Verwaltungsrecht

Nachteilsausgleich, Antragsgegner, Studierende, Prüfungsstoff, Ärztliche Prüfung, Approbationsordnung für Ärzte, Verwaltungsgerichte, Anordnungsanspruch, Gleichheitsgrundsatz, Befähigung zum Richteramt, Ausbildungsabschnitte, Einstweiliger Rechtsschutz, Prüfungsrecht, Prüfungsamt, Prüfungstermin, Prüfungsort, Prüfungsarbeiten, Staatliche Prüfung, Prüfungsgegenstand, Prüfungsbeginn

Aktenzeichen  AN 2 E 20.01752

Datum:
30.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38181
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ÄVO-ÄApprO §§ 1, 5

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 3.750,00 EUR.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Rahmen ihres Humanmedizinstudiums die vorläufige Anerkennung ihres – aufgrund Prüfungsabsage tatsächlich nicht abgelegten – Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (künftig: M2-Prüfung) unter Rückgriff auf ihre Durchschnittsverlaufsnote im klinischen Studienabschnitts sowie hilfsweise einen angemessenen Nachteilsausgleich mit Blick auf eine ggf. noch abzulegende M2-Prüfung.
Die Antragstellerin studiert im Studiengang Humanmedizin an der …Universität … In ihrem klinischen Studienabschnitt erzielte sie die Studienverlaufsnote … Mit Bescheid vom 13. März 2020 wurde sie antragsgemäß zur M2-Prüfung vom 15. bis einschließlich 17. April 2020 in der … in … zugelassen. Mit E-Mail vom 3. April 2020 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, die anstehenden M2-Prüfungen in Bayern würden verschoben und sie könne vorzeitig in das Praktische Jahr (künftig: PJ) gehen. Dieses beginne voraussichtlich am 20. April 2020.
Nach der Approbationsordnung für Ärzte (künftig: ÄApprO) schloss sich bislang das PJ an die bestandene M2-Prüfung an – eine schriftliche Prüfung im Multiple-Choice-Verfahren. Nach Abschluss des PJ wurde sodann der Dritte Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (künftig: M3-Prüfung) abgelegt. Hierbei handelt es sich um eine mündlich-praktische Prüfung. Wegen der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 führte das Bundesministerium für Gesundheit mit Wirkung zum 31. März 2020 durch die Verordnung zur Abweichung von der Approbationsordnung für Ärzte bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (ÄVO-ÄApprV vom 30. März 2020, BAnz AT 31.03.2020 V1, FNA 2126-13-9) das sog. vorzeitige PJ ein. § 1 ÄVO-ÄApprV normiert den Zweck der Verordnung wie folgt:
„Zweck dieser Verordnung ist es, von der Approbationsordnung für Ärzte abweichende Regelungen zu den Zeitpunkten und Anforderungen an die Durchführung der einzelnen Abschnitte der Ärztlichen Prüfung zu treffen und sicherzustellen, dass den Studierenden infolge ihrer Mitwirkung in der Gesundheitsversorgung im Zusammenhang mit der von dem Deutschen Bundestag am 28. März 2020 festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite keine Nachteile für den Studienfortschritt entstehen.“
§ 5 ÄVO-ÄApprV – mit der amtlichen Überschrift Vorzeitiges Praktisches Jahr – lautet:
(1) Nach Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag findet das Praktische Jahr abweichend von § 3 Absatz 1 der Approbationsordnung für Ärzte nach einem Studium der Medizin von fünf Jahren und der Zulassung zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung statt (vorzeitiges Praktisches Jahr).
(2) 1Das vorzeitige Praktische Jahr beginnt jeweils in den Monaten April und Oktober. 2Die Ausbildung gliedert sich in Ausbildungsabschnitte von je 15 Wochen
1. in Innerer Medizin,
2. in Chirurgie und
3. in der Allgemeinmedizin oder in einem der übrigen, nicht in den Nummern 1 und 2 genannten, klinisch-praktischen Fachgebiete.
3Erfolgt die Ausbildung nach Satz 2 Nummer 3 nicht in der Allgemeinmedizin, kann die Universität ein klinisch-praktisches Fachgebiet für den dritten Ausbildungsabschnitt festlegen, wenn dies zur Bekämpfung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite erforderlich ist. 4Die Universität kann die Dauer der Ausbildungsabschnitte abweichend von Satz 2 festlegen, sofern die epidemische Lage von nationaler Tragweite dies zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung erfordert. 5Eine Gesamtdauer der Ausbildung von 45 Wochen und eine Mindestdauer je Ausbildungsabschnitt von 10 Wochen müssen gewährleistet sein.
(3) […]
§ 7 ÄVO-ÄApprV sieht unter der Überschrift Zeitpunkt und Voraussetzung für das Ablegen des Zweiten und Dritten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung vor:
(1) Die Ärztliche Prüfung nach § 1 Absatz 2 Nummer 5 der Approbationsordnung für Ärzte wird abweichend von § 1 Absatz 3 der Approbationsordnung für Ärzte wie folgt abgelegt:
1. der Zweite Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach einem Studium der Medizin von vier Jahren nach Bestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung und nach Abschluss des vorzeitigen Praktischen Jahres und
2. der Dritte Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach einem Studium der Medizin von sechs Jahren und nach Bestehen des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung.
(2) […]
(3) […]
(4) 1Die Länder können abweichend von den Absätzen 1 bis 3 vorsehen, dass der Zweite Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach den Regelungen der Approbationsordnung für Ärzte durchgeführt wird, wenn die ordnungsgemäße Durchführung dieses Prüfungsabschnitts trotz der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gewährleistet ist. 2Die Studierenden, die den Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach den Vorgaben der Approbationsordnung für Ärzte gemäß Satz 1 ablegen, leisten das Praktische Jahr nach § 3 Absatz 1 der Approbationsordnung für Ärzte ab. 3Wird der Zweite Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach Satz 1 aufgrund der epidemischen Lage von nationaler Tragweite abgesagt oder abgebrochen, leisten die Studierenden das vorzeitige Praktische Jahr ab und legen den Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach den Vorschriften dieser Verordnung ab.
Mit dem Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 hat der Deutsche Bundestag in § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSchG eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt.
Die Antragstellerin trägt zusammengefasst im Wesentlichen vor, ihre nächstmögliche M2-Prüfung werde nach ihrem vorzeitigem PJ in der Zeit vom 13. bis 15. April 2021 stattfinden. Somit verblieben ihr nach dem PJ lediglich 43 Tage, um sich auf die M2-Prüfung vorzubereiten, obwohl üblicherweise von einem 100-Tage-Lernplan ausgegangen werde. Die Verschiebung der M2-Prüfung samt vorzeitigem PJ benachteilige sie wie folgt: Ihr werde weder Sicherheit noch Entlastung noch Wertschätzung für Ihre Unterstützung im Gesundheitswesen zuteil. Vielmehr müsse sie nach einem Jahr herausfordernder Krankenpflege ohne nennenswerte Lehre die monatelange Lernphase auf die M2-Prüfung erneut angehen. Die Maßnahmen führten zu Vertrauens- und Motivationsverlust, weil ein Einsatz während der Corona-Pandemie mit Zusatzbelastungen bestraft werde. Ihr Einsatz im PJ erfolge kurzfristig und ungeplant. Die M2-Prüfung sei wenige Tage vor Prüfungsbeginn abgesagt worden. Die M2-Prüfung im April 2020 sei auf Basis des derzeit gültigen Gegenstandskatalogs erstellt worden, während die M2-Prüfung im April 2021 aufgrund eines neuen, veränderten Katalogs erstellt werde. Es würden zusätzliche Fragen zur Bekämpfung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gestellt. Dazu stünden jedoch keine wissenschaftlich fundierten Lernmaterialien zur Verfügung. Es bestehe keine hinreichende Möglichkeit, dass sie auf den neuen Prüfungsstoff angemessen vorbereitet werde. Häufig fehle es an PJ-Unterricht. Zudem hätten nur wenige Studierende im PJ tatsächlich Kontakt zu Covid-Patienten. In den Krankenhäusern sei zum Teil nicht einmal gewünscht, dass Kontakt zu Infizierten hergestellt werde, da mit diesen nur so wenig Personen wie möglich Kontakt haben sollten. Da der Beginn des PJ vom 18. Mai 2020 auf 28. April 2020 vorgezogen worden sei, ergebe sich eine Einbuße an notwendiger Erholung. Auch im laufenden PJ müssten Urlaubstage möglichst zur Vorbereitung auf das anstehende „Hammerexamen“ und nicht zur Erholung genutzt werden. Auch gehe durch das Vorziehen des PJ ein wichtiges Zeitfenster zur Fertigstellung der Dissertation verloren. Bei Bewerbungen könne keine Note der M2-Prüfung angegeben werden, was diese wenig erfolgversprechend mache bzw. die Bewerbungsphase auf die Zeit nach der M3-Prüfung mit der Folge eines mehrmonatigen Verdienstausfalls verschiebe.
In allen Bundesländern außer dem Freistaat Bayern und Baden-Württemberg hätten Studierende die M2-Prüfung regulär ablegen dürfen. Hinsichtlich ihrer M2-Prüfung im Frühjahr 2021 stehe keine vergleichbare Prüflingskohorte zur Verfügung, da den übrigen Prüflingen 100 Lerntage zur Verfügung gestanden hätten. Zudem gehe spezifisches Faktenwissen aufgrund der Lernunterbrechung während des PJ deutlich zurück. Während des laufenden PJ könne nicht flexibel reagiert werden, etwa durch Unterbrechung des PJ und Wechsel ins Ausland. Studierende hätten sich bereits Plätze für das PJ, auch im Ausland – mit entsprechenden Vorteilen für spätere Bewerbungen – organisiert. Es werde nunmehr weitreichend in die finanzielle Situation und die individuelle Lebensplanung eingegriffen. Wegen der seitens der Fakultäten erzwungenen Zuteilungen des PJ-Wahlfachs sei auch keine hinreichende Neigungsorientierung gegeben. Während des PJ fehle aufgrund Streichung bzw. Verschiebung etwa von Operationen, Sprechstunden und Untersuchungen ein „normaler“ Einblick in die reguläre medizinische Versorgung. Gerade zu Beginn des PJ habe es weniger Patienten auf den „Normalstationen“ gegeben. Zusätzliche PJ-Studierende seien im Klinikalltag nicht benötigt worden. Aus dem Vorgenannten ergebe sich auch eine erhebliche mentale Belastung, insbesondere im Fall einer Wiederholungsprüfung. Schließlich werde für die im PJ geleistete Arbeit regelmäßig keine angemessene Aufwandsentschädigung gewährt.
Studierende, die Kinder betreuten, würden angesichts von Schul- und Kindergartenschließungen sowie der Einschränkung sozialer Unterstützungsnetzwerke (aufgrund von Kontaktverboten) zusätzlich massiv beeinträchtigt. Sie sei … Familiäre Unterstützung bei der Kinderbetreuung sei nicht möglich, zumal Großeltern besonders geschützt werden sollten. Kita- und Schulkinder müssten bei jedem Schnupfen zu Hause bleiben, so dass sie nicht davon ausgehen könne, sich bis zum Ende des PJ 20 Fehltage zur Prüfungsvorbereitung aufsparen zu können.
PJ-Studierende würden für Krankenhäuser einen Mehraufwand bedeuten und das System weniger entlasten. Mehrere 100 Freiwillige aus höheren Semestern, deren Kurse ausgefallen seien, seien nicht als Helfer eingesetzt worden. Außerdem werde ihr nicht gestattet, ihre M2-Prüfung freiwillig im Herbst 2020 während ihres PJ zu absolvieren. Bereits aufgrund fehlenden PJ-Unterrichts bestünden auch Nachteile für ihre M3-Prüfung. Hinzu komme die erheblich verkürzte Lernzeit für diese Prüfung, zumal Urlaub bereits für die Vorbereitung auf die M2-Prüfung aufgebraucht sein werde.
Trotz der Corona-Pandemie gebe es an deutschen Krankenhäusern bekanntermaßen bis zuletzt keine Kapazitätsengpässe. Vielmehr seien ab Mai 2020 erhebliche Lockerungen erfolgt. Anderweitig sei es vielfach zu Prüfungserleichterungen gekommen, etwa in Gestalt des Erlasses von Prüfungen, der Anerkennung von Prüfungen, weitere Prüfungsversuche sowie Höherbewertungen. Sie sei im Rahmen ihres PJ am … gebeten worden, eine zweistündige Semesterklausur mit ca. 300 Studierenden, verteilt auf 13 Hörsäle durchzuführen. Es sei möglich gewesen, diese Prüfung unter den vorgegebenen Hygieneregelungen durchzuführen.
Ihr Anliegen habe sie gegenüber dem Antragsgegner u.a. mit Schreiben vom 13. August 2020 vorgebracht.
Vorliegend bestehe ein Anordnungsanspruch, da sogar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehe, dass sich im Hauptsacheverfahren die Entscheidung des Antragsgegners zur Verschiebung der M2-Prüfung und zum vorzeitigen PJ als rechtswidrig erweisen würden. Deswegen habe sie Anspruch auf Folgenbeseitigung und Nachteilsausgleich, zumindest jedoch jeweils ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Entscheidung des Antragsgegners zur Verschiebung der M2-Prüfung sei mangels Ermächtigungsgrundlage eine formell und materiell rechtswidrige Allgemeinverfügung. Die Prüfungsverschiebung ergebe sich lediglich mittelbar aus der ÄVO-ÄApprO, weil das PJ zur Zulassungsvoraussetzung für die M2-Prüfung erhoben werde. Eine notwendige unmittelbare Ermächtigungsgrundlage für eine Verschiebung der M2-Prüfung sei nicht gegeben. Da die fraglichen Regelungen der ÄVO-ÄApprO unwirksam seien, hätte das Prüfungsverfahren nach der ursprünglichen Regelung der ÄApprO stattfinden müssen.
Das Bundesgesundheitsministerium sei im Fall einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite unbeschadet der Befugnisse der Länder ermächtigt, Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung in ambulanten Praxen, Apotheken, Krankenhäusern, Laboren, Versorgungs- und Rehabilitationseinrichtungen und in sonstigen Gesundheitseinrichtungen in Abweichung von bestehenden gesetzlichen Vorgaben vorzusehen und insbesondere abweichend von der ÄApprO Zeitpunkte und die Anforderungen an die Durchführung der einzelnen Abschnitte der Ärztlichen Prüfung und der Eignungs- und Kenntnisprüfung festzulegen, weiter zu regeln, dass Medizinstudierenden infolge einer notwendigen Mitwirkung an der Gesundheitsvorsorge keine Nachteile für den Studienfortschritt entstünden. Hierin liege keine gesetzliche Grundlage für eine Änderung der Zulassungsvoraussetzungen und für eine Erweiterung des Prüfungsstoffs, so dass die ÄVO-ÄApprO formell unwirksam sei. Außerdem sehe die ÄVO-ÄApprO trotz ausdrücklicher Vorgabe im § 5 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b IfSG keinen hinreichenden Nachteilsausgleich vor. Darüber hinaus stelle sich die Frage, ob überhaupt von einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Rede sein könne, wenn die Entscheidungen über die Änderung der ÄVO-ÄApprO letztlich den Ländern auferlegt würden, die für eine Änderung der bundesweiten ÄVO-ÄApprO jedoch nicht zuständig sein könnten und sich eine solche Zuständigkeit auch nicht durch bloße Bundesverordnung begründen lasse.
Die ÄVO-ÄApprO sei auch materiell rechtswidrig, sogar verfassungswidrig.
Die Verschiebung der M2-Prüfung aufgrund Änderung der Zulassungsvoraussetzungen stelle einen Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit dar, der verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sei. Zweck der ÄVO-ÄApprO sei es, von der ÄApprO abweichende Regelungen zu Zeitpunkten und Anforderungen an die Durchführung der einzelnen Abschnitte der Ärztlichen Prüfung zu treffen und sicherzustellen, dass Studierenden infolge ihrer Mitwirkung in der Gesundheitsversorgung im Zusammenhang mit der von dem Deutschen Bundestag am 28. März 2020 festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite keine Nachteile für den Studienfortschritt entstünden. Eine Prüfungsverschiebung könne zur Erreichung dieses Zwecks geeignet sein. Eine Änderung der Zulassungsvoraussetzungen sei für die Erreichung des genannten Zwecks hingegen nicht geeignet. Auch sei die Maßnahme nicht erforderlich, weil eine Vielzahl gleich wirksamer Maßnahmen zur Verfügung gestanden hätten. Das vorzeitige PJ habe erst am 20. April 2020 begonnen, sodass die M2-Prüfung in jedem Fall hätte absolviert werden können. Es sei auch noch genügend Zeit verblieben, um das Prüfungsgeschehen Abstands- und und Hygieneregelungen anzupassen. Ziel der ÄVO-ÄApprO sei auch nicht der Gesundheitsschutz Studierender, sondern die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung in Krankenhäusern, etc. Vorrangig hätten Freiwillige etwa aus höheren Semestern, deren Kurse ausgefallen seien, zur Mitwirkung in der Gesundheitsversorgung herangezogen werden können, was nicht erfolgt sei. Auch wäre es möglich gewesen, Studierenden ein Wahlrecht zum Ablegen der M2-Prüfung einzuräumen oder den Prüfungstermin (deutschlandweit) zunächst nur geringfügig zu verschieben. Weiter hätte Studierenden die Möglichkeit gegeben werden müssen, während des PJ – ggf. als Freiversuch – nach ausreichender Vorbereitungszeit die M2-Prüfung „nachzuholen“ (zum Beispiel im Herbst 2020). Ferner hätten Studierenden adäquate Erleichterungen gewährt werden können, etwa das Aussetzen der M2-Prüfung und Anerkennung der Durchschnittsverlaufsnote, Reduzierung (statt Erweiterung) des Prüfungsstoffs, Verlängerung der Prüfungszeit und ein Freiversuch zum Beispiel während des PJ. Die Verschiebung der M2-Prüfung sei auch nicht angemessen, weil die aufgeführten Nachteile für Studierende die Vorteile für die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung deutlich überwiegen würden. Da die Bestehensgrenze bei der Ärztlichen Prüfung sehr hoch angesetzt sei, seien die Belange der Studierenden in besonderer Weise schutzwürdig.
Die Verschiebung der M2-Prüfung verletze auch den Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. die Chancengleichheit. Hier bestehe die sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung in unterschiedlichen Prüfungszulassungsvoraussetzungen, -bedingungen und -gegenständen. Der schriftliche Teil der M2-Prüfung werde bundesweit einheitlich mit denselben Prüfungsaufgaben für alle Prüflinge durchgeführt, sodass alle M2-Prüflingen gleichbehandelt werden müssten. Dies sei aber schon wegen unterschiedlicher Prüflingskohorten wie ausgeführt nicht der Fall. Hinzu komme, dass sich deutschlandweit die Zulassungsvoraussetzungen für die bundeseinheitliche M2-Prüfung unterschieden. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung sei nicht gegeben, zumal die Ermächtigungsnorm eine epidemische Lage von nationaler Tragweite voraussetze. Letztere verlange auch eine national einheitliche Regelung. Die Entscheidung über die Änderung der ÄVO-ÄApprO dürfe letztlich nicht den Ländern auferlegt werden.
Auch das Vorziehen des PJ und die Möglichkeit zur Vorgabe des klinisch-praktischen Fachgebiets für den Dritten Ausbildungsabschnitt seien verfassungswidrig. Die Erweiterung der Prüfungsgegenstände auch auf berufspraktische Anforderungen an den Arzt und die Krankheitsbilder, die im Zusammenhang mit der Bekämpfung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite stünden, seien zusätzlich verfassungswidrig, zumal Prüflinge gerade keine Nachteile erleiden sollten. Zwar heiße es in der Begründung, als Ausgleich dafür, dass alle Studierende die Ausbildung im PJ zu einer Zeit absolvierten, in der sie in besonderem Maße gefordert seien, sollten sich die Fragestellungen in der M2-Prüfung in besonderer Weise auf die berufspraktischen Anforderungen an den Arzt und auf die Krankheitsbilder konzentrieren, die im Zusammenhang mit der Bekämpfung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite stünden. Der Verordnungstext selbst laute jedoch anders.
Die ergangene Allgemeinverfügung sei formell rechtswidrig, da der Antragsgegner für eine Entscheidung über eine Änderung bzw. Nichtänderung der bundesweit gültigen ÄApprO nicht zuständig sei. Die Zuständigkeit lasse sich auch nicht im Wege einer bloßen Bundesverordnung begründen.
Materiell sei die Allgemeinverfügung auch deswegen rechtswidrig, weil der Antragsgegner sehenden Auges eine verfassungswidrige Bundesverordnung angewendet habe, obwohl er unproblematisch von dieser hätte abweichen können. Sein Entschließungsermessen habe er fehlerhaft ausgeübt. Die antragsgegnerseits gewählten Maßnahmen verstießen auch gegen Art. 166 und Art. 167 der Bayerischen Verfassung. Des Weiteren liege aus den bereits genannten Gründen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor. Nach Art. 166 Abs. 1 Bayerische Verfassung stehe die Arbeit unter dem besonderen Schutz des Staats und gemäß Art. 167 Abs. 1 Bayerische Verfassung werde die menschliche Arbeitskraft als wertvollstes Wirtschaftsgut eines Volks angesehen. Sie sei daher u.a. vor Ausbeutung zu schützen.
Aufgrund ihres Folgenbeseitigungsanspruchs sei sie so zu stellen, als wäre die öffentlich-rechtliche Störung nicht erfolgt, also als wäre das Prüfungsverfahren regulär nach der ÄApprO abgelaufen. Angesichts ihrer guten Durchschnittsverlaufsnote hätte sie die M2-Prüfung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestanden und wäre im Mai 2020 regulär in das PJ eingetreten, so dass sie 2021 nicht das sog. „Hammerexamen“ mit erweitertem Prüfungsstoff hätte ablegen müssen. Da im Prüfungsrecht das Gebot der möglichst schonenden Fehlerbeseitigung gelte, biete sich die Anerkennung ihrer Durchschnittsverlaufsnote als M2-Prüfungsergebnis an. Sonstige Möglichkeiten wären ein separater Freiversuch im Herbst 2020 mit Vorbereitungszeit von 100 Tagen unter Ausschluss des erweiterten Prüfungsstoffs und Anrechnung der Vorbereitungs- und Prüfungszeit auf das PJ. Die Prüfungsanforderungen müssten klar und transparent der veränderten Situation angepasst werden und regelmäßiger PJ-Unterricht sichergestellt sein. Zusätzlich müsse das Prüfungsergebnis an den bisherigen Notendurchschnitt angepasst werden, sollten Notendurchschnitt bzw. Durchfallquote verglichen mit den Prüfungsergebnissen der letzten fünf Jahre schlechter ausfallen. Weiter böten sich erleichterte, transparente Konditionen beim Zusammenlegen von M2- und M3-Prüfung im Frühjahr 2021 an, etwa in Gestalt eines Freiversuchs, einer Vorbereitungszeit von 100 Tagen, ggf. unter Anrechnung auf das PJ sowie die bereits erwähnten Erleichterungen. Um eine Studienverzögerung zu verhindern, komme lediglich die Anerkennung ihrer Durchschnittsverlaufsnote als Prüfungsergebnis in Betracht.
Ein Anordnungsgrund sei gegeben, da ihr ein Zuwarten bis zu dem sog. „Hammerexamen“ im Frühjahr 2021 – gerade unter den dargestellten Bedingungen – nicht zumutbar sei. Es drohe ein nicht wiedergutzumachender Schaden. Im Übrigen habe sie bereits ein Feststellungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland auf den Weg gebracht.
Die Antragstellerin beantragt wörtlich, zu erkennen:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache der Antragstellerin den Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung anzuerkennen unter Rückgriff auf die Durchschnittsverlaufsnote des klinischen Studienabschnitts (Note …*).
Hilfsweise: Der Antragsgegner wird verpflichtet, vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen angemessenen Ausgleich zu gewähren für 1. die Verschiebung des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung Frühjahr 2020 aufgrund der Änderung der Zulassungsvoraussetzung für diese Prüfung und 2. den vorzeitigen Beginn des Praktischen Jahres mit einer Untergliederung in drei Ausbildungsabschnitte von 15 Wochen unter Vorgabe des klinisch-praktischen Fachgebiets für den dritten Ausbildungsabschnitt.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er führt sinngemäß im Wesentlichen aus, die Antragstellerin habe weder Anspruch auf Anerkennung des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung unter Rückgriff auf ihre Durchschnittsverlaufsnote des klinischen Studienabschnitts noch auf einen Nachteilsausgleich.
Die Infektionen mit dem neuartigen SARS-Covid 19-Virus seien im Frühjahr 2020 in Deutschland und vor allem in Bayern exponentiell angestiegen. Den vorläufigen Höhepunkt habe die Corona-Pandemie in Bayern am 1. April 2020 mit knapp 2.000 gemeldeten Neuinfektionen pro Tag erreicht. Es sei damals nicht absehbar gewesen, mit welcher Dynamik die Infektionszahlen ansteigen und sich die Pandemie weiter ausbreiten würde. Auch seien Erkenntnisse über genaue Übertragungswege und das Risikopotenzial noch nicht wissenschaftlich fundiert gewesen. In der zweiten Märzhälfte seien daher von einzelnen Hochschulen und im Landesprüfungsamt für Humanmedizin bei der Regierung …erstmals Bedenken geäußert worden, ob angesichts der rapide steigenden Infektionszahlen eine Präsenzprüfung wie der Zweite Abschnitt der Ärztlichen Prüfung vom 15. bis 17. April 2020 mit mehr als 800 Prüflingen abgehalten werden könne. Es habe die konkrete Gefahr bestanden, Aufsichtspersonal und Prüflinge einer erhöhten Infektionsgefahr auszusetzen und so zu einer noch stärkeren Weiterverbreitung des Virus beizutragen.
Der Freistaat Bayern habe genauso wenig wie das Land Baden-Württemberg von der Abweichungsmöglichkeit nach § 7 Abs. 4 Satz 1 ÄVO-ÄApprO Gebrauch gemacht, weil die epidemische Lage eine infektionshygienisch unbedenkliche Prüfung zum damaligen Zeitpunkt nicht erlaubt habe. Das Landesprüfungsamt für Humanmedizin bei der Regierung … habe für alle vier bayerischen Prüfungsorte – …, …, … und … – mitgeteilt, eine infektionshygienisch unbedenkliche Durchführung der M2-Prüfung könne unter den derzeitigen Bedingungen nicht gewährleistet werden. Alternative Lösungen seien in der Kürze der Zeit nicht umsetzbar gewesen. Es hätten sich sonst nicht zu bewältigende organisatorische Schwierigkeiten für die Prüfungsbehörde ergeben. Es hätte einer Vielzahl zusätzlicher Räume bedurft, die kurzfristig nicht zu organisieren gewesen seien. So sei etwa der Mietvertrag für die … von dem Vermieter wegen der Corona-Pandemie kurzfristig gekündigt worden. Auch hätten in der Kürze der Zeit keine tragfähigen Hygienekonzepte für jeden Prüfungsraum erstellt und vor Ort umgesetzt werden können. Das Infektionsrisiko sei erheblich gewesen, zumal damals eine Maskenpflicht noch kein Thema gewesen sei. Es hätte einer Vielzahl zusätzliche Aufsichtsperson bedurft, die weder vorhanden gewesen seien noch kurzfristig hätten gewonnen werden können. Dies gelte umso mehr, als für diese Aufgabe Freiwillige eingesetzt würden, die sich wegen des Infektionsrisikos vielfach der Aufgabe entzogen hätten. Außerdem hätten mit Blick auf die Ladungsfrist insgesamt 836 Ladungen zu den neuen Prüfungsräumen spätestens am Freitag, 3. April 2020 verschickt werden müssen. Dies sei zeitlich nicht machbar gewesen. Etwas anderes wäre angesichts der damals verhängten Ausgangsbeschränkungen auch politisch nicht vermittelbar gewesen. Die M2-Prüfung im April 2020 sei daher wegen der epidemiologischen Lage in Bayern nicht durchgeführt worden, wie es die ÄVO-ÄApprO vorsehe. Dennoch könne die Antragstellerin ihr Medizinstudium genau zu dem Zeitpunkt beenden, in dem dies auch ohne Eintritt einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite der Fall gewesen wäre. Es werde lediglich die Reihenfolge von PJ und M2-Prüfung geändert.
Rechtlich sei festzustellen, dass in der Verschiebung der M2-Prüfung keine Allgemeinverfügung liege. Vielmehr habe sich der Freistaat nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ÄVO-ÄApprO gerichtet. Das Nichtgebrauchmachen von der den Ländern eingeräumten Möglichkeit, die M2-Prüfung nach den Regeln der ÄApprO durchzuführen, könne mangels Regelungscharakter nicht als Allgemeinverfügung angesehen werden. Die Ausführungen der Antragstellerin zur formellen und materiellen Rechtmäßigkeit einer Allgemeinverfügung gingen daher ins Leere. Zudem müssten die Ausführungen zur Verfassungsmäßigkeit der Verordnung zum Gegenstand einer Normenkontrollklage gegen die Bundesrepublik Deutschland gemacht werden. Da die Rechts- oder Verfassungswidrigkeit der Verordnung nicht offensichtlich sei und die Exekutive keine Normverwerfungskompetenz besitze, könne das Vorgehen auf die Bundesverordnung gestützt werden. Da Studierende aufgrund lediglich geänderter Reihenfolge von PJ und M2-Prüfung keine Zeit verlieren würden, komme der Bund der Prämisse nach, die der Abweichungsverordnung zugrunde liege, wonach Studierenden infolge einer notwendigen Mitwirkung an der Gesundheitsversorgung keine Nachteile entstehen sollten.
Auf dem vorläufigen Höhepunkt der Corona-Pandemie sei nicht absehbar gewesen, welche medizinischen Kapazitäten in den Krankenhäusern zur Bewältigung der Krise benötigt würden. Daher sei es auch ein Ziel des Bundes gewesen, Studierende im Rahmen ihres PJ zur Unterstützung bei der Bekämpfung der Pandemie einsetzen zu können, auch wenn sie die M2-Prüfung noch nicht abgelegt hätten. Ohne diese Regelung wären die betroffenen Studierenden gezwungen gewesen, ein halbes Jahr „auszusetzen“, um nach ihrer M2-Prüfung das PJ anzutreten.
Dass sich die Corona-Pandemie im Laufe der folgenden Monate zunächst abgeschwächt habe und die Infektionszahlen sukzessive zurückgegangen seien, sei ein glücklicher Umstand, der aber im Zeitpunkt des Erlasses der ÄVO-ÄApprO nicht absehbar gewesen sei. Es möge daher sein, dass Studierende im vorzeitigen PJ nicht in dem Maß zur Behandlung von Covid 19-Patienten hätten herangezogen werden müssen, wie dies zunächst beabsichtigt und befürchtet worden sei. Eine erhebliche Rechtsverletzung sei dem jedoch nicht zu entnehmen. Es sei zweifellos misslich, wenn eine Prüfung mit umfangreicher Vorbereitungszeit relativ kurzfristig abgesagt werde. Dennoch liege darin keine Grundrechtsverletzung von erheblichem Gewicht. In die Berufsfreiheit werde nicht unverhältnismäßig angegriffen. In Betracht kommen ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl, da der Bund durch die Verordnung die Modalitäten der ärztlichen Ausbildung und damit die Regelungen des Berufszugangs geändert habe. Soweit hier überhaupt in den Schutzbereich eingegriffen werde, sei der Eingriff gering und verfassungsrechtlich zulässig. Nach der Stufentheorie liege möglicherweise eine subjektive Berufswahlbeschränkung vor. Allerdings werde hier weder eine Prüfung oder eine sonstige subjektive Berufszugangsregelung neu eingeführt noch werde eine bestehende Prüfung wesentlich erschwert. Lediglich der Ablauf der Ausbildung werde verändert, ohne diese zu verlängern oder zu erschweren. Der Zugang zum Arztberuf setzte sowohl nach der ÄApprO als auch nach der ÄVO-ÄApprO das Bestehende der M2- und M3-Prüfung sowie das Ableisten des PJ voraus. Allein in dem Umstand, dass nach der ÄVO-ÄApprO das PJ vor der M2-Prüfung zu absolvieren sei, könne keine subjektive Berufswahlbeschränkung gesehen werden. Auch sei eine etwaige Beschränkung verfassungsgemäß. Die Absage der M2-Prüfung im April 2020 beruhe auf einer bundesrechtlichen Grundlage, erfolge also aufgrund eines Gesetzes. Der Bund besitze die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz sowohl für Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren als auch für die Zulassung zum Arztberuf. Hiervon habe er Gebrauch gemacht. Er sei sowohl aus Gründen des Infektionsschutzes als auch aufgrund seiner Kompetenz für das Berufszulassungsrechts der Heilberufe berechtigt, Regelungen zum Medizinstudium und zu staatlichen Prüfungen zu erlassen.
Zudem sei eine etwaige subjektive Berufswahlbeschränkung verhältnismäßig. Die ÄVO-ÄApprO sehe zugunsten der Studierenden eine Möglichkeit vor, ihr Studium regulär abzuschließen, auch wenn die epidemische Lage die Durchführung der M2-Prüfung nicht zulasse. Außerdem hätten die betroffenen Studierenden angesichts der seinerzeit nicht absehbaren Bedrohungen durch die exponentiell ansteigenden Infektionszahlen möglichst rasch für die medizinische Versorgung in den Kliniken zur Verfügung stehen sollen. Dies werde mit der Maßnahme erreicht. Indem Studierende auch ohne bestandene M2-Prüfung das vorzeitige PJ absolvieren dürften, hätten sie den Kliniken als Unterstützung bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie zur Verfügung gestanden. Die Maßnahme sei daher für den verfolgten Zweck erforderlich und geeignet. Auch stelle sich die Regelung verhältnismäßig im engeren Sinne dar. Es werde Studierenden weiterhin ermöglicht, ihr Medizinstudium ohne Wartezeit regulär abzuschließen und den Arztberuf zu ergreifen. Die prüfungsrechtlichen Anforderungen würden nicht wesentlich verändert. Es komme lediglich ein bestimmter Fragenkomplex mit Bezug auf die aktuellen Anforderungen an Ärztinnen und Ärzte im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hinzu. Es handele sich um eine eher untergeordnete Änderung in Anbetracht des sonst unveränderten, umfangreichen Prüfungsstoffs. Der Bund sei davon ausgegangen, dass Studierende im vorzeitigen PJ sogar einen gewissen Vorteil gegenüber anderen Studierenden hätten, wenn sie im Unterschied zu den übrigen Studierenden im Rahmen ihrer Tätigkeit praktisch mit den relevanten Krankheitsbildern betreffend den neuen Prüfungsstoff in Berührung kämen. Inwieweit die maßvolle Erweiterung des Prüfungsstoffs verfassungswidrig sei, erschließe sich in keiner Weise. Weder werde die Freiheit der Berufswahl beeinträchtigt noch der Gleichheitsgrundsatz tangiert. Es sei beabsichtigt, eine Expertengruppe einzuberufen, die sich mit dem Prüfungsstoff befassen werde. In Zusammenarbeit mit den Sachverständigen des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP), dem medizinischen Fakultätentag, den Fachgesellschaften und dem Öffentlichen Gesundheitsdienstes werde das IMPP ein Lernskript für die neuen Prüfungsinhalte erstellen. Es bestehe daher allenfalls eine gewisse Beeinträchtigung der individuellen Lebensplanung, wenn eine Prüfung, die eines erheblichen Lernaufwands bedürfe, kurzfristig verschoben oder abgesagt werde. Es könne aber von Studierenden in zumutbarer Weise verlangt werden, sich auf diese Situation einzustellen. Letztlich seien die Auswirkung der weltweiten Corona-Pandemie für niemanden absehbar und verlangten von allen Beteiligten ein stetiges Reagieren.
Ob das PJ in der zweiten Maihälfte oder einen Monat früher beginne, sei keine verfassungsrechtlich relevante Einschränkung. Das Ablegen der M2-Prüfung im April 2021 sei ebenfalls zumutbar. Soweit Studierenden weniger als 100 Tage Vorbereitungszeit zwischen Beendigung des vorzeitigen PJ und M2-Prüfung zur Verfügung stünden, sei dies rechtlich nicht erheblich. Zum einen gebe es keinen Rechtssatz, der einen Vorbereitungszeitraum von 100 Tagen vorschreibe. Zum anderen hätten die betroffenen Studierenden bei normalem Verlauf zwischen Beendigung des vorzeitigen PJ und M2-Prüfung noch genügend Vorbereitungszeit. Das vorzeitige PJ sei im Vergleich zum regulären PJ um drei Wochen verkürzt. Daher stehe Studierenden eine reguläre Vorbereitungszeit von ca. sieben Wochen zur Verfügung. Zusätzlich stünden Ihnen im PJ bis zu 30 Fehltage zu, von denen bis zu 20 in einem Ausbildungsabschnitt genommen werden könnten. Diese Fehltage könnten ebenfalls zur Prüfungsvorbereitung genutzt werden. Betroffene Studierende würden im Rahmen ihrer Prüfungsvorbereitung nicht „bei Null“ beginnen, sondern hätten den Prüfungsstoffs bereits für die M2-Prüfung im April 2020 komplett gelernt. Auf diesem Vorwissen könnten sie aufbauen. Zudem werde für die Prüfung im April 2021 seitens des IMPP nicht der neue Gegenstandskatalog, sondern weiterhin der bisherige Prüfungsstoff zugrunde gelegt. Die Anwendung des neuen Gegenstandskatalogs werde um ein Jahr auf 2022 verschoben.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz werde durch die ÄVO-ÄApprO bzw. die Verschiebung der M2-Prüfung nicht in unangemessener Weise verletzt. Im Wesentlichen Gleiches dürfe nicht ungleich und wesentlich Ungleiches nicht gleich behandelt werden. Es sei zwar richtig, dass die M2-Prüfung im April 2021 sowohl Studierende ablegen würden, die ihr Studium regulär absolvierten, als auch Studierende, die zunächst das vorzeitige PJ durchlaufen hätten und erst danach zur M2-Prüfung antreten würden. Hieraus ergebe sich aber keine unangemessene Ungleichbehandlung. Beide Gruppen unterschieden sich nicht so wesentlich, dass eine unterschiedliche prüfungsrechtliche Behandlung gerechtfertigt oder erforderlich wäre. Es mache in der Sache keinen Unterschied, ob die M2-Prüfung vor oder nach dem PJ abgelegt werde. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb Teilnehmer des vorzeitigen PJ einen Nachteil gegenüber der anderen Prüfungsgruppe haben sollten. Diesen Teilnehmer stehe sogar eine längere Vorbereitungszeit zur Verfügung. Prüfungsstoff und Bewertungsmaßstab seien für alle Prüfungsteilnehmer bundesweit einheitlich. Auch hieraus ergebe sich keine Besser- oder Schlechterstellung einer Prüfungsgruppe, zumal Bestehensgrenze und Notenstufen ggf. relativ zu berechnen seien.
In Bayern komme zudem eine Festlegung des klinisch-praktischen Fachgebiets für das PJ durch die Universitäten nicht zum tragen. Die Bayerischen Universitäten hätten sich frühzeitig darauf verständigt und ihre Studierenden entsprechend unterrichtet, von der Möglichkeit generell keinen Gebrauch zu machen. Studierenden im vorzeitigen PJ verbleibe also weiterhin die freie Fächerwahl. Die weiteren antragstellerseits aufgeführten (angeblichen) Nachteile und Erschwernisse würden ggf. subjektiv so empfunden, seien aber nicht rechtserheblich oder lägen ausschließlich in der Sphäre der medizinischen Fakultäten, die für die Ausgestaltung des PJ verantwortlich seien.
Betreffend den Hauptantrag existiere keine Rechtsgrundlage. Die ÄApprO regele das Bestehen einzelner Abschnitte der Ärztlichen Prüfung und die Berechnung der Endnote. Die antragstellerseits geforderte Berücksichtigung von Noten aus dem klinischen Studienabschnitt sei weder in der ÄApprO noch in der ÄVO-ÄApprO vorgesehen. Auch erschließe sich nicht, wie die M2-Prüfungsnote auf Grundlage der Studienabschnittsverlaufsnote berechnet werden solle. Die M2-Prüfung sei eine bundeseinheitliche schriftliche Staatsprüfung über drei Tage, die 320 Fragen umfasse. Die Prüfung werde zentral und bundeseinheitlich durch das IMPP ausgewertet. Noten im klinischen Prüfungsabschnitt ergäben sich dagegen je nach Festlegung der Universitäten aufgrund schriftlicher, mündlicher oder praktischer Prüfungen, die von den zuständigen Lehrpersonen individuell bewerteten würden. Die Noten, die in der schriftlichen Staatsprüfung bundeseinheitlich ermittelt würden und die Noten aus Lehrveranstaltungen einzelner Hochschule seien daher in keiner Weise vergleichbar. Auch wäre es mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar, wenn ein Teil der Studierenden ohne Ablegen der M2-Prüfung mit wie auch immer ermittelten Jahresdurchgangsnoten ihr Medizinstudium beenden könnten, während andere Prüfling sämtliche Prüfungsleistungen nach der ÄApprO erbringen müssten. Für diese Ungleichbehandlungen gebe es keine Rechtfertigung, zumal die abgesagte M2-Prüfung nicht komplett entfalle, sondern – ohne Zeitverlust in Hinblick auf die Gesamtdauer des Studiums – nachgeholt werden könne.
Der hilfsweise geforderte angemessene Ausgleich für die Verschiebung der M2-Prüfung und das vorzeitige PJ sei zu unbestimmt und entbehre ebenfalls einer Rechtsgrundlage. Es sei nicht möglich, einem einzelnen Prüfling rechtsgrundlos eine Vergünstigung in Abweichung von den vorgeschriebenen Studien- und Prüfungsmodalitäten oder deren Folgen zu gewähren. Auch sei ein Ausgleich in der Sache nicht erforderlich. Wie bereits ausgeführt stehe den Prüflingen genügend Vorbereitungszeit auf die kommende M2-Prüfung zur Verfügung. Die bayerischen medizinischen Hochschulen seien zudem bereits aufgefordert, betroffene Studierenden erst gegen Ende des Prüfungszeitraums für die M3-Prüfung einzuteilen (im Juni 2021), um die längstmögliche Vorbereitungszeit zur Verfügung zu stellen. Auch das IMPP plane bestimmte Unterstützungsleistungen. Es habe sich auch mit der Frage befasst, ob betroffene Studierende schlechtere Prüfungsergebnisse erzielen würden. Hierzu seien die Ergebnisse der Prüfungskohorten aus den Jahren 2012 (sog. „Hammerexamen“) und 2014 (M2-Prüfung vor und M3 Prüfung nach dem PJ) miteinander verglichen worden. Es habe sich gezeigt, dass beide Prüfungskohorten ähnlich gut abgeschnitten hätten. Es sei damit auch im Frühjahr 2021 nicht damit zu rechnen, dass betroffene Studierende generell schlechter abschnitten.
Hierauf lässt die Antragstellerin über ihr Vorbringen in der Antragsschrift hinaus sinngemäß im Wesentlichen erwidern, andere Bundesländer – ausgenommen Baden-Württemberg – hätten die Prüfung ordnungsgemäß durchgeführt, selbst bei vergleichsweise hohen Zahlen an Neuinfektionen wie in Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Es habe keine konkrete Gefahr erhöhter Infektionen bestanden. Außerdem verfolge die ÄVO-ÄApprO nicht das Ziel, Prüflinge vor Infektionen zu schützen. Das vorzeitig PJ berge eine deutlich höhere Infektionsgefahr für Studierende als die Teilnahme an der M2-Prüfung.
Der Antragsgegner könne auch nicht behaupten, eine infektionshygienisch unbedenkliche Durchführung der M2-Prüfung hätte nicht gewährleistet werden können bzw. dass Alternativlösungen in der Kürze der Zeit nicht umsetzbar gewesen seien. Die Einhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstands von mindestens 1,5 m sei vollkommen unproblematisch gewesen. Bekanntermaßen säßen Prüflinge im Rahmen von Staatsexamina regelmäßig mindestens 1,5 m auseinander, um eigenständige Bearbeitungen zu gewährleisten. Auch das Aufsichtspersonal befinde sich regelmäßig in weitem Abstand zu den Prüflingen. Die M2-Prüfung sei auf mehrere Prüfungsstandorte verteilt gewesen. Ferner hätten zusätzliche Räumlichkeiten angemietet werden können. Es sei realitätsfern zu behaupten, der Antragsgegner hätte in der maßgeblichen Zeit keine weiteren Räume anmieten können. Offenbar habe er sich nicht einmal darum bemüht. Es hätte beispielsweise auf zahlreiche Schulturnhallen zurückgegriffen werden können. Durch einzelnes Eintreten in die Prüfungsräume mit Mund-Nase-Bedeckung hätte auch der notwendige Abstand eingehalten werden können. Tragfähige Hygienekonzepte hätten binnen weniger Stunden erstellt werden können. Freiwilliges Aufsichtspersonal hätte unproblematisch gefunden werden können, zumindest bei entsprechenden Anreizen. Dass sich Personen ihrer Aufgabe entzogen hätten, werde nicht einmal vorgetragen. Alle anderen Bundesländer seien ebenfalls in der Lage gewesen, organisatorische Vorkehrungen zu treffen. Weiterhin fänden aktuell ebenfalls schriftliche Prüfungen statt, obwohl die Anzahl der Neuinfektionen das Ausmaß vom Frühjahr 2020 bereits überschritten habe. Außerdem seien angehende Ärzte betroffen, die bereits ausreichend praktische Erfahrung hätten, wie man sich selbst und andere vor Infektionen schütze. Wenn also eine Kohorte eine Prüfung unter Corona-Bedingungen schreiben könne, dann (angehende) Mediziner. Zusätzlich hätten bei den Prüflingen ggf. noch Gesundheitskontrollen vorgenommen oder Gesundheitsbestätigungen verlangt werden können. Heutzutage werde – bei annähernd hohen Zahlen an Neuinfektionen – ebenfalls gestattet, dass sich eine größere Anzahl von Menschen in geschlossenen Räumen aufhalte, sofern ausreichend Abstand gehalten und bis zum Platz eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werde. Ferner hätte eine ordnungsgemäße Ladung zur Prüfung erfolgen können, zumal sich – und das auch nur für einen Teil der Prüflinge – lediglich der Prüfungsort geändert hätte. Hinsichtlich der Prüfungsorganisation treffe den Antragsgegner die Darlegungslast sowie die Glaubhaftmachung. Andernfalls werde um richterlichen Hinweis gebeten.
Der Antragsgegner habe von der Ausnahmemöglichkeit nach § 7 Abs. 4 Satz 1 ÄVO-ÄApprO keinen Gebrauch gemacht und sein Ermessen letztlich dahingehend ausgeübt, im Wege einer hoheitlichen Maßnahme einer Behörde Einzelfälle bezogen auf einen bestimmten Personenkreis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen zu regeln. Die Verantwortung für die offensichtliche rechtliche Schieflage liege daher nicht allein bei der Bundesrepublik Deutschland, sondern zusätzlich bei dem Antragsgegner. Für die Prüfungsabsage könne der Antragsteller auch keinen „Regelfall“ in Anspruch nehmen. Vielmehr habe er letztlich mit dem Land Baden-Württemberg und offenbar in Kenntnis der Entscheidungen anderer Bundesländern eine Ausnahme gebildet. Studierende würden sehr wohl in ihrem Studienfortschritt behindert. Es bestehe ein Zeitverlust aufgrund wiederholter Prüfungsvorbereitungen. Außerdem fehle Vorbereitungszeit für die M3-Prüfung.
Keinesfalls würden Studierende für die Bekämpfung der Pandemie benötigt. Wie bereits dargestellt und glaubhaft gemacht hätten sich alleine in Erlangen mehrere 100 Medizinstudierende als Freiwillige gemeldet. Die vorhandenen Kapazitäten hätten zunächst ausgeschöpft werden müssen, bevor weitere Studierende unter Absage der M2-Prüfung hätten hinzugezogen werden können.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners liege ein unverhältnismäßiger und damit nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Berufsfreiheit vor. Insbesondere sei der Prüfungsstoff auf wissenschaftlich noch unsichere und noch unbekannte Inhalte ausgeweitet worden, wobei die Ausbildung dazu nicht einmal einheitlich erfolge, weil Studierende in verschiedenen Häusern ihr PJ absolvierten. Es existiere dazu auch kein Lernzielkatalog. Ein Vorteil sei dabei nicht zu erkennen, zumal in den Kliniken kaum Kontakt zu entsprechenden Patienten bestehe. Ein (einheitliches) Lernskript liege ihr nicht vor. Es solle – so der Antragsgegner – noch erstellt werden. Bis wann dies gewährleistet sei und ob dies für eine ordnungsgemäße Prüfungsvorbereitung noch genüge, sei unklar. Eine Erweiterung des Prüfungsstoffs stelle keinesfalls einen Nachteilsausgleich, sondern eine deutliche Verschlechterung dar. Die Nachteile seien nicht durch die Pandemie entstanden, sondern durch die Entscheidung des Antragsgegners, die M2-Prüfung abzusagen.
Von ihr werde verlangt, Fehltage – keine Urlaubstage im eigentlichen Sinne – für die Prüfungsvorbereitung zu nutzen. Völlig übersehen werde dabei, dass Fehltage durch Erkrankungen oder andere wichtige Gründe aufgebraucht würden. Vergessen werde auch hierbei die Vorbereitung auf die M3-Prüfung.
Sehr wohl werde gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, weil gerade keine bundeseinheitliche Regelung getroffen worden sei, obwohl die Verordnung eine epidemische Lage von nationaler Tragweite verlange. Bei unterschiedlichen Rahmenbedingungen vor Ort sei keine epidemische Lage von nationaler Tragweite gegeben, die zum Erlass der hier streitgegenständlichen Verordnung hätte führen dürfen. Die relative Bestehensgrenze berechne sich nach den Prüflingen, die die M2-Prüfung nach fünf Studienjahren regulär abgelegt hätten. Zu dieser Gruppe gehöre sie aber nicht, da sie die fragliche Prüfung erst nach sechs Studienjahren schreibe.
In dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung über das vorzeitige PJ hätte getroffen werden müssen, habe sie keine Information besessen, ob sie das Wahlfach sicher antreten könne oder nicht. Der Antragsgegner trage selbst vor, die weitere Dynamik der Pandemie sei unbekannt. Da nunmehr eine zweite Welle der Pandemie absehbar sei, könnten Universitäten doch noch von ihrem Entscheidungsrecht betreffend das Wahlfach Gebrauch machen.
Hinsichtlich ihres Antrags zu Ziff. 1 sei von einer Ermessensreduktion auf Null auszugehen. Es ergebe sich keine Ungleichbehandlung, vielmehr habe sie Anspruch auf Folgenbeseitigung bzw. Nachteilsausgleich aufgrund einer vorangegangenen Rechtsverletzung.
Bereits im Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung bestehe ein wesentlicher Anteil der Note aus einem Wahlfach sowie einer mündlichen Prüfung. Die Behauptung des Antragsgegners, Noten aus dem klinischen Studienabschnitt seien nicht verwertbar, untergrabe die Kompetenz der universitären Prüfer und der Universitäten selbst. Dasselbe gelte für die M3-Prüfung, bei der ebenfalls individuell geprüft werde. Der Antragsgegner werde sicher nicht behaupten wollen, das Ergebnis der M3-Prüfung sei nicht aussagekräftig.
Ihr Antrag zu Ziff. 2 sei keinesfalls zu unbestimmt, da der Antrag lediglich ein allgemeines Rechtsschutzziel angeben müsse. Der Antrag müsse jedoch nicht bestimmt im engeren Sinne sein und eine bestimmte Maßnahme bezeichnen. Es genüge, wenn der Antragsteller das zu sichernde bzw. zu regelnde Recht in bestimmter Weise bezeichne. Das Gericht sei keinesfalls an den Wortlaut des Hilfsantrags gebunden. In der Sache begehre sie keine Vergünstigung, sondern lediglich eine Schadens- bzw. Nachteilskompensation. Der Universität werde es nicht möglich sein, alle betroffenen Studierenden am Ende des Prüfungszeitraums der M3-Prüfung zu prüfen. Dies werde auch von vielen Studierenden nicht gewünscht, die gerne zeitnahe ihr Studium beenden und als Ärzte arbeiten wollten. Zudem bleibe die Vorbereitungszeit auf die M3-Prüfung auch bei einer Prüfung im Juni 2021 verkürzt. Der Vergleich des Antragsgegners mit anderen „Hammerexamen“ hinke, da Studierende damals wussten, wann ihre Prüfung stattfinden würde und entsprechende Lernzeiten dafür vorhanden gewesen seien, wie zum Beispiel feste Studientage im PJ. Ferner sei die Behauptung zu den Prüfungsergebnissen nicht maßgeblich, weil ihr Aufwand deutlich höher sei, um eventuell ein adäquates Ergebnis zu erzielen.
II.
1. Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
a) Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung insbesondere zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Voraussetzung hierfür ist nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft macht.
b) Zwar spricht hier Vieles dafür, dass ein Anordnungsgrund vorliegt. Dies ist der Fall, wenn eine vorläufige gerichtliche Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz erforderlich ist, da es dem Antragsteller unzumutbar ist, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (vgl. Püttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 80). Hier geht es der Antragstellerin jedenfalls auch vorbeugend darum, im kommenden Jahr nicht das sog. „Hammerexamen“ – also sowohl die M2- als auch die M3-Prüfung innerhalb weniger Monaten – ablegen zu müssen. Stattdessen begehrt sie im Hauptantrag der Sache nach die (vorläufige) Anerkennung ihrer Studienverlaufsnote als Prüfungsergebnis der abgesagten M2-Prüfung. Mit Blick auf dieses Begehren dürfte es der Antragstellerin nicht zumutbar sein, das Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Denn dieses wäre aufgrund seiner Verfahrensdauer voraussichtlich schon in zeitlicher Hinsicht nicht geeignet, das Ablegen des sog. „Hammerexamens“ vorbeugend abzuwenden. Auch hinsichtlich des Hilfsantrags dürfte ein Anordnungsgrund vorliegen, da es der Antragstellerin, sollte ihr ein Anspruch auf Nachteilsausgleich zustehen, grundsätzlich nicht zumutbar sein dürfte, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Denn auch hier wäre in zeitlicher Hinsicht jedenfalls ungewiss, ob dieses bis zum Beginn der M2-Prüfung (rechtskräftig) abgeschlossen wäre (a.A. zum Anordnungsanspruch VG Karlsruhe, B.v. 6.10.2020 – 11 K 3679/20 – BeckRS 2020, 28549 Rn. 20).
c) Jedenfalls fehlt es aber an einem Anordnungsanspruch.
aa) Von einem Anordnungsanspruch ist grundsätzlich auszugehen, sofern der Antragsteller nach dem einschlägigen materiellen Recht auf Grundlage des ermittelten bzw. glaubhaft gemachten Sachverhalts voraussichtlich in der Hauptsache Erfolg haben wird (vgl. Kuhla in Beckscher Online-Kommentar VwGO, 53. Edition Stand 1.7.2019, § 123 Rn. 77. ff.).
bb) Danach liegt hier weder hinsichtlich des Haupt- noch des Hilfsantrags ein Anordnungsanspruch vor.
(1) Dem Hauptantrag der Antragstellerin steht jedenfalls das prüfungsrechtliche Verbot der Anerkennung fiktiver Leistungen entgegen. So begehrt die Antragstellerin mit ihrem Hauptantrag die Anerkennung ihrer im klinischen Studienabschnitt erzielten Verlaufsnote als Prüfungsnote des (verschobenen) Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung. Sie macht damit zum einen geltend, ihre fiktive – da tatsächlich nicht abgelegte – M2-Prüfung möge vorläufig anerkannt werden. Zum anderen macht sie geltend, die anerkannte M2-Prüfung möge vorläufig mit ihrer Studienverlaufsnote bewertet werden.
Im Prüfungsrecht ist anerkannt, dass lediglich eine tatsächlich erbrachte Leistung bewertet werden kann. Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, ob die unterbliebene Leistungserbringung oder die vereitelte Leistungsbewertung durch den Prüfling und/oder die Prüfungsbehörde veranlasst oder gar verschuldet wurde. So können die Leistungen des Prüflings etwa selbst dann nicht (mehr) bewertet werden, wenn die angefertigten Prüfungsaufgaben – aus welchem Grund auch immer – verloren gegangen sind; man denke etwa an den Verlust von Klausuren auf dem Postweg oder gar in der Sphäre des Prüfers. Fiktive Leistungen können selbst dann nicht bewertet werden, wenn der Prüfling aufgrund Fehlinformationen der Prüfungsbehörde eine Leistung nicht erbracht hat. Schließlich finden auch die Grundsätze der Beweisvereitelung nach § 444 ZPO keine Anwendung auf die hier in Frage stehenden Fälle (vgl. so zum Ganzen m.w.N. Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 226). Hieraus folgt weiter, dass bei der Leistungserhebung unterlaufene Fehler grundsätzlich nicht durch die Änderung des Bewertungsmaßstabs oder durch Zugrundelegung fiktiver Leistungen ausgeglichen werden können (vgl. Jeremias a.a.O. Rn. 500 m.w.N.). So ist die Prüfungsbehörde nicht nur nicht dazu verpflichtet, im Fall eines fehlerhaften Prüfungsverlaufs die Bewertungsmaßstäbe der Prüfungsordnung zugunsten des Prüflings zu ändern, um auf diese Weise einen Fehler im Rahmen der Leistungserhebung auszugleichen. Vielmehr würde sich dies sogar als willkürlich darstellen und gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Denn Fehler bei der Leistungserhebung können durch eine Änderung des Bewertungsmaßstabs bereits deswegen nicht ausgeglichen werden, weil sich die fraglichen Fehler mit Blick auf den Bewertungsmaßstab regelmäßig nicht quantifizieren lassen und deshalb auch nicht beurteilt werden kann, was der Prüfling im Fall eines fehlerfreien Verfahrens geleistet hätte. Aus diesem Grund können fiktive Leistungen nicht zur Grundlage der Prüfungsentscheidung gemacht werden. Entsprechend muss der Prüfling die Prüfung in aller Regel wiederholen, auch wenn dies für ihn einen Nachteil darstellt, dessen Ursache im Verantwortungsbereich der Prüfungsbehörde liegt (vgl. so insgesamt BVerwG, B.v. 16.41980 – Az. B 58/80 – NJW 1980, 2208, 2208).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann die Antragstellerin hier nicht die Anerkennung ihrer M2-Prüfung unter Rückgriff auf ihre Durchschnittsverlaufsnote des klinischen Studienabschnitts verlangen. Denn dies käme einer unzulässigen fiktiven Bewertung der – unstreitig – nicht angetretenen M2-Prüfung gleich. Entsprechend steht bereits der Grundsatz des Verbots der Zugrundelegung fiktiver Leistungen im Rahmen der Leistungsbewertung dem Hauptantrag der Antragstellerin entgegen. Hieraus ergibt sich weiter, dass nicht entscheidungserheblich ist, ob und ggf. inwieweit der Beklagte im Rahmen seiner Entscheidung zur Absage der M2-Prüfung im Frühjahr 2020 rechtmäßig bzw. rechtswidrig gehandelt hat. Denn selbst im Fall der Rechtswidrigkeit könnte der daraus resultierende Mangel des Prüfungsverfahrens nicht durch die begehrte (vorläufige) Anerkennung der M2-Prüfung mit der Bewertung entsprechend einer Studienverlaufsnote kompensiert werden (so auch VG Karlsruhe, B.v. 6.10.2020 – 11 K 3679/20 – BeckRS 2020, 28549 Rn. 24). Mit dem Grundsatz des Verbots der fiktiven Leistungsbewertung könnte aber auch ein etwaiger Mangel des Prüfungsverfahrens nicht zu einer Kompensation dahingehend führen, dass die – tatsächlich nicht erbrachte M2-Prüfungsleistung – zum einen als solche anerkannt und zum anderen mit der fraglichen Studienverlaufsnote bewertet wird. Dies würde auch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, jedenfalls mit Blick auf Studierende aus vorangegangenen M2-Prüfungen sowie hinsichtlich Prüflingen desselben Prüfungstermins aus anderen Bundesländern. Denn diese haben die M2-Prüfung in demselben Prüfungstermin tatsächlich abgelegt, so dass ihre tatsächlich erbrachten Leistungen bewertet wurden. Darüber hinaus kann auch nicht tragfähig ermittelt werden, welche Leistung die Antragstellerin hypothetisch erbracht und welche Note sie hypothetisch erzielt hätte, hätte sie die M2-Prüfung tatsächlich abgelegt. Dem kann auch nicht entgegenhalten werden, dass die Antragstellerin die fragliche Prüfung – was unstreitig geblieben ist – gerne angetreten hätte und hieran allein aufgrund der kurzfristige Prüfungsabsage des Beklagten gehindert war. Zwar fällt die Prüfungsabsage eindeutig in der Sphäre des Antragsgegners. Jedoch ist bereits ausgeführt, dass der Grundsatz des Verbots der fiktiven Leistungsbewertung unabhängig von Fragen der Verursachung, Veranlassung oder gar des Verschuldens etwa durch Prüfer und/oder Prüfungsbehörde gilt.
Nach alledem besteht hinsichtlich des Hauptantrags kein Anordnungsanspruch, weder hinsichtlich der begehrten Prüfungsanerkennung und -bewertung noch hinsichtlich einer dahingehenden Ermessensentscheidung des Beklagten. Zudem können nach dem Vorgesagten Fragen der formellen oder materiellen Rechtmäßigkeit der ÄVO-ÄApprO sowie Fragen betreffend die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Antragsgegners offen bleiben, von der Regelung nach § 7 Abs. 4 ÄVO-ÄApprO keinen Gebrauch gemacht zu haben.
(2) Auch hinsichtlich des Hilfsantrags fehlt es an einem Anordnungsanspruch.
Mit ihrem Hilfsantrag begehrt die Antragstellerin der Sache nach einen Nachteilsausgleich mit Blick auf geltend gemachte Erschwernisse im Zusammenhang mit der Absage der M2-Prüfungen, deren Verschiebung auf das kommende Frühjahr, dem vorzeitigen PJ sowie dem sog. „Hammerexamen“ bestehend aus M2- und M3-Prüfung innerhalb weniger Monate. Ein solcher Nachteilsausgleich kommt indes lediglich dann in Betracht, sofern ein tatsächlicher Nachteil betreffend die bevorstehende Prüfung hinreichend sicher prognostiziert werden kann. Daran fehlt es hier.
Allgemein werden unter dem prüfungsrechtlichen Nachteilsausgleich geeignete Ausgleichsmaßnahmen verstanden, mit denen den Schwierigkeiten des Prüflings Rechnung getragen wird, seine vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten unter Geltung der einheitlichen Bedingungen darzustellen (so Jeremias, Dauerleiden und Nachteilsausgleich im Prüfungsrecht, NVwZ 2019, 839, 840 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 29.7.2015 – 6 C 35/14 – NVwZ 2016, 541). Durch den Nachteilsausgleich soll eine Beeinträchtigung kompensiert werden, die darin besteht, die vorhandene Leistungsfähigkeit umzusetzen bzw. nachzuweisen. (so Fischer/Dieterich, Prüfungsrecht in Zeiten der Coronavirus-Pandemie, NVwZ 2020, 657, 659). Regelmäßig werden Fälle des Nachteilsausgleichs mit Blick auf individuelle und gesundheitliche Beeinträchtigungen von Prüflingen erörtert, etwa bei Prüflingen mit Sehstörungen oder Schreibbehinderungen (vgl. Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 259).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht hier kein Anordnungsanspruch auf einen wie auch immer gearteten Nachteilsausgleich oder eine dahingehende Ermessensentscheidung des Beklagten. Denn nach dem Vorgesagten setzt ein – regelmäßig vor Prüfungsbeginn – zu gewährender Nachteilsausgleich zumindest voraus, dass der Prüfling in der Prüfung mit hinreichender Sicherheit benachteiligt sein wird. Danach setzt die Rechtsfigur des prüfungsrechtlichen Nachteilsausgleichs auf Tatbestandsseite eine positive Prognose dahingehend voraus, der fragliche Prüfling werde in der anstehenden Prüfung ohne entsprechenden Ausgleich tatsächlich einen Nachteil erleiden. Diese Prognose wird im Fall individueller gesundheitlicher Einschränkungen, die lediglich den Nachweis tatsächlich vorhandener Kenntnisse und Fertigkeiten in der Prüfungssituation einschränken, in aller Regel unproblematisch zu bejahen sein, sofern von besonderen rechtlichen Problemen wie etwa Dauerleiden abgesehen wird. So ist etwa offensichtlich, dass der Prüfling, dem wenige Tage vor Beginn der schriftlichen Prüfung an der Schreibhand eine akute Sehnenscheidenentzündung attestiert wird, deswegen in der Prüfung einen Nachteil erleiden wird, weil er seine vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht schnell genug zu Papier bringen können wird.
Hier liegt der Fall aber anders. Denn jedenfalls derzeit kann zur Überzeugung der Kammer prognostisch nicht hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin wegen der Absage der M2-Prüfungen, deren Verschiebung auf das kommende Frühjahr, des vorzeitigen PJ sowie wegen des sog. „Hammerexamens“ in der kommenden M2-Prüfung Nachteile erleiden wird. Diese Frage ist vielmehr zur Überzeugung der Kammer derzeit offen (auf nicht ausreichende Geltendmachung von Nachteilen abstellend, die den begehrten Ausgleich erfordern würden VG Karlsruhe, B.v. 6.10.2020 – 11 K 3679/20 – BeckRS 2020, 28549 Rn. 23). Zwar kann die Kammer in jeder Weise nachvollziehen, dass – wie vorliegend – die kurzfristige Verschiebung einer wichtigen und umfangreichen Prüfung misslich ist ist. Auch mag es aus Sicht der Studierenden – wobei die Kammer hierzu ausdrücklich keine rechtliche Wertung abgibt – misslich erscheinen, dass ihre M2-Prüfung wegen Ansteckungsrisiken mit dem neuartigen SARS-Covid 19-Virus abgesagt wird, sie aber im Anschluss entsprechende Ansteckungsrisiken im Rahmen ihres PJ tragen sollen, um bei der Bewältigung der epidemischen Lage mitzuhelfen.
Aus alldem kann allerdings nicht der Schluss gezogen werden, die Antragstellerin werde in der kommenden M2-Prüfung schlechter abschneiden als dies der Fall gewesen wäre, hätte sie ihre M2-Prüfung im regulären Prüfungstermin abgelegt. Zwar ist der Antragstellerin zuzugeben, dass sie nunmehr aufgrund der Prüfungsverschiebung das prüfungsrelevante Wissen neben ihren weiteren Aufgaben im PJ bis zur kommenden M2-Prüfung aktuell halten und/oder ihr Wissen für die kommende Prüfung nochmals auffrischen muss. Insoweit verkennt die Kammer nicht die Probleme, die dadurch entstehen, das Prüfungswissen im „Kampf gegen das Vergessen“ aktuell zu halten. Allerdings ist die Kammer auch davon überzeugt, dass die Antragstellerin in ihrer Vorbereitung auf die kommende M2-Prüfung keineswegs „bei Null“ beginnen muss. Vielmehr kann sie auf dem Prüfungsstoff aufbauen, den sie bis zum Zeitpunkt der Prüfungsabsage erworben hat. Zudem ist im Rahmen der anzustellenden Prognose auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin insgesamt betrachtet eine erheblich – etwa um ein Jahr – verlängerte Vorbereitungszeit für die M2-Prüfung erhält, mag die Antragstellerin in dieser Zeit aufgrund ihres PJ auch anderweitig in Anspruch genommen sein. Zudem hält es die Kammer auch für gut möglich, dass die Antragstellerin sowohl durch die verlängerte Vorbereitungszeit insgesamt als auch durch das PJ Vorteile mit Blick auf die kommenden M2-Prüfung erfahren könnte. Diese liegen nach der allgemeinen Lebenserfahrung deswegen nahe, weil sich erlerntes Prüfungswissen im Laufe der Zeit oftmals „setzt“ und auch gerade in Verbindung mit einer praktischen Wissensanwendung wie im PJ lernpsychologisch neue Verbindungen und Bezüge zu dem zuvor gelernten Prüfungsstoff entstehen können. Dies wiederum führt oftmals zu besserem Verständnis des Prüfungsstoffs und damit regelmäßig auch zu verbesserter Merkfähigkeit. Schließlich bestehen auch mit Blick auf die Reform der ÄApprO von 2002 Anhaltspunkte, dass die Prüfungsergebnisse der fraglichen Kohorten in der kommenden Prüfung nicht signifikant voneinander abweichen könnten. So wurde vor der Reform – wie auch bislang bis zum Inkrafttreten der ÄVO-ÄApprO – die M2 Prüfung vor dem PJ abgenommen. Mit der Reform der ÄApprO von 2002 wurde sodann vereinfacht dargestellt insbesondere die Prüfungsabfolge dahingehend geändert, dass die M2-Prüfung – wie nunmehr grundsätzlich nach der ÄVO-ÄApprO – nach dem PJ abgenommen wurde. In diesem Zusammenhang ergab eine statistische Untersuchung der Prüfungsergebnisse der relevanten Prüfungskohorten keine signifikanten Unterschiede in den Durchschnittsnoten der M2-Prüfung (vgl. Bl. 180 ff. Behördenakte: IMPP, Bestandsaufnahme und Aktionsplan zur Durchführung des Zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (M2-Examen) – dort, vgl. Bl. 184 f. der Behördenakte, sind auszugsweise die Ergebnisse von Seyfarth/Reincke, Grades on the Second Medical Licensing Examination in Germany Before and After the Licensing Reform of 2002, Deutsches Ärzteblatt International, 2010, 500 wiedergegeben). Nach alledem ist zur Überzeugung der Kammer derzeit nicht hinreichend sicher festzustellen, dass die Antragstellerin in der kommenden M2-Prüfung Nachteile erleiden wird, so dass es bereits an der Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung eines etwaigen, wie auch immer gearteten Nachteilsausgleich fehlt.
Hinzu kommt, dass vorliegend mit Blick auf den beantragten Nachteilsausgleich der Sache nach eine Vorwegnahme der Hauptsache in Frage steht, mögen etwaige Ansprüche auf Nachteilsausgleich auch regelmäßig im einstweiligen Rechtsschutz durchgesetzt werden Insoweit ist aber anerkannt, dass es zum Obsiegen im einstweiligen Rechtsschutz einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit dafür bedarf, dass der verfolgte Anordnungsanspruch begründet ist (BVerwG, U.v. 18.04.2013 – 10 C 9.12 – BeckRS 2013, 49802 Rn. 22 m.w.N.). Eine solche erhöhte Wahrscheinlichkeit dahingehend, dass die Klägerin in der kommenden M2-Prüfung Nachteile erleiden wird, kann nach dem Vorgesagten erst Recht nicht angenommen werden.
Damit ist die Antragstellerin auf nachträglichen Rechtsschutz betreffend die anstehende M2-Prüfung verwiesen. In tatsächlicher Hinsicht spricht alles dafür, dass im kommenden Prüfungstermin die Kohorten der Studierenden, die die M2-Prüfung wie die Antragstellerin nach dem vorzeitigen PJ ablegen, und der Studierenden, die regulär die M2-Prüfung vor Beginn ihres PJ ablegen, statistisch aussagekräftig miteinander verglichen werden können. Insoweit wird sich nachträglich aller Voraussicht nach herausstellen, ob die Kohorte, der die Antragstellerin angehört, mit Blick auf das Bestehen der Prüfung und/oder der Leistungsbewertung Nachteile erlitten hat. Sollte sich herausstellen, dass sich die Leistungsbewertungen von Kohorte zu Kohorte signifikant zum Nachteil der Antragstellerin unterscheiden, spräche Vieles für eine Verletzung der prüfungsrechtlichen Chancengleichheit als Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. In einem solchen Fall hielte es die Kammer auch mit Blick auf das Grundrecht auf effektiven Rechtschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG ausnahmsweise zumindest für erwägenswert, eine Besserbewertung der Prüfungsarbeiten der Kohorte der Klägerin in Betracht zu ziehen. Denn im Unterschied zu den sonstigen Fallgestaltungen ließe sich hier ggf. ausnahmsweise – unter der wohl tragfähigen Prämisse, dass die bezeichneten Kohorten im Mittel über dieselbe Leistungsstärke verfügen – ein etwaig eingetretener, nachteilsrelevanter Verfahrensfehler, den die Kohorte der Antragstellerin erlitten hätte, hinsichtlich der Bewertungsunterschiede quantifizieren.
Im Übrigen hegt die Kammer für den Fall, dass die Kohorte der Antragstellerin in der kommenden M2-Prüfung tatsächlich statistisch signifikant schlechter abschneiden sollte, Bedenken dahingehend, dass die Kohorte der Antragstellerin nach geltendem Recht gemäß § 14 Abs. 6 Alt. 2 ÄApprO nicht in die Referenzgruppe betreffend die relative Bestehensgrenze eingehen dürfte. Denn die Referenzgruppe wird nach der genannten Vorschrift so verstanden, dass in diese alleine die Studierenden eingehen, die im Fall der M2-Prüfng diese erstmals innerhalb der Mindeststudienzeit von fünf Jahren ablegen (vgl. Haage in ÄapprO, 3. Online-Aufl. 2016, § 14 Rn. 10). Danach dürfte die Kohorte der Antragstellerin nicht in die Referenzgruppe fallen, da diese ihre M2-Prüfung aufgrund Prüfungsabsage und vorzeitigem PJ erst nach sechs Studienjahren ablegt. Sofern aber die Referenzgruppe dahingehend definiert werden sollte, all die Studierende zu umfassen, die erstmals und in dem grundsätzlich nach der ÄApprO vorgesehenen Zeitpunkt ihre M2-Prüfung ablegen, spricht Vieles dafür, dass auch die Kohorte der Antragstellerin erfasst sein müsste. Denn auch die Antragstellerin wird – wenn auch nach sechs Studienjahren – erstmals und in dem nach der geänderten ÄApprO vorgesehen Zeitpunkt ihre M2-Prüfung ablegen. Schließlich ist in diesem Zusammenhang klarzustellen, dass es sich auch mit Blick auf die fragliche Zugehörigkeit zur Referenzgruppe nach § 14 Abs. 6 Alt. 2 ÄApprO nicht um einen bereits jetzt hinreichend sicher feststellbaren Nachteil handelt, der eines Nachteilsausgleichs zugänglich wäre. Denn die aufgeworfene Frage zur relativen Bestehensgrenze wird überhaupt erst dann (nachteilig) für die Antragstellerin relevant, sollte die Kohorte der Klägerin tatsächlich in der kommenden M2-Prüfung signifikant schlechter abschneiden. Dies ist aber derzeit – wie ausgeführt – zur Überzeugung der Kammer offen.
Nach alledem war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 1.5, 36.1 Streitwertkatalog.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben