Verwaltungsrecht

Kulturgutschutzgesetz, Sicherstellung, Münzen

Aktenzeichen  M 30 K 19.6111

Datum:
22.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 21446
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KGSG § 33
KGSG § 28
KGSG § 52
KGSG § 32

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Sicherstellung der Münzen ist rechtmäßig, sie findet insbesondere in den Regelungen des §§ 33, 30, 28 und 35 des Gesetzes zum Schutz von Kulturgut (KGSG) vom 31. Juli 2016 ihre Rechtsgrundlage, und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ist insoweit für die Sicherstellung als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung die mündliche Verhandlung (vgl. auch VG Karlsruhe, U.v. 24.6.2020 – 5 K 7747/18 – beck-online Rn. 22).
Die Münzen waren vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst als zuständiger Behörde i.S.v. § 3 KGSG i.V.m. Art. 10 Abs. 3 ZustG sicherzustellen, da bei der Einfuhr die erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt wurden (1.) bzw. der hinreichende Verdacht einer verbotenen Einfuhr bestand (2.). Der Verdacht ist nicht weggefallen, so dass die Sicherstellung auch nicht aufzuheben ist (3). Sie ist zudem verhältnismäßig (4.)
1. Der Kläger hat bei der Einfuhr der Münzen die nach § 30 KGSG erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt.
Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 KGSG hat die zuständige Behörde Kulturgut sicherzustellen, wenn bei der Einfuhr die nach § 30 KGSG erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt werden. Nach § 30 KGSG hat, wer Kulturgut einführt, zum Nachweis der Rechtmäßigkeit der Ausfuhr aus dem Herkunftsstaat i.S.v. § 28 Nr. 1 KGSG entsprechende Unterlagen mitzuführen, sofern das Kulturgut von einem Mitgliedstaat oder Vertragsstaat als nationales Kulturgut eingestuft oder definiert worden ist. Ein solcher Nachweis sind Ausfuhrgenehmigungen des Herkunftsstaats sowie sonstige Bestätigungen des Herkunftsstaates, dass das Kulturgut rechtmäßig ausgeführt werden konnte. Nach § 28 Nr. 1 KGSG ist die Einfuhr von Kulturgut verboten, wenn es von einem Mitgliedstaat oder Vertragsstaat als Kulturgut eingestuft oder definiert worden ist und unter Verstoß gegen dessen Rechtsvorschriften zum Schutz nationalen Kulturguts aus dessen Hoheitsgebiet verbracht worden ist.
a) Bei den acht antiken Münzen handelt es sich um Kulturgut gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 KGSG, wonach jede bewegliche Sache von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischen Wert oder aus anderen Bereichen kulturellen Erbes, insbesondere von paläontologischem, ethnographischen, numismatischen oder wissenschaftlichen Wert als Kulturgut eingestuft wird. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Münzen – wie vom Kläger ausgeführt – keinen numismatischen Wert haben. Selbst als – vom Kläger bezeichnetes – „Allerweltsgeld“ unterfallen sie der weiten Definition als Kulturgut.
b) Die Münzen sind von der Islamischen Republik Iran – seit 1975 Vertragsstaat des UNESCO-Übereinkommens, nunmehr gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 19 KGSG des Übereinkommens über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (BGBl. 2007 II S. 626, 627) – gemäß den Ausführungen in den Verbalnoten vom 26. August 2019 und 25. September 2019 als nationales Kulturgut eingestuft. Entscheidend ist dabei nicht die Einstufung i.S.v. § 6 KGSG, der sich auf die Einstufung in der Bundesrepublik Deutschland bezieht, sondern die Einstufung im jeweiligen Vertragsstaat. In der Verbalnote kommt hinreichend deutlich durch Verweise auf ein Gesetz von 1930 zum Schutz nationaler Güter, einer Satzung von 1988 der iranischen Organisation für Kulturerbe und das Strafgesetz von 1996, reformiert 2013 zum Ausdruck, dass Münzen zum iranischen Kulturerbe eingestuft sind.
Es ist insoweit auf den Herkunftsstaat der Münzen i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 8 KGSG, in dem das Kulturgut entstanden ist oder der eine so enge Beziehung zu dem Kulturgut hat, dass er es zum Zeitpunkt der Verbringung aus seinem Hoheitsgebiet als nationales Kulturgut unter Schutz gestellt hat, abzustellen und nicht auf den Staat, aus dem das Kulturgut in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt wird, somit nicht auf die Vereinigten Staaten von Amerika.
c) Soweit der Kläger vorträgt, die Herkunft der Münzen aus dem heutigen Gebiet des Iran stehe nicht fest bzw. könnten die Münzen seit Jahrhunderten dieses Gebiet bereits verlassen haben, verfängt dies nicht, die Nachweispflichten nach § 30 KGSG nicht auszulösen.
(1) Der Regelungszweck in § 30 KGSG würde regelmäßig konterkariert, würde die Notwendigkeit der Vorlage von Dokumenten zunächst davon abhängig gemacht, dass behördlicherseits die Herkunft der Münzen und der Zeitpunkt der Verbringung aus dem Herkunftsstaat nachgewiesen würde. Vielmehr bezweckt die Nachweispflicht in § 30 KGSG gerade, dass derjenige, der Kulturgut einführt, den Nachweis über die Rechtmäßigkeit der Ausfuhr aus dem Herkunftsstaat nachzuweisen hat. Ein fehlender Herkunftsnachweis kann daher die Nachweispflicht gerade nicht entfallen lassen.
Vorliegend nimmt der Iran die Herkunft der Münzen aus seinem heutigen Staatsgebiet für sich in Anspruch, wofür im Übrigen tatsächliche Anhaltspunkte sprechen. Dass die Münzen aus dem Gebiet des heutigen Iran – oder aber aus einem anderen Herkunftsstaat – rechtmäßig ausgeführt wurden, hat der Kläger somit bei der Einfuhr der Münzen nachzuweisen gehabt, diesen Nachweis jedoch nicht geführt.
(2) Zwar findet sich in § 32 Abs. 2 KGSG eine Regelung für den Fall, dass sich keine eindeutige Zuordnung von Kulturgut vornehmen lässt, wenn die Herkunft in mehreren heutigen Staaten liegen könne. Zudem beinhaltet § 32 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) KGSG eine Stichtagsregelung, nach der die Einfuhr von Kulturgut unrechtmäßig ist, wenn das Kulturgut nach dem 26. April 2007 aus dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats verbracht worden ist.
Im Rahmen der Nachweispflicht in § 30 KGSG ist § 32 KGSG nicht heranzuziehen. Vielmehr beziehen sich die Definitionen in § 32 KGSG auf die Frage der Unrechtmäßigkeit der Einfuhr von Kulturgut.
Dem Kläger ist zuzugeben, dass fraglich erscheint, inwiefern in Fällen, in denen Kulturgut schon seit Jahrhunderten nicht mehr im Herkunftsland befindlich ist, ein solcher Nachweis erbracht werden soll, den es zum Zeitpunkt der Ausfuhr aus dem Herkunftsland damals noch nicht gab. Dies geht jedoch bei der Einfuhr von Kulturgut im Rahmen der Dokumentationspflichten zunächst zu Lasten des Einführenden. Insofern sind die Ausführungen in der Handreichung für die Praxis zum neuen Kulturgutschutzgesetz der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, das neue Kulturgutschutzgesetz fordere keine lückenlosen Provenienzen (S. 366) zumindest missverständlich, wenngleich sie sich nicht auf die Einfuhrvorschriften, sondern Sorgfaltspflichten beziehen. Durch die Dokumentationspflicht kann vielmehr wirksam eine Perpetuierung eines rechtswidrigen Zustands in Bezug auf illegal aus dem Herkunftsstaat verbrachtes Kulturgut vermieden werden.
Soweit vertreten wird, erst ab dem Stichtag in § 32 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) KGSG – in Verbindung mit dem Inkrafttreten der aktuellen Fassung des UNESCO Übereinkommens – könnten die Dokumentationspflichten ausgelöst werden (vgl. VG Karlsruhe, a.a.O. Rn. 54 ff.; Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Das Neue Kulturgutschutzgesetz – Handreichung für die Praxis, S. 386), liefe der Zweck der Regelung weitestgehend leer. Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, mit dem Kulturgutschutzgesetz die Einfuhr von Raubgut und illegal aus dem Herkunftsland verbrachte Kulturgüter zu bekämpfen und deren Rückführung an den Herkunftsstaat zu unterstützen (vgl. Bt-Drs 18/7456 S. 91, 92; Fechner in Von der Decken u.a., Kulturgutschutzgesetz, 2021, § 30 Rn. 12), würde verfehlt, wenn bereits aufgeworfene Fragen zum Herkunftsstaat und zum Zeitpunkt der Verbringung die Dokumentationspflicht entfallen ließen. Insoweit kommt § 30 KGSG – entgegen der Auffassung des VG Karlsruhe (a.a.O. Rn. 57) – durchaus die Funktion einer Beweislastvorschrift zu (vgl. Fechner a.a.O. § 28 Rn. 126 und § 30 Rn. 11). Aus Sicht des vorliegend erkennenden Gerichts ist in Bezug auf die erforderlichen Unterlagen zu differenzieren. Wird entsprechend belegt, zu welchem Zeitpunkt das Kulturgut den Herkunftsstaat verlassen hat und hat dieser Staat zu diesem Zeitpunkt noch keine entsprechenden Bescheinigungen eingeführt oder nicht jegliche Ausfuhr verboten, entfällt – insoweit zutreffend vom Verwaltungsgericht Karlsruhe – denklogisch eine weitere Dokumentationspflicht. Voraussetzung hierfür ist jedoch der Nachweis, dass das Kulturgut vor Einführung solcher Bescheinigungen im Herkunftsstaat oder eines Ausfuhrverbots verlassen hat. Eine derartige differenzierte Auslegung bringt die Erfüllung des Gesetzeszwecks in angemessenes Verhältnis zu erfüllbaren Verpflichtungen des Einführenden von Kulturgut.
Eine Dokumentation über die Herkunft der Münzen hat der Kläger weder bei Einfuhr noch bis zur mündlichen Verhandlung erbracht. Sein Vortrag, dass die Münzen der Sammlung … entstammen, ist in keiner Weise näher belegt, ebenso der Vortrag, dass die Münzen bereits lange Zeit zu dieser Sammlung gehörten. Dem steht die Verbalnote der Islamischen Republik Iran gegenüber.
Aufgrund der fehlenden Nachweise über die Herkunft der Münzen und deren rechtmäßiger Verbringung aus dem Herkunftsstaat bzw. zumindest in Bezug auf den Zeitpunkt, seit wann sich die Münzen jedenfalls nicht mehr auf dem Gebiet des heutigen Iran befanden, war die Sicherstellung somit rechtmäßig.
2. Die Sicherstellung findet zudem in § 33 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) KGSG eine hinreichende Rechtsgrundlage. Es besteht der hinreichende Verdacht, dass die Münzen entgegen einem Verbot nach § 28 KGSG eingeführt wurden. Nach § 28 KGSG ist die Einfuhr von Kulturgut verboten, wenn es von einem Mitgliedstaat oder Vertragsstaat als nationales Kulturgut eingestuft oder definiert und unter Verstoß gegen dessen Rechtsvorschriften zum Schutz nationalen Kulturgutes aus dessen Hoheitsgebiet verbracht worden ist.
a) Dem Kulturgutschutzgesetz lässt sich keine eigene Definition des hinreichenden Verdachts entnehmen. Ob zur Definition auf § 170 Strafprozessordnung zurückgegriffen wird (so VG Karlsruhe a.a.O. Rn. 46) oder allgemein auf das Gefahrenabwehrrecht, z.B. in § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG, (vgl. Schäfer in Von der Decken u.a., Kulturgutschutzgesetz, 2021, § 33 Rn. 11) ist strittig. Die Regelungen zur Sicherstellung sind im Hinblick auf den verfolgten Gesetzeszweck und dem sich daraus ergebenden Präventions- und Restitutionsgedanken (vgl. BT-Drs. 18/7456 S. 1, 92 f.) dem Gefahrenabwehrrecht zuzuordnen, so dass ein Rückgriff auf die strafprozessualen Begrifflichkeiten nicht angezeigt ist (Schäfer a.a.O.). Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, da vorliegend nach beiden Definitionsansätzen vom Vorliegen eines hinreichenden Verdachts auszugehen ist.
(1) Die Münzen stammen aus dem Reich der Sasaniden, Elymais und Persis und somit zumindest teilweise dem Gebiet des heutigen Iran. Sowohl die Islamische Republik Iran als auch die Staatliche Münzsammlung (in der E-Mail vom … Mai 2019) gehen von einer Herkunft der Münzen aus dem Gebiet des heutigen Iran aus. Somit liegen jedenfalls hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte bezüglich der Herkunft der Münzen vor. Konkrete anderweitige Nachweise wurden gerade nicht vorgelegt.
(2) Es besteht – aufgrund gesetzlicher Vermutung – der hinreichende Verdacht, dass die Münzen erst nach dem 26. April 2007 das Gebiet des Irans verlassen haben.
Ein Nachweis bzw. konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, zu welchem Zeitpunkt die Münzen das Gebiet verlassen haben, liegen zwar nicht vor. Vielmehr mag der klägerische Vortrag einerseits über die Verbreitung der Münzen bereits seit Jahrhunderten bzw. andererseits über den bereits langjährigen Besitz in der Sammlung … durchaus schlüssig und selbst nicht ohne weiteres zu widerlegen sein, einen Nachweis hierfür hat er hingegen – trotz der Nachweispflicht gemäß § 30 KGSG (s.o.) – nicht erbracht.
Gemäß § 52 Abs. 2 KGSG besteht die widerlegliche gesetzliche Vermutung, dass Kulturgut nach dem Stichtag des 26. April 2007 aus dem Hoheitsgebiet des Vertragsstaats verbracht worden ist, wenn sich der Zeitpunkt nicht klären lässt. Diese Vermutung kann nur durch den Nachweis widerlegt werden, dass sich das Kulturgut schon vor diesem Tag im Bundesgebiet, im Binnenmarkt oder in einem Drittstaat befunden hat. Die Abgabe einer Versicherung an Eides statt zur Erbringung des Nachweises ist zulässig gemäß § 27 Abs. 1 VwVfG sowie gemäß der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder; zuständig sind im Rahmen des behördlichen Vermittlungsverfahrens die in § 61 Abs. 1 Nr. 7, § 62 Abs. 2 KGSG genannten Behörden, § 52 Abs. 2 KGSG.
Diese Vermutungsregelung ist – wenn nicht bereits im Rahmen der teleologischen Auslegung der Sicherstellungsvorschriften – in analoger Anwendung heranzuziehen (a.A. VG Karlsruhe, a.a.O. Rn. 58 ff.), um dem Sicherstellungszwecke Geltung zu verschaffen. Ist einerseits die Stichtagsregelung des 26. April 2007 auch im Rahmen des § 33 KGSG von Bedeutung (vgl. Schäfer in Von der Decken u.a., Kulturgutschutzgesetz, 2021, § 33 Rn. 24), stellt sich die Frage der Beweislastverteilung für den Fall der derzeitigen Ungeklärtheit in Bezug auf den Zeitpunkt der Ausfuhr aus dem Herkunftsstaat. Wird nicht bereits systematisch die Nachweispflicht in § 30 KGSG zur teleologischen Auslegung der Beweislast beim Einführenden herangezogen, ist die dann bestehende planwidrige Lücke durch die analoge Anwendung von § 52 Abs. 2 KGSG im Sinne der Erfüllung des Gesetzeszwecks geboten. Schließlich dient die Sicherstellung dazu, ein Rückgabeverfahren zu ermöglichen und zu vermeiden, dass Kulturgut dem Staat, der entsprechende Ansprüche hieran geltend gemacht hat, nicht (wieder) verlustig geht. Wie der Beklagte zutreffend in der mündlichen Verhandlung betont hat, zielt die Sicherstellung darauf ab, einen Rückgabeanspruch abzusichern. Ist aber im Rückgabeverlangen eine Vermutungsregelung enthalten, ist es aus Gründen effektiver Gefahrenabwehr angemessen, die Vermutungsregelung bei der Anwendung von § 33 KGSG heranzuziehen. Ansonsten könnte Kulturgut nicht sichergestellt werden, dass nach den Rückgabevorschriften aufgrund Vermutungsregelung rückgeführt werden müsste. Für eine effektive Gefahrenabwehr und Zweckerreichung der Sicherstellung bedarf es eines weiteren Raums für die Sicherstellung von Kulturgut. Die Argumentation des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (in Rn. 60), die Vermutungsregelung betreffe einen vollkommen anderen Sachverhalt, sie gehöre zum Kapitel der Rückgabeansprüche, während die Sicherstellung im Kapitel 4 des Kulturgutschutzgesetzes geregelt sei, welches das Instrumentarium staatlicher Eingriffsmöglichkeiten zur Unterbindung unrechtmäßigen Kulturgutverkehrs reglementiere, überzeugt das Gericht vorliegend nicht. Vielmehr wird vorliegend die Sicherstellung als geeignetes, erforderliches und angemessenes Sicherungsinstrument während der Klärung und Durchführung eines Rückgabeverfahrens und gerade nicht unabhängig von Rückgabeansprüchen verstanden.
Der klägerische Vortrag, dass die Münzen aus einer Sammlung Agharis stammen sollen, der diese bereits in den 60er Jahren begonnen, in den 2000er Jahren abgeschlossen und 2011 publiziert habe, hat der Kläger in keiner Weise näher belegt und reicht nicht aus, diese Vermutungsregelung zu widerlegen bzw. hinreichend die Dokumentationspflicht zu erfüllen, dass es keines Rückgriffs auf diese Vermutungsregelung bedürfte. Auch der Hinweis auf Lagerungspatina auf den Münzen reicht insoweit nicht. Korrespondierend mit der Nachweispflicht in § 30 KGSG (s.o.) geht dies zu Lasten des Klägers.
(3) Damit liegen für einen hinreichenden Verdacht ausreichend konkrete und durchaus belastbare Tatsachen – insbesondere in Form der gesetzlichen Vermutung – vor und ist zum maßgeblichen Zeitpunkt als wahrscheinlich anzunehmen, dass die Münzen entgegen des Verbots nach § 28 in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt wurden. In Anwendung strafprozessualer Nomenklatur besteht jedenfalls mehr als die bloße Möglichkeit eines Einfuhrverbots und ist vielmehr angesichts der Regelung in § 52 Abs. 2 KGSG zum derzeit maßgeblichen Zeitpunkt mangels entsprechender Nachweise durchaus wahrscheinlich, dass das Rückgabeverlangen begründet ist.
(4) Soweit der Kläger auf die Sorgfaltspflichten in §§ 41 ff. KGSG verweist sowie die Darstellung in der Handreichung für die Praxis der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, S. 365 ff., so verkennt er, dass sich diese nicht auf die Einfuhr von Kulturgut in die Bundesrepublik Deutschland beziehen, sondern auf die Sorgfaltspflichten für das In-Verkehr-Bringen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Hier ist zu differenzieren.
(5) Wie bereits im Rahmen im Rahmen der Dokumentationspflicht dargestellt, vermag sich auch über eine Anwendung von § 32 KGSG keine anderweitige Lösung der vorliegenden Konstellation ergeben.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Regelung des § 32 KGSG nur schwer in einen systematisch stimmigen Zusammenhang mit den Sicherstellungsvorschriften gebracht werden kann (vgl. Fechner in von der Decken u.a., Kulturgutschutzgesetz, 2021, § 28 Rn. 70f, 84). Damit es nicht zu einem Wertungswiderspruch zwischen den beiden Normen komme, müsse die strenge Regelung des § 32 Abs. 2 KGSG auch auf die verbotene Einfuhr nach § 28 KGSG angewendet werden (Fechner, a.a.O. § 28 Rn. 84). § 28 KGSG knüpfe an § 32 KGSG an (Bt-Drs. 18/7456, S. 90). Die Handreichung für die Praxis der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien hingegen formuliert, der Verstoß gegen das Einfuhrverbot des § 28 KGSG führe zur Unrechtmäßigkeit der Einfuhr; unrechtmäßig eingeführt sei darüber hinaus aber nur solches Kulturgut, das nach den in dieser Vorschrift genannten Stichtagen illegal ausgeführt wurde (S. 368). Danach gäbe es Fälle verbotener Einfuhr, die keine unrechtmäßige Einfuhr darstellten. Das Gericht schließt sich diesem Gedanken folgend gerade nicht der Auffassung (vgl. Fechner a.a.O.) an, die verbotene Einfuhr nach § 28 KGSG sei als Teilmenge von § 32 KGSG anzusehen. Ebenso wenig überzeugt, dass § 32 KGSG im Zusammenhang mit Rückgabeansprüchen zu sehen wäre, während § 28 KGSG die Grundlage für die Anknüpfung strafrechtlicher Folgen schaffe (so aber Fechner a.a.O. § 28 Rn. 70). Vielmehr bedarf es einer teleologischen Reduktion des § 32 Abs. 2 KGSG insoweit, als eine nicht eindeutige Zuordnung eines Kulturguts bei Einfuhr nicht bereits zum Wegfall eines hinreichenden Verdachts einer nach § 28 KGSG verbotenen Einfuhr führt. Im Rahmen der Sicherstellungsvoraussetzungen ist § 32 KGSG außer Betracht zu lassen. Schließlich verweist § 33 KGSG auch nicht auf die Regelungen in § 32 KGSG, sondern nur auf § 28 KGSG, der nicht durch § 32 KGSG näher definiert wird, sondern nur als ergänzende Vorschrift in Bezug auf die Folgen eines Einfuhrverbots verstanden werden kann. So scheint mit der Unrechtmäßigkeit der Einfuhr eine weitere Begrifflichkeit im KGSG verortet worden zu sein, die jedoch tatbestandlich nicht im Rahmen der Sicherstellung nach § 33 KGSG Relevanz entfaltet, sondern eher systematisch bei den Ordnungswidrigkeits- und Strafvorschriften zu verorten sein dürfte.
3. Die Sicherstellung ist derzeit auch nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 7 KGSG aufzuheben. Der hinreichende Verdacht, dass das Kulturgut entgegen eines Verbots nach § 28 KGSG eingeführt wurde – der Begriff „unrechtmäßig“ in § 35 Abs. 1 Nr. 7 KGSG dürfte insoweit in Bezug auf § 28 KGSG zu verstehen sein und nicht auf § 32 KGSG (vgl. oben) -, besteht zum derzeit maßgeblichen Zeitpunkt fort (s.o.).
Insoweit kann dahinstehen, welchen Regelungsinhalt § 35 Abs. 2 KGSG tatsächlich im Zusammenhang mit § 35 Abs. 1 Nr. 7 KGSG entfalten soll. Danach könne u.a. für den – vorliegenden – Fall, dass ein Mitgliedstaat oder Vertragsstaat ein Rückgabeersuchen bereits gestellt hat, die Sicherstellung nur mit Zustimmung dieses Staats aufgehoben werden, es sei denn, der Anlass der Sicherstellung sei zwischenzeitlich entfallen. Nach Auffassung des Beklagten und Gesetzgebers begründe dies ein materielles Mitspracherecht des betroffenen Mitglieds- oder Vertragsstaats mit der prozessualen Folge einer notwendigen Beiladung gemäß § 65 Abs. 2 VwGO (Bt-Drs. 18/7456, 94). Hiergegen spricht insbesondere, dass § 32 Abs. 2 KGSG zwar zunächst ein Zustimmungserfordernis des Mitglieds- oder Vertragsstaates postuliert, im letzten Halbsatz dieses Erfordernis aber gänzlich relativiert. Auch ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu beachten, dass die Aufhebung der Sicherstellung niemals allein von der Zustimmung des jeweils Begünstigten abhängig gemacht werden darf und der letzte Halbsatz genau diesen Umstand berücksichtigten möchte. Daher spricht mehr dafür, in Fällen wie dem vorliegenden von der Möglichkeit einer einfachen Beiladung auszugehen. Ob sich aus dieser Regelung tatsächlich eine notwendige Beiladung ergibt, kann vorliegend jedoch dahinstehen, da die Klage ohne Erfolg bleibt und eine Entscheidung der Aufrechterhaltung der Sicherstellung nicht in die Rechte der Islamischen Republik Iran eingreifen kann.
4. Die Sicherstellung – entgegen der klägerischen Ausführungen eine gebundene Entscheidung ohne Ermessensspielraum der Behörde – begegnet derzeit zudem keinen Bedenken im Hinblick auf ihre Verhältnismäßigkeit.
Es dient einem legitimen Zweck, die Münzen sicherzustellen, bis über das Rückgabeverlangen des Iran entschieden wurde, und ist geeignet, aber auch erforderlich, um sicherzustellen, dass die Münzen etwaig an den Iran zurückgegeben werden können. Dem liegt übergeordnet der legitime Zweck zugrunde, die Einfuhr von Kulturgut zu verhindern, das illegal aus einem Vertragsstaat geschafft wurde (vgl. Fechner, a.a.O. § 28 Rn. 73).
Die (einstweilige) Sicherstellung ist dabei auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Insbesondere stellt die Sicherstellung keine dauerhafte Maßnahme dar, wenngleich sie für ihre Dauer einen Eingriff in Art. 14 GG begründet. Allerdings vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen, weshalb der Beklagte die Auffassung vertritt, zunächst müsse über die Sicherstellung entschieden werden, bevor das Rückgabeverfahren durchgeführt werde. Dies konterkariert gerade Sinn und Zweck. Um der weiteren Verhältnismäßigkeit der andauernden Sicherstellung Genüge zu tun, müsste das Rückgabeverfahren nun zügig betrieben werden. Ansonsten stellt sich nach gewissem Zeitablauf der Untätigkeit im Rückgabeverfahren durchaus die Frage, ab wann eine andauernde Sicherstellung unverhältnismäßig wird.
Der Einführende von Kulturgut muss jedoch damit rechnen, einer Sicherstellung von Kulturgut ausgesetzt zu sein, wenn er bei Einfuhr die notwendigen Unterlagen nicht bereithält. Dass die vom Kläger zitierte Handreichung für die Praxis insoweit missverständlich formuliert sein mag, kann das Gericht nachvollziehen, vermag jedoch nicht auf die Rechtmäßigkeit der vorliegenden Sicherstellung durchzuschlagen. Über die Möglichkeit der Widerlegung der Vermutungsregelung in § 52 Abs. 2 KGSG einerseits sowie die Vorschriften über Entschädigung, vgl. §§ 66 ff. KGSG, andererseits ist die Beeinträchtigung der Rechte des Kulturgut in die Bundesrepublik Deutschland Einführenden verhältnismäßig.
Die Klage ist daher zum derzeit maßgeblichen Zeitpunkt unbegründet und mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit bezüglich der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Aufgrund grundsätzlicher Bedeutung der sich im vorliegenden Verfahren stellenden Rechtsfragen ist die Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Frage der Anwendbarkeit von § 52 Abs. 2 KGSG im Rahmen des § 33 KGSG bzw. des Regelungsgehalts und der Anwendbarkeit des § 32 KGSG im Gefüge der Sicherstellungsvoraussetzungen.


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