Verwaltungsrecht

Rechtmäßigkeit der Anordnung zur Erbringung eines Dichtheitsnachweises für bestehende private Entwässerungsleitungen

Aktenzeichen  M 10 K 16.4718

Datum:
1.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143291
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 39
EWS BY § 2 Abs. 6, Abs. 11 S. 2, § 29 Abs. 4, Abs. 5, § 30 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Nach § 29 Abs. 4 S. 2 EWS BY kann die Gemeinde für bestehende Privatkanäle unabhängig vom baulichen Zustand einen Dichtheitsnachweis verlangen, wenn sie noch nicht auf Dichtheit geprüft wurden. Eines Anhaltspunktes für Undichtigkeit bedarf es nicht. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dichtheitsprüfungen von Leitungen durch Wasser- oder Luftdruckprüfungen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik, insbesondere die einschlägigen DIN-Normen oder Euro-Normen gem. § 29 Abs. 5 S. 1 EWS sind für den Dichtheitsnachweis geeignet. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das hohe Schutzgut des Grundwasserschutzes kann nicht hinter finanziellen Interessen des Grundstückseigentümers zurücktreten; die Gemeinde muss auch kleinere Mengen aus undichten Leitungen austretenden Schmutzwassers nicht hinnehmen.  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens gesamtverbindlich.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 15. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
1. Der Bescheid verpflichtet den Kläger zu 1) zu Recht, einen Dichtheitsnachweis zu erbringen.
Der angefochtene Bescheid kann sich auf eine wirksame Rechtsgrundlage in Gestalt der Satzung über die Benützung der Entwässerungseinrichtung der … (Entwässerungssatzung – EWS -) vom 14. Februar 1980, zuletzt geändert mit Satzung vom 19. Januar 2015, stützen. Diese Satzung wurde von der Rechtsprechung bisher nicht beanstandet (VG München, U.v. 20.11.2014 – M 10 K 14.1105- juris; B.v. 21.1.2014 – M 10 K 13.3799; U.v. 26.5.2011 – M 10 K 10.2438 – juris; BayVGH, B.v. 27.9.2012 – 4 ZB 11.1826 – juris). Auch in der aktuellen Änderungsfassung sind Rechtswidrigkeitsgründe weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
2. Die Satzung wurde mit dem Bescheid vom 15. September 2016 auch rechtsfehlerfrei vollzogen.
Die Kläger sind als Eigentümer der Hausanschlussleitung Verpflichtete (§ 2 Abs. 11 EWS).
Die Anordnungen sind, insbesondere durch Beifügung eines Lageplans, bestimmt im Sinne des Art. 39 BayVwVfG. Sie stützen sich auf die §§ 29 und 30 EWS.
Nach § 29 Abs. 4 Satz 2 EWS kann die Beklagte bei bestehenden Privatkanälen, unabhängig von ihrem baulichen Zustand, einen Dichtheitsnachweis verlangen, wenn sie bisher noch nicht auf Dichtheit geprüft worden sind. Die betreffende Leitung ist ein Privatkanal im Sinne des § 2 Abs. 6 EWS, da sie unstreitig nicht von der Beklagten verlegt oder übernommen wurde. Sie wurde noch nie auf Dichtheit geprüft. Ob die Undichtigkeit anderer Leitungen als Anhaltspunkt für Undichtigkeit der klägerischen Leitung ausreicht, so dass die Beklagte die Anordnung bereits auf § 29 Abs. 4 Satz 1 EWS stützen kann, ist mithin ohne Belang.
Auch die Modalitäten des Dichtheitsnachweises entsprechen den Anforderungen der Satzung. Nach § 29 Abs. 5 Satz 1 EWS sind die Dichtheitsprüfungen durch Wasser- oder Luftdruckprüfungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik, insbesondere den einschlägigen DIN-Normen oder Euro-Normen durchzuführen. Die Bedenken des Klägers zu 1), bei diesen durch Sachverständige entwickelten und jahrelang praktizierten Verfahren werde letztlich nicht die Dichtheit, sondern allein die Druckbeständigkeit geprüft, teilt das Gericht nicht.
Zudem hält das Gericht die Anordnungen auch für ermessensfehlerfrei, insbesondere verhältnismäßig. Die Dichtheitsprüfung ist entgegen des klägerischen Vortrags erforderlich, da nicht nachgewiesen ist oder sonst naheliegt, dass etwaige Risse durch das Abwasser zugesetzt und somit verschlossen werden. Die Anordnung ist auch angemessen. Das hohe Schutzgut des Grundwasserschutzes kann nicht hinter finanziellen Interessen der Grundstückseigentümer zurücktreten und die Beklagte darf auch kleinere Mengen austretenden Schmutzwassers nicht hinnehmen. Die Kläger haben vorgetragen, bei Nachbarn habe die Sanierung über 6.000 EUR gekostet. Dies gilt jedoch unstreitig nicht für den Dichtheitsnachweis. Außerdem überschreitet selbst dieser Betrag nicht die Grenzen der Verhältnismäßigkeit, die der Grundstückswert zieht. Die Sozialbindung des Eigentums verlangt von Grundeigentümern, Belange der Allgemeinheit zu beachten und durch ihr Eigentum verursachte Gefahren für Umweltgüter zu beseitigen, auch soweit das einen weitaus erheblicheren finanziellen Aufwand bedeuten würde.
Auch die Ermessensgrenze des Gleichbehandlungsgrundsatzes wurde nicht übertreten. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Beklagte andere Grundstückseigentümer, deren Privatkanäle nie überprüft wurden, von Dichtheitsprüfungen verschont hat. Im Übrigen könnten sich die Kläger auch auf eine Gleichheit im Unrecht nicht berufen.
Entsprechend § 30 Abs. 1, § 2 Abs. 11 Satz 2 EWS waren die Kläger als Miteigentümer gesamtschuldnerisch verantwortlich. Die Heranziehung des Klägers zu 1) als einer der beiden Miteigentümer zur Durchführung und der Klägerin zu 2) zur Duldung der Anordnungen des streitgegenständlichen Bescheides begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Dem folgend erging auch die Duldungsanordnung gegenüber der Klägerin rechtmäßig als gegenüber der Anordnung mildere Maßnahme. Durch die öffentlich-rechtliche Duldungsverpflichtung werden zivilrechtliche Hindernisse für die Verwirklichung einer hoheitlichen Anordnung – hier zur Dichtheitsprüfung – überwunden.
Die Klägerin hat keine Rechtsfehler dargelegt; solche sind auch nicht ersichtlich.
2. Auch die Zwangsgeldandrohungen sind rechtmäßig. Die Voraussetzungen des Art. 36 VwZVG sind eingehalten.
Die Zwangsmittel stehen auch in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck; insbesondere ist die Höhe der Zwangsgelder nicht zu beanstanden (Art. 29 Abs. 3, Art. 31 Abs. 2 VwZVG), sie bewegen sich im untersten Rahmen des rechtlich Zulässigen (zwischen 15,- EUR und höchstens 50.000,- EUR) und stehen nicht außer Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der zu erzwingenden Handlung.
3. Die Festsetzung der Bescheidsgebühren begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO.


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