Verwaltungsrecht

Mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes erfolgloser Berufungszulassungsantrag

Aktenzeichen  13a ZB 16.1

Datum:
9.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 110316
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) 73/2009 Art. 4 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1, Art. 24
DüV § 4 Abs. 6 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 – 3, Nr. 5
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Für die Frage, ob gemäß § 4 Abs. 6 DüV Düngemittel aufgebracht werden dürfen, ist auf den Bedarf der jeweils angebauten Kultur – auch wenn sie nur als Zwischenfrucht angebaut wird – abzustellen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Winterweizen hat im Anbaujahr in der Regel keinen N-Düngebedarf mehr (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag des Klägers, dass zur Klärung einer von ihm als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Frage auf die konkrete Situation und die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist, schließt das eine allgemeine Klärung im Berufungsverfahren als Voraussetzung für die Berufungszulassung wegen Grundsatzbedeutung aus. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 7 K 14.2056 2015-11-19 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 956,88 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 19. November 2015 bleibt ohne Erfolg.
Auf seinen Antrag vom 8. Mai 2013 bewilligte das Amt für … L. (…) dem Kläger mit Bescheid vom 9. Dezember 2013 für das Jahr 2013 eine Betriebsprämie. Diese wurde wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 6 der Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen (Düngeverordnung – DüV) nach Art. 70 ff. VO (EG) Nr. 1122/2009 um 3% gekürzt, nachdem bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 15. Oktober 2013 und Nachkontrollen festgestellt worden war, dass der Kläger Gärsubstrat ausgebracht und keine Folgekultur mit einem Nährstoffbedarf angebaut habe. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) vom 3. November 2014 zurückgewiesen, die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 19. November 2015 abgewiesen.
Im vorliegenden Zulassungsantrag führt der Kläger aus, er habe keinen Verstoß gegen das Düngeverbot begangen. Am 15. Oktober 2013 habe er Gülle ausgebracht und diese noch am selben Tag eingearbeitet. Aufgrund der schlechten Witterungsverhältnisse sei es aber zunächst nicht mehr zum Aussäen des Winterweizens gekommen, sondern erst ca. am 22. Oktober 2013. Dies sei von der Beklagten in Abrede gestellt worden, da bei Kontrollen am 24. und 28. Oktober 2013 keine Hinweise auf ein nachträgliches Ausbringen vorgelegen hätten. Das Verwaltungsgericht habe insoweit übersehen, dass nach Fachmeinungen ein Stickstoff-Düngebedarf (N-Düngebedarf) für Winterweizen lediglich nach dem 15. Oktober eines Jahres nicht mehr bestehe. Da jedenfalls die Gülle unstreitig am 15. Oktober 2013 ausgebracht und eingearbeitet worden sei, sei es für die vorliegende Entscheidung unerheblich, zu welchem Zeitpunkt der ebenfalls unstreitig ausgebrachte Winterweizen gesät worden sei. Vom Verwaltungsgericht sei weiter verkannt worden, dass der Winterweizen zumindest am 15. Oktober 2013 noch Düngebedarf gehabt habe. Auch wenn die Meinung vertreten werde, dass Winterweizen „in der Regel“ nach dem 15. Oktober eines Jahres keinen Düngebedarf mehr habe, stelle sich die Klimaveränderung als Ausnahmefall dar. Der Winterweizen könne durchgängig wachsen und somit auch Nährstoffe aufnehmen. Zudem werde von Fachkreisen und auch von Gesetzes wegen ausdrücklich frühgesäter Winterweizen ohne Datumsangabe als düngebedürftig genannt. Das Verwaltungsgericht verkenne insoweit, dass bei Gülleanreicherung der Ernterückstände die Verrottung gefördert werde. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen, dass Spuren auf dem Acker nur schwer zu erkennen gewesen seien, da die Ausbringung mit einer Anbaumaschine mit breiter Bereifung erfolgt sei. Zudem sei sein Einwand, Furchen seien nur zu erkennen, wenn das Feld begangen und nicht nur von der Seite aus betrachtet werde, unberücksichtigt geblieben. Bei Prüfung des Sachverhalts und der einschlägigen gesetzlichen Regelungen hätte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis kommen müssen, dass die vorliegenden Vorschriften zu „schwammig“ formuliert seien und den hier zu entscheidenden Fall nicht hinreichend regelten. Der Rechtsstreit habe deshalb grundsätzliche Bedeutung und weise besondere tatsächliche sowie rechtliche Schwierigkeiten auf. Zugleich bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Da die Erläuterungen zur Düngeverordnung erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden seien, habe er zudem keine ausreichende Gelegenheit zur Äußerung gehabt, so dass gleichzeitig ein Verfahrensfehler vorliege.
Dieser Vortrag führt nicht zur Zulassung der Berufung, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5 VwGO nicht vorliegen.
An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese lägen vor, wenn das Zulassungsvorbringen einen die Entscheidung tragenden Rechtssatz oder eine insoweit erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage stellen würde, dass sich die gesicherte Möglichkeit der Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergäbe (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546; B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642).
Gemessen hieran ergeben sich aus dem Vorbringen des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts. Nach der hier maßgeblichen Regelung des § 4 Abs. 6 Nr. 1 DüV darf nach der Ernte der letzten Hauptfrucht vor dem Winter Gülle nur zu im gleichen Jahr angebauten Folgekulturen einschließlich Zwischenfrüchten bis in Höhe des aktuellen Düngebedarfes an Stickstoff der Kultur aufgebracht werden. Unter Verweis auf die Feststellungen des AELF, dessen vorgelegten Erläuterungen zur Düngeverordnung und die Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung hat das Verwaltungsgericht nachvollziehbar dargelegt, dass jedenfalls mit dem spät ausgebrachten Weizen keine Folgekultur einschließlich von Zwischenfrüchten im Sinn von § 4 Abs. 6 Nr. 1 DüV angebaut worden sei, die einen Düngebedarf an Stickstoff gehabt hätte (UA S. 5). Dem ist der Kläger nicht mit schlüssigen Gegenargumenten entgegengetreten.
Die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Weizen angesät wurde, kann auch nach Auffassung des Klägers offen bleiben. Damit kommt es nicht darauf an, ob Spuren auf dem Acker zu erkennen waren und die Ausbringung mit einer Anbaumaschine mit breiter Bereifung erfolgt ist. Da das Verwaltungsgericht unterstellt, dass Winterweizen angebaut wurde, konnte es den Einwand des Klägers, Furchen seien nur zu erkennen, wenn das Feld begangen und nicht nur von der Seite aus betrachtet werde, unberücksichtigt lassen. Dass Winterweizen „in der Regel“ nach dem 15. Oktober eines Jahres keinen Düngebedarf mehr habe, räumt der Kläger selbst ein. Auch wenn er sich auf die globale Klimaveränderung als Ausnahmefall beruft, legt er aber weder qualifizierte Untersuchungen dazu vor, dass die Regelannahme deshalb keine Geltung mehr beanspruchen könnte, noch bestehen hierfür Anhaltspunkte. Es begegnet damit keinen Bedenken, wenn das Verwaltungsgericht gemäß Nr. 8 der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Erläuterungen zur Düngeverordnung der Landesanstalt für Landwirtschaft davon ausgeht, dass für den ausgesäten Winterweizen kein Düngebedarf bestand. Gemäß § 4 Abs. 6 DüV dürfen auf Ackerland nach der Ernte der letzten Hauptfrucht Düngemittel nur zu im gleichen Jahr angebauten Folgekulturen einschließlich Zwischenfrüchten bis in Höhe des aktuellen Düngebedarfes an Stickstoff der Kultur aufgebracht werden. Hieraus ergibt sich, dass auf den Bedarf der jeweils angebauten Kultur – auch wenn sie nur als Zwischenfrucht angebaut wird – abzustellen ist. In den Erläuterungen zur Düngeverordnung wird hierzu ausgeführt, dass Winterweizen im Anbaujahr in der Regel keinen N-Düngebedarf mehr hat. Aus dem vom Kläger im Zulassungsverfahren vorgelegten Erzeugerring-Beratungsfax 2/2016 ergibt sich ebenfalls nicht die Notwendigkeit einer Düngung. Dieses betrifft das Jahr 2015 und führt im Gegenteil aus, dass insbesondere bei Winterweizen die Andüngung im Vergleich zu den Vorjahren reduziert werden sollte, nachdem sich alle Winterkulturen bereits im Herbst sehr gut hätten entwickeln und viel Stickstoff aufnehmen können. Dass eine Düngung im Herbst erforderlich wäre, geht hieraus nicht hervor. Angesichts dessen ist ferner nicht maßgeblich, ob als Nebeneffekt der Gülleanreicherung die Verrottung gefördert würde.
Die Rechtssache weist auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Der Kläger geht selbst davon aus, dass im Allgemeinen kein Düngebedarf besteht. Im Übrigen beschränkt sich sein Vortrag im Wesentlichen auf die Klimaveränderung, ohne dass dargelegt wird, weshalb die Annahmen der Erläuterungen zur Düngeverordnung vorliegend keine Anwendung finden können.
Eine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt der Rechtssache ebenfalls nicht zu. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Unabhängig davon, dass der Kläger mit seinem Einwand, die vorliegenden Vorschriften seien zu „schwammig“ formuliert, keine klärungsbedürftige Frage aufwirft, wäre auch eine grundsätzliche Klärung nicht möglich. Der Kläger verweist darauf, dass die maßgeblichen Vorschriften den hier zu entscheidenden Fall nicht hinreichend regelten. Damit ist schon nach seinem Vortrag maßgeblich auf die konkrete Situation und die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Das schließt eine allgemeine Klärung zum Anwendungsbereich und dem Umfang der Regelungen aus.
Schließlich liegt auch kein Verfahrensmangel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) vor. Der Kläger macht hierzu geltend, er habe keine ausreichende Gelegenheit zur Äußerung gehabt, da die Erläuterungen zur Düngeverordnung erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden seien. Eine Art. 103 Abs. 1 GG genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Sie müssen sich bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt über den gesamten Verfahrensstoff informieren können (BVerfG, B.v. 19.6.2013 – 2 BvR 1960/12 – NJW 2013, 2658). Dabei erschöpft sich Art. 103 Abs. 1 GG nicht im Recht der Beteiligten, im Verfahren überhaupt gehört zu werden, sondern gewährleistet die Gelegenheit, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern. Die Behauptung eines Rechtsanwendungsfehlers vermag die Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht zu begründen (BVerfG, B.v. 6.5.2010 – 1 BvR 96/10 – NVwZ-RR 2010, 545; BVerwG, B.v. 9.6.2011 – 3 C 14.11 – NVwZ 2011, 1196). Gemessen hieran ist der Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Mit der Vorlage der Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung konnte er erkennen, dass diese für die Entscheidung relevant sein würden, und hatte Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Zudem handelt es sich bei den Erläuterungen der LfL nicht um einen neuen Tatsachenvortrag, sondern um allgemein zugängliche und auf der Internetseite der LfL abrufbare fachliche Dokumentationen (unter www.l…de/…). In Wahrheit rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht würde das Recht falsch anwenden, wenn es von einem fehlenden Düngebedarf ausgeht. Das vermag einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht zu begründen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.


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