Verwaltungsrecht

Rechtliches Gehör

Aktenzeichen  20 ZB 16.30056

Datum:
20.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 49321
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3

 

Leitsatz

Rechtliches Gehör ist nur hinsichtlich letztlich entscheidungserheblicher Tatsachen zu gewähren. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 6 K 15.30282 2016-02-04 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Antragsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 4. Februar 2016 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 AsylG nicht vorliegen.
Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zuzulassen. Die vom Kläger formulierte Rechtsfrage („Ob aus der Tatsache, dass verheiratete nahe Familienangehörige im Nordirak leben, zulässigerweise auf das Fehlen einer dort bestehenden Verfolgungsgefahr für deren Herkunftsfamilie und damit für einen asylsuchenden männlichen Familienangehörigen geschlossen werden kann“) ist nicht verallgemeinerungsfähig und damit einer allgemeinen Klärung im Berufungsverfahren nicht zugänglich. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG liegt dann vor, wenn die Rechtsstreitigkeit eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedarf. Die Entscheidung muss aus Gründen der Rechtssicherheit, der Einheit der Rechtsordnung oder Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse liegen, was dann zutrifft, wenn die klärungsbedürftige Frage mit Auswirkungen über den Einzelfall hinaus in verallgemeinerungsfähiger Weise beantwortet werden kann (Kopp /Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 124 Rn. 10 m. w. N.). Dies ist hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat im streitgegenständlichen Urteil unter Würdigung der konkreten Umstände der bisherigen Asylverfahren und der Angaben des Klägers darin nicht die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger Gefahr läuft, von der irakischen oder der kurdischen Regierung verfolgt zu werden oder dass er dies in der Vergangenheit wurde (vgl. Urteil Seite 9 f.). Der Aspekt, dass zwei seiner Schwestern in Zakho im kurdischen Autonomiegebiet verheiratet sind war dabei nur einer von mehreren, die zu dieser Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts beitrugen. Das Verwaltungsgericht hat daher nicht den Grundsatz aufgestellt, dass entsprechend der formulierten Rechtsfrage aus dem Umstand, dass Familienangehörige in Zakho leben, auf das Fehlen einer Verfolgungsgefahr im Autonomiegebiet geschlossen werden könne. Dementsprechend würden sich auch im Berufungsverfahren diesbezüglich keine über den konkreten Einzelfall hinaus gehenden Aussagen treffen lassen. Eine grundsätzliche Bedeutung weist die formulierte Rechtsfrage daher nicht auf.
Auch der geltend gemachte Verfahrensmangel der Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Der Kläger macht insoweit (sinngemäß) geltend, dass er nicht dazu angehört wurde, dass das Gericht davon ausging, dass er 2015 (statt bereits 2005) einen Reisepass erhalten habe, der Zakho als seinen Geburtsort auswies. Voraussetzung für die Feststellung eines Verstoßes gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs ist jedoch, dass es sich bei der fraglichen Tatsache um eine entscheidungserhebliche Tatsache handelte. Denn rechtliches Gehör ist nur hinsichtlich letztlich entscheidungserheblicher Tatsachen zu gewähren (Bergmann in Bergmann /Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 78 AsylG, Rn. 25). Für die Notwendigkeit des rechtlichen Gehörs ist auf die Auffassung des Verwaltungsgerichts von der Entscheidungserheblichkeit der betreffenden Tatsache abzustellen (Bergmann a. a. O.). Das Verwaltungsgericht führt auf Seite 11 des Urteils jedoch ausdrücklich aus, dass es aus seiner Sicht auf den Geburtsort des Klägers entscheidungserheblich nicht ankommt. Damit handelt es sich dabei nicht um eine entscheidungserhebliche Tatsache, ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs scheidet aus. Aus diesem Grund liegt hier auch kein „Überraschungsurteil“ im Sinn des in der Antragsbegründung zitierten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. April 1987 (NJW 1988, 275 f.) vor.
Nach alledem war der Antrag abzulehnen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben