020/07 – juris) zunächst nach den Grundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG im Wege der Unterbesetzung zur Probe übertragen wird, wobei der ausgewählte Bewerber später – ohne weiteres Auswahlverfahren – befördert werden soll. Der Grund für das Bestehen eines Bewerbungsverfahrensanspruchs auch für die zweite der beiden Varianten („Beförderungsdienstposten“ oder „Bewährungsdienstposten“) ergibt sich daraus, dass die Entscheidung über eine Beförderung bereits an die Vergabe des Dienstpostens gekoppelt ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2009 – 3 CE 09.1662 – juris; B.v. 17.6.2008, Az.: 3 CE 08.884 – juris; BVerwG U.v. 25.11.2004 Az.: 2 C 17.03 – juris).
Aus den von dem Antragsteller vorgelegten Unterlagen, insbesondere eines Schreibens der Antragsgegnerin vom 23. Februar 2010 an Herrn T., einem vorherigen Bauamtsleiter, ergibt sich, dass bereits in der Vergangenheit für die Stelle des Bauamtsleiters eine Amtszulage seitens der Antragsgegnerin gewährt wurde. Die bloße pauschale Behauptung der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren, die Verleihung des Titels des Bauamtsleiters habe keine finanzielle Besserstellung zur Folge, genügt daher vor dem Hintergrund des oben genannten Schreibens in vergleichbarer Konstellation nicht zur Wiederlegung eines Anordnungsrundes. Dass die jetzige Situation im Vergleich zu 2010 eine andere ist, wurde seitens der Antragsgegnerin weder vorgetragen noch ist dergleichen ersichtlich. Vielmehr war Herr T. ebenfalls verbeamtet und zunächst der Besoldungsgruppe A 9 zuzuordnen, ebenso wie der hiesige Antragsteller. Insofern handelt es sich aus Sicht des Bewerbers und des Gerichts um die Vergabe einer Stelle, die zumindest Voraussetzung für eine Beförderung ist. Durch die Besetzung der Stelle des Bauamtsleiters durch den Beigeladenen besteht die Möglichkeit der Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung der Geltendmachung der Rechte des Antragstellers. Dem Beigeladenen erwächst gegenüber dem Antragsteller ein Erfahrungsvorsprung, welcher im Falle des Obsiegens des Antragstellers in der Hauptsache bei einer erneuten Auswahlentscheidung zu berücksichtigen wäre (BVerwG, B. v. 29.4.2010 – 1 WDS-VR 2/10 – juris; BVerwG, B. v. 11.5.2009 – 2 VR 1/09 – juris).
Zudem ist auch ein Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht.
Art. 33 Abs. 2 GG gewährleistet nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung den gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Die Vorschrift ist damit Ausdruck des unbeschränkt und vorbehaltlos geltenden Leistungsgrundsatzes. Sie dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trägt sie dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet (OVG Bautzen, B. v. 17.1.2012 – 2 B 275/11 -, juris Rn. 10; vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.2004, BVerwGE 122, 237, 239). Der Grundsatz der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG gilt dabei auch bei der Besetzung eines Dienstpostens, wenn die Auswahl zwischen einem Beamten und einem Angestellten zu treffen ist (BVerwG, B.v. 27.4.2010 – 1WB 39/09 – juris; OVG Münster, B.v. 13.5.2004 – 1 B 300/04 – juris). Die Entscheidung des Dienstherrn, welcher der Bewerber der Geeignetste für einen Beförderungsdienstposten ist, unterliegt als Akt wertender Erkenntnis nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. März 1998, BVerwGE 106, 263, 266 ff.; Urt. v. 16. August 2001, BVerwGE 115, 58, 60 m. w. N.). Die Auswahl beruht auf der Bewertung der durch Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen persönlichen Merkmale, die in Bezug zu dem Anforderungsprofil des jeweiligen Dienstpostens gesetzt werden. Welchen der zu den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Eigenschaften der Dienstherr das größere Gewicht beimisst, bleibt dabei seiner Entscheidung überlassen. Auskunft über die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung geben in erster Linie die dienstlichen Beurteilungen, auf die daher vorrangig zur Ermittlung des Leistungsstandes zurückzugreifen ist. Schließlich sind die Erwägungen des Dienstherrn, welche seine Entscheidung für einen bestimmten Bewerber leiten, in einem Auswahlvermerk zu dokumentieren. Dieser muss eine Bewertung der Leistung, Eignung und Befähigung der Bewerber auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilungen enthalten, das heißt die Auswahlkriterien nachvollziehbar begründen und gewichten (OVG Bautzen, B. v. 26.10.2009, SächsVBl. 2010, 43; st. Rspr.). Die an die Dokumentation zu stellenden Anforderungen ergeben sich aus den folgenden Erwägungen (vgl. BVerfG, B. v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07 -, juris Rn. 20 ff.): Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO hat der unterlegene Mitbewerber im gerichtlichen Eilverfahren Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Ihm obliegt daher die Darlegungslast für die von ihm behauptete Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung. Grundlage hierfür können allein die in den Akten niedergelegten Auswahlerwägungen sein. Andere Erkenntnisse stehen dem unterlegenen Bewerber nicht zur Seite und können von ihm auch nicht beschafft werden. Aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG folgt deshalb auch die Verpflichtung, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen (vgl. hierzu BAG, U.v. 21.2.2003 – 9 AZR 72/02 -, BAGE 104, 295 ; BayVGH, B.v. 21.1.2005 – 3 CE 04.2899 -, BayVBl 2006, S. 91; HessVGH, B.v. 17.6.1997, 1 TG 2183/97 -, ZTR 1997, S. 526 ). Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen – deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann – wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen (vgl. BVerfGE 65, 1 ; 103, 142 ). Die Annahme der angegriffenen Entscheidung, die Auswahlerwägungen könnten auch erstmals im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens dargelegt werden, mindert die Rechtsschutzmöglichkeiten des Antragstellers in unzumutbarer Weise. Dies gilt nicht nur im Hinblick darauf, dass ohne die Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen eine substantiierte Begründung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs kaum – oder jedenfalls nur sukzessive auf die Erwiderung des Dienstherrn hin – möglich ist. Vielmehr ist es dem Antragsteller insbesondere nicht zuzumuten, die Auswahlentscheidung seines Dienstherrn gewissermaßen „ins Blaue hinein“ in einem gerichtlichen Eilverfahren angreifen zu müssen, um überhaupt nur die tragenden Erwägungen der Auswahlentscheidung zu erfahren. Im Übrigen stellt nur die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind, und erweist sich damit als verfahrensbegleitende Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG (OVG Bautzen, B.v. 20.11.2018 – 2 B 355/18 -, Rn. 10 – 14, juris).
Vorliegend ist ein solche schriftliche Fixierung der Auswahlgründe aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Akten nicht ersichtlich. Auch wurde das Vorhandensein eines solchen Auswahlvermerks seitens der Antragsgegnerin nicht behauptet. Insofern fehlt es an dem erforderlichen Auswahlvermerk, sodass die Auswahl der Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar ist. Es ist daher nicht sichergestellt, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind. Die Auswahlentscheidung leidet somit an einem formellen Fehler, welcher entsprechend obiger Ausführungen auch nicht mehr im vorliegenden Verfahren geheilt werden konnte. Ausführungen seitens der Antragsgegnerin zu der Auswahlentscheidung selbst sind im hiesigen Verfahren zudem auch nicht erfolgt. Auch aus dem ablehnenden Schreiben an den Antragsteller sowie der schriftlichen Zusage an den Beigeladenen ergibt sich nicht, weshalb die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen ausgefallen ist. Insofern hat sich die Antragsgegnerin unter Berufung auf § 99 VwGO zudem zu Unrecht geweigert, die entsprechenden Protokolle der Gemeinschaftsversammlung dem Gericht vorzulegen, sodass auch nicht überprüft werden kann, ob die Gründe für die Auswahlentscheidung sich aus diesen Unterlagen ergeben können. Das Gericht kann somit vorliegend das Auswahlverfahren nicht nachvollziehen.
Da die Auswahlentscheidung mangels schriftlichen Auswahlvermerks fehlerhaft erfolgt ist, ist somit auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Angesichts des erheblichen Erfahrungsvorsprungs des Antragstellers und der Tatsache, dass der Beigeladene „noch einige Lehrgänge benötigt“ (vgl. Schreiben der Antragsgegnerin an den Beigeladenen vom 27. Juli 2019), erscheint ein Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache auch nicht ausgeschlossen (vgl. dazu VG Würzburg, B.v. 17.5.2019 – W 1 E 19.489 m.w.N. – juris).
Dem Antrag war daher stattzugeben. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat war er nicht am Kostenrisiko zu beteiligen, §§ 162 Abs. 2, 154 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. In einem Konkurrentenstreitverfahren, das auf vorläufige Freihaltung der zu besetzenden Stelle im Wege einer einstweiligen Anordnung gerichtet ist, ist der volle Auffangstreitwert von 5000 EUR anzusetzen (BayVGH, B.v. 16.4.2013 – 3 CE 09.596).


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