Verwaltungsrecht

Kostenentscheidung bei Erledigung einer Untätigkeitsklage

Aktenzeichen  M 4 K 15.31678

Datum:
20.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 75 S. 2, § 161 Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

Der Grund für die Vergünstigung des § 161 Abs. 3 VwGO, einen Kläger von dem Kostenrisiko einer Untätigkeitsklage zu befreien, entfällt, wenn der Kläger nach Erlass eines ablehnenden Bescheides sein Klageziel mit einer neuen Klage weiterverfolgt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts R. F. in E., allerdings zu den Bedingungen eines am Gerichtssitzansässigen Rechtsanwalts bewilligt.

Gründe

I.
Die Klagepartei hat am 17.05.2016 die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Gegenpartei hat mit allgemeiner Prozessklärung vom 25.02.2016 und der Ergänzung vom 24. März 2016 generell der Erledigung zugestimmt.
Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung ist hier aus zwei Gründen nicht nach der (der allgemeinen Regelung des § 161 Abs. 2 VwGO vorgehenden) spezielleren Regelung des § 161 Abs. 3 VwGO zu treffen, sondern nach § 161 Abs. 2 VwGO.
Zum einen findet die Vorschrift des § 161 Abs. 3 VwGO keine Anwendung, wenn der Kläger das Verfahren nach dem Erlass eines ablehnenden Bescheids mit Zustimmung der Beklagten durch Erledigungserklärung beendet, sein Klageziel jedoch mit einer neuen Klage weiterverfolgt. Der Rechtsstreit hat sich dann nur scheinbar wegen der Bescheiderteilung erledigt (vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 06.11.2013 – 3 A 200/03 = BeckRS 2003,25139; Posser/Wolf, Beck’scher Online Kommentar VwGO, § 161 VwGO Rn. 21). Der Grund für die Vergünstigung des § 161 Abs. 3 VwGO, einen Kläger von dem Kostenrisiko zu befreien, das ihm dadurch entsteht, dass er die behördliche Beurteilung seines Antrags in angemessener Zeit nicht erfahren hat, kann die Kostenüberbürdung auf die Beklagte nicht tragen. Die Beklagte trüge ohne sachlichen Grund das Risiko, zweimal mit Prozesskosten belastet zu werden, obwohl der Kläger die ursprüngliche Untätigkeitsklage hätte weiterführen können (vgl. auch VG Bremen, Beschluss vom 05.07.2002 – 1 K 376/02 = BeckRS 2014, 47865).
Zum anderen fallen nach § 161 Abs. 3 VwGO in den Fällen des § 75 VwGO die Kosten stets dem Beklagten nur zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Zwar liegt ein Fall des § 75 VwGO vor, da der Kläger am … 2012 einen Asylantrag gestellt hat und der (ablehnende) Bescheid vom 4. März 2016 datiert (Klageerhebung … 2015). Damit war die (Drei-Monats-)Frist des § 75 Satz 2 VwGO eingehalten und die Klage unabhängig davon zulässig, ob ein zureichender Grund dafür vorlag, dass die Behörde noch nicht entschieden hat (vgl. Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 27. Lfg. Oktober 2014, § 75 Rn. 7).
Aber die weitere Voraussetzung, dass der Kläger mit der Bescheidung seines Antrags vor Klageerhebung rechnen durfte, ist nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist diese Voraussetzung nämlich dann nicht zu bejahen, wenn die Beklagte einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung hatte und der Klägerseite dieser Grund bekannt war oder bekannt sein musste (BVerwG, U.v. 23.7.1991 – 3 C 56.90 – NVwZ 1991, 1180, 1181 – juris Rn. 9). So verhält es sich hier.
Das Gericht geht davon aus, dass die Belastung oder richtigerweise Überlastung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge seit Sommer 2014 und insbesondere in den letzten Monaten vor Klageerhebung allgemein und auch der Klägerseite bekannt ist. Folge ist, dass die Behandlung der vorliegenden Anträge nur schleppend voranging.
Im vorliegenden Fall trifft es auch nicht zu, dass das Bundesamt den Antrag des Klägers „liegengelassen“ hätte. Vielmehr war ihm bekannt, dass das Verfahren, wenn auch sehr langsam, weiter betrieben wurde. So führte die Beklagte im Februar 2014 die Anhörung nach § 25 AsylG durch und übersandte das Protokoll hierzu am … 2014.
Durfte der Kläger sonach mit einer Entscheidung über den Asylantrag vor Klageerhebung nicht rechnen, verbleibt es auch aus diesem Grund bei der Anwendung des § 161 Abs. 2 VwGO (vgl. VG Stuttgart, B.v. 22.5.2003 – 2 K 412/03 – juris Rn. 7 f.).
Danach ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 166 VwGO i. V. m. §§ 114,121 ZPO. Die erforderlichen Unterlagen und der Formblattantrag liegen vor. Wie sich aus den Ausführungen zur Kostenentscheidung ergibt, hatte die Klage gewisse Erfolgsaussichten und war nicht willkürlich.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben