Verwaltungsrecht

Nichtantreten zweier Arbeitsversuche nach schwerer Erkrankung

Aktenzeichen  16a DZ 15.183

Datum:
20.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 45495
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 12, Art. 62
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Mit der Weigerung, einen fachlich abgestimmten Arbeitsversuch anzutreten, kann der Beamte gegen seine Gehorsamspflicht und die Pflicht zur ordnungsgemäßen Diensterfüllung verstoßen, was die Kürzung des Ruhegehalts durch Disziplinarverfügung rechtfertigt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 10A DB 2014-12-05 Endurteil VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Gründe

Der auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i. V. m. Art. 62 Abs. 2 Satz 2 BayDG (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen nicht. Solche ernstliche Zweifel wären nur dann anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt würde (BVerfG, B. v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen würden, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismitteln des Zulassungsverfahrens mithin möglich erscheint (BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4/01 – juris). Das ist hier nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Disziplinarverfügung vom 27. Juni 2013 zu Recht mit der Maßgabe abgewiesen, dass das Ruhegehalt des Klägers auf die Dauer von 12 Monaten um jeweils 1/10 gekürzt wird. Hintergrund der strittigen Disziplinarverfügung ist der Vorwurf, der Kläger habe zwei Arbeitsversuche (mit Wiedereingliederung) in der Zeit vom 1. Dezember bis 16. Dezember 2008 bzw. vom 23. März bis 8. April 2009 pflichtwidrig nicht angetreten.
Die hiergegen vom Kläger innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO i. V. m. Art. 62 Abs. 2 Satz 2 BayDG vorgebrachten Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
1.1 Der Kläger trägt vor, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass er in den betreffenden Zeiträumen nicht vollständig dienstfähig gewesen sei. Auch wenn er keine ärztlichen Dienstunfähigkeitsbescheinigungen mehr vorgelegt habe, sei unstreitig, dass er an einer Niereninsuffizienz gelitten habe, die mithilfe einer Dialyse ständig behandelt habe werden müssen. Der Kläger weist ferner darauf hin, dass der Dienstherr nicht die volle Dienstleistung gefordert habe, sondern nur einen Arbeitsversuch auf einer eigens eingerichteten Stelle. Aus diesem Grund könne der Nichtantritts eines Arbeitsversuchs nicht mit dem Fernbleiben eines gesunden und vollständig leistungsfähigen Beamten gleichgesetzt werden.
Die Frage, in welchem Maße der Kläger dienstfähig war, war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidend. Entscheidend war vielmehr, dass sich der Kläger nach eigener Einschätzung als voll dienstfähig ansah (vgl. amtsärztliche Stellungnahme vom 23.10.2008) und der Arbeitsversuch dem Dienstherrn ermöglichen sollte, über die tatsächliche Dienstfähigkeit des Klägers zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger mit dem Nichtantritt der angeordneten Arbeitsversuche gegen seine Gehorsamspflicht (§ 35 Satz 2 BeamtStG) und gegen seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Diensterfüllung (§ 34 BeamtStG) verstoßen hat. Mit der Weigerung, einen – insbesondere mit dem Gesundheitsamt aufgrund einer amtsärztlichen Untersuchung fachlich abgestimmten – beschränkten Arbeitsversuch anzutreten, hat der Kläger gegen seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Diensterfüllung verstoßen. Eine Parallele mit dem Fernbleiben eines gesunden und vollständig leistungsfähigen Beamten vom Dienst hat das Verwaltungsgericht entgegen dem klägerischen Vortrag nicht gezogen.
1.2 Der Kläger meint, es sei zu berücksichtigen, dass der Dienstherr mit der Einleitung des Zwangspensionierungsverfahrens zum Ausdruck gebracht habe, dass der Kläger seinen Dienst nicht mehr verrichten könne. Der Arbeitsversuch habe allein den Zweck gehabt, nachzuweisen, dass der Kläger nicht mehr dienstfähig sei. Er schlussfolgert, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts verfehlt sei, der Dienstherr habe die uneingeschränkte Dienstleistung des Klägers gefordert.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich hieraus nicht. Der Senat hat in seiner Entscheidung zum Zwangspensionierungsverfahren vom 27. November 2011 (3 ZB 11.585 – juris 11) ausgeführt, dass der Kläger, der sich selbst für „voll arbeitsfähig“ hielt, einen Arbeitsversuch während des Zwangspensionierungsverfahrens nicht verweigern durfte. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Bewertung des Arbeitsversuchs über die Dienstfähigkeit des Klägers entscheiden sollte. Eine uneingeschränkte Dienstleistung des Klägers hat es nicht gefordert.
1.3 Der Kläger wendet sich gegen die Ansicht des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe nicht die Befugnis gehabt, mit seinen Dienstvorgesetzten die Modalitäten des Arbeitsversuchs auszuhandeln. Das Verwaltungsgericht habe die Tatsache ausgeblendet, dass sich sowohl der Dienstherr als auch die Landesanwaltschaft auf eine solche Verhandlung mit dem Kläger bzw. dessen Bevollmächtigten eingelassen hätten. Der Dienstherr verhalte sich widersprüchlich, wenn er einerseits mit dem Beamten über die Modalitäten der Wiedereingliederung verhandle, andererseits aber auf einer unbedingten Einhaltung der Gehorsamspflicht bestehe.
Die behauptete Widersprüchlichkeit besteht nicht. Die Stadt S… hat mit Schreiben vom 26. November 2008 mitgeteilt, dass sie weiterhin davon ausgeht, dass Kläger am 1. Dezember 2008 mit dem Arbeitsversuch beginnt und damit hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie zu weiteren Verhandlungen nicht mehr bereit ist.
1.4 Das Verwaltungsgericht hat bei der Würdigung der Persönlichkeit des Klägers berücksichtigt, dass sich der Kläger nach seiner schweren Erkrankung in hohem Maße unkooperativ gezeigt und die Zusammenarbeit mit seinem Dienstherrn und den zuständigen Behörden erschwert habe.
Der Kläger trägt hierzu vor, er habe sich zumindest bis zu seiner wiederholten amtsärztlichen Untersuchung im Oktober 2008 stets kooperativ gezeigt. Er bezichtigt den Bürgermeister der Stadt S… der Rücksichtslosigkeit, Kompromisslosigkeit und der Unwürdigkeit, ohne sein eigenes Verhalten einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, der Kläger sei unkooperativ, wird damit nicht widerlegt.
1.5 Der Kläger wirft dem Verwaltungsgericht vor, es habe in Bezug auf den Zeitraum vom 23. März bis 8. April 2009 außer Acht gelassen, dass der Dienstherr mit seinem Schreiben vom 19. März 2009 den gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG gesetzlich vorgeschriebenen Weg über den Rechtsanwalt nicht eingehalten habe. Außerdem habe der Dienstherr die mit dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers ausgehandelten Kriterien für den Arbeitsversuch einseitig abgeändert. Deshalb sei es gerechtfertigt gewesen, dass der Kläger den Arbeitsversuch nicht ohne vorherige Klärung dieses Umstands mit seinem damaligen Bevollmächtigten angetreten habe.
Die Festsetzung des Beginns für den zweiten Arbeitsversuch erfolgte mit Schreiben vom 11. März 2009 gegenüber dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers. Die Übermittlung der näheren Modalitäten des Arbeitsversuchs wurde dem Kläger seitens der Gemeinde S… mit Schreiben vom 19. März 2009 auf Wunsch des Bevollmächtigten (Telefax vom 19.3.2009) unmittelbar zugeleitet. Ein Verletzung der Sollvorschrift des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG liegt vor diesem Hintergrund nicht vor. Die Zulassungsbegründung legt nicht dar, inwieweit ausgehandelte Kriterien für den Arbeitsversuch einseitig abgeändert worden sein sollen, so dass der Kläger insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils darlegen kann, zumal sich aus dem vorliegenden Akteninhalt keine Anhaltspunkte für die klägerische Behauptung ergeben. Insoweit hat die Landesanwaltschaft im erstinstanzlichen Verfahren bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass das Schreiben vom 19. März 2009 keine Aspekte enthielt, die nicht abgesprochen gewesen wären. Eine Entschuldigung für das Nichtantreten des Arbeitsversuchs liegt somit nicht vor.
1.6 Abschließend rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe nicht ausreichend gewürdigt, dass dem Kläger kein Verschulden angelastet werden könne. Er verweist auf die von ihm bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Aufsätze zur Thematik „Depression bei chronisch Nierenkranken“. Zwar lägen hinsichtlich der psychischen Belastungen des Klägers keine fachärztlichen Atteste vor. Gleichwohl sei davon auszugehen, dass bei chronisch Nierenkranken typischerweise derartige Begleiterscheinungen aufträten, die von den Betroffenen nicht bewusst gesteuert werden könnten. Aus medizinischer Sicht sei es deshalb höchst fragwürdig, in Bezug auf das fehlende Vertrauen des Klägers in die redlichen Absichten des Dienstherrn und die eigene Unsicherheit im Umgang mit den Vertretern des Dienstherrn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zu unterstellen.
Allein die abstrakte Möglichkeit einer psychischen Belastung vermag die Annahme schuldhaften Handelns nicht zu entkräften, zumal valide ärztliche Atteste für eine konkrete psychische Erkrankung des Klägers in den maßgeblichen Zeiträumen im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgelegt worden sind. Auch im Zulassungsverfahren wurde die abstrakte Möglichkeit einer psychischen Erkrankung nicht konkretisiert, so dass Anhaltspunkte für ein fehlendes Verschulden im hier zu beurteilenden konkreten Einzelfall nicht vorliegen.
Der Kläger verweist auf „etwaige Fehleinschätzungen“ des damaligen Bevollmächtigten, die nicht zu seinen Lasten gewertet werden dürften. Angesichts dessen, dass der Vortrag unkonkret bleibt, kann er auch insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils darlegen. Im Übrigen ist der Kläger von dem Risiko einer Fehleinschätzung seines Bevollmächtigten nicht befreit (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO).
2. Nach alldem war der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge aus Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei (Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG).
Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (Art. 62 Abs. 2 BayDG i. V. m. § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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