Verwaltungsrecht

Nachzahlung des Pfarrdienstwohnungsabschlags

Aktenzeichen  3 CS 21.3248

Datum:
21.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3149
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1 und 3
VwGO § 123
PfDG.EKD § 25 Abs. 1, 38 Abs. 1, 79
PfBesG § 25 Abs. 3
PfBesG § 26 Abs. 1 und Abs. 5
PfBesG § 27 Abs. 6
PfDWV § 5 S. 1
PfDWV § 9 S. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RO 12 S 21.2134 2021-12-02 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 2. Dezember 2021 wird abgeändert. Die Aufhebung der Vollziehung des Bescheids vom 24. August 2021 wird angeordnet, soweit die Antragsgegnerin einen Dienstwohnungsabschlag vom Grundgehalt und eine Kürzung des Familienzuschlags vorgenommen und einen geldwerten Vorteil für eine Dienstwohnung steuerlich berücksichtigt hat. Der seit 1. Oktober 2021 einbehaltene Dienstwohnungsabschlag sowie der Betrag, um den seit dem 1. Oktober 2021 der Familienzuschlag gemindert wurde, sind dem Antragsteller auszuzahlen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen
III. Der Streitwert wird auf 8.551,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller (Besoldungsgruppe A 14 / Stufe 11) steht als Pfarrer in Diensten der Antragsgegnerin und begehrt die ungekürzte Auszahlung seiner Bezüge sowie die Nachzahlung des von seinen Bezügen seit 1. Oktober 2021 einbehaltenen Dienstwohnungsabschlags.
Mit Bescheid vom 24. August 2021 versetzte die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Wirkung vom 1. Oktober 2021 durch Übertragung des gemeindlichen Auftrags mit Einsatz auf der Pfarrstelle B … … … (§ 79 i.V.m. § 25 Abs. 1 des Kirchengesetzes zur Regelung der Dienstverhältnisse der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Deutschland – Pfarrdienstgesetz der EKD – PfDG.EKD) unter Hinweis auf § 38 Abs. 1 PfDG.EKD (Verpflichtung am Dienstort zu wohnen). Zugleich wurde ihm eine für ihn bestimmte Dienstwohnung zugewiesen.
Dagegen legte der Antragsteller am 21. September 2021 Widerspruch ein und wies mit Schreiben vom 12. Oktober 2021 auf die aufschiebende Wirkung in Bezug auf die Zuweisung einer Dienstwohnung und die daraus folgende Verpflichtung zur Weiterzahlung seiner ungekürzten Besoldungsbezüge hin.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2021 wies das Landeskirchenamt den Widerspruch zurück; die hiergegen zum Verwaltungsgericht der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (i.F.: kirchliches Verwaltungsgericht) erhobene Klage (VG-332) ist noch anhängig. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 des Kirchengesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (KVGG) i.V.m. § 105 Abs. 3 Nr. 4 PfDG.EKD kraft Gesetzes sofort vollziehbare Übertragung des gemeindlichen Auftrags mit Einsatz auf der Pfarrstelle B. … … … lehnte das kirchliche Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. September 2021 (VG-330) ab.
Seit dem 1. Oktober 2021 wird das Gehalt des Antragstellers um den sich aus § 25 Abs. 3 i.V.m. Anlage 3 des Kirchengesetzes über die Besoldung der Pfarrer und Pfarrerinnen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (Pfarrbesoldungsgesetz – PfBesG) errechneten Dienstwohnungsabschlag und den Familienzuschlag Stufe 1 (§ 9 Satz 3 Verordnung über die Pfarrdienstwohnungen – PfDWV- i.V.m. § 27 Abs. 6 PfBesG) um monatlich insgesamt 950,16 Euro gemindert.
Daraufhin beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Regensburg nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO, die Aufhebung der Vollziehung des Bescheids vom 24. August 2021 ab dem 1. Oktober 2021, soweit die Antragsgegnerin einen Dienstwohnungsabschlag vom Grundgehalt und eine Kürzung des Familienzuschlags vorgenommen und einen geldwerten Vorteil für eine Dienstwohnung steuerlich berücksichtigt hat, sowie die seit 1. Oktober 2021 einbehaltenen Brutto-Differenzbesoldungsbeträge nachzuzahlen, weiter hilfsweise nach § 123 Abs. 1 VwGO, die Antragsgegnerin hierzu zu verpflichten. Wie aus der vorgerichtlichen Korrespondenz (Schr. v. 12.10.2021 – Anlage A5 im VG-Akt) erkennbar, meint der Bevollmächtigte damit offenkundig, dass die bisherigen Bezüge unter Berücksichtigung der Lohnsteuer weiterzuzahlen wären.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 2. Dezember 2021 ab. Bei der allein vorzunehmenden Abwägung der Interessen der Beteiligten unterliege das Interesse des Antragstellers. Nach der Entscheidung des kirchlichen Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sei der Antragsteller verpflichtet, den Dienst auf der Pfarrstelle in B. … … … anzutreten. Komme er dieser Verpflichtung nach, sei die vorhandene Dienstwohnung für ihn von erheblichem Vorteil. Aus den vorliegenden Unterlagen sei auch nicht erkennbar, dass er sich gegen die Zuweisung der Dienstwohnung als solche wehre und zum Beispiel eine Privatwohnung beziehen wolle, um seinen Aufgaben auf der zugewiesenen Pfarrstelle nachzukommen. Wegen der gerichtlich zunächst bestätigten Verpflichtung des Antragstellers zur Leistung seines Dienstes auf der Pfarrstelle bestehe für die Antragsgegnerin derzeit kein Anlass, einem anderen Pfarrer der Pfarrstelle zuzuweisen. Das derzeitige Leerstehen der Dienstwohnung liege in der Sphäre des Antragstellers. Im Falle seines Obsiegens bestehe kein Insolvenzrisiko bei der Antragsgegnerin. Angesichts des ihm verbleibenden Nettogehalts sei nicht zu erwarten, dass der Antragsteller in eine wirtschaftliche Notlage gerate, zumal seine Ehefrau berufstätig sei.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Zur Begründung macht er insbesondere geltend, das Verwaltungsgericht verkenne, dass der Widerspruchsbescheid nur über die Versetzung und nicht über die Zuweisung einer Dienstwohnung entschieden habe. Der Verwaltungsakt der Dienstwohnungszuweisung sei zu unbestimmt, da weder die Adresse der Wohnung noch der Zeitpunkt der Zuweisung mitgeteilt worden sei. Der Antragsteller sei erst am 23. November 2021 darüber in Kenntnis gesetzt worden, um welche konkrete Dienstwohnung es sich handeln solle. Es treffe nicht zu, dass der zuständige stellvertretende Dekan E. dem Antragsteller kurz nach dem Beschluss des Landeskirchenrats über die Versetzung „in einem Gespräch“ das Pfarrhaus genauer beschrieben habe. Die im Kirchlichen Amtsblatt (KABl) veröffentlichte Stellenausschreibung zur Pfarrstelle und der darin enthaltene Hinweis auf die Dienstwohnung seien dem Antragsteller nicht bekannt. Das Gericht habe außer Acht gelassen, dass hinsichtlich der Dienstwohnungszuweisung weder eine Anordnung noch eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch ein Gericht stattgefunden habe. Wegen der kraft Gesetzes bestehenden aufschiebenden Wirkung finde keine Interessenabwägung statt. In der vorliegenden Konstellation einer faktischen rechtswidrigen Vollziehung sei kein Raum für eine Ermessensentscheidung durch das Verwaltungsgericht. Der Antragsteller sei (wegen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Dienstwohnungszuweisung) dienstlich zu keinem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, in der ihm zugewiesenen Dienstwohnung tatsächlich zu wohnen, auch wenn er an seiner neuen Pfarrstelle vorläufig Dienst zu leisten hätte. Wegen der aufschiebenden Wirkung fehle auch die Rechtsgrundlage für einen Dienstwohnungsabschlag. Mit Art. 19 Abs. 4 GG sei es unvereinbar, wenn das Verwaltungsgericht die Auffassung vertrete, die handelnde Behörde habe diese aufschiebende Wirkung nicht von Amts wegen zu beachten.
Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht die Interessenabwägung fehlerhaft vorgenommen. Zu Unrecht habe es nicht berücksichtigt, dass der Antragsteller in B. … … … aktuell keinen Dienst leisten müsse, da er infolge Krankheit vorübergehend (seit 28.9.2021) dienstunfähig sei. Aus dem eingelegten Widerspruch und dem Schreiben vom 7. Dezember 2021 ergebe sich, dass sich der Antragsteller gegen die Zuweisung als solche wehre. Das Leerstehen der Wohnung sei bloße Folge des Umstandes, dass der Antragsteller aufgrund der aufschiebenden Wirkung nicht verpflichtet sei, die ihm zugewiesene Dienstwohnung tatsächlich zu beziehen. Ein fehlendes Insolvenzrisiko dürfe nicht in die Interessenabwägung einfließen. Das Verwaltungsgericht habe zudem nicht beachtet, dass die monatliche Besoldung dem Antragsteller irreversibel für den laufenden Lebensunterhalt nicht zur Verfügung stehe. Durch das Einfamilienhaus an seinem jetzigen Wohnort sei der Antragsteller wirtschaftlich doppelt belastet. Aktuell müsse der Familienunterhalt allein durch das Einkommen des Antragstellers bestritten werden. Hierfür stehe ein Einkommen der Ehefrau nicht zur Verfügung. Der Antragsteller habe nur bei tatsächlicher Nutzung der Wohnräume eine Nutzungsentschädigung zu zahlen. Die Antragsgegnerin habe keine Empathie, wenn sie von ihm verlange, binnen eines Monats mit seiner Familie in das über 200 km entfernte B. … … … umzuziehen. Zudem benötige er keine 200 m2 Wohnung, da seine Familienmitglieder nicht umzögen. (Kleinere) Appartements seien für ca. monatlich 350 bis 400 Euro anzumieten. Der Antragsteller habe sich zwischenzeitlich auf ausgeschriebene wohnortnahe freie Planstellen beworben; eine Entscheidung darüber stehe noch aus.
Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Zu den Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, die Personalakte des Antragstellers sowie die beigezogenen Akten des kirchlichen Verwaltungsgerichts (VG-330 und VG-332) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Gründe, die der Antragsteller fristgemäß nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat und auf deren Prüfung der Senat in der Sache beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO gestellten Hauptantrag, die Vollziehung des Bescheids der Antragsgegnerin vom 24. August 2021 ab dem 1. Oktober 2021 auszusetzen und die einbehaltenen Besoldungsbestandteile (Dienstwohnungsabschlag und Familienzuschlag) nachzuzahlen, zu Unrecht abgelehnt.
1. Der Hauptantrag auf Vollzugsfolgenbeseitigung gem. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO ist zulässig. Er ist insbesondere statthaft, da der Abzug eines Dienstwohnungsabschlags von den Bruttobezügen gemäß § 25 Abs. 3 PfBesG sowie der Erhalt nur verminderter Familienzuschläge kraft Gesetzes als faktische Vollzugsfolge der Zuweisung einer Pfarrdienstwohnung durch Bescheid vom 24. August 2021 erfolgt. § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO ist entsprechend anzuwenden auf die Fälle der faktischen Vollziehung, in denen die Behörde trotz eingetretener aufschiebender Wirkung den Verwaltungsakt vollzogen hat (Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 80 Rn. 119; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 115). In dem vorliegenden Verfahren entfaltet der nicht offensichtlich unzulässige Widerspruch des Bevollmächtigten vom 21. September 2021 gegen die im Bescheid vom 24. August 2021 ausgesprochene Zuweisung einer Dienstwohnung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 KVGG aufschiebende Wirkung (vgl. BA S. 6 f.). Eine analoge Anwendung des allein auf die Versetzung nach § 79 PfDG.EKD rekurrierenden § 21 Abs. 2 Satz 1 KVGG i.V.m. § 105 Abs. 3 Nr. 4 PfDG.EKD auf die in Form eines Bescheides (vgl. § 5 der Verordnung über die Pfarrdienstwohnungen – PfDWV) erfolgte Dienstwohnungszuweisung kommt schon mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Aufgrund des Ausnahmecharakters zum Regeltatbestand der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs ist für den Ausschluss grundsätzlich eine eindeutige und ausdrückliche Regelung erforderlich (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 41. Aufl. Juli 2021, § 80 Rn. 124).
Die aufschiebende Wirkung schützt ex tunc; sie wirkt auf den Zeitpunkt des Erlasses des maßgeblichen Verwaltungsaktes zurück (vgl. Schoch a.a.O. Rn. 118), hier auf den Zeitpunkt der erfolgten Zuweisung der konkreten Dienstwohnung. Damit lag bei Beginn des erstmaligen Einbehalts von Besoldungsbestandteilen zum 1. Oktober 2021 keine vollziehbare Zuweisung vor.
2. Der Hauptantrag ist auch begründet.
Zur Anordnung der Vollzugsfolgenbeseitigung ist grundsätzlich erforderlich, dass durch die Vollziehung ein fortdauernder rechtswidriger Zustand herbeigeführt worden und die Folgenbeseitigung rechtlich und tatsächlich möglich ist. Die aufschiebende Wirkung alleine reicht nicht aus, um die Aufhebung der Vollziehung (Rückgängigmachung) anzuordnen. Die Entscheidung steht vielmehr im Ermessen des Gerichts, das die Anordnung zusätzlich von den Erfolgsaussichten der Hauptsache abhängig machen kann (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2020 – 3 CS 20.1407 – juris Rn. 18 f.).
Daran gemessen verbleibt es bei einer reinen Interessenabwägung. Denn der Ausgang des Hauptsacheverfahrens über die Rechtmäßigkeit der Dienstwohnungszuweisung ist nicht hinreichend absehbar. Selbst wenn der Widerspruchsbescheid vom 29. September 2021 über die Dienstwohnungszuweisung entschieden haben sollte, ist die dagegen erhobene Klage vor dem kirchlichen Verwaltungsgericht noch anhängig (VG-332). Eine differenziertere Prüfung im Rahmen des – ausnahmsweise isoliert gestellten – Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO wäre zum einen systemfremd, zum anderen müsste im Zuge dessen auf die erst durch das kirchliche Verwaltungsgericht zu klärenden Fragen vorgegriffen werden (vgl. VG Bayreuth, B.v. 25.5.2020 – B 5 S 20.195 – BeckRS 2020, 46098 Rn. 32).
Aus der insoweit allein verbleibenden Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, von den finanziellen Auswirkungen des in seiner Vollziehbarkeit gehemmten Bescheids vom 24. August 2021 bis zu dessen Unanfechtbarkeit bzw. Anordnung der sofortigen Vollziehung der Dienstwohnungszuweisung verschont zu bleiben und dem Interesse der Antragsgegnerin, nur schwer rückgängig zu machende Maßnahmen zu vermeiden, ergibt sich ein überwiegendes Interesse auf Seiten des Antragstellers.
Hierbei sind aus dem Blickwinkel des zur Klärung allein der vermögensrechtlichen Seite berufenen Gerichts die wirtschaftliche Dimension der Streitigkeit sowie das diesbezügliche Verhalten beider Beteiligter zu beachten.
Für das Interesse der Antragsgegnerin spricht der administrative Aufwand, den die Berechnung der jeweils auszuzahlenden Bezüge und insbesondere der zusätzliche Aufwand sowie das Liquiditätsrisiko im Falle der Rückforderung bei endgültigem Unterliegen des Antragstellers in der Hauptsache bedeuten würde. Für einen vorläufigen Einbehalt der Bezüge spricht auch die Zusicherung der Antragsgegnerin (Beschwerdeerwiderung v. 19.1.2022 S. 2), den Antragsteller bereits für den Fall, dass dieser in dem Hauptsacheverfahren vor dem kirchlichen Verwaltungsgericht gegen die Versetzung auf die Pfarrstelle in B. … … … obsiegen sollte, rückwirkend – ohne Insolvenzrisiko der Beschwerdegegnerin – entsprechend der gerichtlichen Entscheidung zu besolden. Eine wirtschaftliche Notlage des Antragstellers ist angesichts eines Nettogehalts in Höhe von 4.339,49 Euro – unabhängig von der beruflichen Tätigkeit seiner Ehefrau – derzeit nicht glaubhaft gemacht, zumal dem Antragsteller eine Dienstwohnung zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestellt wird.
Gleichwohl überwiegt das Interesse des Antragstellers an einer vorläufig ungekürzten Auszahlung seiner Bezüge. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die vorhandene Dienstwohnung für den Antragsteller von erheblichem Vorteil sei. Zwar ist der Antragsteller durch den Beschluss des kirchlichen Verwaltungsgerichts vom 30. September 2021 (VG-330) vorläufig verpflichtet, seinen Dienst auf der Pfarrstelle in B. … … … anzutreten. Jedoch schätzte das kirchliche Verwaltungsgericht die Erfolgsaussichten hinsichtlich der Versetzungsverfügung lediglich als offen ein; die Dienstwohnungszuweisung war nicht Gegenstand des kirchengerichtlichen Verfahrens. Zudem ist der Antragsteller angesichts seiner seit 28. September 2021 bestehenden vorübergehenden Dienstunfähigkeit derzeit von seiner Dienstleistungspflicht befreit. Vor diesem Hintergrund liegt das derzeitige Leerstehen der Dienstwohnung nur eingeschränkt im Verantwortungsbereich des Antragstellers. Die abstrakte Nutzungsmöglichkeit der bereitgestellten Dienstwohnung war daher in Anbetracht seiner persönlichen Verhältnisse nicht als erheblicher Vorteil zu bewerten. Der Antragsteller wendet sich zudem – wenn auch erst nach Erlass des angefochtenen erstinstanzlichen Beschlusses – gegen die Dienstwohnungszuweisung als solche, indem er geltend macht, die Größe der ihm zugewiesenen Dienstwohnung übersteige seine Bedürfnisse und er bevorzuge die Anmietung eines kostengünstigeren Appartements.
Besonders ins Gewicht fällt, dass der Antragsteller unabhängig von seiner Dienstleistungsverpflichtung durch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Dienstwohnungszuweisung derzeit nicht verpflichtet ist, in der zugewiesenen Dienstwohnung zu wohnen (BayVGH, B.v. 11.12.2020 – 3 CS 20.1407 – juris Rn. 17). Ihre Möglichkeit zur Beendigung der aufschiebenden Wirkung durch Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nutzt die Antragsgegnerin offenkundig nicht. Stattdessen vollzieht sie rechtswidrig die Dienstwohnungszuweisung, indem sie die aufschiebende Wirkung missachtet und die Bezüge des Antragstellers teilweise einbehält.
Das Interesse des Antragstellers besteht darin eine finanzielle Doppelbelastung zu vermeiden, die aus dem Dienstwohnungsabschlag einerseits und den anfallenden Kosten für seine derzeit genutzte Wohnung andererseits resultiert. Da durch die Vollziehung ein fortdauernder rechtswidriger Zustand herbeigeführt worden, die Folgenbeseitigung rechtlich und tatsächlich möglich ist, die Antragsgegnerin durch ihre unterlassene Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die fehlende Vollziehbarkeit der Dienstwohnungszuweisung offenkundig übergeht sowie keine Anhaltspunkte für ein unzumutbares Insolvenzrisiko auf Seiten des Antragstellers vorliegen, überwiegt das Interesse des Antragstellers, im Sinne des durch den erhobenen Widerspruch bestehenden Suspensiveffekts rückwirkend und zukünftig von den besoldungsrechtlichen Folgen der Zuweisung freigestellt zu werden. Daraus ergibt sich nicht nur, dass die Antragsgegnerin die seit 1. Oktober 2021 einbehaltenen Bezügebestandteile an den Antragsteller zu erstatten hat. Sondern die Antragsgegnerin hat auch die künftig bis zur Entscheidung in der Hauptsache anfallenden Bezüge ungekürzt auszubezahlen. Die Auszahlung steht freilich unter dem Vorbehalt, dass bei Unterliegen des Antragstellers in der Hauptsache die entsprechenden Beträge durch die Antragsgegnerin zurückgefordert werden können.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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