Verwaltungsrecht

Nutzungsuntersagung gegen Eventlokalität

Aktenzeichen  9 CS 20.2376

Datum:
8.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1723
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 2
VwZVG Art. 31 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Nutzungsuntersagung hat in erster Linie die Funktion, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen; insoweit muss grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Allerdings darf eine formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Nutzung eines Raumes als Veranstaltungsraum hat jedenfalls mit Blick auf nachbarliche Belange und Interessen gegenüber einer bloßen Weinprobierstube eine andere rechtliche Qualität. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die bloße Duldung einer rechtswidrigen baulichen Anlage über längere Zeiträume hinweg im Sinne des schlichten Unterlassens des bauaufsichtlichen Einschreitens hindert auch bei Kenntnis der Bauaufsichtsbehörde den späteren Erlass einer Beseitigungsanordnung nicht. Etwas Anderes gilt nur, wenn die Bauaufsichtsbehörde aufgrund des Hinzutretens besonderer Umstände einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 5 S 20.1131 2020-09-30 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 30. September 2020 wird in Nr. I geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts M … vom 24. März 2020 wird angeordnet, soweit in Nr. 3 des Bescheids ein Zwangsgeld angedroht wurde. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der ein Weingut betreibt, wendet sich gegen eine sofort vollziehbare und zwangsgeldbewehrte Nutzungsuntersagung des Landratsamts M …
Mit Schreiben des Landratsamts M … vom 19. Dezember 2019 wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Nutzung seines Grundstücks FlNr. 152 Gemarkung H … für Veranstaltungen wie Hochzeiten, Events (z.B. Kabarettabende) und Konzerte nicht der mit Bescheid vom 16. Oktober 2012 genehmigten Nutzung einer Weinprobierstube entspreche. Dem Antragsteller wurde Gelegenheit gegeben, sich zur Aufforderung zu äußern, einen Bauantrag einzureichen sowie zur Absicht, die Nutzung für die im Bescheid vom 16. Oktober 2012 nicht umfassten Veranstaltungen ab dem 1. Februar 2020 zu untersagen. Hierzu teilte die Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 20. Januar 2020 mit, dass für die Einreichung eines Bauantrags noch Zeit benötigt werde. Mit weiterem Schriftsatz vom gleichen Tag wurde zur beabsichtigten Nutzungsuntersagung Stellung genommen.
Mit Bescheid des Landratsamts vom 24. März 2020 wurde dem Antragsteller die Nutzung des Gebäudes und des Innenhofes auf dem Grundstück FlNr. 152 Gemarkung H … als Eventlokalität für die Abhaltung von Feiern jeglicher Art, für Musikdarbietungen und für Kabarett sowie als Yoga-Raum mit Zustellung des Bescheids sofort untersagt; unberührt bleibe der Nutzungsumfang, der mit Bau-Bescheid vom 16. Oktober 2012 genehmigt worden ist (Probierstube mit bis zu 40 Gastplätzen) unter den dort genannten Auflagen (Nr. 1). Ferner wurde die sofortige Vollziehung der Untersagung in Nr. 1 angeordnet (Nr. 2) und in Nr. 3 ausgeführt, dass für den Fall, dass die Untersagung in Nr. 1 des Bescheids nicht befolgt wird, ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro zur Zahlung fällig wird.
Hiergegen ließ der Antragsteller Klage (W 5 K 20.575) erheben, über die noch nicht entschieden ist. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 25. August 2020 beantragte der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung seiner Klage insoweit wiederherzustellen, als zum einen die Nutzung als Yoga-Raum und zum anderen als die Nutzung des Gebäudes und des Innenhofes für die Abhaltung von Feiern jeglicher Art, also auch mit geladenen Gästen (Hochzeiten und anderen Feiern), untersagt wurde (Nr. 2). Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss 30. September 2020 den Antrag ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die gewerbliche Nutzung der Gebäude zur Ausrichtung von Feierlichkeiten und Yogakursen nicht Gegenstand der Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 sei, die Nutzungsuntersagung nicht unbestimmt sei und sich die beanspruchten Nutzungen nicht offensichtlich als genehmigungsfähig einstufen ließen.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger hiergegen. Er ist der Ansicht, der Bescheid und das Verwaltungsgericht differenzierten nicht ausreichend zwischen den einzelnen Nutzungen. Die Nutzungsuntersagung sei im Verhältnis zur Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 unbestimmt. Gewisse Feierlichkeiten seien bereits in der E-Mail des Antragstellers vom 26. September 2012 genannt worden und somit von der Baugenehmigung gedeckt. Das Risiko, die Grenzen dieser Baugenehmigung zu erkennen, werde einseitig dem Antragsteller auferlegt. Ein Yoga-Raum mache keinen Lärm und sei sogar in einem reinen Wohngebiet zulässig. Unklar sei auch, weshalb eine Weinprobe nicht im Rahmen eines Festes abgehalten werden dürfe. Die Nutzungsuntersagung sei zudem unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft. Da im Jahr 2013 ein Bußgeldbescheid zurückgenommen worden sei, liege eine faktische Duldung vor. Außerdem sei keine negative Vorbildwirkung zu erwarten, da der baurechtswidrige Zustand für Außenstehende nicht erkennbar sei.
Der Antragsteller beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 30. September 2020, die aufschiebende Wirkung der Klage – soweit beantragt – anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Nutzungsuntersagung sei nicht unbestimmt. Bei der genehmigten Weinprobierstube handle es sich um einen Annex zur landwirtschaftlichen Erzeugung in Form der Direktvermarktung erzeugter Produkte. Ein Veranstaltungsbetrieb ohne Bezug zum Produkt oder mit einer Nutzungsintensität und -art, der einer herkömmlichen Gaststätte entspreche, sei von der Baugenehmigung vom 16. Oktober 2020 nicht abgedeckt. Die E-Mail vom 26. September 2012 sei nicht Bestandteil der Baugenehmigung geworden. Ein Vertrauenstatbestand liege nicht vor, da keine vom Landratsamt jahrzehntelang unbeanstandete Nutzung vorliege.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der verschiedenen Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen eine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses nur hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz weitgehend zu Recht abgelehnt, weil die Klage im Hauptsacheverfahren weitgehend erfolglos bleiben wird.
Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung einer baulichen Anlage untersagt werden, wenn die Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich schon dann erfüllt, wenn eine bauliche Anlage ohne erforderliche Genehmigung, somit formell illegal, genutzt wird. Da die Nutzungsuntersagung in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, muss grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Allerdings darf eine formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 9.11.2020 – 9 CS 20.2005 – juris Rn. 18). Dies ist hier nicht der Fall.
1. Soweit der Antragsteller die Bestimmtheit der Nutzungsuntersagung in Nr. 1 des Bescheids des Landratsamts M … vom 24. März 2020 beanstandet und darauf abstellt, die tatsächlich ausgeübten Nutzungen seien bereits nach der Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 zulässig, führt dies nicht zum Erfolg.
Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein, d.h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein (vgl. BayVGH, B.v. 28.10.2015 – 9 CS 15.1633 – juris Rn. 18), so dass sie ihr Verhalten daran ausrichten können (vgl. OVG NW, B.v. 23.11.2020 – 10 A 2316/20 – juris Rn. 6). Maßgebend ist dabei der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bei Ermittlung dieses objektiven Erklärungswerts sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen. Es reicht aus, wenn sich der Regelungsgehalt aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt (vgl. VGH BW, U.v. 9.11.2020 – 3 S 2590/18 – juris Rn. 36).
Nach diesen Maßstäben ist die Nutzungsuntersagung vom 24. März 2020 auch im Verhältnis zur Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 hinreichend bestimmt. Gemäß Nr. 1 des Bescheids vom 24. März 2020 ist dem Antragsteller die Nutzung des Gebäudes und des Innenhofs auf FlNr. 152 der Gemarkung H … als Eventlokalität für die Abhaltung von Feiern jeglicher Art, für Musikdarbietungen und für Kabarett sowie als Yoga-Raum untersagt. Der Nutzungsumfang der Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 bleibt unter den dort genannten Auflagen unberührt, so dass die danach zulässigen Nutzungen ausdrücklich von der Nutzungsuntersagung vom 24. März 2020 ausgenommen wurden.
Der Inhalt der Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baubescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen, mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2018 – 9 CS 18.10 – juris Rn. 13). Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass die Beschreibung des Vorhabens durch den Antragsteller mit E-Mail vom 26. September 2012 weder nach Art. 68 Abs. 2 Satz 3 BayBO gestempelt wurde noch sonst zum Gegenstand der Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 gemacht wurde; dem setzt das Beschwerdevorbringen nichts entgegen. Dass die Beschreibung Eingang in die fachtechnische Stellungnahme vom 2. Oktober 2012 gefunden hat, genügt nicht, zumal diese auch nur von „Weinproben und -präsentationen“ sowie „immissionstechnisch eher unproblematischen Nutzungen wie Ausstellungen, Seminaren u.ä. auch 2 Wochenenden mit Heckenwirtschaftsbetrieb und vereinzelten Familienfeiern“ ausgeht, während die vom Antragsteller durchgeführten und geplanten Nutzungen (vgl. E-Mail des Bürgermeisters der Gemeinde T … v. 8.1.2020, Behördenakte Bl. 34; Stellungnahme des Antragstellers vom 13.1.2020, Bl. 68 sowie das Betriebskonzept vom 13.1.2020, Aktenheftung Bl. 13) deutlich darüber hinausgehen. Eine Einbeziehung der Beschreibung vom 26. September 2012 lässt sich zudem auch den festgesetzten Auflagen zum Immissionsschutz im Bescheid vom 16. Oktober 2012 nicht entnehmen.
Mit Bescheid vom 16. Oktober 2012 wurde eine Probierstube mit 40 Sitzplätzen in dem ehemaligen Lager- und Scheunengebäude genehmigt. Hierbei handelt es sich um einen Raum, in dem landwirtschaftliche Erzeugnisse zum Zwecke der Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte – hier für den vom Antragsteller geführten Weinbaubetrieb – probiert werden können (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2013 – 9 B 09.952 – juris Rn. 52). Jegliche Art von Veranstaltungen, die über eine bloße Weinprobe hinausgehen, sind damit von der Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 nicht erfasst und haben ersichtlich eine andere rechtliche Qualität, was für den Antragsteller auch ohne weiteres ersichtlich ist.
Dementsprechend liegt für die tatsächliche Nutzung der Probierstube als Eventlokalität, was die näher bezeichneten Veranstaltungen (Abhaltung von Feiern jeglicher Art, Musikdarbietungen, Kabarett) zusammenfasst, keine baurechtliche Genehmigung vor. Auch die Nutzung der Probierstube als Yoga-Raum entspricht offensichtlich nicht der Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 und wirft zumindest eine Reihe baurechtlich klärungsbedürftiger Fragen hinsichtlich Art und Weise der Durchführung, des Nutzungsumfangs, des Veranstalters und der Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten auf, die das Beschwerdevorbringen – abgesehen von einer behaupteten Teilnehmerzahl von 6 bis 12 Personen – nicht ansatzweise weiter erläutert. Auch insoweit lässt sich deshalb nicht beurteilen, ob diese Nutzung möglicherweise unter geringeren Voraussetzungen als eine Eventlokalität genehmigungsfähig oder gar genehmigungsfrei ist. Auch in einem solchen Fall kann deshalb eine Nutzungsuntersagung ausgesprochen werden (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand 10/2020, Art. 76 Rn. 290).
2. Das Beschwerdevorbringen zeigt auch keine Ermessensfehler des Bescheids vom 24. März 2020 i.S.d. § 114 Satz 1 VwGO auf.
a) Mit der tatsächlichen Nutzung der Probierstube durch Veranstaltungen verlässt diese die Variationsbreite der Baugenehmigung vom 16. Oktober 2012 und wirft die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichen Aspekten neu auf (vgl. BayVGH, B.v. 9.11.2020 – 9 CS 20.2005 – juris Rn. 19). Denn die Nutzung als Veranstaltungsraum hat – unabhängig von einer zusätzlichen gastronomischen Nutzung – jedenfalls mit Blick auf nachbarliche Belange und Interessen gegenüber einer bloßen Probierstube ersichtlich eine andere rechtliche Qualität (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2013 – 9 B 09.952 – juris Rn. 53). Das Verwaltungsgericht geht insoweit – auch im Hinblick auf die Nutzung als Yoga-Raum – von einer Gesamtanlage aus. Dem tritt das Beschwerdevorbringen durch den bloßen Hinweis, es werde nicht zwischen den unterschiedlichen Nutzungen differenziert, nicht ausreichend entgegen. Das Verwaltungsgericht verneint sodann eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit aufgrund fehlender bautechnischer Nachweise im Hinblick auf die Einstufung des Bauvorhabens als Sonderbau nach Art. 2 Abs. 4 Nr. 8 BayBO und der Notwendigkeit immissionsschutzrechtlicher und wasserrechtlicher Beurteilungen. Insoweit sind weder die tatsächliche Nutzung noch das beabsichtigte Vorhaben des Antragstellers jedenfalls in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht auch im Beschwerdeverfahren trotz der Schallimmissionsprognose der Firma W … … GmbH vom 27. Juli 2020 im Hinblick auf die vom Antragsteller vorgelegte vorläufige immissionsschutzfachliche Stellungnahme des Landratsamts vom 30. Oktober 2020 offensichtlich genehmigungsfähig. Mangels konkreter Angaben zu der Nutzung als Yoga-Raum kann auch insoweit nicht von offensichtlicher Genehmigungsfähigkeit oder Genehmigungsfreiheit ausgegangen werden.
b) Der Antragsteller kann sich auch nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen, weil die bloße Duldung einer rechtswidrigen baulichen Anlage über längere Zeiträume hinweg im Sinn des schlichten Unterlassens des bauaufsichtlichen Einschreitens auch bei Kenntnis der Bauaufsichtsbehörde den späteren Erlass einer Beseitigungsanordnung nicht hindert. Etwas Anderes gilt nur dann, wenn die Bauaufsichtsbehörde aufgrund des Hinzutretens besonderer Umstände einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2020 – 1 ZB 20.598 – juris Rn. 5). Ein solcher liegt hier aber – entgegen der Ansicht des Antragstellers – nicht darin, dass ein im Jahr 2013 vom Landratsamt ihm gegenüber erlassener Bußgeldbescheid wegen der Durchführung lärmintensiver Veranstaltungen nach Intervention des Antragstellers beim Landrat zurückgenommen worden sei. Hieraus lassen sich nämlich schon deshalb keine Anhaltspunkte dafür herleiten, die Bauaufsichtsbehörde dulde aktiv die Durchführung von über die Baugenehmigung vom 16. Oktober 2020 hinausgehenden Veranstaltungen, weil der Antragsteller nach Aktenlage jedenfalls über eine insoweit bestehende Genehmigungspflicht informiert wurde und darauf erklärte, dass er eine Nutzungsuntersagung zurückgestellt habe, um Eigentumsverhältnisse zu klären. Im Übrigen liegt hier auch kein außergewöhnlich langer Zeitraum für eine mögliche faktische Duldung vor (vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 – juris Rn. 36).
c) Soweit der Antragsteller darauf abstellt, die Nutzungsuntersagung sei ermessensfehlerhaft, weil mangels Veränderung baulicher Substanz keine negative Vorbildwirkung bestehe, zielt das Vorbringen nicht auf die Ermessensentscheidung, sondern vielmehr auf die Begründung des Sofortvollzugs ab (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 15.3.2020 – 2 S 2.00 – NVwZ-RR 2001, 229/230 f.; Molodovsky/Waldmann in Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand 9/2020, Art. 76 Rn. 181). Insoweit führt der Bescheid vom 24. März 2020 aber vielmehr die erhebliche Gefahr an, dass umliegende Nachbarn durch die Nutzung in nicht hinzunehmendem Maß belästigt werden.
3. Die Beschwerde hat nur Erfolg, soweit sich der Antrag des Antragstellers auf gegen die kraft Gesetzes (Art. 21a Satz 1 VwZVG) sofort vollziehbare Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des Bescheids vom 24. März 2020 richtet (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwZVG).
Rechtsgrundlage der Zwangsgeldandrohung ist Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31, 36 VwZVG. Aufgrund der Anordnung in Nr. 2 des Bescheids vom 24. März 2020 ist dieser gem. Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG sofort vollziehbar. Anhaltspunkte dafür, dass die Androhung von Zwangsgeld hier unverhältnismäßig sein könnte (Art. 29 Abs. 3 Satz 1 VwZVG) sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Die Androhung des Zwangsgeldes erscheint auch nicht unbestimmt, weil sich die Pflichten des Antragstellers aus dem (einheitlichen) Unterlassen der angeführten Nutzungen über die Baugenehmigung vom 24. März 2020 hinaus ergeben.
Im Hinblick auf die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes (Art. 31 Abs. 2, Art. 36 Abs. 5 VwZVG) dürfte die Androhung jedoch rechtswidrig sein, weil nicht zwischen der untersagten Nutzung als Eventlokalität und der untersagten Nutzung als Yoga-Raum unterschieden wird. Das Landratsamt hat insoweit einheitlich ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angesetzt und sich entsprechend den Bescheidsgründen am wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers orientiert (vgl. Art. 36 Abs. 2 Satz 4 VwZVG). Im Hinblick auf die unterschiedliche Qualität der Nutzungen und deren unterschiedliche Auswirkungen – Eventlokalität mit nachbarbeeinträchtigenden Lärmemissionen einerseits und mit angeführten nur sechs bis zwölf Teilnehmern deutlich weniger beeinträchtigende Yogakurse andererseits – sowie offener Genehmigungsfähigkeit der Eventlokalität gegenüber einer mangels konkreter Angaben zu Art, Umfang und Gestaltung nicht überprüfbaren Nutzung als Yoga-Raum und damit verbundener unterschiedlicher wirtschaftlicher Bedeutung für den Antragsteller erscheint ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro für die Untersagung der Nutzung als Yoga-Raum kaum angemessen. Anhaltspunkte dafür, das wirtschaftliche Interesse der Nutzung als Eventlokalität und der Nutzung als Yoga-Raum gleichzusetzen, sind weder angeführt noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Antragsteller bleibt mit seinem wesentlichen Begehren der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Nutzungsuntersagung erfolglos. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung ist demgegenüber untergeordnet (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 32).
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 1.7.2 und 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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