Verwaltungsrecht

Kopftuchverbot für Rechtsreferendarin bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung

Aktenzeichen  Au 2 K 15.457

Datum:
30.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 47972
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 4 Abs. 1, Abs. 2  12 Abs. 1
BayVerf, Art. 5 Abs. 3, Art.85, Art.101, Art.107 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4
BayVwVfG Art. 36, Art. 37 Abs. 1
BayJAPO § 46 Abs. 6
BayEUG Art. 59 Abs. 2 S. 3
BaySiGjurVD Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Das mittels Auflage im Bescheid über die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst verfügte Verbot für eine muslimische Rechtsreferendarin, bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung im Rahmen ihrer praktischen Ausbildung in der Zivil- und Strafrechtsstation ein Kopftuch zu tragen, findet im geltenden Recht des Bundes und des Freistaats Bayern keine (hinreichend bestimmte) gesetzliche Grundlage. (amtlicher Leitsatz)
2. Bei einem Kopftuchverbot für eine Rechtsreferendarin ist der Schutzbereich des Grundrechts der Religionsfreiheit eröffnet, weil das Tragen eines muslimischen Kopftuches („Hidschab“), durch das Haare und Hals nachvollziehbar aus religiösen Gründen bedeckt werden, als Teil der Religionsausübung nach außen in den Bereich des sog. „forum externum“ fällt (vgl. BVerfGE 138, 296 = NJW 2015, 1359 zum Kopftuchverbot für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen). (redaktioneller Leitsatz)
3. Zur Rechtfertigung einer Auflage, mit der einer muslimischen Rechtsreferendarin aufgegeben wird, bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes ein Kopftuch zu tragen, bedarf es eines formellen Parlamentsgesetzes. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Es wird festgestellt, dass die mit dem Einstellungsbescheid vom 3. September 2014 (Gz: …) verbundene Auflage „dass bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Sachverständigen und Zeugen in der Zivilstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen“ rechtswidrig war.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
IV.
Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet, da die dem Zulassungsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts … vom 3. September 2014 beigefügte (mit Bescheid vom 15. Juni 2015 aufgehobene) Auflage, „dass bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Sachverständigen und Zeugen in der Zivilstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen“ (in der Gestalt des – ausgehend vom Klageantrag nicht Gegenstand des Fortsetzungsfeststellungsbegehrens darstellenden – Widerspruchsbescheids des Präsidenten des Oberlandesgerichts … vom 3. März 2015) rechtswidrig war (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).
A) Die Klage erweist sich als zulässig.
I)
Die zunächst statthafte isolierte Anfechtungsklage gegen die streitgegenständliche Auflage wurde nach deren Aufhebung durch Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts … vom 15. Juni 2015 und die dadurch eingetretene Erledigung (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) gemäß § 173 VwGO i. v. m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässigerweise in eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog umgestellt (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 22.1.1998 – 2 C 4.97 – BayVBl 1998, 668). Zur Sicherstellung einer umfassenden Rechtsweggarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG ist bei Erledigung einer Nebenbestimmung die Feststellung der Rechtswidrigkeit der jeweiligen Nebenbestimmung im Rahmen einer analogen Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2008 – 1 C 17.07 – NVwZ 2008, 796; VG Berlin, U. v. 11.3.2016 – 1 K 59.14 – juris Rn. 16 ff.; VG Hamburg, U. v. 4.5.2015 – 15 K 5256/13 – juris Rn. 27 ff.; Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2016, § 113 Rn. 79; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 36 Rn. 55a).
II)
Die Klägerin hat das Vorliegen des notwendigen Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ausreichend dargetan. Aus dessen Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur dann zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat. Es muss – unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der betroffenen Rechtspositionen – über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Behördenentscheidung hinausgehen und kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein (vgl. hierzu z. B. BVerwG, U. v. 16.5.2013 – 8 C 20.12 – ZfWG 2013, 454). Maßgeblich ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet erscheint, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 113 Rn. 130 m. w. N.).
Das erforderliche Feststellungsinteresse kann sich aus einem Rehabilitationsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint. Zusätzlich kommt das Bestehen eines berechtigten Feststellungsinteresses auch in den Fällen in Betracht, in denen die erledigte behördliche Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht. Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen (BVerwG, B. v. 5.2.2015 – 1 WB 24.14 – juris Rn. 20; U. v. 26.2.2014 – 6 C 1.13 – NVwZ 2014, 883; U. v. 16.5.2013 – 8 C 15.12 – ZfWG 2013, 380; B. v. 30.4.1999 – 1 B 36.99 – Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6).
1) Die Klägerin kann hier kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr geltend machen. Hierfür ist Voraussetzung, dass die geltend gemachte Wiederholungsgefahr hinreichend konkret ist (BVerfG, B. v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – NJW 2004, 2512; BVerwG, B. v. 26.4.1993 – 4 B 31.93 – NVwZ 1994, 282; U. v. 21.11.1980 – 7 C 18.79 – DVBl 1981, 682). Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr ist im vorliegenden Fall aber weder substantiiert vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Nach ihren eigenen Angaben wird die Klägerin ab dem 1. Juli 2016 das Pflichtwahlpraktikum im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdienstes für drei Monate beim Auswärtigen Amt in Berlin und anschließend bis zum Ausscheiden aus dem Vorbereitungsdienst Anfang Dezember 2016 bei der Rechtsanwaltskanzlei … in … ableisten. Bei dieser Sachlage erscheint das Eintreten einer mit der Konstellation in der Zivil- oder Strafrechtsstation vergleichbaren Situation ausgeschlossen, da bei den vorgenannten Ausbildungsstellen keine Möglichkeit besteht, hoheitliche Tätigkeiten mit vergleichbarer Außenwirkung zu Ausbildungszwecken übertragen zu erhalten. Für den Fall, dass die Klägerin entgegen ihrer derzeitigen Planungen doch noch beabsichtigen sollte, das Pflichtwahlpraktikum bei der bayerischen Justiz abzuleisten, fehlt es hierfür an konkreten Anhaltspunkten, die das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr rechtfertigen könnten, zumal der Beklagte erklärt hat, dabei auf den erneuten Erlass der streitgegenständlichen Auflage zu verzichten.
Falls die Klägerin nach Abschluss ihrer Ausbildung möglicherweise eine Laufbahn in der bayerischen Justiz anstreben sollte, vermag auch dies nicht zur Bejahung einer Wiederholungsgefahr führen, da in diesem Fall eine rechtlich andere Situation eintreten würde, die mit der derzeitigen Ausbildungssituation nicht vergleichbar ist.
2) Das besondere Feststellungsinteresse kann auch nicht wegen eines durch die Umsetzung der Auflage eingetretenen schweren Grundrechtseingriffs bejaht werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann allein ein tiefgreifendender Grundrechtseingriff das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht begründen. Eine Ausnahme gilt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich nur bei Eingriffsakten, die sonst wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden könnten (BVerwG, U. v. 16.5.2013 – 8 C 22.12 – BVerwGE 146, 303). Letzteres ist bei der streitgegenständlichen Auflage – als Nebenbestimmung zu einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung – nicht der Fall. Da der behauptete Grundrechtseingriff – nach der am 15. Juni 2015 erfolgten Aufhebung der Auflage – nicht fortdauert, fehlt es schon an der notwendigen Schwere des Grundrechtseingriffs. Zwar werden durch die Auflage insbesondere die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bzw. Art 107 Abs. 1, 2 und 4 BV gewährleisteten Grundrechte inhaltlich tangiert. Der Klägerin war es jedoch nur im Hinblick auf einzelne bzw. marginale Ausschnitte des Referendariats verwehrt, konnotierte Kleidung zu tragen. Im Rahmen der Strafrechtstation war sie im Übrigen nicht der Staatsanwaltschaft, sondern einer Strafrichterin zugewiesen. Hier sind nach § 10 Satz 1 GVG keine Tätigkeiten mit Außenauftritt vorgesehen und auch nicht erfolgt. Für einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff ist aber eine Eingriffsintensität notwendig, die einem Berufsverbot gleichkommt (Kopp/Schenke, a. a. O., § 113 Rn. 146). Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da es der Klägerin im Rahmen ihrer Ausbildung außerhalb der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten gestattet war, ein Kopftuch zu tragen und zudem weder vorgetragen noch sonst erkennbar ist, dass sie durch die Umsetzung der Auflage sonstige Nachteile nennenswerter Art erlitten hat.
3) Mangels Entscheidungsrelevanz kann dahinstehen, ob die Klägerin ein besonders Feststellungsinteresse in der Form des Rehabilitationsinteresses besitzt. Dieses liegt vor, wenn die begehrte Feststellung, dass der Verwaltungsakt bzw. die Nebenbestimmung rechtswidrig war, als „Genugtuung“ erforderlich ist, weil die behördliche Maßnahme diskriminierenden Charakter hatte und diese geeignet war, eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen herbeizuführen (BVerfG, B. v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – NJW 2004, 2512; BVerwG, U. v. 21.3.2013 – 3 C 6.12 – NVwZ 2013, 1550). Im vorliegenden Fall könnte die diskriminierende Wirkung der streitgegenständlichen Auflage daraus folgen, dass es der Klägerin, die u. a. am 7., 14., 21. und 28. November 2014 jeweils gemeinsam mit einer Mitreferendarin den Verhandlungen ihrer Ausbildungsrichterin in der Zivilstation beiwohnte, aufgrund der streitgegenständlichen Auflage untersagt war, die Verhandlungen (zeitweise) zu leiten oder am Richtertisch Platz zu nehmen. Da sie von einem an den Gerichtsterminen teilnehmenden Rechtsanwalt darauf angesprochen wurde, wieso nicht auch sie auf der Richterbank sitze, ist eine Situation entstanden, bei der eine gewisse Stigmatisierung der Klägerin zumindest nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint.
Die Argumentation der Beklagtenseite, dass seitens der Behörde keine Bekanntgabe der Auflage nach außen erfolgt sei und deshalb keine Außenwirkung vorliege und auch nicht in abstrakter Weise auf die Existenz einer solchen Auflage geschlossen werden könne, kann nicht durchgreifen. Für den Ausschluss des Rehabilitationsinteresses ist maßgeblich, dass der Auflage – aufgrund welcher konkreten Umstände auch immer – überhaupt keine Außenwirkung zukommt (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.2013 – 8 C 20.12 – ZfWG 2013, 454; BayVGH, B. v. 25.4.2014 – 12 ZB 13.1197 – Rn. 10; VG Magdeburg, U. v. 24.10.2013 – 4 A 155/13 – juris Rn. 27). Dies ist hier aber nicht der Fall. Indem jedenfalls die Mitreferendarin und die Ausbildungsrichterin von der Auflage Kenntnis hatten, erlangte die Maßnahme – wenn auch nur in beschränktem Umfang – Außenwirkung.
Falls vom Vorliegen eines Rehabilitationsinteresses ausgegangen würde, wäre dieses bei wertender Betrachtung der Verhältnisse des Einzelfalls aber wohl nicht als schutzwürdig einzustufen. Es spricht hier einiges dafür, dass dessen Schutzwürdigkeit wegen widersprüchlichen Verhaltens der Klägerin („venire contra factum proprium“) entfallen ist. Ein solches Verhalten dürfte darin zu sehen sein, dass sie – obwohl sie bereits mit der Zustellung des Zulassungsbescheids am 5. September 2014 mit der streitgegenständlichen Auflage beschwert war – bis zum 20. Januar 2015 mit der Einlegung des gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung auslösenden Widerspruchs abwartete und die mit dem Kopftuchverbot verbundenen Ausbildungseinschränkungen zunächst hinnahm. Dadurch, dass die Klägerin am 14. November 2014 gegen die Auflage „Beschwerde“ bei ihrer damaligen gemäß § 52 Abs. 2 JAPO vorgesetzten Ausbildungsrichterin erhoben und sich folglich mittels Remonstration (Art. 7 BayBG i. v. m. Art 2 Abs. 2 Satz 1 SiGjurVD) gegen die Auflage gewandt hat, dürfte in diesem Zusammenhang nicht ausreichen, um das Absehen von der Erhebung eines Widerspruchs zu kompensieren und das Bestehen des Rehabilitationsinteresses begründen zu können. Nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung wollte die Klägerin damit den Dienstweg einhalten und eine Klärung erreichen, welche Folgen mit der Auflage in der Praxis verbunden sind und wie die Auflage konkret umgesetzt wird. Da die ersten Ausbildungstage in der Zivilstation am 7. bzw. 14. November 2014 stattfanden, dürfte es im Hinblick auf das Rehabilitationsinteresse letztlich wohl als gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten anzusehen sein, zunächst das tatsächliche Ausmaß der Folgen der streitgegenständlichen Auflage für ihre Ausbildung abzuwarten, anschließend lediglich eine nicht mit aufschiebender Wirkung verbundene „Beschwerde“ bei der Ausbildungsrichterin einzulegen (Remonstration) und erst einige Wochen nach dem Entstehen des von ihr später als diskriminierend beanstandeten Ausbildungsgeschehens Widerspruch zu erheben.
4) Ein besonderes Feststellungsinteresse besteht aber jedenfalls deshalb, weil die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflage präjudiziell für die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs durch die Klägerin sein kann. Das setzt zunächst voraus, dass sich die Nebenbestimmung nach Klagerhebung erledigt hat, der Amtshaftungsprozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offensichtlich aussichtslos erscheint (BVerwG, U. v. 22.1.1998 – 2 C 4.97 – NVwZ 1999, 404; BayVGH, U. v. 14.1.1991 – 2 B 90.1756 – NVwZ-RR 1991, 519). Eine Erledigung nach Klageerhebung liegt vor, da die Klägerin am 3. April 2015 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben hat und die Auflage erst nachfolgend mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts … vom 15. Juni 2015 (wieder) aufgehoben wurde. Weiter teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 27. Juni 2016 mit, dass mittlerweile ein Amtshaftungsprozess gerichtet auf Ersatz des durch die streitgegenständliche Auflage entstandenen immateriellen Schadens wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin vor dem Landgericht … anhängig gemacht wurde. Schließlich war auch nicht von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Amtshaftungsprozesses auszugehen. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann (BVerwG, U. v. 22.1.1998 – 2 C 4.97 – BayVBl 1998, 668; Kopp/Schenke, a. a. O., § 113 Rn. 136; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2016, § 113 Rn. 89). In Betracht kommt vorliegend ein Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 GG i. v. m. § 839 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB i. v. m. Art. 2 Abs. 1 i. v. m. Art. 1 Abs. 1 GG. voraussetzung hierfür ist eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, bei der die Beeinträchtigung nach der Art der Verletzung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (Sprau in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 823 Rn. 130 m. w. N.). Dass hier eine solche qualifizierte Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin vollumfänglich auszuschließen ist, kann aber nicht von vornherein und ohne genauere rechtliche Prüfung angenommen werden.
III)
Auch im Übrigen erweist sich die Klage als zulässig. Insbesondere ist die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gegeben, da es zumindest möglich erscheint, dass die Klägerin in ihrer Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bzw. Art. 107 Abs. 1, 2 und 4 BV oder in Bezug auf das Grundrecht der Ausbildungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 101 BV verletzt ist (s. hierzu Kopp/Schenke, a. a. O., § 42 Rn. 66; Happ in Eyermann, a. a. O., § 42 Rn. 93 m. w. N.).
B) Die Klage ist auch begründet, da die dem Zulassungsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts … vom 3. September 2014 beigefügte (mit Bescheid vom 15. Juni 2015 aufgehobene) Auflage, „dass bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Sachverständigen und Zeugen in der Zivilstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen“ (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des Oberlandesgerichts … vom 3. März 2015) rechtswidrig war (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Dabei war als maßgeblicher Zeitpunkt für die der Entscheidung über das Fortsetzungsfeststellungsbegehren zugrunde zulegende Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der Aufhebung der Auflage durch Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts … vom 15. Juni 2015, also den Zeitpunkt der Erledigung, abzustellen (Kopp/Schenke, a. a. O., § 113 Rn. 147).
I)
Es kann dahingestellt bleiben, ob es der gegenüber der Klägerin erlassenen Auflage bereits an der nötigen Bestimmtheit nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG fehlte. von einer hinreichenden Bestimmtheit einer behördlichen Anordnung kann ausgegangen werden, wenn der Inhalt der getroffenen Regelung für die am Verwaltungsverfahren Beteiligten, insbesondere für den Adressaten der Regelung, so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass sie ihr Verhalten danach richten können (BVerwG, U. v. 2.7.2008 – 7 C 38.07 – BVerwGE 131, 259; B. v. 24.6.1971 – I C 39.67 – BVerwGE 38, 211). Diese Anforderungen dürften hier jedenfalls insoweit eingehalten worden sein, als der Inhalt der Auflage durch die aufgeführten Beispiele „Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes und Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen in der Zivilstation“ soweit konkretisiert wurde, dass sowohl für die Klägerin als auch für deren Ausbildungsrichterin ersichtlich war, dass die Auflage die Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten betrifft, die dem Rechtsreferendar nach § 10 Satz 1, § 142 Abs. 3 GVG im Rahmen der Ausbildung übertragen werden können. Ob darüber hinaus bestehende Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit zur Rechtswidrigkeit der Auflage führen könnten, bedarf letztlich keiner Entscheidung, da sich die Rechtswidrigkeit jedenfalls aus dem Umstand ergibt, dass keine Rechtsgrundlage vorlag, die den Erlass der Auflage zu rechtfertigen in der Lage gewesen wäre.
II)
Dem Beklagten steht für die Beifügung der streitgegenständlichen Auflage zum Zulassungsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts … vom 3. September 2014 keine Befugnisnorm zur Verfügung.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist für behördliche Eingriffe in Form von Verboten (auch in der Gestalt von Nebenbestimmungen), z. B. Auflagen im Sinn von Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG, sowie wirkungsähnlichen anderen Maßnahmen, die in den Schutzbereich eines Grundrechts fallen, dadurch die Reichweite des Grundrechts beschränken und damit „wesentlich“ sind in dem Sinne, dass sie die Grundlagen der sozialen Gemeinschaft betreffen, ein Parlamentsgesetz durch den förmlichen Gesetzgeber erforderlich (BVerfG, U. v. 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282; s. auch BayVGH, B. v. 22.4.2014 – 7 CS 13.2592, 7 C 13.2593 – BayVBl 2014, 533; VG Düsseldorf, U. v. 8.11.2013 – 26 K 5907/12 – juris Rn. 48; VG Augsburg, U. v. 16.4.2013 – Au 3 K 12.1328 – juris Rn. 23).
Im vorliegenden Fall ist u. a. der Schutzbereich der Religionsfreiheit betroffen und der inhaltliche Geltungsbereich dieses Grundrechts durch die streitgegenständliche Auflage beeinträchtigt. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bzw. Art. 107 Abs. 1, 2 und 4 BV enthalten ein umfassend zu verstehendes Grundrecht, das die Freiheit des Glaubens und das Recht auf freie Religionsausübung garantiert. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, d. h. einen Glauben zu haben, zu verschweigen, sich vom bisherigen Glauben loszusagen, und einem anderen Glauben zuzuwenden („forum internum“), sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, für seinen Glauben zu werben und andere von ihrem Glauben abzuwerben („forum externum“). Umfasst sind damit nicht allein kultische Handlungen und die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche, sondern auch die religiöse Erziehung sowie andere Äußerungsformen des religiösen und weltanschaulichen Lebens. Dazu gehört auch das Recht der Einzelnen, ihr gesamtes Verhalten an den Lehren ihres Glaubens auszurichten und ihrer inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln, also glaubensgeleitet zu leben, wozu auch die religiös motivierte Gestaltung des äußeren Erscheinungsbilds durch Kleidung gehört (BVerfG, U. v. 24.9.2003 – 2 BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282; B. v. 16.10.1968 – 1 BvR 241/66 – BVerfGE 24, 236; B. v. 19.10.1971 – 1 BvR 387/65 – BVerfGE 32, 98; Meder/Brechmann, BV, 5. Aufl. 2014, Art. 107 Anm. 1 f.).
Bei Würdigung dessen, was im Einzelfall als Ausübung von Religion und Weltanschauung zu betrachten ist, darf das Selbstverständnis der jeweils betroffenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und des einzelnen Grundrechtsträgers nicht außer Betracht bleiben (BVerfG, B. v. 16.10.1968 – 1 BvR 241/66 – BVerfGE 24, 236). Dies bedeutet jedoch nicht, dass jegliches Verhalten einer Person allein nach deren subjektiver Bestimmung als Ausdruck der Glaubensfreiheit angesehen werden muss. Die staatlichen Organe dürfen prüfen und entscheiden, ob hinreichend substantiiert dargelegt ist, dass sich das Verhalten tatsächlich nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung in plausibler Weise dem Schutzbereich des Art. 4 GG zuordnen lässt, also tatsächlich eine religiös anzusehende Motivation hat (vgl. z. B. BVerfG, U. v. 15.1.2002 – 1 BvR 1783/99 – BVerfGE 104, 337).
Nach diesem Verständnis des Grundrechts der Religionsfreiheit ist dessen Schutzbereich eröffnet, weil das Tragen eines muslimischen Kopftuches („Hidschab“), durch das Haare und Hals nachvollziehbar aus religiösen Gründen bedeckt werden, als Teil der Religionsausübung nach außen in den Bereich des sog. „forum externum“ fällt (BVerfG, B. v. 27.1.2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 – BVerfGE 138, 296; U. v. 24.9.2003 – BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282; KG Berlin, U. v. 9.10.2012 – (3) 121 Ss 166/12 (120/12) – juris Rn. 5 f.; VG Augsburg U. v. 16.4.2013 – Au 3 K 12.1328 – juris Rn. 23; Böckenförde, NJW 2001, 723). Die Klägerin macht auch – ohne dass dies zweifelhaft erscheint – eine religiöse Motivation für das von ihr als aus Glaubensgründen verpflichtend dargestellte Tragen des Kopftuchs geltend. Die religiöse Fundierung der Pflicht, als Frau ein islamisches Kopftuch zu tragen, ist plausibel und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt (s. hierzu BVerfG, B. v. 27.1.2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 – BVerfGE 138, 296).
Die Klägerin kann sich auch als Rechtsreferendarin in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis auf ihr Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berufen (vgl. für Beamte BVerfG, U. v. 24.9.2003 – BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282; für Angestellte im öffentlichen Dienst BVerfG, B. v. 27.1.2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 – BVerfGE 138, 296).
Da die streitgegenständliche Auflage ein staatliches Handeln darstellt, welches der Klägerin ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, erheblich erschwert oder unmöglich macht, ist der Eingriffscharakter dieser Maßnahme nach dem Eingriffsbegriff des Bundesverfassungsgerichts zu bejahen (BVerfG, U. v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – BVerfGE 105, 279).
Damit ist zur Rechtfertigung der streitgegenständlichen Auflage ein formelles Parlamentsgesetz erforderlich. Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen insbesondere dann selbst zu treffen, wenn miteinander konkurrierende grundrechtliche Freiheitsrechte und grundlegende verfassungsrechtliche Prinzipien aufeinander treffen und deren Grenzen ineinander fließen und nur schwer festzustellen sind. Das ist hier – wie auf dem Gebiet des öffentlichen Bildungswesens – der Fall, da insbesondere das konfliktträchtige verfassungsrechtliche Geflecht im Überschneidungsbereich von Religions- und Ausbildungsfreiheit einerseits und dem im Aufgabenfeld der Justiz besondere Bedeutung zukommenden Neutralitätsgebot eine legislative Auflösung erfordert. Eine verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Rechtsgrundlage, die es erlaubt, einer muslimischen Rechtsreferendarin bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung im juristischen Vorbereitungsdienst das Tragen von Kleidungsstücken, Symbolen und anderen Merkmalen zu verbieten, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen, ist aber weder dem Bundes- noch dem Landesrecht zu entnehmen.
1) § 46 Abs. 6 Nr. 2 Buchst. a und Buchst. b JAPO werden diesen Anforderungen schon allein deshalb nicht gerecht, da sie lediglich Teil einer exekutiven Rechtsverordnung sind.
Selbst für den Fall, dass § 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO als Befugnisnorm in Betracht käme, wären die Voraussetzungen für eine Anwendung inhaltlich nicht erfüllt. Danach kann die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst versagt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die die Bewerber für den Vorbereitungsdienst als ungeeignet erscheinen lassen. Nach § 46 Abs. 6 Nr. 2 Buchst. a JAPO ist dies insbesondere der Fall, wenn Tatsachen in der Person der Bewerber die Gefahr einer erheblichen Störung des Dienstbetriebs begründen. Weiter kann die Aufnahme in das Rechtsreferendariat nach § 46 Abs. 6 Nr. 2 Buchst. b JAPO versagt werden, wenn Tatsachen in der Person der Bewerber die Gefahr begründen, dass durch die Aufnahme der Bewerber wichtige öffentliche Belange erheblich beeinträchtigt würden. Im vorliegenden Fall sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass durch das Tragen eines islamischen Kopftuchs seitens der Klägerin der Dienstbetrieb, hier also der juristische Vorbereitungsdienst, gestört würde. Für Reibungspunkte mit anderen Referendaren, den Arbeitsgemeinschaftsleitern bzw. den praktischen Ausbildern der Klägerin oder Prozessbeteiligten ist nichts ersichtlich. Was eine mögliche erhebliche Beeinträchtigung öffentlicher Belange betrifft, trägt die Beklagtenseite hierzu jedenfalls nichts substantiiert vor. Im Ergebnis hätte daher nicht davon ausgegangen werden können, dass mit der streitgegenständlichen Auflage beabsichtigt war, die gesetzlichen Voraussetzungen des § 46 JAPO zu sichern.
2) Art. 36 BayVwVfG scheidet als mögliche Rechtsgrundlage ebenfalls aus. Nachdem es sich bei der Entscheidung über die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst nicht um eine Ermessensentscheidung handelt (s. Art. 46 Abs. 1 und 4 JAPO), greift die allgemeine Ermächtigung zur Beifügung von Nebenbestimmungen bei Ermessensverwaltungsakten aus Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG nicht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 36 Rn. 46 ff.). Aber auch für eine Beifügung von Nebenbestimmungen nach Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG ist kein Raum. Nach dieser Vorschrift darf einem Verwaltungsakt, auf dessen Erlass – bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen – ein Anspruch besteht, außer in den Fällen einer ausdrücklichen Ermächtigung der Behörde, eine Nebenbestimmung nur dann und nur insoweit beigefügt werden, als dadurch gewährleistet wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden (BVerwG, U. v. 17.10.1997 – 8 C 18.96 – NJW 1998, 94). Wie oben aber bereits dargelegt, kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass mit der streitgegenständlichen Auflage beabsichtigt gewesen war, die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst gemäß § 46 JAPO zu sichern.
3) Die entsprechende Anwendung von Art. 59 Abs. 2 Satz 3 BayEUG, der bestimmt, dass äußere Symbole und Kleidungsstücke, die eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung ausdrücken, von Lehrkräften im Unterricht nicht getragen werden dürfen, sofern die Symbole und Kleidungsstücke bei den Schülerinnen und Schülern oder den Eltern auch als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung einschließlich den christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten nicht vereinbar ist, auf Rechtsreferendare scheidet sowohl methodisch als auch aus Rechtsgründen aus. Im Übrigen wäre im Fall der Übertragbarkeit der Regelung Art. 59 Abs. 2 Satz 5 BayEUG zu beachten, der im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG gerade Ausnahmen von Satz 3 für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst vorsieht.
4) Auch aus einer entsprechenden Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen für Richter ließe sich das Kopftuchverbot nicht rechtfertigen. Der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ist in Art. 97 Abs. 1 GG bzw. Art. 5 Abs. 3, Art. 85 BV, § 39 DRiG sowie Art. 2 Abs. 1 BayRiG i. v. m. § 33 Abs. 1 BeamtStG verankert. Danach soll der Richter in besonderer Weise neutral sein, er ist nur an das Gesetz gebunden. Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird, d. h. es wird verlangt, unabhängig nach außen zu erscheinen (Staats, DRiG, Kommentar, § 39 Rn. 2). Zwar liegt es nahe anzunehmen, dass dieser Grundsatz durch das Tragen eines religiös motivierten Kopftuchs gefährdet wird. Hierfür spricht auch Art. 140 GG i. v. m. Art. 137 Abs. 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV). Die in institutioneller und ideeller Hinsicht Bedeutung besitzende Regelung wirkt nicht nur einer unbotmäßigen institutionellen Verflechtung von Staat und Religionsgemeinschaften entgegen, sondern auch der Identifizierung des Staates mit einer bestimmten Religion (vgl. z. B. BVerfG, U. v. 19.12.2000 – 2 BvR 1500/97 – BVerfGE 102, 370; B. v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – BVerfGE 105, 279). Allerdings kommt zum einen die entsprechende Anwendung von Richter betreffenden gesetzlichen Regelungen auf Rechtsreferendare in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis rechtlich nicht in Betracht, da sie an das übertragene Richteramt und damit an den Richterstatus anknüpfen und im Übrigen gesetzlich eine entsprechende Anwendung des Rechts der Richter auf Rechtsreferendare nicht vorgesehen ist (vgl. § 2 DRiG, Art. 1 Abs. 1 BayRiG). Dies hat auch bei einer funktionsbezogenen Betrachtung der Tätigkeit der Referendare im juristischen Vorbereitungsdienst zu gelten (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 SiGjurVD, § 47 JAPO). Zum anderen handelt es sich bei dem Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nur um einen allgemeinen Grundsatz, der mangels Konkretheit nicht den Anforderungen des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten rechtstaatlichen Grundsatz des Gesetzesvorbehalts genügt und daher nicht als Befugnisnorm für den Erlass der streitgegenständlichen Auflage herangezogen werden kann.
Die streitgegenständliche Auflage erweist sich daher aufgrund des Fehlens einer deren Erlass rechtfertigenden Rechtsgrundlage im Ergebnis als rechtswidrig und die Fortsetzungsfeststellungsklage als begründet. Die stattgebende Entscheidung schließt – worauf vorsorglich hinzuweisen ist – konkludent die Aufhebung des Widerspruchsbescheids mit ein (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 113 Rn. 147).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. v. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Die Berufung war zuzulassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).


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