Verwaltungsrecht

Rücknahme einer unrichtigen Zeugnisnote

Aktenzeichen  AN 2 S 19.02425

Datum:
20.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 35008
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 48, Art.52
MSO § 31 Abs. 7 S. 3
VwGO § 80 Abs. 5, § 114
ZPO § 415 Abs. 1
StGB § 22, § 23, § 263 Abs. 1, Abs. 2
VwZVG Art. 19

 

Leitsatz

1. Schulzeugnisse begründen allgemein als öffentliche Urkunden nach § 415 Abs. 1 ZPO vollen Beweis hinsichtlich einer etwaigen Prüfungsteilnahme, ggf. des Prüfungsergebnisses und der im Einzelnen ausgewiesenen Leistungen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Schulzeugnis kann ein sog. Mischverwaltungsakt sein, bei dem die enthaltenen belastenden und begünstigenden Elemente voneinander hinreichend klar getrennt werden können. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Rahmen der Ermessensausübung nach § 48 Abs. 3 BayVwVfG ist der Vertrauensschutz zu berücksichtigen. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.500,00 EUR.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung betreffend Berichtigung und Herausgabe eines Schulzeugnisses.
Die Antragstellerin bestand im Schuljahr 2018/2019 den Mittleren Schulabschluss an der …Schule in … … Als Jahresfortgangsnote im Schuljahr 2018/2019 erzielte sie im Fach Mathematik die Note 4. In diesem Fach legte sie am … ihre schriftliche Abschlussprüfung ab. In dieser Prüfung erzielte sie 7 von möglichen 45 Punkten, wobei dem Punktebereich von 7 bis 14,5 Punkten die Note 5 zugeordnet war. Entsprechend wurden die Leistungen der Antragstellerin mit der Note 5 bewertet. In der Sitzung des Prüfungsausschusses am … stellte die Feststellungskommission fest, bei der Antragstellerin überwiege die in der Abschlussprüfung erzielte Note gegenüber der Jahresfortgangsnote, so dass die Gesamtnote 5 festgelegt wurde. Diese wurde der Antragstellerin und ihren Eltern in Gestalt einer ausgedruckten Notenübersicht mitgeteilt. In der Folge nahm die Antragstellerin auf freiwilliger Basis zur Notenverbesserung an einer mündlichen Nachprüfung im Fach Mathematik teil. In der Nachprüfung wurden ihre Leistungen mit der Note 5 bewertet. Am Ende der Prüfung erhielt die Antragstellerin jedenfalls die Mitteilung, sie habe sich nicht verbessert. Schließlich wurde in der Sitzung des Prüfungsausschusses am … endgültig die Gesamtnote 5 im Fach Mathematik festgelegt.
Am … wurden der Antragstellerin und ihren Mitschülern die Abschlusszeugnisse ausgegeben. Hierbei stellte die Antragstellerin sogleich fest, dass in dem ihr ausgehändigten Zeugnis im Fach Mathematik die Note 4 eingetragen war. Da die Antragstellerin die Auskunft in Erinnerung hatte, sich nicht verbessert zu haben, wandte sie sich unmittelbar nach der Zeugnisausgabe an ihre Klassenlehrerin … Auf mehrfache Frage der Antragstellerin, ob die in dem Zeugnis abgedruckte Note richtig sei, erhielt sie von der Lehrerin die bestätigende Antwort: „Ja, wenn das Programm das so ausrechnet, dann wird es stimmen.“ Tatsächlich war es zu einem Übertragungsfehler dahingehend gekommen, dass die Lehrkraft … die jeweiligen Abschlussnoten der Schüler nicht wie erforderlich manuell in das Zeugnisformular der verwendeten Software übertragen hatte, sondern die bereits in den Zeugnisformularen enthaltenen Jahresfortgangsnoten in dem Glauben unverändert gelassen hatte, die Software habe die Abschlussnoten bereits automatisiert übertragen. Zudem war in dem der Antragstellerin ausgegebenen Zeugnis weder die Bewertung ihrer Projektprüfung – hier hatte die Antragstellerin die Note 2 erzielt – noch ihre Teilnahme an der Arbeitsgemeinschaft … enthalten.
In der Absicht, die Fehler schnellstmöglich zu korrigieren, erstellte die Lehrkraft … eine Sprachnachricht, die sie in der WhatsApp-Gruppe der Klasse verbreitete. Aus dieser ging insbesondere hervor, dass mehrere Zeugnisse inhaltlich falsch ausgegeben worden seien und umgetauscht werden müssten. Darüber hinaus erwähnte die Sprachnachricht ausdrücklich, dass namentlich die Antragstellerin im Fach Mathematik tatsächlich die Note 5 statt der Note 4 erzielt habe. Die Sprachnachricht war für alle Schüler der Klasse zugänglich.
Am 1. August 2019 kam es zu einem Gespräch zwischen Schulleitung und Eltern der Antragstellerin. Im Rahmen dieses Gesprächs bat die Schulleitung mehrfach um Entschuldigung für das fehlerhaft ausgegebene Zeugnis sowie die Benachrichtigung per WhatsApp. Die Gesprächsteilnehmer verblieben dahingehend, dass der Sachverhalt seitens der Schule schriftlich mitgeteilt werden würde.
Daraufhin stellte die …Schule mit Schreiben vom 1. August 2019 an die Eltern der Antragstellerin insbesondere fest, im Fach Mathematik ergebe sich die Gesamtnote 5. Nach Rücksprache mit der juristischen Abteilung der Regierung … werde darauf hingewiesen, dass die Schule nach Art. 42 BayVwVfG bei offenbaren Unrichtigkeiten eines Verwaltungsakts die Vorlage des Dokuments verlangen müsse. Es wurde darum gebeten, das ausgegebene Zeugnis im Sekretariat der Schule im Austausch gegen das vollständig berichtigte Zeugnis abzugeben.
Hiergegen legten die Eltern der Antragstellerin unter dem 30. August 2019 Widerspruch ein. Der Widerspruch ist bislang nicht verbeschieden. Zur Begründung ist in dem Schreiben insbesondere ausgeführt, die Lehrerin der Antragstellerin habe auf Frage die Richtigkeit der Mahematiknote noch im Klassenzimmer bestätigt. Ihre Tochter sei höchst motiviert und vorbereitet in die Nachprüfung im Fach Mathematik gegangen. Leider seien aber die äußeren Umstände nicht ideal gewesen. Nach der Prüfungsordnung sei die Nachprüfung eine Einzelprüfung. Ihre Tochter habe ihnen jedoch mitgeteilt, dass sie gemeinsam mit weiteren Schülern in einem Klassenzimmer mehrere mathematische Aufgaben schriftlich habe vorbereiten sollen. Während der Vorbereitungszeit hätten immer wieder Schüler das Klassenzimmer verlassen, um ihre anschließenden mündlichen Einzelprüfungen anzutreten. Dies habe einen hohen Lärmpegel verursacht, wodurch ihre Tochter in ihrer Vorbereitung gestört gewesen sei und nicht alle Aufgaben habe abschließend vorbereiten können. Die Prüfungsbedingungen ihrer Tochter seien unzureichend gewesen. Dementsprechend verunsichert sei ihre Tochter in die mündliche Prüfung gekommen. Während dieser Prüfung seien ihr von den Prüfern … und … mehrere Gegenfragen gestellt worden, da ihre zutreffenden mündlichen Ergebnisse mit der schriftlichen Vorbereitung teilweise nicht übereingestimmt hätten. Weiterhin seien auch anderweitige Berechnungswege von den Prüfern in den Raum geworfen worden. Tatsächlich seien ihrer Tochter in der mündlichen Prüfung richtige Lösungswege teilweise wieder eingefallen. Durch die Gegenfragen sei sie jedoch so verunsichert gewesen, dass sie sich teilweise wieder für die schriftlich vorbereiteten Lösungswege oder die angesprochenen Lösungswege der Prüfer entschieden habe, die sich als unrichtig erwiesen hätten. Es sei daher in Frage zu stellen, ob die intensiven Gegenfragen der Prüfer tatsächlich erforderlich gewesen seien, nachdem ihre Tochter ohnehin unter enormen Druck gestanden habe.
Mit Schriftsatz vom 18. September 2019, eingegangen bei Gericht am 22. September 2019, haben die Eltern der Antragstellerin gegen das Schreiben der Schule vom 1. August 2019 Klage erhoben.
Mit Schreiben vom 21. Oktober 2019 stellte sich die …Schule auf den Standpunkt, bei ihrem vorausgegangenen Schreiben vom 1. August 2019 handele es sich um keinen Verwaltungsakt, so dass sowohl der eingelegte Widerspruch, als auch die erhobene Anfechtungsklage unzulässig seien. Da die Abschlussnote des Zeugnisses im Widerspruch zu der Festsetzung der Prüfungskommission stehe, werde die Schule das Zeugnis mittels eines sofort vollziehbaren rechtsmittelfähigen Rücknahmebescheids mit Wirkung für die Vergangenheit teilweise zurücknehmen bzw. abändern und das alte Zeugnis sofort herausverlangen. Eine solche Änderung des Zeugnisses entspreche pflichtgemäßen Ermessens. Gelegenheit zur Stellungnahme wurde bis 8. November 2019 eingeräumt.
Nachdem keine Stellungnahme eingegangen war, erging seitens der …Schule unter dem 15. November 2019 unter Beifügung des vollständig korrigierten Zeugnisses folgender Bescheid:
1. Das am … ausgestellte und der Schülerin …, geb. …2002, persönlich ausgehändigte Zeugnis wird mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Das als Anlage beigefügte neu erstellte Zeugnis, welches Bestandteil dieses Bescheides ist, ersetzt das alte Zeugnis rückwirkend.
2. Das zurückgenommene Zeugnis sowie die ausgehändigte Zweitschrift desselben sind von Frau …, gesetzlich vertreten durch Frau … und Herr … …, der …Schule innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides zurückzugeben.
3. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 dieses Bescheides wird angeordnet.
4. Für den Fall, dass Frau …, gesetzlich vertreten durch Frau … und Herr …, der Verpflichtung unter Ziffer 2 dieses Bescheides zuwider handelt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR zur Zahlung fällig.
5. Für diesen Bescheid werden keine Kosten erhoben.
Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus, es handele sich um eine teilweise Rücknahme bzw. Änderung des Zeugnisses, welches einen teilweise rechtswidrigen Verwaltungsakt darstelle. Zum einen habe das Zeugnis weder die Projektprüfungsnote noch die Teilnahmebestätigung an der Arbeitsgemeinschaft … enthalten. Zum anderen sei im Fach Mathematik eine falsche Note eingetragen. Der Prüfungsausschuss habe abschließend die Gesamtnote 5 festgesetzt. Irrtümlicherweise sei in dem Zeugnis jedoch die Gesamtnote 4 eingetragen worden. Die Feststellung der Gesamtnote 5 im Fach Mathematik durch den Prüfungsausschuss sei auch rechtmäßig. Die Jahresfortgangsnote – die Note 4 – habe nicht überwiegen können, da diese nach dem Urteil des Prüfungsausschusses nicht mehr als die Prüfungsnote der Gesamtleistung der Antragstellerin im Fach Mathematik entsprochen habe. Auch die mündliche Nachprüfung sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. In der Prüfungsvorbereitung habe sich die Antragstellerin mit zwei weiteren Teilnehmern unter Aufsicht einer erfahrenen Lehrkraft in einem leeren Klassenzimmer befunden. Eine besondere Lärmbelästigung sei definitiv nicht gegeben gewesen. Die der Antragstellerin gestellten Fragen seien in keiner Weise irreführend, sondern fachlich notwendig und themenbezogen gewesen. Der Vorwurf der Voreingenommenheit seitens der Lehrkraft … werde entschieden zurückgewiesen. Der Prüfungsausschuss sei – entsprechend seiner fachlich-pädagogisch nicht zu beanstandenden Erwägungen – zu dem Ergebnis gelangt, es liege kein Ausnahmefall zu der Regel vor, wonach die Prüfungsnote für die Gesamtnote ausschlaggebend sei.
Die Rücknahme bzw. Änderung des Zeugnisses entspreche pflichtgemäßer Ermessensausübung. Gerade in einem Abschlusszeugnis müssten die dort enthaltenen Noten den tatsächlichen Leistungen und Festsetzungen des Prüfungsausschusses entsprechen. Darüber hinaus seien auch andere Schüler und Schülerinnen von dem Fehler bei der Zeugniserstellung betroffen gewesen. Diese Zeugnisse seien ebenfalls neu ausgestellt worden, wodurch es auch bei anderen Schülerinnen und Schülern zu Verschlechterungen gekommen sei. Es entspreche dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, die Antragstellerin nicht anders zu behandeln da sie sonst einen nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil habe. Die Antragstellerin könne sich auch nicht erfolgreich auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen. Zunächst sei festzuhalten, dass Vertrauensschutzgesichtspunkte grundsätzlich nur bei einmaligen oder laufenden Geldleistungen oder bei teilbaren Sachleistung zu berücksichtigen seien. Hier werde aber lediglich ein Bildungsstatus dokumentiert. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin schon seit der mündlichen Nachprüfung gewusst habe, dass sie sich nicht habe verbessern können und es damit bei der Abschlussnote 5 in Mathematik verbleibe. Jedenfalls sei die Antragstellerin bereits am … seitens der Klassenlehrerin über den Fehler, wenn auch auf einem falschen Weg, informiert worden. Auch die sorgeberechtigten Eltern hätten am 22. Juli 2019 telefonisch von der Lehrkraft … und auch in dem nachfolgenden Gespräch am 1. August 2019 von der Schulleitung den Sachverhalt erfahren. In dieser kurzen Zeit habe sich jedenfalls kein schutzwürdiges Vertrauen bilden können. Es sei auch nicht ersichtlich, dass ein konkreter Vermögensnachteil eingetreten sei.
Das öffentliche Interesse an der rechtmäßigen Notenfestsetzung überwiege hier das persönliche Interesse der Antragstellerin am Fortbestand der falsch eingetragenen Mathematiknote. Die Antragstellerin habe bereits auf die Fachoberschule … gewechselt, die sie nach Auskunft der genannten Schule auch weiterhin mit der Abschlussnote 5 in Mathematik besuchen könne. Mit der Abänderung der Mathematiknote entstünden keine erheblichen unmittelbaren Nachteile. Das bloße Interesse am Erhalt der falschen Mathematiknote und den damit verbundenen Vorteilen überwiege nicht das öffentliche Interesse.
Die Rücknahme erfolge aus den gleichen Gründen in pflichtgemäßer Ermessensausübung für die Vergangenheit. Das neue Zeugnis sei auf den … rückdatiert, da die Antragstellerin einen Anspruch auf Rückdatierung habe. Denn ein späteres Datum könne Nachfragen Dritter hervorrufen.
Auch die Verpflichtung zur Rückgabe des alten Zeugnisses samt Zweitschrift sei rechtmäßig. Insoweit sei anerkannt, dass eine Rückforderung auch dann erfolgen könne, wenn die Rücknahme eines Verwaltungsakts sofort vollziehbar sei. Auch die Rückforderung erfolge unter pflichtgemäßer Ermessensausübung. Das öffentliche Interesse an der Rückgabe des Zeugnisses überwiege das Interesse am Verbleib des alten Zeugnisses. Nur durch die Rückgabeverpflichtung könne eine Missbrauchsgefahr beseitigt werden. Eine solche sei im vorliegenden Fall auch nicht ausgeschlossen, da die Familie der Antragstellerin unmissverständlich deutlich gemacht habe, das alte Zeugnis behalten zu wollen. Es bestehe die Gefahr, dass das alte Zeugnis weiterhin im Rechtsverkehr verwendet werde, um der Antragstellerin Wettbewerbsvorteile zu sichern. Ein überwiegendes berechtigtes Interesse am Verbleib des zurückgenommenen Zeugnisses sei dagegen schon gar nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit hinsichtlich Ziff. 1 und 2 des ergangenen Bescheids stütze sich auf das besondere öffentliche Interesse dahingehend, dass die Rücknahme bzw. Abänderung des Zeugnisses sowie die Rückgabeverpflichtung vor der Ausschöpfung des Verwaltungsrechtswegs und der unter Umständen erst in mehreren Monaten zu erwartenden Unanfechtbarkeit des Bescheids wirksam werde. Bei dem Zeugnis handele es sich um eine öffentliche Urkunde, die zum Nachweis des Mittleren Schulabschlusses im Rechtsverkehr diene. Bei Abschlusszeugnissen bestehe grundsätzlich ein hohes öffentliches Interesse daran, dass nur rechtmäßig erteilte Zeugnisse im Rechtsverkehr verwendet werden könnten. Denn diese Zeugnisse seien für den Zugang zum Arbeitsmarkt sowie den weiteren Bildungsweg ausschlaggebend. Das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Richtigkeit öffentlicher Urkunden sei besonders schützenswert. Hier müssten zum einen Dritte davor geschützt werden, ggf. aufgrund des zurückgenommenen, rechtswidrigen Zeugnisses Verbindlichkeiten einzugehen. Zum anderen sei die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit notwendig, um ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteile der Antragstellerin gegenüber anderen Absolventen zu verhindern. Hierbei sei zu beachten, dass bereits eingetretene Wettbewerbsvorteile praktisch meist nicht wieder rückgängig gemacht werden könnten, sofern zunächst die Unanfechtbarkeit des Bescheids abgewartet werden müsste. Gerade bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen werde sich der unterlegene Konkurrent zumeist anderweitig orientiert haben oder der Ausbildungsbetrieb jedenfalls trotzdem an seiner ursprünglichen Entscheidung festhalten. Zwar besuche die Antragstellerin aktuell die Fachoberschule in …, die sie auch mit der Mathematiknote 5 aufgenommen hätte, weshalb bislang noch keine Wettbewerbsvorteile eingetreten seien. Allerdings könne die Antragstellerin sich jederzeit umorientieren und ggf. eine Ausbildung beginnen. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiege das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung. Auch an der sofortigen Vollziehbarkeit der Rückgabeverpflichtung nach Ziff. 2 des Bescheids bestehe ein überwiegendes besonderes öffentliches Interesse. Die Gefahr, dass das zurückgenommene Zeugnis im Rechtsverkehr weiterhin verwendet werde, müsse auch aus den soeben erwähnten Gründen unterbunden werden.
Das angeordnete Zwangsgeld stelle das mildeste und Erfolg versprechende Mittel zur Durchsetzung der Verpflichtung gemäß Ziff. 1 des Bescheids dar. Ohne die Androhung eines Zwangsgelds sei davon auszugehen, dass das alte Zeugnis samt Zweitschrift weiterhin nicht zurückgegeben werde. Die Familie der Antragstellerin habe deutlich zu erkennen gegeben, dass sie das alte Zeugnis behalten wolle. Auch die Höhe des Zwangsgelds sei angemessen, da ein noch niedrigeres Zwangsgeld die Antragstellerin voraussichtlich ebenso wenig dazu bewegen werde, die Rückgabeverpflichtung einzuhalten. Bei der Höhe des Zwangsgelds seien die erläuterten Nachteile für den Rechtsverkehr, aber auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin und ihr mögliches Interesse an dem weiteren Besitz des Zeugnisses berücksichtigt worden.
Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2019, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Antragstellerin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt.
Zur Begründung lässt sie über ihren Prozessbevollmächtigten im Wesentlichen vortragen, der Bescheid vom 15. November 2019 sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Im Rahmen ihrer freiwilligen Nachprüfung hätten unzumutbare Prüfungsbedingungen geherrscht. Der Lärmpegel sei unzumutbar, die äußeren Prüfungsumstände seien mangelhaft gewesen. Sämtliche Prüflinge hätten sich in einem Raum befunden und hätten dort ihre Prüfungsaufgaben vorbereiten sollen. Es habe ein ständiges Kommen und Gehen geherrscht, verbunden mit einem sehr hohen Lärmpegel und einer enormen Ablenkung. Konzentriertes Arbeiten und Vorbereiten der Prüfungsaufgaben sei unter diesen Umständen schlicht unmöglich gewesen. Dennoch habe sie unter erschwerten Bedingungen ihr Bestes versucht, ihre Prüfungsaufgaben vorzubereiten und sich auf die bevorstehende mündliche Prüfung zu konzentrieren. Darüber hinaus sei sie von der Prüferin durch außerordentlich viele Gegenfragen wie „Bist du dir da wirklich sicher?“ oder „Ist das wirklich richtig so?“ stark verunsichert worden. Hierdurch sei ihre Konzentration zusätzlich erschwert worden. Diese Prüfungsbedingungen habe die Schule als Ausrichter der freiwilligen Nachprüfung zu verantworten. Der Umstand, dass sie nach der Prüfung gefragt worden sei, ob sie wirklich geglaubt habe, sich verbessern zu können, zeige deutlich, dass die Prüferin ihr gegenüber voreingenommen gewesen sei. Offensichtlich habe von vornherein festgestanden, dass sie sich nicht verbessern werde. Darüber hinaus seien ihr weder die Note der Nachprüfung noch ihre Endnote mitgeteilt worden. Daher habe sie von der Richtigkeit des ausgehändigt Zeugnisses ausgehen können und dürfen. Auch mehrmalige Nachfragen bei ihrer Klassenlehrerin hätten den Eindruck bestätigt, dass sie tatsächlich die Note 4 erhalten habe.
Da das Zeugnis eine unzutreffende Note enthalten habe, stelle dieses grundsätzlich einen rechtswidrigen Verwaltungsakt dar, der zurückgenommen werden könne. Bei rechtswidrigen, begünstigenden Verwaltungsakten sei die Rücknahme jedoch erschwert. Denn der Adressat besitze ein besonderes Interesse am Bestand des Verwaltungsakts. Hier sei das Zeugnis begünstigend, weil eine bessere Note – die Note 4 statt der Note 5 – eingetragen sei. Es bestehe jedoch besonderer Vertrauensschutz, da ihr die Klassenlehrerin die Note 4 auch auf Nachfrage mehrfach bestätigt habe. Da es sich um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt handele, könne die Schule diesen nicht ohne weiteres zurücknehmen, also das Zeugnis zurückfordern. Dies habe die Schule jedoch versucht und dadurch ihre Rechte massiv verletzt.
Die aufschiebende Wirkung der Klage sei wiederherzustellen, da sie vor der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht ausreichend angehört worden sei. Einer solchen Anhörung habe es jedenfalls deshalb bedurft, weil die sofortige Vollziehung angeordnet und ein Zwangsgeld angedroht worden sei. Die von der Schule bis 8. November 2019 gesetzte Anhörungsfrist sei unangemessen kurz und benachteilige sie erheblich. Zudem habe das Anhörungsschreiben keine Hinweise auf die beabsichtigte Androhung eines Zwangsgelds enthalten. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung sei nicht wie gesetzlich gefordert dargelegt. Zur Begründung werde lediglich auf eventuell bestehende Wettbewerbsvorteile hingewiesen. Damit seien aber Gründe nur für den Erlass des Verwaltungsakts, nicht aber für dessen sofortige Vollziehung dargelegt. Zwar könnten die Gründe für den Erlass eines Verwaltungsakts auch eine sofortige Vollziehung rechtfertigen. Die Situation sei hier jedoch nicht gegeben, da sie mittlerweile die Fachoberschule besuche und diese über die Korrekturbedürftigkeit des Zeugnisses seitens der …Schule informiert worden sei. Wie der Antragsgegner selbst ausführe, seien keinerlei Wettbewerbsvorteile eingetreten. Im Rahmen der Interessenabwägung überwiege das private Interesse an der Außervollzugsetzung des Verwaltungsakts, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestünden. Dies sei hier der Fall.
Im Erörterungstermin vom 9. Dezember 2019 haben die Eltern und gesetzlichen Vertreter der Antragstellerin ausgeführt, diese habe bereits im vergangenen Juni und Juli die Eignungsprüfung für eine Laufbahn im mittleren Dienst der Finanzverwaltung bestanden. Nunmehr obliege es der Antragstellerin, in den Bewerbungsverfahren ihr Abschlusszeugnis vorzulegen. Das Zeugnis sei so bald wie möglich einzureichen. Die Antragstellerin habe bereits eine Zusage dahingehend erhalten, ab 1. September 2020 eine Ausbildung in der Finanzverwaltung beginnen zu können. Diese Zusage stehe allerdings unter dem Vorbehalt, dass ihre Leistungen im Wettbewerb mit den übrigen Bewerbern ausreichten.
Die Antragstellerin beantragt wörtlich, zu erkennen:
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15. November 2019 wird wiederhergestellt, hilfsweise die sofortige Vollziehung aufgehoben.
Der Antragsgegner bekräftigt die Rechtmäßigkeit seines Bescheids vom 15. November 2019 und nimmt zur Begründung auf die Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in Fällen, in denen die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet hat, die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage ganz oder teilweise wiederherstellen.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft. Denn aufgrund des hier angeordneten Sofortvollzugs entfalten weder Widerspruch noch Klage aufschiebende Wirkung. Zudem wäre hier in der Hauptsache die Anfechtungsklage einschlägig.
Allerdings ist der Antrag unbegründet.
Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO kann bereits deswegen begründet sein, weil es an formellen Voraussetzung für die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich Zuständigkeit, Verfahren oder Form fehlt (Gersdorf in Beckscher Online-Kommentar VwGO, 49. Edition Stand 1.7.2018, § 80 Rn. 177). Zuständig für die Anordnung des Sofortvollzugs ist nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, wobei die sofortige Vollziehbarkeit besonders anzuordnen ist. Danach ist eine ausdrückliche – und nicht lediglich konkludente – Anordnung und Bekanntgabe des Sofortvollzugs erforderlich (Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand September 2018, § 80 Rn. 242). Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist die Anordnung des Sofortvollzugs zudem regelmäßig schriftlich zu begründen. Die – ggf. auch knappe – Begründung muss sich auf die Umstände des konkreten Falls beziehen, gesondert hinsichtlich der Frage des Sofortvollzugs erfolgen und ergeben, warum die Behörde dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse den Vorrang gegenüber dem Aufschubinteresse einräumt. Formelhafte oder pauschale Formulierungen reichen nicht aus (Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand September 2018, § 80 Rn. 247). Allerdings verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO lediglich eine formelle Begründung. Stellt sich heraus, dass die von der Behörde angeführten Gründe nicht tragfähig sind, um das sofortige Vollziehungsinteresse zu rechtfertigen, handelt es sich nicht um einen formellen, sondern um einen materiellen Begründungsmangel (Gersdorf in Beckscher Online-Kommentar VwGO, 49. Edition Stand 1.7.2018, § 80 Rn. 95). Im Übrigen ist umstritten, ob die Anordnung des Sofortvollzugs einer vorherigen Anhörung des Adressaten bedarf (zum Streitstand m.w.N. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand September 2018, § 80 VwGO Rn. 257). Wird die Anordnung des Sofortvollzugs jedoch mit dem belastenden Verwaltungsakt verbunden, erhält der Betroffene bereits im Rahmen der Anhörung zu dem fraglichen Verwaltungsakt hinreichend Gelegenheit, um zu einer etwaigen Anordnung des Sofortvollzugs Stellung zu nehmen (Gersdorf a.a.O. Rn. 83).
Das Aufschubinteresse kann bereits deswegen überwiegen, weil es in der Sache entgegen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO an einem besonderen öffentlichen Vollzugsinteresse fehlt. Insoweit müssen über das gewöhnliche Erlassinteresse hinaus besondere Gründe dafür sprechen, den Verwaltungsakt sofort und nicht erst nach Eintritt von Bestands- bzw. Rechtskraft zu vollziehen. Entsprechend bedarf es einer besonderen Dringlichkeit bzw. Eilbedürftigkeit (Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand September 2018, § 80 Rn. 387; Gersdorf in Beckscher Online-Kommentar VwGO, 49. Edition Stand 1.7.2018, § 80 Rn. 99 ff.). Das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses eröffnet der Behörde sodann Entschließungsermessens hinsichtlich des „ob“ der Anordnung sowie Auswahlermessen hinsichtlich des „wie“ des Sofortvollzugs (Gersdorf a.a.O. Rn. 107 f.). Allerdings trifft das Gericht auf Grundlage der sich im Zeitpunkt der Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO insoweit eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob das sofortige Vollziehbarkeitsinteresse oder aber das Aufschubinteresse überwiegt und prüft das Verwaltungshandeln nicht lediglich nach. Entsprechend kommt es insoweit auf etwaige behördliche Ermessensfehler nicht an (vgl. Gersdorf a.a.O. Rn. 183).
Darüber hinaus ist für die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Sofortvollzugs und damit für die gerichtliche Ermessensentscheidung maßgeblich, ob der (sofort vollziehbare) Verwaltungsakt (offensichtlich) rechtmäßig ist bzw. ob und ggf. inwieweit sich Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit ergeben. So wird bei einem offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt – besonderes Vollzugsinteresse unterstellt – keine Veranlassung bestehen, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Dagegen wird im Fall eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung bestehen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 90). Schließlich kann die Rechtmäßigkeitsprüfung lediglich summarisch erfolgen. Die Prüfungsintensität des Gerichts hängt insbesondere davon ab, wie schwer der fragliche Verwaltungsakt den Betroffenen belastet und inwieweit ggf. Unabänderliches bewirkt wird (Gersdorf in Beckscher Online-Kommentar VwGO, 48. Edition Stand 1.7 2018, § 80 Rn. 176).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat der Antrag hier keinen Erfolg.
Zunächst erfolgte die Anordnung des Sofortvollzugs formell ordnungsgemäß. Die …Schule hat als die den Verwaltungsakt erlassende Behörde den Sofortvollzug in Ziff. 3 des angegriffenen Bescheids ausdrücklich angeordnet. Auch wurde die Anordnung des Sofortvollzugs formell ordnungsgemäß begründet. Die in jeder Weise nachvollziehbare Begründung bezieht sich auf den konkreten Fall und ist jeweils gesondert hinsichtlich der Frage des Sofortvollzugs erfolgt. Auch hatte die Antragstellerin auf Grund des Anhörungsschreibens des Antragsgegners vom 21. Oktober 2019 hinreichend Gelegenheit, zu der Frage eines etwaigen Sofortvollzugs Stellung zu nehmen. Dabei erfolgte die Anhörung ausdrücklich auch zur Frage der Anordnung von Sofortvollzug, da die Schule in dem Anhörungsschreiben in Aussicht gestellt hatte, sie werde das Zeugnis mittels eines sofort vollziehbaren rechtsmittelfähigen Rücknahmebescheids teilweise zurücknehmen und sofort heraus verlangen. Auch die gesetzte Frist – unter Berücksichtigung von Postlaufzeiten mindestens zwei Wochen – war in jeder Weise angemessen. Denn mit der in Aussicht genommenen Anordnung des Sofortvollzugs stand – was noch auszuführen sein wird – eine eilbedürftige Maßnahme in Frage. Im Übrigen hat die Antragstellerin auch nicht geltend gemacht, ob und ggf. welchen Gesichtspunkt sie gerade wegen der aus ihrer Sicht zu kurz bemessenen Frist nicht habe geltend machen können. Darüber hinaus hat sie auch keinen Antrag auf Verlängerung der Stellungnahmefrist gestellt.
Auch in der Sache ist die Anordnung des Sofortvollzugs rechtmäßig.
Hier besteht ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse, das über das gewöhnliche Erlassinteresse an den ergangenen Verwaltungsakten hinausgeht.
Zwar begründen Schulzeugnisse allgemein als öffentliche Urkunden nach § 415 Abs. 1 ZPO vollen Beweis hinsichtlich einer etwaigen Prüfungsteilnahme, ggf. des Prüfungsergebnisses und der im Einzelnen ausgewiesenen Leistungen (vgl. für das Abiturzeugnis OLG Bamberg, B.v. 8.6.2015 – 2 OLG 8 Ss 15/15 – NJOZ 2015, 1903). Dabei besteht der Sinn und Zweck von Zeugnissen zu einem wesentlichen Anteil darin, Dritten gegenüber Beweis hinsichtlich ihres Inhalts zu erbringen. Hieraus ergibt sich bereits allgemein ein erhebliches öffentliches Interesse, inhaltlich unrichtige Zeugnisse zu berichtigen bzw. dem Rechtsverkehr zu entziehen.
Über diese allgemeine Erwägungen hinaus besteht hier aber auch besondere Eilbedürftigkeit. Denn bei dem streitgegenständlichen Zeugnis handelt es sich um ein Abschlusszeugnis betreffend den Mittleren Schulabschluss. Dieser ist typischerweise Voraussetzung für den weiteren schulischen Bildungsweg oder den Beginn einer Ausbildung. Typischerweise werden deswegen Zeugnisse über den Mittleren Schulabschluss Bildungseinrichtungen oder ausbildenden Unternehmen im Rahmen von Bewerbungsverfahren vorgelegt. In diesen geht es nicht allein darum, mit Hilfe der Zeugnisses den Mittleren Schulabschluss als solchen nachzuweisen, sondern auch, wie – insbesondere mit welchen Noten und mit welchem Notendurchschnitt – dieser Abschluss erreicht worden ist. Hinzu kommt, dass Absolventen des Mittleren Schulabschlusses typischerweise zeitnah einen weiterführenden Schulbesuch oder den Beginn einer Ausbildung anstreben. Aus diesem Grund ist typischerweise unmittelbar nach Ausgabe der Zeugnisses mit Bewerbungsverfahren unter Vorlage der Zeugnisse zu rechnen. Teilweise werden Bewerbungen sogar der Zeugnisausgabe mit der Maßgabe vorausgehen, die Zeugnisse unverzüglich nachzureichen. Damit bergen unrichtige Zeugnisse über den Mittleren Schulabschluss im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Ausgabe zum einen die Gefahr, dass Dritte im Rechtsverkehr – etwa weiterführende Schulen oder ausbildende Unternehmen – über die tatsächlichen Qualifikationen einer Bewerberin oder eines Bewerbers getäuscht werden. Zum anderen besteht die Gefahr, dass hierdurch in der Sache ungerechtfertigte Nachteile für Mitbewerber entstehen, deren Zeugnisse inhaltlich zutreffen. Hinzu kommt, dass zwar die vorsätzliche Vorlage eines inhaltlich unzutreffenden Zeugnisses den Tatbestand des (versuchten) Betrugs (§§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 StGB) in Gestalt des sog. Anstellungsbetrugs erfüllen kann (dagegen werden Urkundsdelikte mangels unechter Urkunde grundsätzlich ausscheiden). Jedoch greift der strafrechtliche Schutz schon dann nicht, wenn durch die Zeugnisvorlage kein unmittelbarer Vermögensvorteil bzw. -nachteil entsteht bzw. beabsichtigt wird. Auch wird sich nicht jedermann durch die – ggf. auch subjektiv unbekannte – Strafdrohung abschrecken lassen. Schließlich werden durch die Vorlage inhaltlich unzutreffender Zeugnisse oftmals rechtstatsächlich vollendete Tatsachen geschaffen, deren Rückabwicklung – sofern überhaupt rechtlich möglich – wenig praktikabel erscheint. So werden sich im Bewerbungsprozess unterlegene Mitbewerber regelmäßig anderweitig orientiert haben oder aufgrund Zeitablaufs, Alters oder nunmehriger Lebenssituation für ein neues Bewerbungsverfahren nicht mehr in Betracht kommen. Solchen Mitbewerbern entstehen endgültige Nachteile. Ausbildende Unternehmen mögen sich – sofern rechtlich möglich – ggf. von Mitarbeitern trennen, die über ihre Qualifikationen getäuscht haben. Aber auch in solchen Fällen sind bereits getätigte Investitionen in die Ausbildung der Mitarbeiter wirtschaftlich betrachtet oftmals verloren. Bereits diese abstrakte Gefährdungslage begründet in Fällen der vorliegenden Art besondere Eilbedürftigkeit. Denn ohne Anordnung von Sofortvollzug könnten zeugnisberichtigende Verwaltungsakte erst weit nach dem Ende des Bewerbungsprozesses bestands- bzw. rechtskräftig werden, so dass Rechtsverkehr und Mitbewerber weitgehend schutzlos blieben. Dies wiederum würde mittelfristig dazu führen, dass der Rechtsverkehr auf die inhaltliche Richtigkeit von Zeugnissen nicht mehr hinreichend vertraut und Zeugnisse in der Folge Gefahr liefen, ihre Beweisfunktion als wesentliche Zweckbestimmung zu verlieren. Diese Erwägungen zur Eilbedürftigkeit gelten sowohl für die Rücknahme der Mathematiknote, als auch hinsichtlich der Herausgabe des unrichtigen Zeugnisses. Denn beide Verwaltungsakte sind inhaltlich voneinander abhängig. So bestünde ohne Rücknahme kein Grund zur Zeugnisherausgabe. Die abstrakte Rücknahme wiederum wäre tatsächlich bedeutungslos, könnte das – unzutreffende – Zeugnis mangels Herausgabe weiterverwendet werden.
Darüber hinaus besteht vorliegend nicht nur eine – zur Bejahung der erforderlichen Eilbedürftigkeit bereits ausreichende – abstrakte Gefährdungslage. Vielmehr besteht diese sogar konkret. Denn die Antragstellerin beabsichtigt, ihr (altes) Zeugnis vom … zeitnah der Finanzverwaltung vorzulegen. Nach Auskunft ihrer Eltern hat sie bereits die Zusage für den Beginn einer Ausbildung im mittleren Dienst der Finanzverwaltung unter dem Vorbehalt erhalten, dass insbesondere ihre schulischen Leistungen im Verhältnis zu den übrigen Mitbewerbern ausreichen. Das Abschlusszeugnis sei so bald wie möglich einzureichen. Das Vorgesagte gilt umso mehr, als hier nicht nur mit der Mathematiknote ein schulisches Kernfach betroffen ist, sondern die Unrichtigkeit darüber hinaus den besonders wesentlichen Umstand des Bestehens bzw. Nichtbestehens des Fachs betrifft.
Auch mit Blick auf die Frage der Rechtmäßigkeit des ergangenen Bescheids vom 15. November 2019 überwiegt unzweifelhaft das Vollziehungsinteresse. Denn der ergangene Verwaltungsakt samt Zwangsgeldandrohung ist offensichtlich rechtmäßig.
Formelle Fehler sind nicht ersichtlich. Bereits ausgeführt ist, dass die Anhörungsfrist von jedenfalls zwei Wochen ausreichend war.
In der Sache beruht die Abänderung der Mathematiknote (Ziff. 1 des Bescheids) von der Note 4 auf die Note 5 auf Art. 48 Abs. 1, 3 und 4 BayVwVfG.
Die genannte Vorschrift bestimmt, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann. Dabei darf ein begünstigender Verwaltungsakt nur unter den zusätzlichen Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 des Art. 48 BayVwVfg zurückgenommen werden. Dabei sieht Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG Besonderheiten für Verwaltungsakte vor, die eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistungen gewähren oder hierfür Voraussetzung sind. Für sonstige rechtswidrige, begünstigende Verwaltungsakte sieht insbesondere Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG keine weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen vor. Dort ist lediglich geregelt, unter welchen zusätzlichen Voraussetzungen – insbesondere eines hier schon nicht gestellten Antrags – die Behörde aufgrund der Rücknahme zum Ausgleich etwaiger Vermögensnachteile verpflichtet ist (vgl. Müller in Beckscher Online-Kommentar VwVfG, 45. Edition Stand 1.1.2019, § 48 Rn. 84). Schließlich sieht § 48 Abs. 4 BayVwVfG grundsätzlich eine Rücknahmefrist von einem Jahr vor.
Hier liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen zur teilweisen Rücknahme des Zeugnisses betreffend die Verschlechterung der Mathematiknote von der Note 4 auf die Note 5 vor.
Zunächst handelt es sich bei dem erteilten Zeugnis unzweifelhaft um einen Verwaltungsakt, der auch die Mathematiknote regelt. Der Verwaltungsakt in Gestalt des Zeugnisses enthält sowohl begünstigende, also auch belastende Elemente. Begünstigend ist etwa die Regelung, die Antragstellerin habe den Mittleren Schulabschluss bestanden. Belastend sind dagegen die fehlenden Vermerke über die mit der Note „gut“ bestandene Projektarbeit und die … Insgesamt liegt ein sog. Mischverwaltungsakt vor, bei dem definitionsgemäß die enthaltenen belastenden und begünstigenden Elemente voneinander hinreichend klar getrennt werden können (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 100).
Danach stellt sich der Ausweis der Note 4 im Fach Mathematik im Vergleich zur Note 5 als begünstigend dar. Denn ersichtlich handelt es sich bei der Note 4 um die bessere bzw. begünstigende Note.
Diese Begünstigung ist auch rechtswidrig.
Unstreitig ist zunächst, dass die Prüfungskommission die Leistungen der Antragstellerin im Fach Mathematik tatsächlich mit der Endnote 5 bewertet hat. Diese Entscheidung ist auch rechtmäßig. So sieht § 31 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 der Schulordnung für die Mittelschulen in Bayern (MSO vom 4. März 2013, GVBl. S. 116, BayRS 2232-3-K, zuletzt geändert durch § 4 der Verordnung vom 9. Juli 2019, GVBl. S. 420) vor, dass in den Prüfungsfächern die Gesamtnote ermittelt wird aus der Jahresfortgangsnote und der Prüfungsnote. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift gibt in den Prüfungsfächern in der Regel die Prüfungsnote den Ausschlag. Nach Satz 3 kann die Jahresfortgangsnote nur dann überwiegen, wenn sie nach dem Urteil des Prüfungsausschusses der Gesamtleistung der Schülerin oder des Schülers in dem betreffenden Fach mehr entspricht als die Prüfungsnote. Aufgrund dieses Wortlauts sowie allgemeiner prüfungsrechtlicher Grundsätze ist der Schule insoweit ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Dieser ist gerichtlich lediglich dahingehend überprüfbar, ob die einschlägigen Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe zugrunde gelegt wurden und nicht von sachfremden Erwägungen ausgegangen wurde (Rixen in Sodann/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 86 Rn. 44 m.w.N.). Denn die fachliche bzw. pädagogische Bewertung von Leistungen in einer Prüfung beruht auf einer meist nicht wiederholbaren Prüfungssituation und den gerichtlich nachträglich kaum einschätzbaren Prüfungsleistungen anderer Kandidaten (vgl. Rixen a.a.O.). Solche Fehler sind hier hinsichtlich der von § 31 Abs. 7 Satz 3 MSO geforderten Abwägung zwischen Jahresfortgangs- und Prüfungsnote nicht ersichtlich. Überdies liegt hier eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums schon deswegen fern, weil die Antragstellerin in ihrer Abschlussprüfung nicht nur die Note 5 erzielt, sondern diese Note mit Blick auf das Punkte- bzw. Bewertungsschema der Prüfungsarbeit gerade noch erreicht hat.
Dahinstehen kann hier auch, ob hinsichtlich der Leistung der Antragstellerin in der freiwilligen Nachprüfung Verfahrens- oder Bewertungsfehlern vorlagen. Zwar dürfte der Annahme durchgreifender Verfahrens- oder Bewertungsfehlern bereits entgegenstehen, dass die Antragstellerin insoweit ihrer Rügeobliegenheit nicht nachgekommen ist (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 215), sondern ggf. lediglich verspätet, lange Zeit nach der Bekanntgabe, sie habe sich nicht verbessert, mit Widerspruch vom 30. August 2019 etwaige Fehler des Prüfungsverfahrens geltend gemacht hat. In jedem Fall aber könnten etwaige Verfahrensfehler allenfalls einen Anspruch auf Prüfungswiederholung begründen (Niehaus/Fischer/Jeremias a.a.O. Rn. 500). Dasselbe würde für etwaige Bewertungsfehler gelten, sofern – wie hier antragstellerseits geltend gemacht – wegen vorangegangener Verfahrensfehler keine bewertungsfähige Leistung vorliegen würde oder aber – zumindest naheliegend – aufgrund Zeitablaufs die Erinnerung der Prüfer an die Prüfungsleistung derart verblasst ist, dass eine hinreichende Neubewertungsgrundlage nicht mehr vorliegt (vgl. Niehaus/Fischer/Jeremias a.a.O. Rn. 509). Danach könnte schon aus Rechtsgründen eine bessere Mathematiknote allenfalls dann angenommen werden, sollte die Antragstellerin sich in einer etwaigen Wiederholungsprüfung tatsächlich verbessern. Jedenfalls bis dahin kann jedenfalls keine andere Note als die Note 5 ausgewiesen werden. Im Übrigen begehrt die Antragstellerin ausweislich ihrer Antragstellung gerade keine Wiederholungsprüfung.
Nach alledem liegt hinsichtlich der Mathematiknote ein rechtswidriger, die Antragstellerin begünstigender Verwaltungsakt vor. Da es sich nicht um einen Verwaltungsakt handelt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistungen gewährt oder hierfür Voraussetzung ist (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG) und die Rücknahmefrist aus Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG eingehalten ist, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen zur Rücknahme der Mathematiknote vor.
Auch die Ermessensausübung des Antragsgegners mit Blick auf die Rücknahme der Mathematiknote ist nicht zu beanstanden. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (§ 114 VwGO). Vielmehr ist von einer Ermessensreduktion auf Null auszugehen, so dass der Antragsgegner die Mathematiknote zurückzunehmen hatte.
Auch wenn § 48 Abs. 3 BayVwVfG Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes nicht zur tatbestandlichen Voraussetzung der Rücknahme von Verwaltungsakten erhebt, sind Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen (vgl. Müller in Beckscher Online-Kommentar VwVfG, 45. Edition Stand 1.1.2019, § 48 Rn. 87). In diesem Zusammenhang geht der Antragsgegner gänzlich zutreffend lediglich von einem vergleichsweise kurzen Zeitraum schutzwürdigen Vertrauens aus. Auch nach eigenem Vortrag der Antragstellerin vergingen von dem Zeitpunkt der Aushändigung des Zeugnisses bis zum Empfang der Sprachnachricht lediglich etwa eineinhalb Stunden. Da im Rahmen des Vertrauensschutzes ausschlaggebend ist, inwieweit tatsächlich Vertrauen entstanden ist, ist unerheblich, dass die Sprachnachricht mit Blick auf das Recht des Datenschutzes erheblichen Bedenken ausgesetzt ist. Entscheidend ist vielmehr, dass die Sprachnachricht – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – die Antragstellerin tatsächlich erreicht hat. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, ob und ggf. wann die Antragstellerin den Inhalt der Sprachnachricht tatsächlich ihren Eltern und gesetzlichen Vertretern weitergegeben hat. Denn jedenfalls war auch das Vertrauen ihrer Eltern von dem Zeitpunkt an nicht mehr schutzwürdig, in dem nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge damit zu rechnen war, dass die Antragstellerin den Inhalt an ihre Eltern weitergeben würde. Da insoweit von einer zeitnahen Weitergabe auszugehen ist, beschränkt sich das schutzwürdige Vertrauen in die Mathematiknote 4 allenfalls auf wenige Stunden.
Hinzu kommt, dass auch das Vertrauen innerhalb dieses kurzen Zeitraums für einen objektiven Dritten in der Lage der Antragstellerin bzw. ihrer Eltern noch mit Argwohn behaftet sein musste. Denn die Note 4 in dem Fach Mathematik musste sich für die Antragstellerin und ihre Eltern letztlich als unerklärlich darstellen. So war der Antragstellerin und ihren Eltern vor der mündlichen Prüfung bekannt gegeben worden, dass auch im Rahmen einer Gesamtschau von Jahresfortgangsnote und Abschlussprüfung die Note 5 überwiege. Lediglich deswegen war es überhaupt zu der freiwilligen Nachprüfung gekommen. Zudem hatten die Antragstellerin und ihre Erziehungsberechtigten nach der freiwilligen Nachprüfung erfahren, die Antragstellerin habe sich nicht verbessert. Schließlich hatte auch die Klassenlehrerin … keine tragfähige Begründung dafür gegeben, warum in dem ausgegebenen Zeugnis nunmehr die Note 4 eingetragen war. Insoweit lieferte sie keine inhaltliche Begründung, sondern verwies lediglich auf Software und dass die Note zutreffend sein werde. Bei dieser Sachlage war bei objektivierter Betrachtung ein möglicher Fehler, den die Antragstellerin ausweislich ihrer Nachfrage noch im Klassenzimmer wohl selbst vermutet hatte, keineswegs sicher ausgeräumt.
Weiter sprechen gewichtige öffentliche Interessen für die Rücknahme der Mathematiknote.
Zunächst liegt es allgemein im öffentlichen Interesse, dass rechtmäßige Zustände wiederhergestellt werden.
Des Weiteren streitet das öffentliche Interesse des Vertrauens der Allgemeinheit in die Richtigkeit und Vollständigkeit von Zeugnissen für die Rücknahme. Bereits ausgeführt ist, dass der Sinn und Zweck von Zeugnissen zu einem wesentlichen Anteil darin besteht, entsprechend § 415 Abs. 1 ZPO Dritten gegenüber Beweis hinsichtlich ihres Inhalts zu erbringen. Damit besteht ein erhebliches öffentliches Interesse daran, inhaltlich unrichtige Zeugnisse zu berichtigen bzw. dem Rechtsverkehr zu entziehen.
Darüber hinaus spricht auch der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG – auch in seiner prüfungsrechtlichen Ausprägung der Chancengleichheit – für die Rücknahme der Mathematiknote. Bereits ausgeführt ist, welche rückwirkend kaum behebbaren Nachteile durch unrichtige Zeugnisse eintreten können.
Im Rahmen einer Gesamtwürdigung erscheint das eingeschränkt schutzwürdige Vertrauen in die Mathematiknote 4 über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum in keiner Weise geeignet, die genannten, erheblichen öffentlichen Interessen an der Richtigkeit von Zeugnissen aufzuwiegen, sodass eine Ermessensreduktion auf Null vorliegt. Mangels hinreichend schutzwürdiger Belange der Antragstellerin besteht auch eine Ermessensreduktion auf Null dahingehend, die Mathematiknote auch für die Vergangenheit zurückzunehmen. Etwaige datenschutzrechtliche Verstöße oder sonst entstandene Spannungen zwischen Eltern und Schule sind mangels „Aufrechenbarkeit“ ersichtlich nicht geeignet, einen Anspruch oder Ermessensgesichtspunkte dahingehend zu begründen, dass die Antragstellerin das Zeugnis vom … unverändert behalten könnte.
Auch die Ergänzung des Zeugnisses hinsichtlich Projektarbeit samt Benotung sowie der Teilnahme an der Arbeitsgemeinschaft … ist rechtmäßig.
Anerkannt ist, dass für die Rücknahme belastender Verwaltungsakte die Einschränkung der Absätze 2 bis 4 BayVwVfG nicht gelten. Denn die Beseitigung einer Belastung ist mit Blick auf Vertrauensschutz unproblematisch (zum ganzen Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 48 Rn. 42).
Das Schweigen des Zeugnisses hinsichtlich Projektarbeit samt Benotung sowie der Teilnahme an der Arbeitsgemeinschaft … stellt eine Belastung der Antragstellerin dar. Diese ist rechtswidrig, da sie nicht den tatsächlich festgestellten Leistungen der Antragstellerin entspricht. Entsprechend konnten dem neuen Zeugnis die fraglichen Angaben hinzugefügt werden. Auch insoweit sind keine Ermessensfehler ersichtlich (§ 114 VwGO), zumal diese die Antragstellerin begünstigen und deswegen nicht in eigenen Rechten verletzen würden.
Auch Ziff. 2 des angegriffenen Bescheids hinsichtlich der Rückgabe des Zeugnisses vom … ist rechtmäßig.
Nach Art. 52 Satz 1 BayVwVfG kann die Behörde insbesondere im Fall der unanfechtbaren Rücknahme eines Verwaltungsakts die aufgrund dieses Verwaltungsakts erteilten Urkunden oder Sachen zurückfordern, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind. Anerkannt ist, dass von der Vorschrift insbesondere solche Urkunden erfasst sind, die für den Verwaltungsakt konstitutiv sind, darunter auch Zeugnisse (Falkenbach in Beckscher Online-Kommentar VwVfG, 45. Edition, Stand 1.10.2019, § 52 Rn. 13 f.). Zudem ist die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus nicht nur auf den Fall der Unanfechtbarkeit der Rücknahmeentscheidung anwendbar, sondern auch dann, wenn Sofortvollzug angeordnet ist. Denn auch insoweit ist der Schutzzweck der Vorschrift betroffen, den Rechtsschein inhaltlich unzutreffender Urkunden zu beseitigen (vgl. Falkenbach a.a.O. Rn. 6).
Da hier insbesondere die Mathematiknote unter Anordnung von Sofortvollzug zurückgenommen wurde, liegen die Voraussetzungen nach Art. 52 Satz 1 BayVwVfG vor. Auch hinsichtlich der Rückgabe des Zeugnisses liegt nach dem Vorgesagtem eine Ermessensreduktion auf Null vor, so dass keine Ermessenfehler ersichtlich sind.
Rechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich auch die Androhung des Zwangsgelds in Höhe von 200,00 EUR hinsichtlich der Rückgabeverpflichtung gemäß Ziff. 2 des Bescheids.
Nach Art. 31, 36 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG kann die Androhung eines Zwangsgelds mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden. Gemäß Art. 36 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG soll eine solche Verbindung erfolgen, wenn Sofortvollzug angeordnet ist. Eine Anhörung vor der Zwangsgeldandrohung ist nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG nicht erforderlich. Auch stellt der mit Sofortvollzug versehene Verwaltungsakt einen Vollstreckungstitel nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 BayVwZVG dar, so dass in diesen Fällen offen bleiben kann, ob mit dem Wortlaut von Art. 36 Abs. 2 S. 1 BayVwZVG ggf. auch die Androhung von Zwangsmitteln ohne die Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 19 VwZVG zulässig ist (vgl. Weber in PdK-Bay A-19, BayVwZVG, Stand Juli 2017, Art. 36 Ziff. 9.4). Nach Art. 36 Abs. 1 und 7 BayVwZVG erfolgt die Androhung schriftlich und ist zuzustellen. Zur Höhe des Zwangsgelds bestimmen Art. 31 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 4 BayVwZVG, dass das Zwangsgeld mindestens 15,00 und höchstens 50.000,00 EUR beträgt, wobei das wirtschaftliche Interesse an der Vornahme der Handlung erreicht werden soll und dieses nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen ist. Durch die Vorgabe des wirtschaftlichen Interesses ist die Ermessensausübung der Behörde eingeschränkt (Weber in Pdk-Bay A-19, BayVwZVG, Stand Juli 2017, Art. 31 Ziff. 4.3). Des Weiteren ist das Zwangsgeld nach Art. 36 Abs. 3 Satz 1 BayVwZVG in bestimmter Art und Weise anzudrohen. Das Bestimmtheitsgebot bezieht sich nicht nur auf die Art des Zwangsmittels, sondern auch darauf, unter welchen Voraussetzungen es zur Anwendung kommen soll (BayVGH, B.v. vom 3.8.2009 – 20 ZB 09.1332 – beck-online Rn. 2). Grundsätzlich ist also im Fall mehrerer zu vollstreckender selbständiger Maßnahmen für jede Maßnahme ein beziffertes Zwangsgeld anzudrohen. Die Angabe eines Gesamtbetrages verstößt aber ausnahmsweise dann nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, sofern eine verständige Auslegung der Androhung ergibt, unter welchen Bedingungen das Zwangsgeld fällig werden soll. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die fraglichen Maßnahmen rechtlich oder tatsächlich zusammenhängen, wenn sie also im Sinne einer einheitlichen Verpflichtung miteinander verknüpft sind. In diesen Fällen liegt eine Auslegung nahe, dass das Zwangsgeld in voller Höhe auch dann fällig werden soll, wenn auch nur eine der zu vollstreckenden Maßnahmen nicht erfüllt wird. Voraussetzung ist dann, dass das Zwangsgeld für jede einzelne der angeordneten Maßnahmen angemessen ist (BayVGH B.v. 7.11.2002 – 22 CS 02.2577 – NZM 2003, 651).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Zwangsgeldandrohung hier rechtlich nicht zu beanstanden.
Zunächst sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum trotz der Anordnung des Sofortvollzugs entgegen der Sollvorschrift des Art. 36 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG ausnahmsweise kein Zwangsgeld hätte angeordnet werden sollen. Dies gilt umso mehr, als hier aufgrund des Vorbringens der Antragstellerin, sie müsse ihr Zeugnis sobald wie möglich im Rahmen ihres Bewerbungsverfahrens bei der Finanzverwaltung einreichen, besondere Eilbedürftigkeit besteht und – wie ausgeführt – erhebliche öffentliche Interessen betroffen sind.
Auch liegt kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot der Zwangsgeldandrohung vor. Denn zumindest die Auslegung von Ziff. 3 des angegriffenen Bescheids ergibt, dass das Zwangsgeld bereits dann fällig werden soll, wenn entweder das Zeugnis vom … im Original oder aber die Zweitschrift nicht zurückgegeben wird. Denn beide Herausgabeverlangen sind in tatsächlicher und inhaltlicher Hinsicht eng miteinander verknüpft, weil im Rechtsverkehr die Vorlage von Zweitschriften grundsätzlich als ausreichend erachtet wird. Letztlich geht es inhaltlich erkennbar um die Herausgabe „aller Zeugnisexemplare“.
Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds ist – auch bezogen auf die jeweiligen Herausgabeverlangen – nicht zu beanstanden. Ausweislich der Begründung des Bescheids hat der Antragsgegner insoweit Ermessen ausgeübt und zutreffende Ermessensgesichtspunkte in seine Erwägungen eingestellt. Allenfalls könnten Bedenken bestehen, dass angesichts des nicht unerheblichen wirtschaftlichen Wettbewerbsvorteils einer Mathematiknote, die fälschlicherweise das Bestehen in dem Fach ausdrückt, eine Zwangsgeldhöhe von (jeweils) lediglich 200,00 EUR noch ermessensfehlerfrei ist. Denn in der Verwaltungspraxis werden selten Zwangsgelder unter 1.000,00 EUR zu verhängen sein, um Vollstreckungsschuldner hinreichend zu beeindrucken (Weber in Pdk-Bay A-19, BayVwZVG, Stand Juli 2017, Art. 31 Ziff. 4.4). Ein etwaiger Ermessensfehler würde die Antragstellerin jedoch begünstigen und nicht in eigenen Rechten verletzen. Nach alledem ist das Zwangsgeld weder dem Grunde noch der Höhe nach unverhältnismäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1,154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 i.V.m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs.


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