Verwaltungsrecht

Nutzungsuntersagung für Wettbüro – Fälligstellung Zwangsgeld und erneute Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  9 ZB 19.1629

Datum:
6.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20931
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwZVG Art. 31 Abs. 3 S. 3, Art. 36 Abs. 6 S. 2, Art. 37 Abs. 4, Art. 38 Abs. 1 S. 3, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Im isolierten Vollstreckungsverfahren kann der Vollstreckungsschuldner grundsätzlich sowohl gegen die Androhung als auch gegen die Fälligstellung von Zwangsgeldern mit Einwendungen gegen einen unanfechtbaren Ausgangsbescheid nicht mehr gehört werden (vgl. Art. 38 Abs. 1 S. 3 und Abs. 3 BayVwZVG). (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein durch eine Nutzungsuntersagung in Anspruch genommener Vermieter hat mit der Vorlage des Kündigungsschreibens nicht nachgewiesen oder auch nur dargelegt, ausreichend dafür Sorge getragen zu haben, dass die Nutzung fristgerecht beendet wird. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 18.647 2019-07-03 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Fälligstellung eines angedrohten Zwangsgeldes und eine erneute Zwangsgeldandrohung.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2018 verpflichtete die Beklagte die Klägerin, dafür zu sorgen, dass die Nutzung des Anwesens K* …straße … (FlNr. … Gemarkung L* …, N* …*) als Vergnügungsstätte in Form eines Wettbüros innerhalb einer Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids beendet wird (Nr. 1 Satz 1) und ordnete an, dass eine Vermietung der Räumlichkeiten bzw. anderweitige Übergabe an Dritte für eine Nutzung als Wettbüro zu unterlassen ist (Nr. 1 Satz 2). Ferner wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. 1 Satz 3). Für den Fall der Nichteinhaltung der Frist wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro angedroht (Nr. 2 des Bescheids vom 30.1.2018).
Mit Bescheid vom 26. März 2018 setzte die Beklagte der Klägerin zur Erfüllung ihrer Pflicht aus Nr. 1 des Bescheids vom 30. Januar 2018 eine Nachfrist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids (Nr. 1) und drohte für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000,00 Euro an (Nr. 2 des Bescheids). Unter dem gleichen Datum teilte die Beklagte der Klägerin außerdem mit, dass das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden sei.
Die gegen den Bescheid vom 30. Januar 2018 erhobene Klage (Az. AN 9 K 18.00317) sowie die auf Feststellung, dass das diesbezüglich angedrohte Zwangsgeld von 10.000,00 Euro nicht fällig geworden ist, und auf Aufhebung des Bescheids vom 26. März 2018 gerichtete Klage (Az. AN 9 K 18.00647) hat das Verwaltungsgericht in einer gemeinsamen Entscheidung mit Urteil vom 3. Juli 2019 abgewiesen. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren und ihr Aufhebungsbegehren hinsichtlich der erneuten Zwangsgeldandrohung weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht wegen geltend gemachter ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen.
Soweit die Klägerin im Zulassungsverfahren Akteneinsicht in die Verfahrensakten …- …- …, …- …- … und …- …- … der Beklagten beantragt hat, ist der Klägerin bereits Akteneinsicht durch die Beklagte (s. Bl. 115 der Verfahrensakte …- …- … der Beklagten) bzw. hinsichtlich der Verfahren …- …- … und …- …- … noch einmal im Verfahren 9 ZB 20.3076, in dem diese vorgelegt worden sind, gewährt worden. Soweit die Klägerin die Beiziehung der Verfahrensakten hinsichtlich der Bauantragsverfahren …- …- … und …- …- … und betreffend einen Döner-Imbiss und einen Sexshop nebst Werbeanlage in der K* …straße …, einen Internetshop in der B* … Straße … sowie der Aufstellungsakten zum Bebauungsplan … neben der Beiziehung ebenfalls jeweils Akteneinsicht in diese beantragt hat, ergibt sich – wie nachfolgenden Ausführungen zu entnehmen ist – aus dem Zulassungsvorbringen nicht, dass dem Inhalt dieser Akten Entscheidungserheblichkeit in Bezug auf das Zulassungsverfahren zukommen könnte. Den Anträgen war nicht näher zu treten (vgl. BayVGH, B.v. 5.5.2015 – 22 ZB 15.282 – juris Rn. 23).
1. Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin als Rechtsmittelführerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Das Verwaltungsgericht hat das mit Bescheid vom 30. Januar 2018 angedrohte Zwangsgeld als fällig geworden (vgl. Art. 31 Abs. 3 Satz 3 BayVwZVG) und die zugrundeliegende Androhung eines Zwangsmittels als erfolglos angesehen (vgl. Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG), weil die Klägerin der Nutzungsuntersagungsverfügung nach Art. 76 Satz 2 BayBO in Nr. 1 dieses ihr am 5. Februar 2018 zugestellten Bescheids nicht rechtzeitig nachgekommen ist.
a) Soweit mit dem Zulassungsvorbringen Einwendungen gegen die der hier streitgegenständlichen erneuten Zwangsgeldandrohung zugrundeliegende zwangsgeldbewehrte Verfügung vom 30. Januar 2018 erhoben werden, wird auf den unanfechtbaren Beschluss des Senats vom 5. Juli 2021 (Az. 9 ZB 19.1610) verwiesen, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 3. Juli 2019 in Bezug auf das Verfahren mit dem Aktenzeichen AN 9 K 18.317 rechtskräftig geworden ist (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO). Im isolierten Vollstreckungsverfahren kann der Vollstreckungsschuldner grundsätzlich sowohl gegen die Androhung als auch gegen die Fälligstellung von Zwangsgeldern mit Einwendungen gegen einen unanfechtbaren Ausgangsbescheid nicht mehr gehört werden (vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 BayVwZVG).
b) Die Klägerin weckt auch mit ihrem Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht gehe, nachdem sie der Betreiberin des Wettbüros mit Schreiben vom 22. Februar 2018 fristlos gekündigt habe, zu Unrecht vom einem fortgesetzten Verstoß gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung durch die Klägerin aus, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.
Das Verwaltungsgericht hatte darüber zu befinden, ob die Beklagte mit Ablauf der im Bescheid vom 30. Januar 2018 gesetzten Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids und auch noch zum Zeitpunkt des Erlasses der hier angefochtenen zweiten Zwangsgeldandrohung davon ausgehen durfte, dass die Klägerin der Nutzungsuntersagungsverfügung noch nicht nachgekommen war. Maßgeblich ist, ob die Erfüllung dieser Verpflichtung bis dahin substantiiert geltend gemacht wurde oder für die Behörde auch unabhängig davon ersichtlich war (vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2019 – 9 ZB 19.999 – juris Rn. 8 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat auf das Ergebnis der Ortseinsicht der Beklagten am 15. März 2018 und darauf abgestellt, dass die Klägerin sich zwar auf eine mit Schreiben vom 22. Februar 2018 ausgesprochene Kündigung berufe, die Nutzung aber nicht beendet sei und die Klägerin weitere in ihrer Macht stehende Maßnahmen zur Durchsetzung ihrer Verpflichtung, wie etwa die Inanspruchnahme von (einstweiligem) Rechtsschutz oder einer entsprechenden Androhung nicht dargelegt habe. Dies ist im Hinblick auf die allgemeinen Mitwirkungspflichten (vgl. Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG) der Klägerin hier nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, dass eine Kopie des Kündigungsschreibens der Klägerin an die Betreiberin vom 22. Februar 2018 der Beklagten erst am 6. April 2018 zuging, was bezüglich des Ablaufs der Monatsfrist aus dem am 5. Februar 2018 zugestellten Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2018 sowie der erneuten Zwangsgeldandrohung mit Bescheid vom 26. März 2018 zu spät war und nur noch im Hinblick auf die Regelungen in Art. 37 Abs. 4 VwZVG von Bedeutung sein könnte (vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2019 a.a.O.), hat die Klägerin mit der Vorlage des Kündigungsschreibens nicht nachgewiesen oder auch nur dargelegt, ausreichend dafür Sorge getragen zu haben, dass die Nutzung des Anwesens K* …straße … als Vergnügungsstätte in Form eines Wettbüros innerhalb einer Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheids am 5. Februar 2018 beendet wird. Der Umstand der Kündigung des Mietverhältnisses durch die Klägerin, die sich im Übrigen nach wie vor als Bauherrin geriert hat und für die nichts dafür vorgetragen wurde oder ersehen werden kann, dass sie selbst die ihr gegenüber mit Schreiben vom 20. Februar 2018 ausgesprochene Kündigung durch die Eigentümerinnen des Baugrundstücks akzeptiert hätte, bewirkte nach dem Ergebnis des Ortstermins der Beklagten am 15. März 2018 augenscheinlich nicht, die Betreiberin des Wettbüros von dessen Fortführung abzuhalten. Dass der Klägerin innerhalb der Monatsfrist nicht noch weitere Möglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, um auf die Beendigung der rechtswidrigen Nutzung hinzuwirken, trägt die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen zudem nicht substantiiert vor.
Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass die Beklagte gegenüber den Eigentümerinnen, die ebenfalls lediglich gekündigt hätten, nicht erneut ein Zwangsgeld angedroht habe. Schon in Anbetracht dessen, dass eine Kopie des Kündigungsschreibens der Eigentümerinnen der Beklagten bereits am 21. Februar 2018 zuging und die Klägerin mit Bescheid vom 30. Januar 2018 nicht nur als Mieterin und Untervermieterin, sondern auch als Bauherrin und somit letztlich als weitere Handlungsstörerin neben der Betreiberin des Wettbüros von der Beklagten in Anspruch genommen worden war, ist ein Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 3 GG (vgl. BVerwG, B.v. 24.7.2014 – 4 B 34.14 – juris Rn. 4) damit nicht substantiiert dargelegt.
c) Da die Fälligkeit der Zwangsgeldforderung gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 BayVwZVG bei nicht fristgerechter Pflichterfüllung kraft Gesetzes eintritt, sind schließlich auch die Einwendungen der Klägerin hinsichtlich fehlerhafter Angaben von Geschäftszeichen der Beklagten und fehlender Daten zum Ausgangsbescheid in der Fälligkeitsmitteilung vom 26. März 2018 unbehelflich.
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Die Klägerin geht mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen nicht über das hinaus, was sie zur Begründung ihrer Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, sondern verweist hierauf. Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen lassen sich, soweit sie überhaupt entscheidungserheblich sind, ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären. Besondere Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens haben sich nach den obigen Ausführungen nicht ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 15.2637 – juris Rn. 17 m.w.N.).
3. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 20.5.2019 – 9 ZB 18.1261 – juris Rn. 17). Dem wird das Zulassungsvorbringen, dass keine die Fälligkeit der Zwangsgeldandrohung und die erneute Zwangsgeldandrohung betreffenden grundsätzlichen Fragen aufwirft, nicht gerecht.
4. Die Berufung ist auch nicht wegen Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.
Der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht. Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 4 B 21.16 – juris Rn. 5). Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen, das schon keine sich widersprechenden Rechtssätze gegenüberstellt, nicht gerecht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit dieser Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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