Verwaltungsrecht

Materielle Beweislast in Bezug auf den Zeitpunkt des Entschlusses zur Eheschließung

Aktenzeichen  10 ZB 14.2634

Datum:
16.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 44265
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 27 Abs. 3 S. 2, § 54 Abs. 2 Nr. 8
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Aus dem Grundsatz der materiellen Beweislast ergibt sich, dass ein Ausländer nachweisen muss, die Heiratsabsicht tatsächlich erst nach Beantragung des Schengen-Visums gefasst zu haben; sollte dieser Umstand trotz der im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (Art. 86 Abs. 1 VwGO) erforderlichen Aufklärung durch das Verwaltungsgericht nicht erweislich sein, geht die Nichtaufklärbarkeit zulasten des Anspruchstellers. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 25 K 13.5072 2014-10-22 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger, ein kubanischer Staatsangehöriger, seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Erteilung einer von der Beklagten mit Bescheid vom 21. November 2013 abgelehnten Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug weiter. Der Kläger hat nach erfolgloser Durchführung eines Verfahrens des einstweiligen Rechtschutzes (VG München‚ B.v. 15.5.2014 – M 25 S 13.5332‚ bestätigt durch BayVGH‚ B.v. 12.8.2014 – 10 CS 14.1315 – juris) das Bundesgebiet am 30. August 2014 verlassen. Mit dem hier angegriffenen Urteil vom 22. Oktober 2014 hat das Verwaltungsgericht München die Verpflichtungsklage abgewiesen‚ und dabei auf die Gründe seines Beschlusses vom 15. Mai 2014 sowie die Beschwerdeentscheidung des Senats vom 12. August 2014 Bezug genommen. Es sei nicht zu beanstanden‚ dass die Beklagte nicht von der Erfüllung der Visumspflicht abgesehen habe; auch der Lebensunterhalt sei nach wie vor nicht gesichert.
1. Der Senat hat bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Zulassungsantrags, weil -wie sich auch aus den Ausführungen im angefochtenen Urteil ergibt – fraglich ist‚ ob die vom Kläger mitgeteilte Anschrift auf Kuba den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Zweifel ergeben sich hieran insbesondere im Hinblick auf die Angabe der Schwester des Klägers, die gegenüber Beamten der Polizeiinspektion Neufahrn am 26. September 2014 ausgesagt hat‚ der Kläger sei nach Spanien ausgereist. Die Richtigkeit der angegebenen ladungsfähigen Anschrift ist jedoch erforderlich‚ um die Erreichbarkeit des Klägers für das Gericht sicherzustellen; diese Notwendigkeit folgt aus § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO‚ § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 130 Nr. 1 ZPO (vgl. zuletzt: BayVGH‚ B.v. 3.2.2016 – 10 ZB 15.1413 – juris).
2. Die Frage nach der Richtigkeit der angegebenen Anschrift kann jedoch offen bleiben, weil der Antrag auf Zulassung der Berufung jedenfalls unbegründet ist.
Eine Auslegung des Zulassungsbegehrens (§ 88 VwGO)‚ das sich nicht explizit auf einen der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe bezieht‚ ergibt‚ dass zum einen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 2.1)‚ zum anderen ein Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; 2.2.) geltend gemacht werden. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4‚ Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt jedoch keine Zulassung der Berufung, denn weder bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (2.1) noch liegt der geltend gemachte Verfahrensverstoß in Form einer Gehörsverletzung vor (2.2).
2.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochten Urteils bestünden nur dann‚ wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG‚ B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11). Dies ist aber im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht abgelehnte Verpflichtung der Beklagten‚ dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegatten-nachzug zu erteilen‚ nicht der Fall.
Die unter Verweis auf die beiden Beschlüsse im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes begründete Auffassung des Verwaltungsgerichts‚ es bestehe kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach § 30 Abs. 1 AufenthG‚ weil ein Ausweisungsgrund vorliege und der Kläger nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist sei‚ begegnet nicht den geltend gemachten ernstlichen Zweifel an ihrer Richtigkeit. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung im Zeitpunkt dieses Beschlusses ist nicht mehr § 5 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 55 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AufenthG in der bis 31. Dezember 2015 geltenden Fassung, sondern § 5 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG in seiner ab 1. Januar 2016 geltenden Fassung, wodurch der hier bedeutsame Begriff „Ausweisungsgrund“ durch „Ausweisungsinteresse“ ersetzt wurde; der Sache nach hat sich damit allerdings nichts daran geändert, dass Voraussetzung für Erteilung eines Aufenthaltstitel in der Regel ist‚ dass kein Ausweisungstatbestand vorliegt, der gegenwärtig tatsächlich besteht und rechtlich noch verwertbar ist (vgl. Bender/Leuschner in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 5 Rn. 18). Die Ersetzung des bisher in § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verwendeten Begriffs durch das „Ausweisungsinteresse“ stellt lediglich eine Folgeänderung der Neuordnung des Ausweisungsrechts dar (BT-Drs. 18/4097 v. 25.2.2015 S. 35 und S. 52; krit. insoweit: Bender/Leuschner, a. a. O. Rn.18). Als Ausweisungsinteresse ist im vorliegenden Fall der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG in den Blick zu nehmen. Er entspricht dem Tatbestand einer Ermessensausweisung nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AufenthG (in der bis 31.12. 2015 geltenden Fassung), wenn man von der nun aufgeworfenen Frage absieht, ob das Erfordernis eines vorherigen Hinweises auf die Rechtsfolgen falscher oder unvollständiger Angaben (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 1 letzter Halbsatz AufenthG a. F.) sich – wie bisher – auf beide Buchstaben in § 54 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG n. F. bezieht (bejahend: Cziersky/Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, AufenthG § 54 Rn. 58, 59) oder nur auf Buchstabe b. Die Antwort auf diese Frage ist jedoch nicht entscheidungserheblich, denn in der Zulassungsbegründung wird nicht behauptet, dass der erforderliche Hinweis auf die Rechtsfolgen unterblieben sei.
Das Zulassungsvorbringen vermag die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger erfülle den Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a AufenthG, weil er falsche Angaben zur Erlangung eines Schengen-Visums gemacht habe, indem er vorgetäuscht habe, zum Besuch seiner Schwester in das Bundesgebiet einreisen zu wollen, obwohl er in Wirklichkeit einen Daueraufenthalt beabsichtigt habe, nicht ernstlich zu erschüttern. Die Richtigkeit des angegriffenen Urteils ist insbesondere nicht deshalb ernstlich zweifelhaft‚ weil in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht die Ehefrau und die Schwester des Klägers im Rahmen einer informatorischen Befragung angegeben haben‚ der Entschluss, die Ehe einzugehen, sei erst nach der Einreise des Klägers in das Bundesgebiet gefasst worden, weshalb bei Beantragung des Visums keine falschen Angaben gemacht worden seien und damit kein „Ausweisungsinteresse“ vorliege.
Mit diesem Vorbringen stellt der Kläger die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 12. August 2014 (a. a. O., juris Rn. 10) nicht ernsthaft in Frage. Dort hat der Senat begründet‚ warum davon auszugehen ist‚ dass die Absicht der Eheschließung schon vor der Einreise bestand‚ auch wenn der Kläger die Visumsvorschriften nicht bewusst habe umgehen wollen. Er habe jedenfalls den Besuch seiner Schwester lediglich vorgetäuscht‚ um eine Möglichkeit zur Heirat im Schengenraum zu erhalten. Der Vorwurf im Zulassungsvorbringen‚ damit finde eine unzulässige Beweislastumkehr statt und es werde in allen derartigen Fällen ein Generalverdacht ausgesprochen‚ trifft nicht zu. Vielmehr entspricht es dem im Verwaltungsprozess geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast (s. hierzu: Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 86 Rn. 2a m. Rspr.-Nachweisen), dass sie von demjenigen getragen wird, der sich auf einen Umstand beruft, aus dem er eine für ihn günstige Rechtsfolge ableitet; sollte dieser Umstand trotz der im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (Art. 86 Abs. 1 VwGO) erforderlichen Aufklärung durch das Verwaltungsgericht nicht erweislich sein, ginge die Nichtaufklärbarkeit zulasten des Anspruchstellers. Im vorliegenden Fall hat der Kläger als der einen Anspruch auf Ehegattennachzug geltend machende Ausländer die für ihn günstigen Umstände nachzuweisen oder glaubhaft zu machen (vgl. für das ausländerrechtliche Verwaltungsverfahren: § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Dazu zählt im Besonderen die Frage‚ ob die Heiratsabsicht tatsächlich erst nach Beantragung des Schengen-Visums gefasst wurde, denn dies ist Voraussetzung für die Verneinung eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG. Von einer unzulässigen Umkehr der Beweislast kann demnach keine Rede sein.
Auch der mit dem Zulassungsvorbringen behauptete Verstoß gegen die Unschulds-vermutung‚ die hier gelte‚ weil „strafrechtliche Belange berührt“ seien, liegt nicht vor. Diese Argumentation übersieht‚ dass ein „Ausweisungsinteresse“ wegen unrichtiger Angaben im Visumsverfahren unabhängig davon vorliegt, ob der Ausländer wegen einer entsprechenden Straftat verurteilt wurde oder nicht. Bei der Ausfüllung des Begriffs des „Ausweisungsinteresses“ geht es vielmehr darum‚ ob im Rahmen des Verfahrens zur Erlangung eines Schengen-Visums „falsche oder unvollständige Angaben“ gemacht wurden‚ ohne dass daraus unmittelbar strafrechtliche Konsequenzen gezogen werden müssen, die allerdings ein gesondert zu prüfendes Verschulden voraussetzen würden. Auch im vorliegenden Fall kam es wegen der von der Beklagten und den Verwaltungsgerichten angenommenen falschen Angaben offenbar nicht zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren.
In der Zulassungsbegründung wird weiter vorgebracht, der Umstand, dass die Ehe in Dänemark und damit nicht im Inland geschlossen worden sei, sei unschädlich für das Entstehen eines Anspruchs auf Aufenthaltserlaubnis. Soweit damit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Nr. 3 AufenthV behauptet werden soll, kann dem nicht gefolgt werden. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin‚ dass diese Bestimmung‚ die verlangt‚ dass die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung der Aufenthalts-erlaubnis nach der Einreise entstanden sein müssen‚ so zu verstehen ist‚ dass damit die (letzte) Einreise in das Bundesgebiet‚ nicht dagegen die Einreise in den Schengenraum gemeint ist. Reist also ein Ausländer‚ der im Besitz eines Schengen-Visums ist‚ zum Zwecke der Heirat von Deutschland nach Dänemark aus und kehrt danach wieder zurück‚ ist die grundlegende Voraussetzung für einen Anspruch nach § 30 Abs. 1 AufenthG – die Eheschließung – bereits vor seiner Einreise in das Bundesgebiet entstanden (BayVGH‚ B.v. 10.10.2011 – 19 CE 11.1800 – juris Rn. 4: auch für den Fall‚ in dem die Absicht zur Eheschließung erst nach Einreise in das Bundesgebiet gefasst worden ist).
Besteht aber wegen des Vorliegens eines Ausweisungsinteresses i. S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG kein unbedingter Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG)‚ so kann nicht von der Einhaltung der Visumsvorschriften nach § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG abgesehen werden, denn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels sind nicht erfüllt. Raum für ein Ermessen der Ausländerbehörde ist daher nicht eröffnet.
Schließlich vermag dem Zulassungsbegehren auch nicht der Hinweis auf die im angefochtenen Urteil außer Acht gelassene Möglichkeit, vom Vorliegen der Regel-erteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) ausnahmsweise abzusehen, zum Erfolg zu verhelfen. Zwar trifft es zu‚ dass dem Kläger – worauf auch der Senat in seinem Beschluss vom 12. August 2014 (a. a. O., Rn. 7) hingewiesen hat – die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts seiner kubanischen Ehefrau, die zwei deutsche‚ mit ihr zusammenlebende Kinder hat‚ wohl nicht auf Dauer entgegengehalten werden kann; im angefochtenen Urteil stellt das Verwaltungsgericht demgegenüber aber nur fest, dass der Lebensunterhalt des Klägers „nach wie vor nicht gesichert“ sei, und übergeht dabei die dargestellten Ausführungen des Senats im Beschluss vom 12. August 2014 (a. a. O.), obwohl auch sie von der umfassenden Bezugnahme in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils erfasst sind. Die Frage der Sicherung des Lebensunterhalts des Klägers ist jedoch angesichts der fehlenden Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und des Visumsverstoßes nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht mehr entscheidungserheblich und kann daher nicht zur Zulassung der Berufung führen‚ weil der Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug schon aus anderen Gründen nicht besteht.
2.2. Auch der geltend gemachte Verfahrensverstoß führt nicht zur Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat nicht dadurch gegen das Gebot‚ rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 Abs. 1 GG)‚ verstoßen, dass es in seinem Urteil die Aussagen der vom Kläger in der mündlichen Verhand-lung beigezogenen Familienmitglieder nicht ausdrücklich gewürdigt hat, obwohl diese grundsätzlich geeignet waren‚ das von der Beklagten angenommene Aus-weisungsinteresse i. S.v. § 54 Abs. 2 Nr. 8 AufenthG zu entkräften.
Ein Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs liegt nicht immer schon dann vor‚ wenn sich ein Gericht nicht mit allen vom Kläger vorgebrachten Umständen in seinem Urteil auseinandersetzt; es ist vielmehr davon auszugehen‚ dass das Gericht jegliches Vorbringen jedenfalls zur Kenntnis genommen und seiner Entscheidung -selbst wenn dort nicht ausdrücklich angesprochen – zugrunde gelegt hat (vgl. Kraft in Eyermann‚ VwGO‚ a. a. O.‚ § 138 Rn. 32). Nur bei Vorliegen eindeutiger Anhalts-punkte dafür‚ dass das Gericht ein von ihm entgegengenommenes Vorbringen nicht in seine Erwägungen einbezogen hat‚ kann ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör angenommen werden (BVerwG‚ B.v. 27.10.1998 – 8 B 132.98 – NJW 1999‚ 1493), so etwa, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern eines Tatsachenvortrags zu einer entscheidungserheblichen Frage nicht eingeht‚ obwohl er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts nicht unerheblich oder völlig unsub-stantiiert war (BVerfG‚ Kammerbeschluss v. 21.7.2003 – 2 BvR 624/01 – NVwZ-RR 2004‚ 3). Unter Anlegung dieser Maßstäbe kann im vorliegenden Fall (noch) davon ausgegangen werden‚ dass das Erstgericht die Äußerungen der Beistände des Klägers entgegengenommen und gewürdigt hat‚ ihnen jedoch nicht das erforderliche Gewicht beigemessen hat‚ um die Fassung des Heiratsentschlusses erst nach der Einreise in das Bundesgebiet als ausreichend belegt und zur Überzeugung des Gerichts dargetan anzusehen. Diese Herangehensweise des Erstgerichts lässt sich mittelbar aus den Gründen des angefochtenen Urteils (UA, S. 5‚ 2. Abs., 2. Satz) ableiten‚ wo es heißt, dass gegenüber dem Zeitpunkt der Beschlüsse im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes von der Klägerseite keine „wesentliche Umstände‚ die das Gericht zu einer anderen rechtlichen Einschätzung veranlassen könnten“‚ vorgebracht worden seien.
Die Ehefrau des Klägers und seine Schwester wurden im Übrigen lediglich als Beistände (vgl. § 67 Abs. 7 VwGO) zugezogen und angehört‚ ohne dass ihre Einver-nahme als Zeuginnen beantragt wurde; dies hätte ihren Aussagen unter Umständen ein erhöhtes Gewicht verliehen, das Verwaltungsgericht jedenfalls zu einer Auseinandersetzung im Urteil veranlasst. Die Aussagen der vom Kläger benannten und ihm „nahestehenden“ Beistände sind dagegen als Parteivortrag zu werten (§ 67 Abs. 7 Satz 4 VwGO) und damit ähnlich wie die Angaben eines informatorisch angehörten Klägers (hierzu Geiger in Eyermann, a. a. O., § 98 Rn. 33), dessen Aussage vor dem Hintergrund des von ihm mit dem Prozess verfolgten Eigeninteresses zu würdigen ist.
Nach alldem war der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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