Verwaltungsrecht

Nichtzulassung der Berufung: Entlassung aus der Bundeswehr

Aktenzeichen  6 ZB 20.1201

Datum:
5.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26791
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5
SG § 7, § 11, § 23 Abs. 1, § 55 Abs. 5

 

Leitsatz

Da eine Berufungszulassung nur gerechtfertigt ist, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge des angegriffenen Urteils ein Zulassungsgrund dargelegt und gegeben ist, scheidet die Zulassung aus, wenn Einwände lediglich gegen den ersten Begründungsstrang des Verwaltungsgerichts geltend gemacht werden, ohne sich auch mit den anderen Begründungssträngen inhaltlich aueinsanerzusetzen.  (Rn. 6 – 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21b K 18.6094 2020-03-10 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. März 2020 – M 21b K 18.6094 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 13.347,60 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist, greifen nicht durch (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Das Verwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die innerhalb der ersten vier Dienstjahre erfolgte, auf § 55 Abs. 5 SG gestützte fristlose Entlassung des Klägers aus seinem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit rechtmäßig ist. Durch seine eigenmächtige Abwesenheit vom 3. April 2018 bis einschließlich 2. Mai 2018 sowie die Verweigerung des Befehls seines Disziplinarvorgesetzten, seine Uniform anzulegen, habe der Kläger schuldhafte Dienstpflichtverletzungen im Sinne von § 23 Abs. 1 SG begangen, da er damit zum einen die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) und zum anderen die Pflicht zum Gehorsam (§ 11 SG) verletzt habe. Dies sei auch jeweils schuldhaft geschehen.
Der Kläger habe aufgrund der truppenärztlichen Empfehlung durch Oberstabsarzt M., ihn in der Zeit vom 29. März 2018 bis einschließlich 31. Mai 2018 im Status „krank zuhause“ zu führen, keine Erlaubnis zum Fernbleiben vom Dienst gehabt. Nach der inneren Dienstordnung der Bundeswehr entfalle die Anwesenheits- und Dienstleistungspflicht eines erkrankten Soldaten erst mit seiner Freistellung vom Dienst durch den Disziplinarvorgesetzten, der die ärztliche Empfehlung in konkrete Maßnahmen für den Soldaten umsetze. Eine entsprechende Entscheidung des Dienstvorgesetzten habe aber nicht vorgelegen. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausginge, dass es ihm am 29. März 2018 unmöglich gewesen sein sollte, (irgend-)einen Disziplinarvorgesetzten zu erreichen, der zur Freistellung befugt gewesen wäre, hätte der Kläger alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen müssen, um Kontakt mit seiner Kompanie aufzunehmen. Der Kläger habe auch gewusst, dass er vor einer Abwesenheit von seiner Einheit die Genehmigung seines nächsten Disziplinarvorgesetzten hätte einholen müssen.
Darüber hinaus habe der Kläger schuldhaft in der Form direkten Vorsatzes gegen die Gehorsamspflicht nach § 11 SG dadurch verstoßen, dass er sich dem Befehl seines Vorgesetzten, Hauptmann G., die Uniform anzulegen, ausdrücklich widersetzt habe.
Der weitere Verbleib des Klägers in der Bundeswehr würde, allein tragend auf jeder festgestellten Dienstpflichtverletzung an sich, die militärische Ordnung ernstlich gefährden.
Ist die erstinstanzliche Entscheidung – wie vorliegend – selbständig tragend mehrfach begründet, ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2018 – 6 ZB 17.956 – juris Rn. 3 m.w.N.). Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (vgl. BVerwG, B.v. 21.8.2018 – 4 BN 44.17 – juris Rn. 3; B.v. 9.9.2009 – 4 BN 4.09 – juris Rn. 5).
Mit seinem Zulassungsantrag wendet sich der Kläger nur gegen den ersten Begründungsstrang des Verwaltungsgerichts (eigenmächtige Abwesenheit vom Dienst, Verstoß gegen § 7 SG). Sowohl die – sinngemäß erhobene – Rüge ernstlicher Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) als auch die geltend gemachten Gehörsrügen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) betreffen allein die Auffassung der Vorinstanz, der Kläger sei unentschuldigt vom Dienst ferngeblieben.
Der zweite, das Urteil ausdrücklich ebenfalls selbständig tragende Begründungsstrang (Verstoß gegen die Gehorsamspflicht aus § 11 Abs. 1 SG) wird jedoch nicht mit Zulassungsgründen angegriffen. Daher muss die Zulassung der Berufung von vornherein ausscheiden, ohne dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den im Hinblick auf den ersten Begründungsstrang geltend gemachten Zulassungsgründen erforderlich ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.8.2018 – 4 BN 44.17 – juris Rn. 3; B.v. 9.9.2009 – 4 BN 4.09 – juris Rn.5; BayVGH, B.v. 20.1.2020 – 6 ZB 19.2514 – juris Rn 6; B.v. 14.8.2017 – 6 ZB 17.31024 – Rn. 4; B.v. 3.1.2006 – 9 ZB 05.30959 – juris Rn. 5; Kraft in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 138 Rn. 37 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47‚ § 52 Abs. 6 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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