Verwaltungsrecht

Mangelnde Begründung des Verbots der Führung von Dienstgeschäften

Aktenzeichen  AN 1 S 15.02427

Datum:
23.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 3 S. 1
BeamtStG BeamtStG § 39 S. 1, S. 2
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
BeamtStG BeamtStG § 26 Abs. 1

 

Leitsatz

Die aufschiebende Wirkung gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte ist anzuordnen, wenn das besondere Vollzugsinteresse (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) nicht hinreichend begründet wurde, weil eine auf den Einzelfall bezogene substantiierte Darlegung der Gründe für die Gefahr einer Störungen des Dienstbetriebs fehlt. Wurde der Beamte nach einer stationäre Entwöhnungsbehandlung wegen einer Alkoholerkrankung als arbeitsfähig entlassen, bedarf es insbesondere einer Begründung, warum dennoch Gründe für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte vorliegen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 30. November gegen die Verfügung des Präsidiums der Bayerischen Bereitschaftspolizei (Verbot der Führung der Dienstgeschäfte) vom … wird wieder hergestellt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der am … geborene Antragsteller steht als Polizeibeamter im Dienste des Antragsgegners. Er ist seit dem 1. November … (BesGr. A …).
Der Antragsteller leidet bereits seit längerer Zeit an Alkoholabhängigkeit.
Nach einem Disziplinarverfahren, dem eine zweimalige Alkoholisierung während des Dienstes sowie verbotswidriges Führen eines Dienst-Kfz zugrunde lag, wurde der Antragsteller ab 1. Mai 2009 zunächst von der … zur … abgeordnet und zum 1. April 2010 schließlich dorthin versetzt.
Bei der … wurde dem Antragsteller anfangs die Funktion des stellvertretenden Leiters des Stabs- bzw. Sachbereichs (…) übertragen. Daneben wurde er zum stellvertretenden Budgetverantwortlichen bestellt. Diese Funktion wurde ihm aufgrund eines außerdienstlichen Ladendiebstahls nach Bekanntwerden bei der Dienststelle im Februar 2013 entzogen. In der Folgezeit war der Antragsteller unter Durchführung mehrerer stationärer Therapiemaßnahmen langzeiterkrankt und wurde ab Dienstantritt am 11. November 2013 im Rahmen stufenweiser Wiedereingliederung zunächst als Sachbearbeiter im Sachgebiet … verwendet, bevor er ab 10. März 2014 als Sachbearbeiter im Sachgebiet …, Schwerpunkt …, eingesetzt wurde. Ab Oktober 2014 wurde der Antragsteller ergänzend im Bereich der … verwendet. Parallel dazu wurden ihm anlassbezogene Sonderaufgaben aus dem Sachgebiet … übertragen, wobei er als Schwerpunkt die Koordination der Ausgabe des neuen Einsatzanzuges an die Angehörigen der … übernehmen sollte. Diese Aufgabe wurde ihm durch den stellvertretenden Abteilungsleiter, Herrn …, mit internem Vermerk vom 5. Februar 2015 entzogen.
In seinen letzten dienstlichen periodischen Beurteilung vom …, betreffend den Beurteilungszeitraum vom 1. Juni … bis 31. Mai … hatte der Antragsteller ein Gesamturteil von elf Punkten erzielt.
Im Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei, …, erstellt durch Frau Dr. med. …, …, Fachärztin für Psychiatrie, vom 2. Oktober 2015 wird u. a. aufgrund einer am 15. September 2015 durchgeführten polizeiärztlichen Untersuchung des Antragstellers folgendes festgestellt:
1. Nach polizeiärztlicher Bewertung ist Herr … hinsichtlich seiner Alkoholproblematik bei allen bisher durchgeführten Therapiemaßnahmen seiner beamtenrechtlichen Mitwirkungspflicht nicht im erforderlichen und auch zumutbaren Maß nachgekommen.
2. Nach aktueller gutachterlicher psychiatrischer Beurteilung sind die auf psychiatrischem Fachgebiet infrage kommenden Behandlungsmöglichkeiten derzeit ausgeschöpft. Weitere medizinische/therapeutische Maßnahmen, die in absehbarer Zeit eine stabile Dienstfähigkeit des Beamten wiederherstellen könnten, können von hiesiger Seite nicht genannt werden.
3. Unter Berücksichtigung des bisherigen Krankheits- und Behandlungsverlaufs wird die zukünftige Gesundheitsprognose aus hiesiger Sicht derzeit als ungünstig eingeschätzt.
4. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung einer begrenzten Dienstfähigkeit liegen bei Herrn … nach polizeiärztlicher Beurteilung derzeit nicht vor.
5. Nach gutachterlicher Beurteilung liegt bei dem Beamten aufgrund einer Alkoholerkrankung mit in Zusammenschau der vergangenen Monate und Jahre ungünstigem Verlauf nunmehr dauernde Dienstunfähigkeit gemäß § 26 Abs. 1 BeamtStG vor.
Eine Überprüfung der Reaktivierbarkeit wird frühestens nach einem Jahr empfohlen.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2015 teilte das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei …, dem Antragsteller mit, dass beabsichtigt sei, das Ruhestandsversetzungsverfahren einzuleiten und hierzu die vorherige Zustimmung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr einzuholen.
Laut Niederschrift vom 30. November 2015 erließ Leitender … im Auftrag des Präsidenten der Bayerischen Bereitschaftspolizei gegenüber dem persönlich anwesenden Antragsteller nach dessen Anhörung zunächst mündlich folgende Verfügung:
1. Herrn … wird mit sofortiger Wirkung die Führung der Dienstgeschäfte verboten.
2. Ihm wird für sämtliche Diensträume der Bayerischen Bereitschaftspolizei ein Hausverbot erteilt.
3. Er hat sämtliche in seinem Besitz befindlichen Ausrüstungsgegenstände herauszugeben, insbesondere den Dienstausweis, den Berechtigungsschein Kfz sowie alle Dienstschlüssel.
4. Die sofortige Vollziehung der unter den Ziffern 1. bis 3. getroffenen Verfügungen wird angeordnet.
Die Gründe für die getroffenen Verfügungen wurden dem Antragsteller mündlich erläutert. Insbesondere wurde ihm erklärt, dass das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte aus Fürsorgegründen zwingend erforderlich sei, da durch die polizeiärztliche Untersuchung festgestellt worden sei, dass beim Antragsteller dauernde Dienstunfähigkeit vorliege. Die bisher durchgeführten medizinischen/therapeutischen Maßnahmen hätten nicht zu einer stabilen Wiederherstellung der Dienstfähigkeit geführt.
Anschließend wurde dem Antragsteller eine Kopie der von ihm selbst gelesenen, genehmigten und unterschriebenen Niederschrift ausgehändigt.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 30. November 2015 legte der Antragsteller Widerspruch ein.
Mit einem am 2. Dezember 2015 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 30. November 2015 beantragte der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 30. November 2015 gegen den Bescheid vom 30. November 2015 wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Voraussetzung dafür, einem Beamten das Führen der Dienstgeschäfte zu verbieten, sei zunächst, dass aus dienstlichen Gründen eine Dienstverrichtung des Beamten unterbunden werden müsse. Nur dienstliche Gründe könnten zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte führen (Weiß/Niedermeier/Summer/Zängl, § 39 BeamtStG, Rn. 23), wobei nur diejenigen Gründe als Gründe im Sinne des § 39 BeamtStG geeignet seien, die sich unmittelbar negativ auf die dienstliche Tätigkeit auswirkten. Derartige Gründe seien in der Verfügung des Antragsgegners nicht aufgeführt; dort werde die Entscheidung mit nicht näher beschriebenen Fürsorgegesichtspunkten begründet. Fürsorgegründe könnten jedoch grundsätzlich kein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte rechtfertigen, da es sich hierbei nicht um dienstliche Gründe im oben umschriebenen Sinne handele. Bei einer derart aufgedrängten Fürsorge wäre zudem dezidiert durch den Dienstherrn darzustellen, weshalb trotz entgegenstehenden Beschäftigungswillens das Verbot zwingend erforderlich sei. Anhand der Ausführungen des Bescheids sei nicht erkennbar, dass eine Dienstverrichtung des Antragstellers negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb haben könnte, insbesondere hätten sich derartige Auswirkungen in der Vergangenheit trotz der bestehenden Erkrankung des Antragstellers nicht ergeben. Der Verweis auf Ausführungen aus einem polizeiärztlichen Gutachten sei insofern ebenfalls nicht geeignet, dienstliche Gründe darzustellen, da diese Fragestellung nicht der Gegenstand der polizeiärztlichen Untersuchung gewesen sei. Auch aus dem Text des Gesundheitszeugnisses ergebe sich kein Anhaltspunkt für eine Beeinträchtigung dienstlicher Belange. Zwar komme das Gesundheitszeugnis zu der – medizinisch unzutreffenden – Aussage, dass die bisher (Stand 15.9.2015) durchgeführten medizinischen Maßnahmen nicht zu einer stabilen Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Antragstellers geführt hätten; eine Aussage dahingehend, dass durch die Erkrankung des Antragstellers dienstliche Belange beeinträchtigt worden seien, enthalte das Gesundheitszeugnis indes nicht. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Erkrankung des Antragstellers – obwohl sich hieraus in der Vergangenheit keine negativen Auswirkungen auf seine Dienstleistung ergeben hätten – einen dienstlichen Grund im Sinne des § 39 BeamtStG darstellen könnten, wäre dies kein Grund, der das Verbot zwingend erfordern würde (Weiß/Niedermeier/Summer/Zängl, § 39 BeamtStG, Rn. 24/25). Solange weniger einschneidende dienstliche Maßnahmen genügten, sei das Verbot nach § 39 BeamtStG jedenfalls nicht notwendig. Der Antragsteller sei als Polizeiverwaltungsbeamter nicht mit Aufgaben befasst, bei denen ein Sicherheitsrisiko für ihn selbst oder für andere Menschen bestehe. Als … seien ihm auch keine Dienstaufgaben zur selbstständigen Entscheidung übertragen, bei denen eine Gefährdung wirtschaftlicher oder rechtlicher Interessen des Dienstherrn zu befürchten wäre. Insbesondere zeige auch die letzte Beurteilung des Antragstellers, dass dieser trotz seiner Erkrankung in der Vergangenheit gute dienstliche Leistungen gezeigt habe. Auch führe der Bescheid des Antragsgegners keinen Gesichtspunkt an, aus dem heraus bei einer zukünftigen Dienstverrichtung im Bereich der Liegenschaftsverwaltung die Besorgnis einer Gefährdung dienstliche Belange folgen würde.
Ob im Hinblick auf die erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung des Antragstellers weiterhin eine negative Prognose hinsichtlich einer dauerhaften Dienstunfähigkeit bestehe, werde gegebenenfalls im Rahmen eines Ruhestandsversetzungsverfahrens aufzuklären sein. Allein der Umstand, dass nach dem Gesundheitszeugnis die Möglichkeit bestehe, dass der Antragsteller einen Rückfall erleide und dienstunfähig werde, könne es nicht rechtfertigen, ihm die Dienstverrichtung auch im dienstfähigen Zustand zu verwehren. Bei dem Krankheitsbild der Alkoholabhängigkeit entspreche es dem Normalfall, dass Betroffene nur in „nassen“ Phasen der Erkrankung akut dienstunfähig seien, da diese Unfähigkeit nicht auf der Grunderkrankung beruhe, sondern auf dem Substanzkonsum.
Da entsprechend den obigen Ausführungen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte offensichtlich rechtswidrig sei, könne auch der angeordnete Sofortvollzug keinen Bestand haben. Ein rechtlich geschütztes Interesse am Sofortvollzug rechtswidriger Bescheide bestehe nicht.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 2015 legte das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr den Vorgang vor und beantragte die Zustimmung zur Einleitung des Ruhestandsverfahrens gemäß Art. 66 BayBG, welche mit Schreiben vom 15. Dezember 2015 erteilt wurde.
Mit Schreiben des Präsidiums der Bayerischen Bereitschaftspolizei vom 22. Dezember 2015 beantragte der Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Im Gesundheitszeugnis vom … komme die begutachtende Polizeiärztin zu dem Ergebnis, dass beim Antragsteller aufgrund einer Alkoholerkrankung mit im Zusammenschau der vergangenen Monate und Jahre ungünstigem Verlauf nunmehr dauernde Dienstunfähigkeit eingetreten sei.
Seit Beginn der letzten längeren Erkrankungsphase Anfang … sei eine verlässliche und dienstliche Belange wahrende Übertragung von Aufgaben eines Verwaltungsbeamten der dritten Qualifikationsebene und damit eine amtsangemessene Beschäftigung aus in der Person des Antragstellers liegenden Gründen nicht mehr möglich gewesen. Überdies sei es dem Antragsgegner nicht zuzumuten, das Risiko hinzunehmen, dass der Kläger seinen Dienst alkoholisiert antrete und damit ein Dienstvergehen begehe.
Überdies sei auch aus Fürsorgegesichtspunkten eine Annahme der Arbeitsleistungen des Antragstellers nicht möglich. Der Antragsteller sei ausweislich des Gesundheitszeugnisses vom … dienstunfähig. Es sei nicht auszuschließen, dass gerade auch berufliche Belastungen einen Rückfall des Antragstellers in die Alkoholsucht begünstigten. Der Antragsteller würde sich damit einer Selbstgefährdung aussetzen. Daher würde sich der Antragsgegner treuwidrig verhalten, wenn er unter diesen Umständen eine Dienstleistung des Antragstellers annehmen würde. Da die Maßnahmen nach § 39 Satz 1 BeamtStG einen nur vorläufigen Charakter hätten, komme es auf das tatsächliche Vorliegen der Dienstunfähigkeit und die Überprüfung der medizinischen Beurteilung für die Rechtmäßigkeit der Verfügung nicht an. Diese bleibe den in § 39 Satz 2 BeamtStG aufgezählten Verfahren, hier dem Verfahren zur Ruhestandsversetzung vorbehalten. Dennoch lägen hier durch das Gesundheitszeugnis vom … hinreichende Verdachtsmomente für die Dienstunfähigkeit vor.
Weiterhin sei das Ermessen durch den Antragsgegner fehlerfrei ausgeübt worden, insbesondere sei auch das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte verhältnismäßig. Es sei geeignet und erforderlich, um einen reibungslosen Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten. Eine mildere Maßnahme, die das gleiche Ziel erreichen würde, sei nicht ersichtlich.
Die getroffene Maßnahme sei außerdem verhältnismäßig. Einerseits stelle sie zwar einen erheblichen Eingriff in die Rechte als Beamter dar und sei zudem mit einer massiven psychischen Belastung für den Antragsteller verbunden. Andererseits sei es bereits in der Vergangenheit aufgrund der Alkoholkrankheit des Antragstellers zu erheblichen Störungen des Dienstbetriebs und einem Vertrauensverlust des Dienstherrn in die zuverlässige Erledigung der übertragenen Dienstaufgaben gekommen. Zudem gebiete die Feststellung der Dienstunfähigkeit bereits aus Fürsorgegesichtspunkten zugunsten des Antragstellers ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte, da nur so den gesundheitlichen Einschränkungen des Antragstellers Rechnung getragen werden könne. Überdies habe der Antragsteller durch sein Verhalten selbst die Ursache für die Dienstunfähigkeit und die Störungen des Dienstbetriebs gesetzt, da er bereits mehrfach aus stationären Therapien als arbeitsfähig entlassen und bereits ein Jahr trocken gewesen sei, ehe er wiederum einen Rückfall erlitten habe. Dies zeige, dass der Antragsteller grundsätzlich in der Lage gewesen wäre, seine Dienstfähigkeit zu erhalten und sich in den Dienstbetrieb wieder einzugliedern. Bei Abwägung der für und gegen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sprechenden Gründe müssten die Interessen des Antragstellers an einer weiteren Dienstverrichtung zurückstehen, zumal er trotz der getroffenen Maßnahmen die Bezüge behalte und der Verbleib im Dienst für ihn selbst ebenfalls mit einem nicht zu unterschätzen- den psychischen Druck einhergehen würde.
Hierzu ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28. Januar 2016 zusammengefasst folgendes erwidern:
Insgesamt verkenne der Antragsgegner, dass er sich auf ein Gesundheitszeugnis stütze, welches ohne eigene Untersuchung durch den polizeiärztlichen Dienst erstellt worden sei und die Entwicklung seit dem 15. September 2015 nicht berücksichtige. Insbesondere habe der Antragsteller vom … zum … erfolgreich eine stationäre Entwöhnungsbehandlung absolviert, die nunmehr durch eine ambulante Therapie ersetzt werde, und nehme an einem Abstinenzkontrollprogramm dar. Da das Gesundheitszeugnis des polizeiärztlichen Dienstes insofern auf der Annahme beruhe, dass keine erfolgreiche stationäre Entwöhnungsbehandlung des Antragstellers erfolgen werde, sei es bereits aus diesem Umstand heraus überholt.
Zusammenfassend sei somit festzustellen, dass sich aus dem Tatsachenvortrag des Antragsgegners – selbst wenn man diesen als wahr unterstelle – bereits kein zwingender dienstlicher Grund ergebe, der ein Verbot des Führens der Dienstgeschäfte begründen könne.
Der Antragsgegner legte am 5. Februar 2016 die vollständigen Akten vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der beigezogenen Behördenakten des Präsidiums der Bayerischen Bereitschaftspolizei Bezug genommen.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen das mit Verfügung vom 30. November 2015 ausgesprochene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte wieder herzustellen, ist zulässig (§ 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) und begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt ganz oder teilweise wieder herstellen, wenn die sonst nach § 80 Abs. 1 VwGO eintretende aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs dadurch entfallen ist, dass die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders angeordnet hat.
In entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs dann angeordnet bzw. wieder hergestellt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen.
Allerdings hat das erkennende Gericht vorab zu prüfen, ob das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit gem. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend begründet worden ist.
Im vorliegenden Fall genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht den formellen Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse der Behörde an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die Begründungspflicht ist auch Ausdruck des aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebots des effektiven Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die nach § 80 Abs. 1 VwGO für den Regelfall vorgesehene aufschiebende Wirkung ist eine adäquate Ausprägung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.6.1973 – 1 BvL 39/69 und 14/72 – BVerfGE 35, 263 ; Beschluss vom 18.7.1973 – 1 BvR 23, 155/73 – BVerfGE 35, 382 m. w. N.). Die Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO soll der Behörde den auch von Verfassungs wegen bestehenden Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Diese vom Gesetzgeber beabsichtigte „Warnfunktion“ beruht letztlich auf dem besonderen Stellenwert, den die Verfassung der aufschiebenden Wirkung beimisst (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 80 Rn. 84 m. w. N.). Art. 19 Abs. 4 GG ist deshalb verletzt, wenn die Anordnung überhaupt keine Begründung enthält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.7.1974 – 1 BvR 75/74 – BVerfGE 38,52 ). Der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Begründungspflicht ist aber auch hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Begründung Rechnung zu tragen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat. Da das Interesse an der sofortigen Vollziehung im Regelfall über das Interesse hinausgehen muss, das den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigt, müssen zur Begründung regelmäßig andere Gründe angeführt werden als zur Rechtfertigung des Verwaltungsakts. Auch wenn sich die Gründe für den Erlass des Verwaltungsaktes und für die Anordnung der sofortigen Vollziehung decken, also eine (Teil-) Identität zwischen dem Erlassinteresse am Verwaltungsakt und dem besonderen Vollziehbarkeitsinteresse besteht, gestattet § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO keinen Verzicht auf die Begründung und auch nicht den Gebrauch nichtssagender formelhafter Wendungen. Es reicht auch nicht aus, dass sich die Begründung aus dem Zusammenhang der Erwägungen für den Verwaltungsakt ermitteln lässt.
(vgl. den Sachstand in Literatur und Rechtsprechung zusammenfassend: BeckOK, 36. Edition, Stand: 1.7.2015, VwGO/Gersdorf VwGO § 80 Rn. 88).
Den oben dargestellten Erfordernissen wird die unter Ziffer IV. der Niederschrift zum zunächst mündlich dem Antragsteller gegenüber ausgesprochenen Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gegebene Begründung nicht gerecht, da sie keinerlei Erwägungen zur Notwendigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs enthält.
Darüber hinaus fehlt in der Begründung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte eine auf den Einzelfall bezogene schlüssige und substantiierte Darlegung der Gründe, weshalb gerade im Fall des Antragstellers die vom Antragsgegner pauschal behauptete Gefahr erheblicher Störungen des Dienstbetriebs besteht und woraus sich diese ergibt.
Zwar wurde im Antragserwiderungsschreiben der Bayerischen Bereitschaftspolizei vom 22.
Dezember 2015 vorgetragen, es sei bereits in der Vergangenheit aufgrund der Alkoholkrankheit des Antragstellers zu erheblichen Störungen des Dienstbetriebs gekommen. Dies wird jedoch in keiner Weise näher erläutert bzw. plausibel gemacht.
Auch wurde nicht ansatzweise dazu Stellung genommen, dass der Antragsteller in der Zeit vom … bis zum …, also nach der Erstellung des Gesundheitszeugnisses vom … und vor der Verbotsverfügung vom … im Bezirkskrankenhaus … eine stationäre Entwöhnungsbehandlung absolviert hat und laut Entlassungsanzeige vom … (Bl. 53 des Verwaltungsvorgangs) an diesem Tag (Mittwoch) von dort als arbeitsfähig entlassen wurde.
Aus welchen Gründen trotz dieser Tatsache am … (Montag), dem Tag des Dienstantritts des Antragstellers zwingende dienstliche Gründe für ein Verbot des Führens der Dienstgeschäfte vorgelegen haben sollen, erschließt sich aus der Begründung dieses Verbots nicht.
Wegen des aufgezeigten Begründungsmangels sowohl hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung als auch des zugrundeliegenden Verbots der Führung der Dienstgeschäfte war vorliegend die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung des Präsidiums der Bayerischen Bereitschaftspolizei (Verbot der Führung der Dienstgeschäfte) vom 30. November 2015 wieder herzustellen (vgl. BeckOK, a. a. O., § 80 Rn. 180).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.
Aufgrund des vorläufigen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens war als Streitwert die Hälfte des Regelstreitwertes nach § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 2013; BayVGH, Beschluss vom 22. 2. 1995 – 3 CE 94.4077 -).


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