Verwaltungsrecht

Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  M 17 S 19.4564

Datum:
7.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 54508
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwZVG Art. 31 Abs. 1, Abs. 2, Art. 36 Abs. 1 S. 2, Art. 37 Abs. 1 S. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Die Eilbedürftigkeit der gefährdeten hochrangigen Rechtsgüter rechtfertigt die Setzung einer kurzen Erfüllungsfrist. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist Trägerin und Betreiberin der vollstationären Pflegeeinrichtungen … … – Haus … – …straße …, … … … … …
Ihr gegenüber wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Juli 2017 (Anlage A2 zur Antragsschrift) durch das Landratsamt … angeordnet, ab dem der Zustellung dieses Bescheids folgenden Tag zu gewährleisten, dass für alle Bewohnerinnen und Bewohner im … … … … … …, bei welchen gemäß dem allgemein anerkannten Stand der fachliche Erkenntnisse eine Dekubitusgefahr besteht bzw. bereits ein Dekubitus aufgetreten ist, individuell angemessene Bewegungswechsel durchgeführt, angemessene Maßnahmen nachvollziehbar eingeleitet und geplant sind, diese umgesetzt werden und entsprechende lückenlose nachvollziehbare Aufzeichnungen geführt werden (Ziffer 1 des Bescheides). Für den Fall, dass die Antragstellerin die in der Ziffer 1 genannte Pflicht nicht ab dem der Zustellung folgenden Tag erfüllt, wurde ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 600,- EUR angedroht (Ziffer 2 des Bescheides).
Im Rahmen einer unangemeldeten anlassbezogenen Prüfung durch den Antragsgegner vom 21. November 2016 wurde festgestellt, dass der Anordnung nicht umfänglich Folge geleistet wurde, woraufhin der Antragsgegner mit Bescheid vom 12. Juli 2017 das Zwangsgeld in Höhe von 600,- EUR fällig stellte, sowie mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 8. Dezember 2017 ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 1.500,- EUR androhte (Bl. 1747 der Behördenakte – BA).
Im Rahmen einer weiteren Prüfung am 4. Juni 2018 wurde erneut festgestellt, dass der Anordnung vom 12. Juli 2017 nicht Folge geleistet wurde. Der Antragsgegner drohte daraufhin mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 12. Juli 2018 ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 3.000,- EUR an (Anlage A3 zur Antragsschrift).
Im Rahmen einer turnusmäßigen Prüfung vom 1. Juli 2019 wurden keine Verstöße mehr gegen die Anordnung vom 12. Juli 2017 in der Ziffer 1 festgestellt (vgl. Prüfbericht des Antragsgegners vom 7. August 2019 als Anlage A4 zur Antragsschrift).
Am 10. Juli 2019 stellte der Antragsgegner im Rahmen einer anlassbezogenen Prüfung fest, dass bei zwei immobilien, dekubitusgefährdeten Bewohnern die Fersen nicht frei gelagert waren, sondern auf dem Lagerungskissen bzw. auf der Matratze lagen (Punkt V.2.1 des Prüfberichts vom 27. August 2019, Bl. 4661 der BA).
Daraufhin drohte der Antragsgegner mit streitgegenständlichem Bescheid vom 27. August 2019, zugestellt am 29. August 2019, für den Fall, dass die Antragstellerin die in Ziffer 1 des Bescheides des Antragsgegners vom 12. Juli 2017 festgelegte Pflicht nicht ab einem Tag nach Zustellung dieses Bescheids erfüllt, die Fälligstellung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,- EUR (erhöhter Betrag) zur Zahlung an (Bl. 4680 der BA).
Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom *. September 2019, eingegangen am 5. September 2019, Widerspruch (Bl. 4692 der BA).
Zugleich beantragte sie mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom *. September 2019, eingegangen am 6. September 2019, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 4. September 2019 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27. August 2019 (Az.: …*) betreffend des … … -Haus … – …straße 33, … … … … … anzuordnen.
Der Antrag sei begründet, da das Suspensivinteresse der Antragstellerin das Vollzugsinteresse des Antragsgegners überwiege. Gemäß Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG sei die Anwendung des Zwangsmittels einzustellen, sobald der Pflichtige seiner Verpflichtung nachkomme. Indem bei der Regelprüfung des Antragsgegners am 1. Juli 2019 festgestellt worden sei, dass die Antragstellerin ihre Verpflichtung aus der Anordnung vom 12. Juli 2017 in der Ziffer 1 nachgekommen sei, habe die Anwendung des Zwangsmittels, hier also des Zwangsgeldes, eingestellt werden müssen. Die Beitreibung eines Zwangsgelds sei unverzüglich einzustellen, nachdem der Pflichtige die ihm auferlegte, mit dem Zwangsgeld sanktionierte Pflicht erfüllt habe. Der Prüfvorgang aus der Prüfung vom 27. Juni 2017, der zu dem Anordnungsbescheid vom 12. Juli 2017 geführt habe, sei abgeschlossen und somit erledigt gewesen. Der ursprüngliche Bescheid vom 12. Juli 2017 habe sich in der Ziffer 1 aufgrund der Feststellung bei der turnusmäßigen Prüfung am 1. Juli 2019, wonach keine Verstöße gegen die Anordnung festgestellt worden seien, erledigt. Die Antragstellerin sei ihren Pflichten aus dem ursprünglichen Bescheid nachgekommen. Darüber hinaus sei die Erhöhung des Zwangsgeldes auf 5.000,- EUR unbestimmt und in der Höhe unangemessen. Aus Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG folge, dass ein bestimmtes Zwangsmittel angedroht werden müsse. Dies sei dann der Fall, wenn für den Adressaten eindeutig erkennbar sei, unter welchen Voraussetzungen das Zwangsmittel zur Anwendung komme. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Die Verpflichtung in Ziffer 1 des Bescheides des Antragsgegners vom 12. Juli 2017, auf das sich die angegriffene Zwangsgeldandrohung beziehe, verlange lediglich allgemein, dass für alle Bewohnerinnen und Bewohner, bei welchen gemäß dem allgemein anerkannten Stand fachlicher Erkenntnisse eine Dekubitusgefahr besteht bzw. bereits ein Dekubitus aufgetreten ist, ein individuell angemessener Bewegungswechsel durchzuführen ist, angemessene Maßnahmen nachvollziehbar einzuleiten und umzusetzen und entsprechende lückenlose nachvollziehbarere Aufzeichnungen zu führen sind. Unklar sei bereits, ob das Zwangsgeld bei Verstoß gegen eine dieser Handlungsaufforderungen durchzusetzen sei (zum Beispiel bei Fehlen von lückenlosen nachvollziehbaren Aufzeichnungen) oder ob die Androhung sich darauf beziehe, dass kumulativ alle unter Ziffer 1 des Bescheids vom 12. Juli 2017 vorgegebenen Handlungen nicht erfüllt würden. Des Weiteren lasse die Zwangsgeldandrohung offen, ob das Zwangsgeld fällig werde, wenn der Verstoß in der Einrichtung insgesamt festgestellt worden sei, oder ob die Zwangsgeldandrohung sich auf einen Verstoß je Bewohner beziehe. Dies mache auch finanziell einen sehr deutlichen Unterschied. Der erhöhte Betrag eines Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- EUR im streitgegenständlichen Bescheid des Antragsgegners vom 27. August 2019 verstoße zudem gegen Art. 31 Abs. 2 VwZVG. Er übersteige das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen. Die Festsetzung der Höhe des Zwangsgeldes müsse sich nach den Kosten richten, die die Antragstellerin durch die fehlende fachliche Begleitung einer Dekubitusgefahr eingespart habe. Hieran habe der Antragsgegner sein Zwangsgeld jedoch ersichtlich nicht ausgerichtet. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass der Antragsgegner insofern eine Schätzung nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG vorgenommen habe. Im streitgegenständlichen Bescheid fänden sich hierzu keine Ermessenserwägungen. Es sei somit davon auszugehen, dass der Antragsgegner sein diesbezüglich eingeräumtes Ermessen in keiner Weise ausgeübt habe. Damit liege ein Ermessensfehler in Form eines Ermessensfehlgebrauchs vor. Darüber hinaus sei die für die Erfüllung der Verpflichtung im Bescheid gesetzte Frist unzumutbar. Die Antragstellerin werde verpflichtet, ab einem Tag nach Zustellung die Verpflichtung nach Ziffer 1 des Bescheides des Antragsgegners vom 12. Juli 2017 umzusetzen. Da die dort genannte Verpflichtung sich auf die gesamte Einrichtung mit allen betroffenen Bewohnerinnen und Bewohnern beziehe, sei eine garantierte Umsetzung innerhalb von 24 Stunden billigerweise nicht zuzumuten.
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 23. September 2019,
den Antrag abzulehnen.
Die Pflicht zur Dekubitusprophylaxe sei eine Verpflichtung, die ohne zeitliche Einschränkung zu erfüllen sei. Gemäß Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG dürfe zwar ein Zwangsgeld zu dem Zeitpunkt, in dem der Pflichtige seiner Verpflichtung vollständig nachgekommen sei, nicht mehr fällig gestellt werden, die Verpflichtung aus der Anordnung bestehe aber weiterhin. Insofern habe die Androhung eines Zwangsgeldes wieder aufleben und eine isolierte Zwangsgeldandrohung erlassen werden können. Die isolierte Zwangsgeldandrohung sei auch nicht zu unbestimmt. Aus dem Inhalt der Verpflichtung werde die Dauerhaftigkeit deutlich. Die angeordneten Handlungspflichten müssten grundsätzlich fortlaufend und vollständig eingehalten werden. Dass bei Dauerverpflichtungen auf dem Gebiet des Pflegerechts aufgrund der vielfältigen Vorgänge und Verpflichtungen von Zeit zu Zeit Säumnisse vorkommen können, liege in der Natur der Sache. Auf der anderen Seite dürften Bescheide mit bestimmten Handlungsanordnungen aber auch nicht Fehler erlauben. Aufgrund dessen sehe das Gesetz ein Ermessen bei der Anwendung von Zwangsmitteln vor. Das Zwangsgeld übersteige auch nicht das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin. Zwar sei es sehr hoch angesetzt worden. Auch seien bei der vorangegangen Prüfung am 1. Juli 2019 keine Mängel hinsichtlich der Dekubitusprophylaxe festgestellt worden. Andererseits sei bei der Festsetzung der Höhe des Zwangsgeldes auch das hohe öffentliche Interesse eines effektiven Gesundheitsschutzes der Bewohnerinnen und Bewohner zu berücksichtigen. Gegen die Antragstellerin seien in einem Zeitraum von zwei Jahren drei Anordnungsbescheide aufgrund von Verstößen gegen die Ausübung der Dekubitusprophylaxe ergangen. Das lasse darauf schließen, dass die vorangegangenen Zwangsmittel keine ausreichend dauerhafte Wirkung erzielt hätten. Insofern habe ein erhöhtes Zwangsgeld angedroht werden müssen. Auch in ähnlich gelagerten Fällen werde vom Antragsgegner ein erhöhtes Zwangsgeld in Form einer isolierten Zwangsgeldandrohung angedroht. Dies entspreche dem Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Das Interesse des Antragsgegners an der Aufrechterhaltung des Bescheides überwiege somit, da vor allem der Schutz von Leben, Leib und Menschenwürde der Bewohnerinnen und Bewohner höher bewertet werden müsse, als die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin. Der Ermessensfehlgebrauchs werde somit nach § 114 Satz 2 VwGO geheilt. Schließlich sei auch die Fristsetzung für die Erfüllung der Verpflichtung nicht zu kurz. Aufgrund des vorliegenden schweren Mangels sei die Frist von einem Tag ab Zustellung des Bescheids angemessen. Ferner handele sich bei der Verpflichtung zur Dekubitusprophylaxe um eine Dauerverpflichtung gemäß Art. 3 PfleWoqG, sodass sich daraus schon ableiten lasse, dass die Verpflichtung unverzüglich und ohne Ausnahme zu erbringen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Er ist zwar zulässig, da es sich bei der angegriffenen erneuten Zwangsgeldandrohung um eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung handelt und der Widerspruch der Antragstellerin gemäß Art. 21 a VwZVG, § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Das Verwaltungsgericht trifft bei seiner Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene Ermessensentscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, bei der eine Abwägung der Interessen aller Beteiligten vorzunehmen ist. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Widerspruchsverfahren (vgl. BayVGH, Beschl. vom 17.9.1987, BayVBl. 1988, 369; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Auflage, § 80 RdNr. 158).
Die summarische Prüfung ergibt, dass der Widerspruch in der Hauptsache voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird.
Die Voraussetzungen für die nachträglich erlassene Zwangsgeldandrohung liegen vor. Nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG kann die Behörde die Pflicht zu einer Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung mit einer Zwangsgeldandrohung versehen, wenn sichergestellt werden soll, dass der Betreffende eine ihm obliegende Verpflichtung erfüllt. Die Zwangsgeldandrohung muss nicht mit dem Grundverwaltungsakt verbunden werden. Das ergibt sich aus Art. 36 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Ist die Androhung – wie hier – nicht mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt verbunden und ist dieser unanfechtbar geworden, so kann die Androhung nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird.
Die Zwangsgeldandrohung mit Bescheid vom 27. August 2019 begegnet keinen rechtlichen Bedenken, eine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch sie ist nicht erkennbar.
2.1 Anders als die Bevollmächtigte der Antragstellerin im Antragsschriftsatz vom *. September 2019 ausführt, hat sich der Anordnungsbescheid vom 12. Juli 2017 nicht dadurch erledigt, dass bei der Regelprüfung des Antragsgegners vom 1. Juli 2019 festgestellt worden ist, dass die Antragstellerin ihre Verpflichtung aus der Anordnung im Ziffer 1 des Bescheides vom vom 12. Juli 2017 nachgekommen ist.
Eine Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes durch Erledigung (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) tritt dann ein, wenn der Verwaltungsakt keine Regelungswirkung mehr entfaltet. Bei der Anordnung in Ziffer 1 des Bescheides vom 12. Juli 2017 handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, der nicht nur für einen begrenzten Zeitraum Regelungen trifft, sondern für unbefristete Zeit. Nach Sinn und Zweck der Anordnung soll nicht nur zu einem einmaligen Zeitpunkt sichergestellt sein, dass dekubitusgefährdete Bewohner angemessen behandelt werden, sondern dies soll vielmehr dauerhaft gewährleistet sein. Folglich kann auch nicht die einmalige Erfüllung der Verpflichtungen aus der Ziffer 1 der Anordnung vom 12. Juli 2017 am Tag der Regelüberprüfung am 1. Juli 2019 dazu führen, dass die Anordnung unwirksam wird und für die Zukunft keine Regelungswirkung mehr entfaltet. Eine Erledigung der Anordnung in Ziffer 1 des Bescheids vom 12. Juli 2017 ist damit nicht eingetreten.
Auch war das Landratsamt … nicht nach Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG – der für den Fall, dass der Pflichtige seiner Verpflichtung nachkommt, die Einstellung der Anwendung des Zwangsgelds vorsieht – verpflichtet, die erneute Zwangsgeldandrohung zu unterlassen. Zum einen meint die Einstellung der „Anwendung“ des Zwangsgeldes nur die Einstellung von dessen Beitreibung (vgl. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG). Zum anderen ist die Antragstellerin ihrer Dauerverpflichtung, für dekubitusgefährdete Bewohner gewisse Handlungsstandards vorzuhalten, jedenfalls dadurch nicht nachgekommen, dass bei der Regelüberprüfung am 10. Juli 2019 ein Verstoß gegen diese Verpflichtung festgestellt wurde. Es lag somit ein (erneuter) Verstoß gegen die Anordnung in Ziffer 1 des Bescheides vom 12. Juli 2017 vor, der das Landratsamt … als Vollstreckungsbehörde dazu befugte, erneut eine Zwangsgeldandrohung zu erlassen. Die Antragstellerin hat durch den (unstreitig) festgestellten Verstoß am 10. Juli 2019 ihre Dauerverpflichtung aus dem Bescheid vom 12. Juli 2017 gerade nicht zur Gänze erfüllt, sodass nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG eine erneute Zwangsgeldandrohung möglich war.
2.2 Die Zwangsgeldandrohung ist auch – entgegen der Ansicht der Antragstellerin -hinreichend bestimmt. Aus der Formulierung in Ziffer 1 des Bescheids vom 27. August 2019 wird hinreichend deutlich, dass das angedrohte Zwangsgeld bereits fällig wird, wenn ein Verstoß der Antragstellerin gegen irgendeine der in Ziffer 1 des Bescheids vom 12. Juli 2017 einheitlich auferlegten Handlungspflichten (Pflicht zur Durchführung von Bewegungswechseln/Einleitung, Planung und Umsetzung von angemessenen Maßnahmen/Führen von Aufzeichnungen) festgestellt wird; auch wird deutlich, dass in diesem Fall, auch wenn ein Verstoß gegen mehrere Handlungspflichten bzw. zulasten von mehreren Bewohnern vorliegt, nur einmal ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- EUR fällig wird. Anderenfalls hätte nämlich die Zwangsgeldandrohung den Zusatz „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ bzw. „je Bewohner“ enthalten müssen. Die Formulierung „im Fall der Nichterfüllung“ ist bei einer Dauerverpflichtung zu bestimmten Handlungen nicht gleichzusetzen mit der Formulierung „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ (vgl. OVG Lüneburg vom 28.10.2010 – 13 ME 86/10 – dort wurde lediglich bei einer Untersagungsverfügung „für jeden Fall der Nichtbefolgung“ gleichgesetzt mit „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“). Anderenfalls wäre es den Behörden nie möglich, für eine dauerhafte Handlungsanordnung ein Zwangsgeld anzudrohen. Aus dem Inhalt der Verpflichtung wird die Dauerhaftigkeit deutlich. Dadurch wiederum ist ausreichend erkennbar, dass sich der Begriff „Nichterfüllung“ jeweils auf die gesamte Dauerverpflichtung bezieht und nicht „auf Vorrat“ für wiederholte Fälle der Nichterfüllung einer bestimmten Anordnung gelten soll. Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf stützen, dass das Zwangsgeld bei jeder noch so kleinen Abweichung fällig gestellt werden könnte und solche kleinen Fehler z.B. bei der Pflicht zu lückenloser Dokumentation einfach hin und wieder vorkommen könnten. Die angeordneten Handlungspflichten müssen grundsätzlich fortlaufend und vollständig eingehalten werden. Dass bei Dauerverpflichtungen insbesondere auf dem Gebiet des Pflegerechts, wo es um vielfältige Vorgänge geht und es oft auf den Einzelfall ankommt, von Zeit zu Zeit Säumnisse vorkommen können, liegt in der Natur der Sache. Andererseits dürfen Bescheide mit bestimmten Handlungsanordnungen aber nicht Fehler oder willkürliche Ausnahmen erlauben. Das Gesetz sieht für dieses Spannungsverhältnis im Vollstreckungsrecht ein Ermessen der Behörde bei der Anwendung der Zwangsmittel vor. Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG „kann“ die Vollstreckungsbehörde bei Nichterfüllung der Verpflichtung innerhalb der bestimmten Frist das angedrohte Zwangsmittel anwenden (vgl. VGH München vom 20. 12. 2001 – 1 ZE 01.2820- juris). Bei dermaßen umfangreichen Verpflichtungen wie im streitgegenständlichen Bescheid wird die Beitreibung des Zwangsgeldes bei jeder noch so kleinen Abweichung von der Pflicht wohl nicht der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens entsprechen, sodass sich die Antragstellerin gegebenenfalls in einem solchen Fall erfolgreich gegen die Vollstreckung wehren könnte. Auf diese Weise ist sie ausreichend vor unverhältnismäßiger Beitreibung des Zwangsgelds geschützt.
2.3 Die Höhe des mit Bescheid vom 27. August 2019 angedrohten Zwangsgelds in ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Zwar enthält der Bescheid vom 27. August 2019 keine Begründung der Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes. Nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG kann eine fehlende Begründung jedoch bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens – und damit erst recht noch innerhalb eines offenen Widerspruchsverfahrens – nachgeholt werden. Die mangelhafte Begründung der festgesetzten Höhe des Zwangsgelds in Höhe von 5.000,- EUR wurde damit jedenfalls durch die nachgeholte Begründung im Schriftsatz des Antragsgegners vom 23. September 2019 geheilt.
Auch Ermessensfehler bei der Festsetzung der Höhe des Zwangsgelds sind nicht ersichtlich. Ein Ermessensausfall liegt nicht vor, da zumindest durch den Satz im Bescheid vom 27. August 2019 „Sie [die Zwangsgeldandrohung] entspricht auch der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens“ deutlich wird, dass sich das Landratsamt … bei Erlass der Zwangsgeldandrohung seines Ermessens bewusst war und dieses auch ausgeübt hat. Zwar liefert die mangelhafte Begründung der festgesetzten Höhe des Zwangsgelds ein Indiz dafür, dass das Landratsamt … bei der Bemessung der Höhe des Zwangsgelds unzureichende Ermessenserwägungen eingestellt hat. Jedoch wurden die unzureichenden Ermessenserwägungen jedenfalls mit Schriftsatz vom 21. September 2019 nachgeholt und damit geheilt. Ein Nachholen von Ermessenserwägungen muss – wohl unstreitig – jedenfalls noch innerhalb eines offenen Widerspruchsverfahrens, also vor Abschluss des behördlichen Verfahrens, möglich sein. Hier ist über den Widerspruch der Antragstellerin noch nicht entschieden worden, ein Widerspruchsbescheid, in den auch die nachgeholten Ermessenserwägungen noch einfließen könnten, ist noch nicht ergangen. Somit konnten die Ermessenserwägungen auch noch mit Schriftsatz vom 23. September 2019 nachgeholt werden. Im Übrigen hätten hier auch die Voraussetzungen für ein Ergänzen von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO (analog) in Verbindung mit den Anforderungen des materiellen Rechts vorgelegen. Weder liegt hier ein gänzlicher Ermessensausfall bzw. Ermessensnichtgebrauch vor, der nach herrschender Meinung nicht durch eine erstmalige Ermessenbetätigung im gerichtlichen Verfahren wirksam geheilt werden könnte (Schoch/Schneider/Bier-Riese, VwGO, 36. EL Februar 2019, § 114 Rn. 255; BVerwG, U.v. 5. 9. 2006 – 1 C 20/05, NVwZ 2007, 470, beck-online). Noch wurden in den nachgeholten Ermessenserwägungen – unzulässig (vgl. BVerwG, U.v. 20. 6. 2013 – 8 C 46/12 – NVwZ 2014, 151, beck-online – Rn. 32) – neue Gründe für die Zwangsgeldandrohung vom 27. August 2019 nachgeschoben, die bei Erlass des Verwaltungsakts noch nicht vorlagen oder die den erlassenen Verwaltungsakt in seinem Wesen verändern und die Antragstellerin dadurch in ihrer Rechtsverteidigung beeinträchtigen würden.
Die zulässig nachgeholten Ermessenserwägungen sind auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat das Landratsamt … in seinen Ermessenserwägungen ausdrücklich berücksichtigt, dass bei der Regelüberprüfung am 1. Juli 2019 keine Verstöße der Antragstellerin gegen die zwangsgeldbewährte Verpflichtung in Ziffer 1 des Bescheides vom 12. Juli 2017 festgestellt wurden. Zudem wurde in den Ermessenserwägungen im Schriftsatz vom 23. September 2019 auch ausgeführt, dass die Antragstellerin mit einem Betrag in Höhe von 5.000,- EUR eine Fachkraft einstellen könnte, um ihren auferlegten Verpflichtungen nachzukommen, sodass ein Ausrichten der Höhe des Zwangsgelds am (nach pflichtgemäßen Ermessen zu schätzenden, Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG) wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin entsprechend Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG (nunmehr) hinreichend erkennbar ist. Nicht durchzudringen vermag die Antragstellerin mit ihrer Rüge, das festgesetzte Zwangsgeld verstoße gegen Art. 31 Abs. 2 VwZVG, weil es das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin übersteige. Zum einen legt Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG lediglich fest, dass das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen soll. Ein Verbot des Übersteigens des wirtschaftlichen Interesses des Pflichtigen aus begründeten Umständen, wie hier etwa einem mehrfach wiederholten Pflichtverstoß, kann hieraus nicht gelesen werden. Zum anderen fehlen tatsächliche Anhaltspunkte für die konkrete Höhe des Interesses der Antragstellerin an der Nichteinhaltung der auferlegten Standards zur Vorbeugung der Dekubitusgefahr bei den Bewohnern der Pflegeeinrichtung, auch die Antragstellerin selbst hat hierzu schriftsätzlich nichts vorgetragen. Es ist also schon fraglich, ob das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin hier überhaupt überschritten wurde. Hinzu kommt, dass das angedrohte Zwangsgeld sich im Vergleich zu dem eröffneten Rahmen nach Art. 31 Abs. 1 Satz 1 VwZVG immer noch eher im unteren Bereich liegt.
2.4 Schließlich ist auch die im Bescheid vom 27. August 2019 für die Erfüllung der mit Bescheid vom 12. Juli 2017 auferlegten Verpflichtung gesetzte Frist nicht zu beanstanden. Zwar wurde das Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- EUR bereits für den Fall angedroht, dass die Antragstellerin ihrer Verpflichtung aus dem Bescheid vom 12. Juli 2017 nicht ab einem Tag nach der Zustellung des Bescheides vom 27. August 2019 erfüllt. Anders als die Antragstellerin meint, ist diese sehr kurz bemessene Frist aber nicht unzumutbar im Sinne des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Zu berücksichtigen ist, dass die Zwangsgeldandrohung erlassen wurde, um erheblichen Gesundheitsgefahren der Bewohner der Einrichtung der Antragstellerin vorzubeugen. Die Eilbedürftigkeit der gefährdeten hochrangigen Rechtsgüter rechtfertigt bereits die Setzung einer derart kurzen Erfüllungsfrist. Zum anderen ist zu beachten, dass die Antragstellerin bereits seit Erlass des Bescheids vom 12. Juli 2017 verpflichtet war, die in dessen Ziffer 1 auferlegten Handlungsstandards zu erfüllen. Die Antragstellerin hatte also zwei Jahre Zeit, um geeignete Strukturen in ihrer Einrichtung zu schaffen. Vor diesem Hintergrund kann in der erneuten Zwangsmittelandrohung mit einer Frist zur Erfüllung der – bereits seit zwei Jahren obliegenden – Verpflichtung ab dem Tag nach der Zustellung des Bescheids vom 27. August 2019 keine Unzumutbarkeit für die Antragstellerin erkannt werden.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. 52 Abs. 1 GKG.


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