Verwaltungsrecht

Prozesskostenhilfe für beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung (abgelehnt), Ausweisung

Aktenzeichen  10 ZB 21.935

Datum:
27.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22514
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
AufenthG § 53 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 4 K 20.2964 2021-02-09 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Bevollmächtigten für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, ihm für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Februar 2021 Prozesskostenhilfe zu gewähren und einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten beizuordnen, ist abzulehnen, da ein solcher Antrag keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO). Ein Antrag auf Zulassung der Berufung wäre vielmehr voraussichtlich abzulehnen.
Dem Kläger könnte bei Gewährung von Prozesskostenhilfe zwar grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO in die Rechtsmittelfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO gewährt werden. Denn ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe formgerecht beantragt hat, ist so lange als ohne Verschulden an der formgerechten Einlegung des Rechtsmittels durch einen Prozessbevollmächtigten verhindert anzusehen, bis über seinen Antrag entschieden worden ist.
Ein Antrag auf Zulassung der Berufung hat aber aller Voraussicht nach keine hinreichenden Erfolgsaussichten, weil sich durchgreifende Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus einer von Amts wegen erfolgenden Prüfung des angefochtenen Urteils durch den Senat ergeben.
Der Kläger, ein afghanischer Staatsangehöriger, wurde am 25. Juni 2018 wegen vorsätzlichen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt; die Strafaussetzung wurde später widerrufen. Am 26. November 2019 wurde er wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer weiteren Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die zuständige Ausländerbehörde wies den Kläger mit Bescheid vom 16. Juni 2020 aus der Bundesrepublik Deutschland aus, ordnete ein auf fünf Jahre befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot an und drohte ihm die Abschiebung an. Die hiergegen erhobene Klage wies das Bayerische Verwaltungsgericht München mit dem Urteil vom 9. Februar 2021 ab.
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Kläger sowohl in spezialwie in generalpräventiver Hinsicht bejaht. Er halte sich seit fünf Jahren und vier Monaten im Bundesgebiet auf und sei in dieser Zeit zweimal wegen Betäubungsmitteldelikten verurteilt worden. Er habe in offener Bewährung versagt, seine Rückfallgeschwindigkeit sei enorm. Eine Therapie in Bezug auf seine Suchtmittelproblematik sei noch nicht einmal begonnen. Er habe gezeigt, dass ihn die Vorschriften der deutschen Rechtsordnung nicht interessierten, er bagatellisiere seine Handlungen und zeige auch keine Tateinsicht. Aus seinem Verhalten lasse sich prognostizieren, dass er sein Verhalten künftig nicht ändern und weiter gegen Rechtsvorschriften verstoßen werde.
In der Abwägung der Ausweisungs- und Bleibeinteressen ergebe sich, dass das besonders schwer wiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1b AufenthG das Bleibeinteresse des Klägers überwiege. Der Kläger befinde sich seit fünf Jahren und vier Monaten im Bundesgebiet, davon aber seit nahezu drei Jahren in Strafhaft. Persönliche Beziehungen bestünden nicht, soziale und wirtschaftliche Bindungen nahezu nicht; auch eine sprachliche Integration sei ihm nicht gelungen. Er habe den größten Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht, dort die Schule besucht, und beherrsche die Landessprache; es sei ihm zuzumuten, sich dort wieder zurechtzufinden. Hinsichtlich seines zielstaatsbezogenen Vortrags sei das Gericht an die Feststellungen im Asylverfahren gebunden. Vorgetragene psychische Probleme seien nicht belegt.
Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren vorträgt, dass ihm sein Verhalten leid tue, er sich dafür entschuldige und um eine Chance bitte, in Deutschland bleiben zu dürfen, zeigt er keine Gesichtspunkte auf, die die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Frage stellen und zur Zulassung der Berufung führen könnten, weder im Hinblick auf die getroffene Gefahrenprognose noch auf die Bewertung seiner Bleibeinteressen.
In Bezug auf die umfangreichen Ausführungen zu einer angeblichen Gefährdung in Afghanistan (“Taliban wollen uns alle töten”) hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass die Ausländerbehörde ebenso wie die Verwaltungsgerichte insoweit gemäß § 6 Satz 1, § 42 Satz 1 AsylG an die rechtskräftig gewordene Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30. Mai 2017 (Klageabweisung durch Urteil des VG München vom 26.11.2019 – M 2 K 17.42765) gebunden ist. Soweit erkennbar, wiederholt der Kläger lediglich den Sachvortrag aus dem Asylverfahren.
Auch sonst lassen die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils keine zur Zulassung der Berufung führenden Gründe erkennen, insbesondere keine Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Bei der spezialpräventiven Gefahrenprognose hat das Verwaltungsgericht alle relevanten Umstände des Einzelfalls einbezogen; es hat seine Einschätzung wesentlich auf die hohe Rückfallgeschwindigkeit in offener Bewährung gestützt, und darauf hingewiesen, dass die auch von der Justizvollzugsanstalt für erforderlich gehaltene Drogentherapie (Führungsbericht vom 3.2.2021) noch nicht einmal begonnen wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung des Ausländers beruhen oder dadurch gefördert wurden, von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine einschlägige Therapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat, insbesondere indem er sich außerhalb des Straf- oder Maßregelvollzugs bewährt hat (zuletzt z.B. BayVGH, B.v. 12.5.2021 – 10 ZB 21.998 – juris Rn. 5; B.v. 1.3.2021 – 10 ZB 21.251 – juris Rn. 4). Ebenso lässt auch die Abwägung der Ausweisungs- und der Bleibeinteressen (§ 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG) keine Rechtsfehler erkennen; auch die “Entschuldigung” des Klägers für sein Verhalten führt nicht zu einer anderen Bewertung.
Da somit für einen Antrag auf Zulassung der Berufung keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestehen, kommt es nicht mehr darauf an, dass der Kläger noch keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hat.
Einer Kostenentscheidung und einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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