Verwaltungsrecht

Örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts bei einem inhaftierten Asylbewerber

Aktenzeichen  AN 3 K 20.30010

Datum:
5.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 21333
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 52 Nr. 2 S. 3 Hs. 1, Hs. 2, Nr. 3 S. 2, S. 3, Nr. 5, § 83 S. 1
GVG § 17a Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Ein inhaftierter Asylbewerber hat seinen Aufenthalt gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO (zwangsweise) im Bezirk desjenigen Verwaltungsgerichts zu nehmen, in dem sich die Justizvollzugsanstalt befindet (vgl. hierzu etwa VG Augsburg, B. v. 5.3.2018 – Au 6 K 18.30378, BeckRS 2018, 5402; VG Bayreuth,B. 12.09.2019 – B 1 K 19.89, BeckRS 2019, 41819; VG München, B. v. 11.1.2017 – M 1 S 16.51276, BeckRS 2017, 100650; VG Ansbach, B. v. 11.10.2013 – AN 9 S 13.30818, BeckRS 2013, 57425).     (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach erklärt sich für örtlich unzuständig.
2. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Augsburg verwiesen.

Gründe

I.
Die vorliegende Klage ist am 8. Januar 2020 beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen.
Der Kläger befand sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Justizvollzugsanstalt in … (Landkreis …*); die Entlassung zur Bewährung erfolgte am 6. Juli 2020.
Mit Beschluss vom 9. Juli 2020 wurde die Verwaltungsstreitsache auf die Einzelrichterin übertragen.
II.
Das Verwaltungsgericht Ansbach ist örtlich unzuständig.
Für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist vorliegend nicht § 52 Nr. 2 Satz 3 Hs. 2 i.V.m. Nr. 3 Satz 3 und Nr. 5 VwGO maßgeblich, sondern vielmehr entweder § 52 Nr. 2 Satz 3 Hs. 1 VwGO oder § 52 Nr. 2 Satz 3 Hs. 2 i.V.m. Nr. 3 Satz 2 VwGO (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 25.5.2000 – 21 ZB 00.30851 – juris Orientierungssatz sowie B.v. 18.1.2001 – 21 S 00.32364 – juris Rn. 7).
Dabei kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit § 52 Nr. 2 Satz 3 Hs. 1 oder Hs. 2 i.V.m. Nr. 3 Satz 2 VwGO einschlägig ist, da in beiden Fällen das Verwaltungsgericht Augsburg örtlich zuständig ist.
1. Gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 Hs. 1 VwGO ist für Streitigkeiten nach dem Asylgesetz das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer – im Zeitpunkt des Eingangs des Rechtsschutzbegehrens – nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat.
Zwar wurde vorliegend der Aufenthalt des Klägers nicht nach den Vorschriften des Asylgesetzes bestimmt, wie dies der Wortlaut des § 52 Nr. 2 Satz 3 Hs. 1 VwGO voraussetzt. Zu beachten ist jedoch die Ratio dieser Bestimmung, die ihre Anwendung zumindest im Wege der Analogie nahelegt. Denn die Vorschrift soll dazu dienen, die dezentrale gerichtliche Bewältigung der Asylverfahren und der damit unmittelbar zusammenhängenden Streitigkeiten zu ermöglichen, so dass sie in diesem Sinne weit auszulegen ist (BayVGH, B.v. 18.1.2001 – 21 S 00.32364 – juris Rn. 7).
Ein inhaftierter Asylbewerber hat seinen Aufenthalt gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO (zwangsweise) im Bezirk desjenigen Verwaltungsgerichts zu nehmen, in dem sich die Justizvollzugsanstalt befindet (vgl. hierzu etwa VG Augsburg, B.v. 5.3.2018 – Au 6 K 18.30378 – juris Rn. 4; VG Bayreuth, B.v. 19.1.2017 – B 3 17.30091 – juris Rn. 2; VG München, B.v. 11.1.2017 – M 1 S 16.51276 – juris Rn. 1; VG Ansbach, B.v. 11.10.2013 – AN 9 S 13.30818 – juris Rn. 2).
Vorliegend war der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung in der Justizvollzugsanstalt … im Landkreis … im Regierungsbezirk Schwaben inhaftiert, so dass hiernach die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Augsburg gegeben ist.
2. Gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 Hs. 2 i.V.m. Nr. 3 Satz 2 VwGO ist der Ort der Inhaftierung als Lebensmittelpunkt zum Zeitpunkt der Klageerhebung in Ermangelung eines anderen legalen Aufenthaltsortes als Wohnsitz anzusehen und damit das Verwaltungsgericht Augsburg, in dessen Regierungsbezirk sich die Justizvollzugsanstalt … befindet, örtlich zuständig.
Selbst wenn man der teilweise vertretenen Auffassung folgt, dass eine Inhaftierung mangels eines freiwilligen Wohnsitzaufgabewillens nicht zu einer Aufhebung des (bisherigen) Wohnsitzes im Sinne des § 52 Nr. 3 Satz 2 VwGO führt (vgl. etwa VG Bayreuth, B.v. 12.9.2019 – B 1 K 19.89 – juris Rn. 3), ist die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Augsburg gegeben, nachdem der Kläger ausweislich der Strafverfahrensakten sowie laut Mitteilung der Stadtverwaltung … vom 25. Januar 2018 zuletzt in … und damit ebenfalls im Regierungsbezirk Schwaben wohnhaft war.
Das Verfahren war deshalb – nach erfolgter Anhörung der Beteiligten – durch die Einzelrichterin nach § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Verwaltungsgericht Augsburg zu verweisen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 83 Satz 2 VwGO unanfechtbar.


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