Verwaltungsrecht

Rücknahme einer Bescheinigung über die fachliche Eignung für den Taxen- und Mietwagenverkehr – vorläufiger Rechtsschutz

Aktenzeichen  11 CS 19.1866

Datum:
6.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30493
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayVwVfG  Art. 3, Art. 46, Art. 48 Abs. 5
PBefG § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2
PBZugV § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1, Abs. 6 S. 1, § 5 Abs. 1, 2 S. 1, Abs. 4 S. 2

 

Leitsatz

1. Erst im Hauptsacheverfahren wird der Frage nachzugehen sein, ob Art. 48 Abs. 5 BayVwVfG als Spezialregelung der örtlichen Zuständigkeit im Umkehrschluss dahingehend zu verstehen ist, dass die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, bis zu dessen Unanfechtbarkeit auch für die Rücknahme örtlich zuständig bleibt, auch wenn ihre örtliche Zuständigkeit nach den allgemeinen Vorschriften „eigentlich nicht mehr besteht“, oder ob diese Regelung nur klarstellende Funktion dahingehend hat, dass die nach Art. 3 BayVwVfG zuständige Behörde auch nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts für dessen Rücknahme zuständig ist. (Rn. 19 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sollte die erlassende Behörde bis zur Unanfechtbarkeit eines Verwaltungsakts für dessen Rücknahme zuständig sein, stellt sich  im Hauptsacheverfahren die weitere Frage, ob es sich bei einer Bestätigung des Bestehens einer Prüfung, durch die der Prüfungsteilnehmer nicht beschwert ist, überhaupt um einen anfechtbaren Verwaltungsakt handelt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Sollte dagegen eine Zuständigkeit der Ausgangsbehörde für die Rücknahme zu verneinen sein, stellt sich im Hauptsacheverfahren die weitere Frage, ob ein etwaiger Zuständigkeitsfehler nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich ist, weil er offensichtlich nicht ursächlich für die getroffene Entscheidung war. Das kann nicht nur bei gebundenen Verwaltungsakten oder bei Ermessensreduzierungen auf Null der Fall sein, sondern auch dann, wenn ohne Zweifel feststeht, dass die Behörde bei Vermeidung des Verfahrens- oder Formfehlers dieselbe – materiell rechtmäßige – Entscheidung getroffen hätte. (Rn. 24 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
4. Im Rahmen der Interessenabwägung überwiegt das Allgemeininteresse daran, dass nur solchen Taxen- und Mietwagenunternehmern die Bescheinigung erteilt und belassen wird, die die Fachkundeprüfung regulär bestanden haben. Auch etwaige Mitbewerber haben ebenso wie Prüflinge, die sich ordnungsgemäß der Fachkundeprüfung unterziehen, aus Gründen der Chancengleichheit ein berechtigtes Interesse daran, dass die zuständige Behörde bei Bekanntwerden von Prüfungsmanipulationen einschreitet und etwaige rechtswidrige Bescheinigungen zurücknimmt. (Rn. 27 und 28) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 4 S 19.01191 2019-08-23 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. August 2019 wird in Nr. 1 und 2 aufgehoben.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr.
I. und II. des Bescheids der Antragsgegnerin vom 7. Juni 2019 wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Rücknahme einer Bescheinigung über seine fachliche Eignung zum Verkehr mit Taxen und Mietwagen sowie der Verpflichtung zur Rückgabe der hierzu ausgestellten Urkunde.
Der Antragsteller betreibt ein Mietwagenunternehmen mit Sitz in Berlin. Am 27. August 2018 hatte er sich bei der Antragsgegnerin unter Angabe einer Wohnanschrift in Nürnberg und Vorlage einer Meldebestätigung (Tag des Einzugs: 25.8.2018) zur Fachkundeprüfung für den Taxi- und Mietwagenverkehr angemeldet (Prüfungstermin: 27.8.2018). Die Antragsgegnerin bestätigte ihm am 27. August 2018 das Bestehen der Prüfung am selben Tag und stellte ihm eine Bescheinigung zum Nachweis der fachlichen Eignung für den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr mit Taxen und Mietwagen aus. Die Bestätigung und die Bescheinigung enthalten keine Rechtsbehelfsbelehrung:.
In der Folgezeit haben interne Ermittlungen der Antragsgegnerin Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Prüfungsausschussmitglieder entgegen der von ihnen unterschriebenen Prüfungsniederschriften bei Fachkundeprüfungen in zahlreichen Fällen nicht anwesend waren und die Prüfungen nicht abgenommen haben. Das Protokoll haben sie zu einem späteren Zeitpunkt unterzeichnet. Dabei haben auch außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Antragsgegnerin ansässige Prüfungskandidaten kurzzeitig ihren Wohnsitz in Nürnberg an- und nach der Prüfung wieder abgemeldet. In diesem Zusammenhang sind strafrechtliche Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter der Antragsgegnerin eingeleitet worden. Wegen des Verdachts, dass auch beim Antragsteller keine ordnungsgemäße Prüfung stattgefunden hat, holte die Antragsgegnerin eine Auskunft des Einwohneramts der Stadt Nürnberg ein. Dieser Auskunft vom 22. Februar 2019 zufolge hat der Antragsteller seinen zum 25. August 2018 in Nürnberg begründeten Hauptwohnsitz zum 31. August 2018 wieder aufgegeben und diesen wieder in Berlin angemeldet.
Nach Anhörung nahm die Antragsgegnerin die dem Antragsteller erteilte Bescheinigung vom 27. August 2018 über die fachliche Eignung für den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr mit Taxen und Mietwagen mit Bescheid vom 7. Juni 2019 zurück (Nr. I.), verpflichtete ihn zur Herausgabe der Bescheinigung im Original spätestens fünf Tage nach Zugang des Bescheids (Nr. II.) und ordnete die sofortige Vollziehung der Nrn. I. und II. an (Nr. IV.). Die Anmeldung des Antragstellers zur Prüfung, die Anmeldebestätigung und die vermeintliche Prüfung seien am selben Tag erfolgt. Die Mitglieder des Prüfungsausschusses hätten eingeräumt, dass sie am Prüfungstag nicht anwesend gewesen seien und das Protokoll zu einem späteren Zeitpunkt unterschrieben hätten. Der Antragsteller habe sich nur zum Zwecke der vermeintlichen Prüfung und ohne Domizilwillen mit einer Wohnung in Nürnberg angemeldet, hierzu eine auf den Prüfungstag datierte Meldebescheinigung vorgelegt und seine Hauptwohnung bereits am 31. August 2018 wieder abgemeldet. Es sei entweder keine oder zumindest keine ordnungsgemäße Prüfung durch das zuständige Gremium durchgeführt worden und der Antragsteller habe keinen Nachweis der fachlichen Eignung erbracht. Die entsprechende Bescheinigung sei rechtswidrig und werde daher zurückgenommen. Ohne ordnungsgemäße Prüfung bestehe die Gefahr, dass die zur Führung eines Taxi- oder Mietwagenunternehmens erforderlichen Kenntnisse nicht, zumindest nicht in allen Teilen, vorhanden seien. Das Interesse der Allgemeinheit an einem ordnungsgemäßen Nachweis der Kenntnisse gehe auch unter Berücksichtigung der vom Antragsteller getätigten Investitionen seinem Interesse an der Aufrechterhaltung der Bescheinigung vor. Auf schutzwürdiges Vertrauen könne er sich nicht berufen. Ihm sei die nicht ordnungsgemäße Prüfung bekannt oder zumindest fahrlässig unbekannt gewesen.
Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage erheben und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragen. Er habe tatsächlich an einer Prüfung am 27. August 2018 teilgenommen. Ihm sei jedoch nicht bewusst gewesen, wie viele Prüfer hätten anwesend sein müssen. Er habe auf der Grundlage des Bescheids Investitionen in Höhe von ca. 200.000,- Euro getätigt.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2019 forderte das Verwaltungsgericht den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zur Stellungnahme innerhalb einer Woche auf, ob der Antragsteller an einer Prüfung teilgenommen habe, wie deren Ablauf gewesen sei, wer noch an dieser Prüfung teilgenommen habe, was der Inhalt der Prüfung gewesen sei, wie lange die Prüfung gedauert habe, welchen Hintergrund die Ummeldung des Wohnorts nach Nürnberg gehabt habe, wieso der Wohnsitz in Berlin nicht gänzlich aufgegeben worden sei, wie die Wohnverhältnisse in Nürnberg gewesen seien und warum der Wohnsitz in Nürnberg nach kurzer Zeit wieder aufgegeben worden sei. Hierzu hat sich der Antragsteller nicht geäußert.
Die Antragsgegnerin legte dem Verwaltungsgericht ein Schreiben der Industrie- und Handelskammer Berlin vom 16. August 2019 vor, mit dem diese erklärte, sie nehme im Verfahren keine Zuständigkeit in Anspruch. Hilfsweise stimme sie den durch die Antragsgegnerin durchgeführten Prüfungs- und Rücknahmeverfahren aus Gründen der Praktikabilität, Verfahrensökonomie und Sachnähe zu.
Mit Urteil vom 20. August 2019 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Juni 2019 aufgehoben. Zwar habe das Gericht keine ernstlichen Zweifel, dass der Antragsteller nicht an der Prüfung teilgenommen habe. Die Rücknahmeentscheidung sei jedoch rechtswidrig, da die Antragsgegnerin hierfür örtlich nicht zuständig gewesen sei. Ausgangs- und Rücknahmeverfahren seien zwei selbständige Verwaltungsverfahren. Die örtliche Zuständigkeit für das Rücknahmeverfahren richte sich daher nicht nach der örtlichen Zuständigkeit für das Ausgangsverfahren. Da der Antragsteller sein Unternehmen in Berlin betreibe, sei die Industrie- und Handelskammer Berlin für den Erlass des Rücknahmebescheids zuständig. Der Gesetzgeber habe das Ergebnis, dass die Antragsgegnerin als sachnähere Behörde zwar die Aufklärung des Sachverhalts vornehme, die Rücknahmeentscheidung jedoch durch eine andere Industrie- und Handelskammer zu treffen sei, in Kauf genommen. Der Verfahrensfehler sei auch nicht unbeachtlich. Es sei nicht offensichtlich, dass die örtlich zuständige Industrie- und Handelskammer Berlin keine andere Entscheidung getroffen hätte.
Mit Beschluss vom 23. August 2019 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. I. und II. des Bescheids vom 7. Juni 2019 wieder hergestellt und zur Begründung auf die Ausführungen im Urteil vom 20. August 2019 Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, der der Antragsteller entgegentritt. Zur Begründung führt die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, das Verwaltungsgericht habe das Zusammenspiel zwischen Art. 3 und Art. 48 Abs. 5 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) verkannt. Art. 48 Abs. 5 BayVwVfG sei lex specialis zur allgemeinen Zuständigkeitsregelung in Art. 3 BayVwVfG. Im Zeitpunkt der Rücknahme sei der Ausgangsbescheid noch nicht unanfechtbar gewesen. Im Umkehrschluss folge aus Art. 48 Abs. 5 BayVwVfG („nach Unanfechtbarkeit“), dass bis zur Unanfechtbarkeit die für den ursprünglichen Bescheid zuständige Behörde auch dann für die Rücknahme örtlich zuständig sei, wenn ihre Zuständigkeit eigentlich nicht mehr bestehe oder gar nicht bestanden habe. Insoweit sehe das Gesetz in diesem besonderen Fall eine Verklammerung zwischen Ausgangs- und Rücknahmeverfahren vor. Es könne nicht sein, dass eine Behörde arglistig getäuscht werde und dann nicht selbst ihren fehlerhaften, rechtswidrigen Verwaltungsakt revidieren könne. Das Verwaltungsgericht habe auch die Unbeachtlichkeit einer etwaigen örtlichen Unzuständigkeit gemäß Art. 46 BayVwVfG zu Unrecht verneint. Aufgrund der Erklärung der Industrie- und Handelskammer Berlin sei davon auszugehen, dass diese keine andere Entscheidung getroffen hätte. Außerdem habe im konkreten Fall kein Ermessen bestanden, das anders hätte ausgeübt werden können. Sollte die Industrie- und Handelskammer Berlin im Ergebnis zuständig sein, werde sie einen im Wesentlichen inhaltsgleichen Verwaltungsakt mit Sofortvollzug erlassen. Die Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung falle zugunsten der sofortigen Vollziehung aus. Die Rücknahme diene der Gefahrenabwehr und den Interessen möglicherweise betroffener Dritter sowie der Rechtmäßigkeit der Verwaltung.
Mit Beschluss vom 5. November 2019 hat der Senat die Berufung gegen das Urteil auf Antrag der Antragsgegnerin wegen ernstlicher Zweifel an dessen Richtigkeit, besonderer rechtlicher Schwierigkeiten sowie grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Akten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet.
1. Bei der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs vorzunehmen. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt im Rahmen einer summarischen Prüfung als rechtswidrig und verletzt er den Betroffenen in seinen Rechten, ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts regelmäßig zu verneinen. Bestehen umgekehrt keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts und liegen ausreichende Gründe für die Anordnung des Sofortvollzugs vor, ist der Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs in aller Regel abzulehnen. Bei offenen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs sind die Vollzugsinteressen gegen die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen abzuwägen.
Hier sind die Erfolgsaussichten der Klage bzw. der Berufung als offen und die Interessen des Antragstellers an der Aussetzung des Sofortvollzugs als nachrangig gegenüber dem Vollzugsinteresse anzusehen. Im Berufungsverfahren wird insbesondere zu prüfen sein, ob das Verwaltungsgericht die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin für den Rücknahmebescheid zu Recht verneint hat.
a) Die Genehmigung für den Verkehr mit Taxen und Mietwagen setzt unter anderem voraus, dass der Antragsteller als Unternehmer oder die für die Führung der Geschäfte bestellte Person fachlich geeignet ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Personenbeförderungsgesetzes – PBefG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 8.8.1990 [BGBl I S. 1690], zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.7.2017 [BGBl I S. 2808]). Die fachliche Eignung kann entweder durch eine angemessene Tätigkeit in einem Unternehmen des Straßenpersonenverkehrs oder durch Ablegung einer Prüfung nachgewiesen werden (§ 13 Abs. 1 Satz 2 PBefG; § 3 Abs. 2, § 4, § 5 der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr – PBZugV – vom 15.6.2000 [BGBl I S. 851], zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.8.2015 [BGBl I S. 1474]). Die Fachkundeprüfung und die Bewertung der Prüfungsleistungen erfolgen durch die Industrie- und Handelskammern auf Grund einer Prüfungsordnung (§ 4 Abs. 7 PBZugV). Hierfür errichtet die Industrie- und Handelskammer einen Prüfungsausschuss, der aus einem Vorsitzenden und mindestens einem Beisitzer besteht (§ 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 PBZugV). Zuständig für die Durchführung der Prüfung, die sich aus zwei schriftlichen Prüfungsteilen und gegebenenfalls einer ergänzenden mündlichen Prüfung zusammensetzt (§ 4 Abs. 1 PBZugV), ist der Prüfungsausschuss, in dessen Zuständigkeitsbereich der Bewerber seinen Wohnsitz hat (§ 5 Abs. 4 Satz 2 PBZugV). Bewerbern, die die Prüfung für den Taxen- und Mietwagenverkehr bestanden haben, wird eine Bescheinigung nach dem Muster der Anlage 5 zur Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr erteilt (§ 4 Abs. 6 PBZugV).
b) Das Verwaltungsgericht hat die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Rücknahme der dem Antragsteller erteilten Bescheinigung über die fachliche Eignung und für die Verpflichtung zu deren Herausgabe verneint. Da der Antragsteller seinen Unternehmenssitz in Berlin habe, sei nicht die Antragsgegnerin, sondern die Industrie- und Handelskammer Berlin für die Rücknahme zuständig.
Zutreffend ist, dass die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin nicht aus Art. 3 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) vom 23. Dezember 1976 (BayRS 2010-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juli 2018 (GVBl S. 604), hergeleitet werden kann. Da der Antragsteller seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin hat und dort auch sein Unternehmen betreibt, ergibt sich die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin insbesondere nicht aus Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 Buchst. a BayVwVfG. Auf den Anlass für die Amtshandlung (Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG) lässt sich die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin ebenfalls nicht stützen, da diese Vorschrift nur zum Tragen kommt, wenn sich die Zuständigkeit nicht aus Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BayVwVfG ergibt. Schließlich ist auch Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG nicht einschlägig, da – worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hinweist – Ausgangs- und Rücknahmeverfahren zwei voneinander unabhängige Verwaltungsverfahren sind (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 20.12.1999 – 7 C 42.98 – BVerwGE 110, 226 = juris Rn. 15). Im Zeitpunkt der Ummeldung des Antragstellers nach Berlin war das Prüfungsverfahren bereits abgeschlossen. Durch die Ummeldung ist somit keine Änderung der die Zuständigkeit begründenden Umstände im Lauf eines noch offenen Verwaltungsverfahrens eingetreten.
Allerdings bestimmt Art. 48 Abs. 5 BayVwVfG, von dessen Anwendbarkeit für die Rücknahme einer Prüfungsbescheinigung auszugehen ist (Art. 2 Abs. 3 Nr. 2 BayVwVfG; vgl. auch Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 501 und 723), dass die nach Art. 3 BayVwVfG zuständige Behörde nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts über dessen Rücknahme entscheidet und dass dies auch dann gilt, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist. Diese Vorschrift wird im Schrifttum teilweise dahingehend verstanden, dass die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, bis zu dessen Unanfechtbarkeit auch für die Rücknahme örtlich zuständig sei, auch wenn ihre örtliche Zuständigkeit „eigentlich nicht mehr bestehe“. Erst nach Unanfechtbarkeit sei nur die im Rücknahmezeitpunkt örtlich zuständige Behörde zur Rücknahme berechtigt (z.B. Ziekow, VwVfG, 3. Auflage 2013, § 48 Rn. 57; Kastner in Fehling/Kastner/Störmer, VwVfG, 4. Auflage 2016, § 48 Rn. 68; Peuker in Knack/Henneke, VwVfG, 10. Auflage 2014, § 48 Rn. 60; Müller in Huck/Müller, VwVfG, 2. Auflage 2016, § 48 Rn. 52; eingehend Hößlein, Die Verwaltung 2007, 281 ff.). Die Gegenansicht vertritt hierzu die Auffassung, Art. 48 Abs. 5 BayVwVfG bzw. § 48 Abs. 5 VwVfG sei missverständlich formuliert. Die Regelung habe nur klarstellende Funktion dahingehend, dass die nach Art. 3 BayVwVfG bzw. § 3 VwVfG zuständige Behörde auch nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts für dessen Rücknahme zuständig sei (Baumeister in Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 5. Auflage 2018, § 48 Rn. 129; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 48 Rn. 260; J. Müller in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand 1.1.2019, § 48 Rn. 124).
Nach dem Wortlaut des Art. 48 Abs. 5 BayVwVfG lässt sich die Frage, ob die Ausgangsbehörde bis zur Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts auch dann für dessen Rücknahme örtlich zuständig bleibt, wenn nach den allgemeinen Regelungen des Art. 3 BayVwVfG eine andere Behörde zuständig wäre, nicht eindeutig beantworten. Die Worte „nach Unanfechtbarkeit“ könnten allerdings dafür sprechen, im Umkehrschluss eine örtliche Zuständigkeit der Ausgangsbehörde bis zur Unanfechtbarkeit anzunehmen.
Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift gibt für deren Auslegung wenig her. Die Regelung geht auf die Stellungnahme des Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren zurück, wonach sie notwendig sei zur Klarstellung der Zuständigkeiten nach Unanfechtbarkeit eines Verwaltungsakts. § 3 Abs. 3 VwVfG, der von der Zuständigkeitsverlagerung im Laufe ein- und desselben Verwaltungsverfahrens ausgehe, komme nicht zur Anwendung (BT-Drs. 7/910, S. 104 und BT-Drs. 7/4494, S. 9). Wenn der Gesetzgeber mit § 48 Abs. 5 VwVfG eine nur klarstellende Regelung treffen wollte, könnte dies dafür sprechen, dass jedenfalls eine konstitutive Regelung der örtlichen Zuständigkeit bis zur Unanfechtbarkeit nicht beabsichtigt war und es insoweit bei den allgemeinen Regeln des § 3 VwVfG bleiben sollte. Dann wäre die Formulierung des § 48 Abs. 5 VwVfG allerdings sehr missverständlich.
Für eine Zuständigkeit der Ausgangsbehörde bis zur Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts lassen sich Systematik sowie Sinn und Zweck der Vorschrift anführen. Bei § 48 Abs. 5 VwVfG bzw. Art. 48 Abs. 5 BayVwVfG handelt es sich im Verhältnis zu § 3 VwVfG bzw. Art. 3 BayVwVfG um eine Spezialregelung der örtlichen Zuständigkeit. Würde man diese Regelung so verstehen, dass sie nur die Zuständigkeit nach Unanfechtbarkeit regeln sollte, hätte es ihrer nicht bedurft, denn dies ergäbe sich bereits aus § 3 VwVfG bzw. Art. 3 BayVwVfG. Für eine Zuständigkeit der Ausgangsbehörde bis zur Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts könnte auch sprechen, dass die Ausgangsbehörde jedenfalls im Widerspruchsverfahren noch im Wege der Abhilfe ihre Entscheidung ändern kann (§ 72 VwGO). Eine entsprechende Kompetenz bis zur Unanfechtbarkeit ist dem Verwaltungsverfahrensrecht also nicht fremd. Es erscheint auch durchaus sinnvoll, dass die Ausgangsbehörde berechtigt sein soll, eine als fehlerhaft erkannte Entscheidung jedenfalls bis zum Eintritt der Bestandskraft zu korrigieren.
Dieser Frage wird im Hauptsacheverfahren nachzugehen sein. Sollte die erlassende Behörde bis zur Unanfechtbarkeit eines Verwaltungsakts für dessen Rücknahme zuständig sein, stellt sich die weitere Frage, ob es sich bei einer Bestätigung des Bestehens einer Prüfung, durch die der Prüfungsteilnehmer nicht beschwert ist, überhaupt um einen anfechtbaren Verwaltungsakt handelt (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, Rn. 818 f.). Falls diese Frage zu bejahen ist, wäre die Prüfungsbestätigung der Antragsgegnerin vom 27. August 2018, die mit keiner Rechtsbehelfsbelehrung:versehen war, als personenbezogene Prüfungsentscheidung bei Erlass des Rücknahmebescheids am 7. Juni 2019 noch anfechtbar gewesen (vgl. § 58 Abs. 2 VwGO, Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.6.1992 [GVBl S. 162], zuletzt geändert durch Verordnung vom 26.3.2019 [GVBl S. 98]; siehe auch Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, Rn. 841; Zimmerling/Brehm, Der Prüfungsprozess, 1. Auflage 2004, § 2 Rn. 54).
c) Sollte eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Rücknahme zu verneinen sein, würde sich die weitere Frage stellen, ob ein etwaiger Fehler unbeachtlich wäre.
Nach Art. 46 BayVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach Art. 44 BayVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die in Prüfungsverfahren anwendbare (vgl. BVerwG, B.v. 4.2.1991 – 7 B 7.91 – juris Rn. 4) Vorschrift stellt auf die Kausalität des Fehlers für die Entscheidung ab. Unbeachtlich ist der Fehler dann, wenn er offensichtlich nicht ursächlich für die getroffene Entscheidung war. Das kann nicht nur bei gebundenen Verwaltungsakten oder bei Ermessensreduzierungen auf Null der Fall sein, sondern auch dann, wenn ohne Zweifel feststeht, dass die Behörde bei Vermeidung des Verfahrens- oder Formfehlers dieselbe – materiell rechtmäßige – Entscheidung getroffen hätte (vgl. BT-Drs. 13/3995 S. 8; Pautsch in Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 1. Auflage 2016, § 46 Rn. 7 f.; Ziekow, VwVfG, § 46 Rn. 10 ff.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 73 ff.; Emmenegger in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 46 Rn. 92).
Zwar können nachträgliche Bekundungen der örtlich zuständigen Behörde, wonach sie der getroffenen Entscheidung zustimmt, nicht dafür angeführt werden, dass der Fehler offensichtlich nicht ursächlich für die getroffene Entscheidung war (Emmenegger in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 46 Rn. 92; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 81). Deshalb ist die von der Antragsgegnerin beigebrachte Erklärung der Industrie- und Handelskammer Berlin kein ausreichender Beleg dafür, dass eine etwaige Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften die Rücknahmeentscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Es ist allerdings kaum denkbar, dass eine zuständige Behörde bei Bekanntwerden von Prüfungsmanipulationen in der Weise, dass entweder gar keine oder jedenfalls keine ordnungsgemäße Prüfung durch das hierzu berufene Gremium stattgefunden hat, ihr Ermessen dahingehend ausüben würde, trotz schwerer Verstöße im Prüfungsverfahren unter Mitwirkung des Prüflings von einer Rücknahme der Prüfungsbestätigung abzusehen (vgl. auch Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, Rn. 501). Auch diese Frage wird gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren zu beantworten sein.
d) Da der Ausgang des Hauptsacheverfahrens damit als offen anzusehen ist, sind die Interessen des Antragstellers an der Aussetzung des Sofortvollzugs der Rücknahmeentscheidung gegen die für den Sofortvollzug sprechenden Gründe abzuwägen. Letztere erachtet der Senat als weit überwiegend. Er geht mit der Antragsgegnerin davon aus, dass die Interessen des Antragstellers nachrangig und nicht schutzwürdig sind, weil Vieles dafür spricht, dass er sich entweder keiner oder zumindest keiner ordnungsgemäßen Fachkundeprüfung unterzogen hat und dass ihm die Rechtswidrigkeit der Prüfungsbescheinigung bewusst war. Die Antragsgegnerin hat vergleichbare Vorgänge in größerer Zahl aufgrund eines anonymen Hinweises aufgedeckt. Die Mitglieder des Prüfungsausschusses, die das Prüfungsprotokoll unterschrieben haben, haben auf Vorhalt im Fall des Antragstellers eingeräumt, dass sie die Prüfung nicht abgenommen haben. Die vom Verwaltungsgericht zum Prüfungsablauf gestellten Fragen hat der Antragsteller nicht beantwortet. Für eine nicht ordnungsgemäße Prüfung spricht des Weiteren, dass der Antragsteller nur für einen kurzen Zeitraum ab dem Prüfungstag seinen Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin angemeldet und diesen bald darauf wieder nach Berlin, dem Sitz seines Unternehmens, abgemeldet hat. Auffällig ist auch, dass die Durchfallquote der regulär durchgeführten Fachkundeprüfungen der Antragsgegnerin nach deren Bekundungen bei ca. 70% liegt, während bei den mutmaßlich manipulierten Prüfungen alle Prüfungsteilnehmer die Prüfung bestanden haben.
Sollte sich der Verdacht einer auf Täuschung beruhenden Prüfungsbescheinigung bestätigen, hätte der Antragsteller hierdurch die Möglichkeit des Nachweises der Fachkunde als Voraussetzung für die personenbeförderungsrechtliche Genehmigung erlangt, ohne diesen Nachweis erbracht zu haben. An der Beibehaltung einer solchen rechtswidrigen Bescheinigung besteht auch dann, wenn deren Inhaber Investitionen in erheblicher Höhe für sein Unternehmen getätigt hat, kein schutzwürdiges Interesse. Vielmehr überwiegt das Allgemeininteresse daran, dass nur solchen Taxen- und Mietwagenunternehmern die Bescheinigung erteilt und belassen wird, die die Fachkundeprüfung regulär bestanden haben. Auch etwaige Mitbewerber haben ebenso wie Prüflinge, die sich ordnungsgemäß der Fachkundeprüfung unterziehen, aus Gründen der Chancengleichheit ein berechtigtes Interesse daran, dass die zuständige Behörde bei Bekanntwerden von Prüfungsmanipulationen einschreitet und etwaige rechtswidrige Bescheinigungen zurücknimmt.
Zur Herausgabe der Urkunde ist der Antragsteller nach Maßgabe von Art. 52 BayVwVfG verpflichtet. Dabei genügt es nach herrschender Meinung für eine Rückforderung der Urkunde auch bei noch nicht bestandskräftiger Rücknahme des zugrunde liegenden Verwaltungsakts, wenn dem hiergegen erhobenen Rechtsbehelf aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 52 Rn. 15 ff. und 26 m.w.N.). Der sofort vollziehbare Rücknahmebescheid ist bezüglich seiner Wirkungen bis zur endgültigen Klärung einem unanfechtbaren Verwaltungsakt weithin gleichgestellt. Die Anordnung des Sofortvollzugs durch die Antragsgegnerin ist auch hinsichtlich der Herausgabe der Urkunde gerechtfertigt, um Täuschungen des Rechtsverkehrs durch die vom Antragsteller nicht nachgewiesene fachliche Eignung, die ihm in der Urkunde bescheinigt wird, entgegenzuwirken.
2. Der Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1 und 36.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, Anh. § 164 Rn. 14).
4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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