Verwaltungsrecht

Kosten einer Abschleppmaßnahme

Aktenzeichen  10 ZB 20.1368

Datum:
15.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20531
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVO § 12 Abs. 1 Nr. 2
BayPAG Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 lit. a

 

Leitsatz

1. Eine Kurve ist nicht nur dann „scharf“ iSd § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO, wenn sie einen 90°-Winkel beschreibt, sondern allgemein dann, wenn der Kurvenradius so klein ist, dass die Gefahr des Abweichens von der Richtung in besonderem Maße gegeben ist. Denn es ist Sinn und Zweck der Regelung, Gefährdungen möglichst weitgehend auszuschließen, die beim Parken in Kurven durch Brems- und Ausweichmanöver entstehen könnten. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Abschleppen eines Fahrzeugs aus einem solchen Kurvenbereich wird auch nicht dadurch unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft, dass das gesamte Gebiet als Tempo-30-Zone ausgewiesen ist, wenn es an dieser Stelle immer wieder zu gefährlichen Situationen kommt, weil durch den jeweiligen Falschparker eine Sicht auf den Straßenverlauf und entgegenkommende Fahrzeuge nicht mehr möglich ist.             (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 19.2832 2020-04-06 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 230,38 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger verfolgt mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Leistungsbescheids vom 22. Mai 2019 wegen einer Abschleppmaßnahme und auf Rückzahlung der dafür geltend gemachten Kosten in Höhe von 230,86 Euro nebst Zinsen weiter.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 17; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33). Dies ist hier nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klageabweisung darauf gestützt, dass der Kläger gegen § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO verstoßen habe, weil er sein Fahrzeug im Bereich einer scharfen Kurve abgestellt habe. Die B. Straße bilde an der Stelle, an der das klägerische Fahrzeug geparkt gewesen sei, eine scharfe Kurve im Sinne dieser Vorschrift, weil sie an der betreffenden Stelle im 90°-Winkel verlaufe und damit aufgrund des Radius des Straßenverlaufs eine scharfe Kurve darstelle. Zudem sei für den einzelnen Verkehrsteilnehmer aufgrund der Gesamtgestaltung des Kurvenbereichs erkennbar, dass der Kurvenbereich von haltenden Fahrzeugen freizuhalten sei, um eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch haltende Fahrzeuge und die durch diese bedingten Brems- und Ausweichmanöver auszuschließen. In der Gesamtheit der örtlichen Verhältnisse (Straßenverlauf und straßenbauliche Gestaltung) handle es sich bei dem Verlauf der B. Straße auf Höhe des Anwesens Nr. 60 um eine scharfe Kurve im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO, in der ein Verkehrsteilnehmer nicht mit parkenden Fahrzeugen im Kurvenbereich und einer von diesen ausgehenden Verkehrsbehinderung rechnen müsse. Die Polizei habe somit zur Unterbindung der Ordnungswidrigkeit bzw. der Beseitigung des ordnungswidrigen Zustandes die notwendige Abschleppanordnung treffen dürfen.
Zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung bringt der Kläger vor, die fragliche Kurve beschreibe tatsächlich keinen 90°-Winkel, sondern verlaufe sanfter. Das Verwaltungsgericht setze sich mit seinem eigenen rechtlichen Vortrag in Widerspruch, wonach eine „scharfe Kurve“ nur eine solche sei, die auch im 90°-Winkel oder kleiner verlaufe. Im Folgenden stelle das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung auf die nicht zur Fahrbahn gehörenden Flächen im Kurvenbereich und die dortige bauliche Gestaltung ab. Dies sei wegen des Grundsatzes der Bestimmtheit im Verwaltungsstrafrecht unzulässig. Außerdem überschreite eine solche Auslegung den Wortlaut der Vorschrift des § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO. Die Vorschrift stelle nur auf das Halten im Bereich einer „scharfen Kurve“ ab, nicht aber auf das Halten an einer eigentlich zwar „nicht scharfen Kurve“, bei der sich aber aus der baulichen Gestaltung von Nebenanlagen ergeben solle, dass es sich trotzdem um eine „scharfe Kurve“ handle. Schließlich hätte das Verwaltungsgericht auch berücksichtigen müssen, dass es sich bei der B. Straße um eine verkehrsberuhigte Tempo-30-Zone handle, bei der der Verkehr ohnehin mit dem ständigen Auftauchen von Hindernissen oder Engstellen rechnen müsse. Eine besondere Gefährdung sei daher von dem geparkten Fahrzeug des Klägers nicht ausgegangen.
Dieses Vorbringen rechtfertigt jedoch nicht die Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger sein Fahrzeug in einer scharfen Kurve im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO abgestellt hatte. Entgegen der Ansicht des Klägers ist eine Kurve nicht nur dann „scharf“, wenn sie einen 90°-Winkel beschreibt. Ein rechtwinkliger Verlauf der Straße wird für eine scharfe Kurve nicht vorausgesetzt. Eine scharfe Kurve ist dann gegeben, wenn der Kurvenradius so klein ist, dass die Gefahr des Abweichens von der Richtung in besonderem Maße gegeben ist (Müther in Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 12 StVO Rn. 33). Das Verwaltungsgericht hat sich auch nicht in Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsansicht gesetzt, indem es auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 17. Februar 2010 (14 K 2614/09) verwiesen hat. Danach ist eine Kurve jedenfalls dann – aber nicht nur dann – scharf, wenn sie einen 90°-Winkel beschreibt. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die Kurve in der B. Straße auf der Höhe der Hausnummer 60, in der das Fahrzeug des Klägers abgestellt war, exakt in einem 90°-Winkel verläuft, oder einen flacheren Verlauf aufweist. Denn Sinn und Zweck der Regelung in § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO ist, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend abgestellt hat, Gefährdungen, die beim Parken in Kurven durch Brems- und Ausweichmanöver entstehen könnten, möglichst weitgehend auszuschließen, und dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Kraftfahrzeuge in Kurvenbereichen nicht per se zum Fahren auf Sicht verpflichtet sind und darauf vertrauen dürfen, dort nicht durch stehenden Verkehr beeinträchtigt zu werden (UA S. 6 m.w.N.).
Entgegen dem Vorbringen des Klägers ist das Verwaltungsgericht auch nicht davon ausgegangen, dass die Kurve in der B. Straße erst durch die bauliche Gestaltung zu einer scharfen Kurve wurde. Das Verwaltungsgericht spricht vielmehr von einer Gesamtschau. Eine Kurve liegt unabhängig von der baulichen Gestaltung bei einem gekrümmten Verlauf der Fahrbahn vor (Müther a.a.O. m.w.N.). Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist aufgrund der gesamten Gestaltung des Kurvenbereichs erkennbar, dass im Kurvenbereich nicht geparkt werden soll. Diese Gestaltung hat jedoch keinen Einfluss auf das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „scharfe Kurve“ i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO. Dadurch wird allenfalls verdeutlicht, dass in diesem Bereich – im Gegensatz zu dem Bereich, in dem Parkbuchten vorhanden sind – nicht geparkt werden darf.
Die Entscheidung der Polizeiinspektion, das Fahrzeug des Klägers abschleppen zu lassen, wird auch nicht dadurch unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft, dass das gesamte Gebiet, in dem sich auch die besagte Kurve befindet, als Tempo-30-Zone ausgewiesen ist. Die Polizeiinspektion hat in der Stellungnahme vom 29. Juli 2019 (Bl. 13 der Behördenakte) dargelegt, dass es an dieser Stelle, obwohl sie in einer Tempo-30-Zone liegt, immer wieder zu gefährlichen Situationen kommt, weil durch den jeweiligen Falschparker eine Sicht auf den Straßenverlauf und entgegenkommende
Fahrzeuge nicht mehr möglich ist, so dass stark abgebremst oder ausgewichen werden muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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