Verwaltungsrecht

Rückforderung von landwirtschaftlichen Subventionen

Aktenzeichen  13a ZB 15.301

Datum:
17.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 103791
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
MOG § 10 Abs. 1
BayVwVfG Art. 48, 49
PflSchG § 6 Abs. 2
VO (EG) 1122/2009 Art. 80
VO (EG) Nr. 73/2009 Art. 4
OWiG § 46 Abs. 1

 

Leitsatz

Es bleibt ohne Auswirkung, wenn ein Verwaltungsgericht seiner Entscheidung ein Urteil des Amtsgerichts zugrunde legt, welches diese nachträglich ergänzt hat, obwohl es sich um ein abgekürztes Urteil handelte, wenn es lediglich auf den in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch ankommt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 3 K 14.972 2014-11-27 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 1.523,08 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. November 2014 ist abzulehnen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 5 VwGO nicht vorliegen.
An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese lägen vor, wenn das Zulassungsvorbringen einen die Entscheidung tragenden Rechtssatz oder eine insoweit erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage stellen würde, dass sich die gesicherte Möglichkeit der Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergäbe (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546; B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642).
Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung von landwirtschaftlichen Subventionen durch das zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF). Im Einzelnen handelt es sich um Direktzahlungen gemäß Titel III der VO (EG) Nr. 73/2009 (Betriebsprämie), eine Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete nach Art. 36 a) ii), Art. 37 VO (EG) Nr. 1698/2005 (AGZ) und Zuwendungen nach dem Bayerischen Kulturlandschaftsprogramm – Teil A (KULAP-A). Nach den jeweiligen Bescheiden vom 16. Juli 2012 war die teilweise Aufhebung hinsichtlich der Betriebsprämie gemäß § 10 Abs. 1 Marktorganisationsgesetz (MOG) i.V.m. Art. 80 VO (EG) Nr. 1122/2009 und hinsichtlich der Ausgleichszulage sowie der KULAP-Zuwendungen gemäß Art. 48, 49 BayVwVfG erfolgt, weil der Kläger die Verpflichtungen aus Art. 4 ff. VO (EG) Nr. 73/2009 i.V.m. § 6 Abs. 2 PflSchG (Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen) nicht eingehalten hatte.
Im vorliegenden Zulassungsantrag rügt der Kläger, dass das Verwaltungsgericht im Klageverfahren gegen die Aufhebungsbescheide das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Freising (U.v. 3.11.2011 – 4 OWi 58 Js 13501/11 [2]), wonach er wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen mit einer Geldbuße belegt worden sei, seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe. Auch wenn Gerichte grundsätzlich Feststellungen in einem rechtskräftigen Urteil ihrer eigenen Entscheidung zugrunde legen könnten, sei dies dem Verwaltungsgericht vorliegend untersagt, weil das Amtsgericht Freising sein abgekürztes Urteil im Bußgeldverfahren nachträglich ergänzt habe. Die nachträgliche Fertigung schriftlicher Urteilsgründe sei grundsätzlich unzulässig, wenn das Urteil bereits aus dem inneren Dienstbetrieb herausgegeben worden sei (BGH, B.v. 13.3.1997 – 4 StR 455/96 – BGHSt 43, 22 = NJW 1997, 1862).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts ergeben sich hieraus nicht. Das Verwaltungsgericht hat sich mit dem Einwand des Klägers, nicht er, sondern ein unbekannter Dritter habe die Ackerrandstreifen mit Pflanzenschutzmittel behandelt, auseinandergesetzt. Soweit der Kläger in Abrede stelle, die Ordnungswidrigkeit begangen zu haben, stehe dem das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Freising entgegen, mit dem er wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach § 40 Abs. 1 Nr. 4, § 40 Abs. 2, § 6 Abs. 2 PflSchG, § 46 Abs. 1 OWiG, § 465 StPO mit einer Geldbuße belegt worden sei (UA S. 9). Da dieser Schuldspruch unstreitig in Rechtskraft erwachsen ist, geht das Verwaltungsgericht zu Recht davon aus, dass der Kläger mit seinem Einwand, er habe die Tat nicht begangen, nicht gehört werden kann. Es ist rechtskräftig darüber befunden, dass der Kläger und nicht ein anderer im Jahr 2010 die Ordnungswidrigkeit nach § 46 OWiG i.V.m. § 6 Abs. 2 PflSchG (unzulässige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln) begangen hat. Der Umfang der Rechtskraft bemisst sich nach der Tat im prozessualen Sinn (§ 264 Abs. 1 StPO). „Tat“ in diesem Sinne ist der geschichtliche – und damit zeitlich und sachverhaltlich begrenzte – Vorgang, auf welchen Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll (BVerfG, B.v. 8.1.1981 – 2 BvR 873/80 – BVerfGE 56, 22 = NJW 1981, 1433; BGH, U.v. 7.9.2016 – 1 StR 422/15 – juris). Das schützt einerseits den Verurteilten davor, wegen des in der Anklage bezeichneten und individualisierten Sachverhalts nochmals gerichtlich belangt zu werden, andererseits steht fest, dass der Verurteilte die angeklagte Tat begangen hat, und der Schuldspruch erwächst insoweit in Rechtskraft.
Angesichts dessen bleibt es ohne Auswirkung, ob das Amtsgericht ein abgekürztes Urteil nachträglich ergänzt hat. Ebenso wenig kommt es auf den Einwand des Klägers an, dem Verwaltungsgericht sei es ausnahmsweise untersagt, Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts seiner eigenen Entscheidung zugrunde zu legen. Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht eine eigene Beurteilung vorgenommen. Es hat hierzu auch die polizeilichen Feststellungen in der Ordnungswidrigkeitenanzeige vom 24. Dezember 2010 und im Bußgeldbescheid vom 1. März 2011 sowie den Vortrag des Klägers herangezogen. Ausweislich der Niederschrift (S. 2 f.) über die mündliche Verhandlung vom 27. November 2014 wurde zudem mit dem Kläger und der Beklagtenseite ausführlich erörtert, ob eine andere Person den Acker bespritzt haben könnte und eventuell eine Spritzbrühe beseitigen wollte. Unter Würdigung aller Erkenntnisse ist das Verwaltungsgericht dann zur (eigenen) Einschätzung gelangt, aufgrund der Lage und der Größe des Grundstücks sei eine Verwechslung dergestalt ausgeschlossen, dass ein Dritter den ganzen Acker einschließlich der Randstreifen mit Pflanzenschutzmittel behandelt habe (UA S. 10). Im Übrigen habe sich der Kläger in unbestimmten Vermutungen ergangen und die strafgerichtlichen Feststellungen nicht widerlegen können. Damit stehe fest, dass er gegen die sogenannten anderweitigen Verpflichtungen (Cross Compliance) verstoßen habe.
Die Rechtssache weist aus den gleichen Gründen auch keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, zumal sich der Vortrag des Klägers im Wesentlichen darauf beschränkt, er habe kein Pflanzenschutzmittel angewendet.
Ein Verfahrensmangel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Das Verwaltungsgericht konnte aufgrund des rechtskräftigen Schuldspruchs grundsätzlich davon ausgehen, dass der Kläger unter Verstoß gegen § 6 Abs. 2 PflSchG ein Pflanzenschutzmittel angewendet hat. Im Übrigen hat sich das Verwaltungsgericht – wie dargelegt – mit dem Vortrag des Klägers befasst. Mit der Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör jedoch grundsätzlich nicht begründet werden (BVerfG, B.v. 19.7.1967 – 2 BvR 639/66 – BVerfGE 22, 267/273; BVerwG, B.v. 30.7.2014 – 5 B 25.14 – juris; B.v. 15.5.2014 – 9 B 14.14 – juris Rn. 8).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dr. Mayr Dr. Köhler-Rott Dengler

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