Verwaltungsrecht

Prozesskostenhilfe, Untätigkeitsklage, Ablehnung, unvollständiger Antrag, fehlende Förderberechtigung, Gewerbegründung erst im Januar 2020, kein Gewerbe in Hessen

Aktenzeichen  W 8 K 21.1310

Datum:
26.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 848
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114
VwGO § 75
HVwVfG § 41

 

Leitsatz

Richtlinie des Landes Hessen zur Durchführung eines Soforthilfeprogramms für gewerbliche Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft, Selbständige, Soloselbständige und Angehörige Freier Berufe, die infolge der Corona-Virus-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind – Coronavirus-Soforthilfsprogramm Hessen 2020;

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Klägerin, die ein Schmuck- und Uhrenatelier betreibt, begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage, die auf die Bewilligung einer Soforthilfe nach dem Corona-Virus-Soforthilfsprogramm Hessen 2020 gerichtet ist.
1. Mit Antrag vom 15. Mai 2020 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Soforthilfe nach der Richtlinie des Landes Hessen zur Durchführung eines Soforthilfsprogramms für gewerbliche Unternehmen und Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft, Selbständige, Soloselbständige und Angehörige Freier Berufe, die infolge der Corona-Virus-Pandemie 2020 in ihrer Existenz gefährdet sind (Corona-Virus-Soforthilfsprogramm Hessen 2020) vom 27. März 2020 („Soforthilfe Corona“). Die Höhe des entstandenen Liquiditätsengpasses bezifferte die Klägerin mit 9.230,00 EUR.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums K. vom 18. Juni 2020 wurde der Antrag abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine Soforthilfe könne nur gewährt werden, wenn das Unternehmen bereits am 31. Dezember 2019 existent gewesen sei. Die Klägerin habe ihr Unternehmen aber erst nach dem 1. Januar 2020 angemeldet.
Mit Schreiben (Telefax) vom 12. Juni 2021 erhob die Klägerin beim Regierungspräsidium K. Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid.
Mit Schreiben vom 24. Juni 2021 teilte das Regierungspräsidium K. der Klägerin mit, dass vorliegend ein behördliches Verfahren nicht durchgeführt werde. Statthafter Rechtsbehelf gegen den streitgegenständlichen Bescheid sei daher die Erhebung einer Klage. Das Schreiben konnte der Klägerin nicht zugestellt werden, da die Empfängerin nicht am Arbeitsplatz angetroffen wurde.
2. Mit Schreiben vom 12. September 2021, bei Gericht eingegangen am 16. September 2021, erhob die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Kassel und beantragte,
Der Beklagte wird verurteilt, über den Widerspruch vom 12. und 14. Juni 2021 gegen den Bescheid des Beklagten vom 18. Juni 2020 (Ablehnung der Corona Soforthilfe), zugestellt per E-Mail am 8. Juni 2021, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Zur Begründung führte die Klägerin im Wesentlichen aus: Gegen den streitgegenständlichen Bescheid sei ordnungsgemäß Widerspruch erhoben worden, über den ohne sachlichen Grund bislang nicht entschieden worden sei. Ein Antrag auf Corona-Soforthilfe sei in Bayern nach dem Umzug nicht gestellt worden. Zum Eintritt der Pandemie habe sich der Geschäftsbetrieb in Hessen befunden. Die Klägerin berufe sich auf die Gleichbehandlung aller Antragsteller in diesem Härtefall, verursacht durch die Corona-Pandemie.
Gleichzeitig beantragte die Klägerin mit weiterem Schreiben vom 12. September 2021 Prozesskostenhilfe.
Das Regierungspräsidium K. beantragte für den Beklagten mit Schriftsatz vom 11. November 2021,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag der Klägerin auf Erhalt einer Leistung nach dem Corona-Virus-Soforthilfsprogramm Hessen 2020 sei nach unbeantworteter Rückfrage als unvollständig abzulehnen gewesen, da es an der Unterschrift unter den Antrag, einem Einkommensteuerbescheid, der Ablichtung eines gültigen Ausweisdokuments sowie der Gewerbemeldung gefehlt habe. Es habe deshalb nicht nachvollzogen werden können, inwieweit die Antragstellerin antragsberechtigt gewesen sei. Ohne Unterschrift und Ausweisdokument habe nicht überprüft werden können, ob der Antrag tatsächlich, wie angegeben, von der Klägerin gestellt worden sei. Auch habe nicht nachvollzogen werden können, dass eine gewerbliche Tätigkeit in Hessen vorliege und der Hauptsitz in Hessen liege. Mehr noch habe unklar bleiben müssen, ob überhaupt eine gewerbliche Tätigkeit vorliege, also der Antrag durch einen Steuerpflichtigen, der Einkünfte erziele, gestellt worden sei. Rein ergänzend sei erwähnt, dass weitere Nachforschungen anlässlich des Verwaltungsstreitverfahrens ergeben hätten, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt im Bundesland Hessen wirtschaftlich tätig gewesen zu sein scheine. So ergebe die Negativauskunft der Marktgemeinde E., Gewerbebehörde, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt dort ein Gewerbe angemeldet gehabt habe. Auf eine bundesweite Abfrage seitens des Finanzamts K. II-Hofgeismar hin seien lediglich bayerische Steuernummern mitgeteilt worden.
3. Mit Beschluss vom 4. Oktober 2021 erklärte sich das Verwaltungsgericht Kassel für unzuständig und verwies das Verfahren an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Würzburg.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, da die erhobene Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Nach § 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Bei verständiger Würdigung (§ 88 VwGO) des Vorbringens der Klägerin und des gestellten Antrags ist ihr Klagebegehren dahingehend auszulegen, dass sie unter Aufhebung des Bescheides des Regierungspräsidiums K. vom 18. Juni 2020 die Verpflichtung des Beklagten, die beantragte Förderung nach der Richtlinie des Landes Hessen zur Durchführung eines Soforthilfsprogramms für gewerbliche Unternehmen und Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft, Selbständige, Soloselbständige und Angehörige Freier Berufe, die infolge der Corona-Virus-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind – (Corona-Virus-Soforthilfsprogramm Hessen 2020 – im Folgenden: „Förderrichtlinien“) vom 27. März 2020 zu gewähren, begehrt. Bei Untätigkeit der Widerspruchsbehörde ist der Erlass eines Widerspruchsbescheids nicht mehr erforderlich und die Klage nach § 75 VwGO auf die Sachentscheidung gerichtet (Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 75 Rn. 17; Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 75 Rn. 2).
Die so verstandene Klage hat jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Das Verwaltungsgericht Kassel hat mit Beschluss vom 4. Oktober 2021 (3 K 1621/21.KS) das Verfahren an das Verwaltungsgericht Würzburg verwiesen, welches an diesen Beschluss gebunden ist, § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG entsprechend. Eine Ausnahme von der Bindungswirkung, die nur in seltenen Fällen in Betracht kommen kann (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 83 Rn. 15), ist vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere beruht die Verweisung trotz der in Literatur und Rechtsprechung zumindest teilweise vertretenen Meinung, dass sich § 52 Nr. 3 Satz 5 VwGO auch auf Satz 3 beziehe (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 52 Rn. 12 m.w.N.) und sich die örtliche Zuständigkeit hiernach nach § 52 Nr. 5 bestimmen würde, angesichts des insoweit anderslautenden Wortlauts von § 52 Nr. 3 Satz 5 VwGO nicht auf willkürlichen, sondern auf rechtlich nachvollziehbaren Erwägungen.
Der Verweisungsbeschluss vom 4. Oktober 2021, für den keine Zustellungspflicht nach § 56 Abs. 1 VwGO besteht, ist auch gegenüber der Klägerin wirksam geworden. Die Klägerin wurde zu der beabsichtigten Verweisung angehört und hat den Beschluss spätestens mit gerichtlichem Schreiben vom 13. Januar 2022 erhalten. Zudem wurde der Verweisungsbeschluss mit gerichtlichem Schreiben vom 11. Oktober 2021 konkludent bekannt gegeben. Eine solche Heilung ist bei der Bekanntgabe unter Berücksichtigung der Heilungsmöglichkeiten für die formstrengere Zustellung (§ 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 189 ZPO), grundsätzlich erst recht möglich (vgl. BVerwG, B.v. 15.10.2001 – 8 B 104/01 – juris Rn. 8).
Der Bescheid des Regierungspräsidiums K. vom 18. Juni 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Corona-Soforthilfe in Höhe von 9.230,00 EUR (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig.
Vorliegend hat die Klägerin gegen den streitgegenständlichen Bescheid mit Telefax vom 12. Juni 2021 Widerspruch erhoben, über den das Regierungspräsidium K. mit Schreiben vom 24. Juni 2021, wonach gegen den angegriffenen Bescheid ein behördliches Verfahren nicht durchgeführt werde und statthafter Rechtsbehelf gegen den Bescheid die Klageerhebung sei, zwar entschieden hat. Eine Zustellung des Schreibens ist jedoch nicht erfolgt, so dass § 75 VwGO anwendbar ist (Peters in BeckOK, VwGO, 59. Edition, Stand: 1.10.2021, § 75 Rn. 6). Laut Postzustellungsurkunde vom 26. Juni 2021 war der Zustellversuch bei der Klägerin erfolglos, da der Empfänger am Arbeitsplatz nicht angetroffen wurde. Eine anderweitige Bekanntgabe der Entscheidung an die Klägerin ist nicht ersichtlich.
Doch auch wenn eine Bekanntgabe der Widerspruchsentscheidung an die Klägerin zwischenzeitlich erfolgt wäre, ist davon auszugehen, dass diese ihre Klage mit dem Begehren, die beantragte Corona-Soforthilfe zu gewähren, aufrechterhält (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 75 Rn. 21).
Unabhängig vom Vorliegen einer Untätigkeitsklage war die Klage auch nicht verfristet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 18. Juni 2020 wurde der Klägerin erst mit E-Mail vom 8. Juni 2021 elektronisch übermittelt, und gilt demnach am 11. Juni 2021 als bekannt gegeben, § 41 Abs. 2 Satz 2 HVwVfG. Die Klage wurde am 16. September 2021 und damit nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist erhoben, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 ZPO i.V.m. §§ 187 ff. BGB. Die Erhebung des Widerspruchs konnte infolge von dessen fehlender Statthaftigkeit den Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts grundsätzlich nicht verhindern (Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 68 Rn. 16). Da bei dem streitgegenständlichen Bescheid jedoch die Rechtsbehelfsbelehrungunterblieben ist, ist nach § 58 Abs. 2 VwGO die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Zustellung zulässig, § 58 Abs. 2 VwGO, und damit die Klage nicht verfristet.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung der begehrten Corona-Soforthilfe (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Des Weiteren liegt auch kein atypischer Ausnahmefall vor. Genauso wenig ist der Ausschluss der Klägerin von der Soforthilfe nach der einschlägigen Richtlinie und der Förderpraxis des Beklagten als gleichheits-widriger oder gar willkürlicher Verstoß zu werten.
Bei der Corona-Soforthilfe der vorliegenden Art handelt es sich – wie sich bereits aus Nr. 2.1 Abs. 2 der Richtlinie ergibt – um eine freiwillige staatliche Leistung. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Soforthilfe begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Billigkeitsleistung auf der Grundlage der einschlägigen Richtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der dafür im Haushaltsplan besonders zur Verfügung gestellten Ausgabemittel (§ 53 LHO – Hessische Landeshaushaltsordnung). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien. Dies würde sogar dann gelten, wenn die ständige Praxis der Behörde nicht mit einzelnen Regelungen der Verwaltungsvorschriften übereinstimmt, weil diese keine verbindlichen Rechtsnormen darstellen. Die Förderrichtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung (HessVGH, B.v. 4.2.2021 – 10 B 2762/20 – juris Rn. 27 f.; VG Würzburg, U.v. 17.5.2021 – W 8 K 20.1561 – juris; VG Gießen, U.v. 2.8.2021 – 4 K 3045/20.GI; U.v. 21.4.2021 – 4 K 3825/20.GI – jeweils juris).
Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie auch grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 – 3 C 111/79 – juris).
Die Richtlinien setzen Maßstäbe für die Verteilung der staatlichen Hilfen und regeln insoweit die Ermessenshandhabung. Die Ermessensbindung reicht jedoch nur so weit wie die festgestellte tatsächliche ständige Verwaltungspraxis. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen des § 114 VwGO. Das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien (vgl. HessVGH, U.v. 28.6.2012 – 10 A 1481/11 – juris; VG Gießen, U.v. 21.4.2021 – 4 K 3825/20.GI – juris; BayVGH, B.v. 3.5.2021 – 6 ZB 21.301 – BeckRS 2021, 11002; SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 – 2 A 480/17 – juris; OVG SH, U.v. 17.5.2018 – 3 LB 5/15 – juris; OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris;).
Ausgangspunkt ist die ständige Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Auflage 2021, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 27. Auflage 2021, § 114 Rn. 41 ff.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben war die Ablehnung der Bewilligung der Soforthilfe mit Bescheid vom 18. Juni 2020 rechtmäßig. Weder die Richtlinie selbst noch ihre Handhabung in ständiger Verwaltungspraxis des Beklagten sind vorliegend zu beanstanden.
Mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage steht der Klägerin nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung zu. Bei der dem Gericht gemäß § 114 VwGO nur beschränkt möglichen Überprüfung der Ermessensentscheidung ist der ablehnende Bescheid vom 18. Juni 2020 im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat insbesondere den Rahmen, der durch die haushaltsrechtliche Zweckbestimmung gezogen wurde, eingehalten, den erheblichen Sachverhalt vollständig und im Ergebnis zutreffend ermittelt und sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot und das Gebot des Vertrauensschutzes nicht verletzt.
Nach Nr. 2.5 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie können nur vollständige eingegangene Anträge berücksichtigt werden. Nach der unwidersprochenen ständigen Verwaltungspraxis des Regierungspräsidiums K. waren dem Antrag der Personalausweis oder Reisepass sowie bei Einzelunternehmen der letzte Einkommensteuerbescheid beizufügen (s. Anlage zur Klageerwiderung vom 11. November 2021: „Soforthilfe beantragen – so geht´s:“, S. 6). Zudem musste der Antrag ausgedruckt und unterschrieben werden und danach eingescannt und wieder hochgeladen werden (s. Anlage zur Klageerwiderung vom 11. November 2021: „Soforthilfe beantragen – so geht´s:“, S. 5).
Vorliegend fehlt es jedoch an der Übermittlung des unterschriebenen Antrags sowie des letzten Einkommenssteuerbescheids und der Ablichtung des gültigen Ausweises. Selbst im Rahmen der weiteren Korrespondenz zwischen der Klägerin und dem Regierungspräsidium K. wurden die erforderlichen Dokumente nicht nachgereicht (vgl. Bl. 19 ff. der Behördenakte).
Ferner hat die Klägerin im Antrag unter Nr. 5 angegeben, das Unternehmen sei im Januar 2020 gegründet worden. Nach der ständigen Verwaltungspraxis muss das Unternehmen jedoch vor dem 1. Januar 2020 bereits bestanden haben, wie sich aus dem streitgegenständlichen Bescheid ergibt. Damit fehlt es schon an der Antragsberechtigung der Klägerin.
Angesichts der Negativauskunft der Marktgemeinde E* … gegenüber dem Regierungspräsidium K. vom 28. Oktober 2021, wonach die Klägerin in der Marktgemeinde mit einem Gewerbe weder gemeldet ist noch war, ist zudem fraglich, ob der Hauptsitz des antragstellenden Unternehmens in Hessen liegt, was ebenfalls Voraussetzung für die Förderberechtigung im Sinne von Punkt 2.3 Abs. 3 der Richtlinie des Beklagten ist. Hierauf kommt es angesichts der obigen Ausführungen jedoch nicht mehr entscheidungserheblich an.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus etwaigen Gleichheitserwägungen. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 32).
Aufgrund des freiwilligen Charakters der Hilfen und dem weiten Ermessen des Gebers bei der Aufstellung von Richtlinien zur Gewährung von Hilfen, ist eine entsprechende Nachprüfung nur im Hinblick auf eine möglicherweise willkürliche Ungleichbehandlung potentieller Hilfeempfänger eröffnet, nicht aber in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1/17 – juris Rn. 15 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerfG). Nach der Willkür-Formel des Bundesverfassungsgerichts (seit U.v. 23.10.1951 – 2 BVG 1/51 – juris) ist Willkür dann anzunehmen, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.
Eine willkürliche Verwaltungspraxis des Beklagten lässt sich nicht feststellen. Es ist aus rechtlicher Hinsicht unter Berücksichtigung des Zwecks der Soforthilfen nach Nr. 1 der Förderrichtlinien insbesondere nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte diese in ständiger Praxis so auslegt und handhabt, dass nur Unternehmen antragsberechtigt sind, die bereits vor dem 1. Januar 2020 bestanden haben (s. hierzu VG Gießen, U.v. 2.8.2021 – 4 K 3045/20.GI – juris Rn. 20). Für die Annahme eines atypischen Einzelfalls, der zu einer abweichenden Betrachtung führt, gibt es bei der Klägerin keine Anhaltspunkte.
Nach alledem hat die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg und der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Verfahren gerichtskosten- und kostenerstattungsfrei ist.


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