Verwaltungsrecht

Kosten des erledigten Vollstreckungsverfahrens

Aktenzeichen  AN 14 V 20.01544

Datum:
14.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25684
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92 Abs. 3, § 123 Abs. 3, § 161 Abs. 2, § 167
ZPO § 888, § 929

 

Leitsatz

1. Die Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Beteiligten im Vollstreckungsverfahren ergibt sich aus § 161 Abs. 2 VwGO, mithin nicht aus den Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung, da – wie § 167 Abs. 1 VwGO bestimmt – hierfür die VwGO selbst Regelungen trifft. §§ 154 ff. VwGO regeln die Kostenpflicht für verwaltungsgerichtliche Verfahren abschließend, die Regelungen der ZPO finden bei gerichtlichen Zwangsvollstreckungsverfahren also keine Anwendung. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine vollstreckbare Ausfertigung mit einer Klausel als allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung ist lediglich dann erforderlich, wenn die Vollziehung der einstweiligen Anordnung für oder gegen andere als die im Titel genannten Personen erfolgen soll, wie sich aus § 123 Abs. 3 VwGO, § 929 Abs. 1 ZPO ergibt. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wird eine einstweilige Anordnung auf Beschwerde, Widerspruch oder Berufung hin durch Urteil bestätigt, beginnt mit Verkündung des Urteils immer eine neue Frist zur Vollziehung der Anordnung zu laufen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Vollstreckungsverfahren wird eingestellt.
2. Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens hat der Vollstreckungsgläubiger zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 625,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten nach übereinstimmender Erledigungserklärung nur noch um die Kosten des erledigten Vollstreckungsverfahrens.
Mit Beschluss vom 3. August 2020 (AN 14 E 20.01446) verpflichtete das Verwaltungsgericht Ansbach mit einstweiliger Anordnung den Vollstreckungsschuldner, dem Vollstreckungsgläubiger Auskunft darüber zu erteilen, wie viele bestätigte Corona-Fälle es im Landkreis … – …, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Gemeinden des Landkreises, bisher gibt.
Der Vollstreckungsgläubiger, freier Redakteur für die Tageszeitung „…“, hatte zuvor im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegen den Vollstreckungsschuldner geltend gemacht. Auf seinen Antrag beim Verwaltungsgericht Ansbach auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO hin erließ das Verwaltungsgericht Ansbach am 3. August 2020 (AN 14 E 20.01446) den erwähnten stattgebenden Beschluss. Der Vollstreckungsschuldner musste demzufolge dem Vollstreckungsgläubiger die gemeindegenauen Covid19-Zahlen nennen. Mit Schriftsatz vom 7. August 2020 der Landesanwaltschaft Bayern legte der Vollstreckungsschuldner gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein, der mit Beschluss vom 19. August 2020 (7 CE 20.1822) die Beschwerde zurückwies.
Mit Schriftsatz vom 11. August 2020, eingegangen beim Verwaltungsgericht Ansbach am selben Tag, stellte der Vollstreckungsgläubiger einen Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes nach § 172 VwGO zum Verfahren AN 14 E 20.01446, nachdem er dem Vollstreckungsschuldner eine Frist zur Auskunftserteilung über die gemeindegenauen Covid19-Zahlen bis 11. August 2020, 10 Uhr, gesetzt hatte, die der Vollstreckungsschuldner verstreichen ließ.
Der Vollstreckungsgläubiger beantragte,
dem Vollstreckungsschuldner gemäß § 172 VwGO unter Fristsetzung und Androhung eines Zwangsgeldes aufzugeben, seiner Verpflichtung aus dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtes Ansbach vom 3. August 2020, Az. AN 14 E 20.01446, durch Auskunftserteilung gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger nachzukommen.
Der Vollstreckungsschuldner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Unmittelbar nach Zustellung der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. August 2020 mit der Zurückweisung der Beschwerde des Vollstreckungsschuldners kam der Vollstreckungsschuldner der Verpflichtung aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. August 2020 nach und nannte die gemeindegenauen Covid19-Zahlen.
Im Rahmen der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten vom 25. August (Vollstreckungsgläubiger) und 1. September 2020 (Vollstreckungsschuldner) beantragten beide Beteiligten, die Kosten des Vollstreckungsverfahrens der jeweiligen Gegenseite aufzuerlegen.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, auch aus dem Verfahren AN 14 E 20.01446, Bezug genommen.
II.
Der Berichterstatter entscheidet als gesetzlicher Richter gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VwGO.
1. Das Vollstreckungsverfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten vom 25. August (Vollstreckungsgläubiger) und 1. September 2020 (Vollstreckungsschuldner) einzustellen. Aufgrund der Tatsache, dass der Vollstreckungsschuldner sofort nach der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs der einstweiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts Ansbach vollumfänglich nachgekommen ist, haben beide Beteiligten das Vollstreckungsverfahren für erledigt erklärt, so dass nur noch über die Kosten zu entscheiden war.
Über die Kosten des Verfahrens war gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten dem Vollstreckungsgläubiger aufzuerlegen, da sich der Vollstreckungsantrag aller Voraussicht nach als unzulässig, weil verfrüht, erwiesen hätte. Die Kostenentscheidung ergibt sich richtigerweise aus § 161 Abs. 2 VwGO, mithin nicht aus den Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung, da, wie § 167 Abs. 1 VwGO bestimmt, hierfür die VwGO selbst Regelungen trifft. §§ 154 ff. VwGO regeln die Kostenpflicht für verwaltungsgerichtliche Verfahren abschließend, die Regelungen der ZPO finden bei gerichtlichen Zwangsvollstreckungsverfahren also keine Anwendung (vgl. Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 38. EL Januar 2020, § 167 Rn. 72).
1.1. Der gestellte Antrag auf Vollstreckung war zwar statthaft. Der in der VwGO geregelte Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes nach § 172 VwGO war im vorliegenden Fall jedoch nicht einschlägig, da er teleologisch dahingehend zu beschränken ist, dass er nur die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung gegen die öffentliche Hand erfasst, mit der die Verwaltung zu Maßnahmen verpflichtet wird, mit denen sie eine spezielle hoheitliche Regelungsbefugnis in Anspruch nimmt, z. B. den Erlass eines Verwaltungsakts (vgl. zum ganzen Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 172 Rn. 8, 2ff m.w.N.; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 21.11.2013 – 6 B 11027/13 – juris LS 2 und Rn. 6; als h.M dargestellt bei Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 37.EL Juli 2019, § 172, Rn. 16, die allerdings anderer Auffassung sind).
Im vorliegenden Fall ging es um die Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners, bestimmte Informationen an den Vollstreckungsgläubiger herauszugeben, und damit um einen Realakt. Damit war der Antrag als nach § 167 Abs. 1 VwGO, § 888 ZPO (Zwangsgeld) gestellt auszulegen (§ 88 VwGO), also gerichtet auf eine Vollstreckungsentscheidung nach §§ 887 ff. ZPO, die durch Beschluss zu treffen gewesen wäre, § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 891 Satz 1 ZPO; dies gilt erst recht für den nunmehr zu treffenden Einstellungsbeschluss.
1.2. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen lagen zwar vor. Vollstreckungsfähiger Titel war hier die einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. August 2020 (§ 168 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Eine vollstreckbare Ausfertigung mit einer Klausel war hierzu nicht erforderlich (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 168, Rn. 18; Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 168 Rn. 13). Dies ist lediglich dann der Fall, wenn die Vollziehung der einstweiligen Anordnung für oder gegen andere als die im Titel genannten Personen erfolgen soll, wie sich aus § 123 Abs. 3 VwGO, § 929 Abs. 1 ZPO ergibt. Darum ging es hier aber nicht. Die Zustellung der einstweiligen Anordnung an den Vollstreckungsschuldner ist vorliegend am 4. August 2020 erfolgt. Einer Zustellung im Parteibetrieb bedurfte es nicht (VGH Baden-Württemberg, B.v. 28.4.2014 – 9 S 358/14 – juris Rn. 12)
1.3. Die Vollziehungsfrist nach § 167 VwGO, § 929 Abs. 2 ZPO von einem Monat war vorliegend auch noch nicht abgelaufen. Grundsätzlich beginnt diese Frist im Übrigen mit der Zustellung der einstweiligen Anordnung an den Vollstreckungsgläubiger zu laufen (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 28.4. 2014 – 9S358/14 – juris LS 1 und Rn. 9; BayVGH, B.v. 13.3.2003 – 4 C 03.640 – juris LS und Rn. 21). Dies war vorliegend der 4. August 2020. Im vorliegenden Fall war dies jedoch aufgrund der Beschwerdeeinlegung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof noch nicht der Fall. Nach richtiger, wenn auch umstrittener Auffassung in der hier wegen der Verweisung des § 167 Abs. 1 VwGO einschlägigen zivilprozessualen Rechtsprechung beginnt die Vollziehungsfrist mit Erlass einer bekräftigenden Entscheidung nach Beschwerde, Widerspruch oder Berufung erneut zu laufen. Denn mit der Einlegung des Rechtsbehelfs, vgl. § 924 ZPO analog, hat sich der Vollstreckungsschuldner des Schutzes der Vollziehungsfrist gemäß § 929 Abs. 2 ZPO, die ihm nach einem Monat die Gewissheit verschaffen soll, dass nicht mehr vollstreckt wird, selbst begeben und eine neue Entscheidung veranlasst. Er ist daher nicht schutzwürdig (vgl. OLG Zweibrücken, B.v. 27.8.2002 – 5 WF 60/02 – NJW-RR 2002, 1657; OLG Frankfurt a.M, B.v. 14.5.1985 – 20 W 421/84 – NJW 1986, 64).
Diese Argumentation gilt ebenso für die vorliegende verwaltungsprozessuale Konstellation, auf die § 929 Abs. 2 ZPO über § 167 VwGO Anwendung findet (OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 21.11.2013 – 6 B 11027/13 – juris LS 3 und Rn. 10-12): Auch hier hat der Vollstreckungsschuldner das von der maßgeblichen Verfahrensordnung vorgesehene Rechtsmittel gegen die einstweilige Anordnung vom 3. August 2020 erhoben und damit den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. August 2020 veranlasst (vgl. zu einem ähnlichen Fall VG Ansbach, B.v. 13.8.2020 – AN 14 V 20.01444-, juris).
1.4. Dem Vollstreckungsgläubiger fehlte es jedoch für seinen verfrühten Antrag (noch) an einem Rechtsschutzbedürfnis. Im Hinblick darauf, dass die Herausgabe der Corona-Zahlen eine weitgehende Vorwegnahme der Hauptsache darstellen würde, sowie im Hinblick darauf, dass eine Überprüfung der Entscheidung des VG Ansbach durch den BayVGH damit wegen Erledigung des Beschwerdeverfahrens unmöglich gemacht würde, sowie aufgrund der Tatsache, dass nach zutreffender Auffassung (vgl. VG Ansbach, B.v. 13.8.2020 – AN 14 V 20.01444) die Vollstreckungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO erst mit der Beschwerdeentscheidung neu zu laufen beginnt, wäre es rechtsmissbräuchlich, bereits vor Bekanntgabe der Entscheidung des BayVGH zu vollstrecken. Mit dem Begriff des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses wird in der Rechtsprechung und verwaltungsprozessrechtlichen Literatur zum Ausdruck gebracht, dass grundsätzlich nur derjenige, der ein schutzwürdiges Interesse mit seiner Klage verfolgt einen Anspruch auf eine gerichtliche Entscheidung hat. Dieses schutzwürdige Interesse wird grundsätzlich bejaht, nur in Ausnahmefällen liegt es nicht vor. Hintergrund des in Einzelfällen fehlenden allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses ist das Verbot des institutionellen Missbrauchs prozessualer Rechte, das seine Wurzel letztlich im Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hat (Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 42 Rn. 335 m.w.N.; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, vor § 40 Rn. 11).
Zudem hat es der Vollstreckungsgläubiger verabsäumt, dem Vollstreckungsschuldner eine dementsprechende Erfüllungsfrist zuzugestehen, so dass materiell (noch) kein Vollstreckungsanspruch gegeben war.
Denn der Vollstreckungsschuldner hat sich keineswegs generell dem Beschluss des VG Ansbach vom 3. August 2020 entgegengestellt, sondern nur eine Überprüfung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof angestrengt. Zwar trifft die VwGO selbst keine Regelung dazu, wann ein Vollstreckungsgläubiger einen derartigen Antrag anhängig machen kann.
Dem Vollstreckungsschuldner ist jedoch eine angemessene Erfüllungsfrist einzuräumen, deren Dauer sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles bemisst. Bei Verwaltungsgerichtsurteilen zum Beispiel kann binnen drei Monaten eine Befolgung einer nach § 113 Abs. 5 VwGO auferlegten Verpflichtung vorausgesetzt werden (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.2001 – 2 AV 3/01 – NVwZ-RR 2002, 314; maßgeblich für Fristbeginn Rechtskraft, a.A., Zeitpunkt der Zustellung, Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 172 Rn. 33, da diese die Vollstreckbarkeit nach § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO herbeiführe).
Diese Rechtsprechung ist bei einstweiligen Anordnungen – wie hier – nicht einschlägig: Denn als besondere Vollstreckungsvoraussetzung gilt hier die einmonatige Vollziehungsfrist (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 929 Abs. 2 ZPO). Im Gegensatz zu Urteilen sind Beschlüsse im Übrigen sofort vollziehbar, denn gemäß § 149 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat die Beschwerde nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels zum Gegenstand hat (wie hier nicht).
Der Landrat als Vertreter des Vollstreckungsschuldners hat sich nie geweigert, entsprechend bayernweit einheitlich judizierte Verpflichtungen zu erfüllen, im Gegenteil: er wollte erkennbar für eine bayernweit einheitliche Vorgabe eintreten und vor allem Rechtssicherheit schaffen, auch vor dem Hintergrund einer haftungsrechtlich abgesicherten Vorgehensweise angesichts des hohen Rechtsgutes des Persönlichkeitsschutzes.
Der Vollstreckungsschuldner hatte zuvor bereits versucht, eine aus seiner, nachvollziehbaren, Sicht einheitliche Entscheidung für Bayern herzustellen und hat an das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration geschrieben, das mit E-Mail vom 16. Juli 2020 mitteilte, dass die Entscheidung des VG Regensburg vom 18. Juni 2020 (RO 4 E 20.1009) zu dieser Problematik (Herausgabe von gemeindegenauen Covid19-Zahlen versus Datenschutz) nur Bedeutung für den Einzelfall habe. Eine Vorgabe oder Regelung seitens der Staatsministerien oder seitens der Regierung … gab es darüber hinaus nicht. Vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund des auch dem Staat zustehenden Justizgewährungsanspruchs aus Art. 19 Abs. 4 GG (den die Landesanwaltschaft auf Seite 11 des Schriftsatzes an den BayVGH vom 11. August 2020 zurecht reklamiert) war es nicht nur nachvollziehbar, sondern im Rahmen des Art. 20 Abs. 3 GG (Bindung der Exekutive an Gesetz und Recht) zusätzlich sinnvoll, eine Entscheidung des höchsten bayerischen Verwaltungsgerichts einzuholen, um in einer wesentlichen Rechtsfrage Rechtssicherheit und Verbindlichkeit zu erzielen. Dies war dem Vollstreckungsgläubiger bekannt: der Landrat hatte, insbesondere auch in den Medien, deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es ihm um eine Entscheidung des BayVGH und Einheitlichkeit für Bayern geht, und dass er der Entscheidung des BayVGH dann nachkommen wird.
Hätte der Landrat sofort wie gefordert die Covid-19-Zahlen herausgegeben, wäre eine solche für Bayern nun einheitliche Entscheidung nicht möglich gewesen, weil sich das Beschwerdeverfahren beim BayVGH damit erledigt hätte.
Es lag somit keine grundlose Säumnis des Vollstreckungsschuldners vor, die erforderlich gewesen wäre. Denn in der verwaltungsgerichtlichen Vollstreckung kann, da die Vorschriften der ZPO entsprechend anzuwenden sind, nur unter der Voraussetzung der grundlosen Säumnis der Behörde ein Vollstreckungsantrag gestellt werden. Das folgt aus dem zu fordernden Vertrauen in rechtsstaatliches Handeln einer Behörde – wie hier. Die Befristung der Vollstreckungsbefugnis aus einstweiligen Anordnungen soll zugunsten des Vollstreckungsschuldners nur gewährleisten, dass der Vollstreckungsgrund im Zeitpunkt der Vollstreckung noch besteht und der Vollstreckungsschuldner nicht länger im Ungewissen gelassen werden soll, ob aus dem Titel noch vollstreckt wird. Dem Vollstreckungsschuldner ist einerseits Zeit zur Erfüllung der Verpflichtung zuzugestehen, andererseits ist die Monatsfrist (Vollstreckungsfrist, s. oben 1.3.) einzuhalten.
Einstweilige Anordnungen setzen zwar einen Anordnungsgrund und damit ein besonderes Eilbedürfnis für den Vollstreckungsgläubiger voraus, so dass das Gesetz beim Erlass einstweiliger Anordnungen unterstellt, dass die Behörde unverzüglich ihre Verpflichtungen erfüllt (vgl. Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand Januar 2020, § 172 VwGO, Rn. 36). Bei der Vollstreckung einstweiliger Anordnungen kann also grundsätzlich von einer sehr kurzen Erfüllungsfrist ausgegangen werden, weshalb grundsätzlich nach der Zustellung der einstweiligen Anordnung an den Vollstreckungsgläubiger unmittelbar ein Vollstreckungsantrag gestellt werden kann, es sei denn, die Behörde ist nicht grundlos säumig.
Hier hat der Vollstreckungsschuldner eine Entscheidung des BayVGH vor Erfüllung seiner Pflicht aus dem Beschluss des VG Ansbach einholen wollen, die demnächst zu erwarten war. Dies ist legitim, da in einer solch wesentlichen Frage der Landrat berechtigt war, Rechtssicherheit für sein Handeln zu suchen. Letzteres ist auch dem Rechtsgedanken zu entnehmen, der hinter Art. 54 der Bayerischen Landkreisordnung steht, der in Absatz 2 vorschreibt, dass dann, wenn der Landrat Entscheidungen des Kreistags oder seiner Ausschüsse für rechtswidrig hält, er sie zu beanstanden hat, ihren Vollzug auszusetzen hat und, soweit erforderlich, die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde herbeizuführen hat. Es wäre ein Wertungswiderspruch, würde man im Vollstreckungsrecht diesen Rechtsgedanken ignorieren. Hier hat der Landrat auf Seiten des Vollstreckungsschuldners nach der Entscheidung des BayVGH unmittelbar die Verpflichtungen aus dem Beschluss des VG Ansbach erfüllt, und zwar (deutlich) innerhalb der Vollstreckungsfrist. Dies entspricht vor dem Hintergrund einer etwaigen Haftung, hätte der BayVGH anders entschieden, sogar den Pflichten eines Landrats.
2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Ziff. 1.7.1 Satz 1 Halbsatz 2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. BayVGH, B.v. 22.07.2016 – 8 C 14.2114 -, juris; mangels konkret beantragten Zwangsgeldes ¼ des Streitwertes der Hauptsache, davon, da es um eine die Hauptsacheentscheidung nicht vorwegnehmende Anordnung nach § 123 VwGO ging, die Hälfte, also 1|8 des Regelstreitwertes von 5.000 EUR, mithin 625 EUR). Eine Festsetzung des Streitwerts war notwendig, da Nr. 5301 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, die für das Verfahren über Anträge auf gerichtliche Handlungen der Zwangsvollstreckung nach den §§ 169, 170 oder § 172 VwGO eine Festgebühr von 20,00 EUR vorsieht, nicht einschlägig ist für Vollstreckungsbeschlüsse gem. § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 888 ZPO.


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