Verwaltungsrecht

Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung bei geänderter Sachlage

Aktenzeichen  M 9 K 17.3360

Datum:
13.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 92 Abs. 3, § 161 Abs. 2
RVG RVG § 30 Abs. 1

 

Leitsatz

Nach übereinstimmender Erledigungserklärung entspricht es billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO), die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen, wenn die Behörde dem Klagebegehren zwar nachkommt, dies jedoch auf einer geänderten Sachlage beruht (hier: Vorlage einer originalbeglaubigten Tazkira für eine Ausbildungserlaubnis) und bis dahin die Klage voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte. (Rn. 6 – 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Gegenstandswert wird auf EUR 10.000,00 festgesetzt.

Gründe

Die Klagepartei hat am 12.12.2017 die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Gegenpartei hat am 12.12.2017 der Erledigung zugestimmt.
Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen.
Als Richtschnur zur Verteilung der Kosten nach übereinstimmenden Erledigterklärungen der Beteiligten sind der Veranlassungsgrundsatz und das Erfolgsprinzip anerkannt (vgl. im Einzelnen Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 161 Rn. 16 – 18).
Mit dem Veranlassungsgrundsatz, der danach frägt, welcher der Beteiligten das erledigende Ereignis herbeigeführt hat, kommt man hier nicht zu einem überzeugenden Ergebnis. Zwar hat die Klägerbevollmächtigte natürlich Recht, wenn sie darauf verweist, dass der Beklagte den ablehnenden Bescheid aufgehoben (bzw., da es sich um Verpflichtungssituation handelt, die Erteilung der begehrten Ausbildungserlaubnis zugesichert) hat; diese Zusicherung ist unmittelbar das erledigende Ereignis bzw. genauer gesagt das Ereignis, auf Grund dessen die Beteiligten die Erledigterklärungen abgegeben haben.
Für diese Konstellation ist jedoch anerkannt, dass ein Nachgeben der Behörde dann nicht automatisch zur Kostentragung auf Grund Veranlassung führt, wenn das Nachgeben auf einer geänderten Sachlage beruht.
So liegt der Fall hier. Das Landratsamt hat unverzüglich reagiert, nachdem es (über die gerichtliche Übersendung des Schriftsatzes der Klägerbevollmächtigten vom 5.12.2017) Kenntnis von dem Umstand erlangt hat, dass der Kläger nun eine originalbeglaubigte Tazkira bekommen hat; daran ändert sich nichts dadurch, dass der Kläger zu Recht darauf verweisen lässt, dass es längere Zeit dauern kann, bis die Bemühungen um eine Tazkira Erfolg haben; denn das Abstellen auf eine neue Sachlage ist hier ein objektiver Umstand, der per se keinem der Beteiligten in irgendeiner Weise vorzuwerfen ist – die Tazkira liegt eben jetzt vor. Das Gericht hat unter Zugrundelegung der unverzüglichen Erteilung nach Vorlage keine begründeten Zweifel daran, dass die Ausbildungserlaubnis bereits früher erteilt worden wäre, hätte der Kläger die Tazkira früher vorlegen können; das Landratsamt hat im Ablehnungsbescheid maßgeblich auf die (bis zur Vorlage der Tazkira) ungeklärte Identität als solche abgestellt, während die Klage stärker die Mitwirkungshandlungen des Klägers in den Vordergrund rückt. Da aber auch der erstgenannte Umstand für sich genommen bei der Ermessensausübung berücksichtigt werden durfte, spricht überwiegendes dafür, dass der Ablehnungsbescheid rechtmäßig gewesen ist. Die Verteilung der Kosten ist daher, da wie oben gezeigt aus dem Veranlassungsgrundsatz nichts für die eine oder die andere Seite folgt, nach dem Erfolgsprinzip zu verteilen, d.h. es sind dem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der bei Fortführung des Verfahrens (also ohne das Ereignis, das zur Abgabe der Erledigterklärungen geführt hat), voraussichtlich unterlagen wäre. Dabei ist unter Berücksichtigung der Wertung in § 161 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 VwGO keine eingehende, sondern eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten durchzuführen. Daraus folgt hier die Kostentragungspflicht des Klägers, weil die Klage auf Erteilung der Erlaubnis bis zur Vorlage der originalbeglaubigten Tazkira voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte. Der Verweis der Klägerbevollmächtigten auf die Möglichkeit einer Erteilung der Ausbildungserlaubnis mit Nebenbestimmungen (Vorbehalt des Entzugs der Ausbildungserlaubnis bei Abweisung der Asylklage, soweit bis dahin keine Tazkira vorliegt) ändert an dieser Bewertung nichts, weil das Gericht nicht davon ausgeht, dass der Kläger diese Konstruktion hätte beanspruchen können; bei den Aspekten, die insofern in die Ermessensausübung einzustellen sind (Mitwirkung, geklärte Identität, Prognose zum Ausgang des Klageverfahrens) handelt es sich um selbständige Gesichtspunkte, die je nach Einzelfall entweder in Kombination oder aber auch allein für ein bestimmtes Ergebnis („Wie“) der Ermessensausübung vorliegen müssen oder ausreichen.
Die von der Regelung in § 30 Abs. 1 RVG abweichende Festsetzung des Gegen-standswerts beruht auf § 30 Abs. 2 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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