Verwaltungsrecht

Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit

Aktenzeichen  B 5 K 15.700

Datum:
11.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG BayBG Art. 65 Abs. 1, Art. 71 Abs. 1
BGB BGB § 119 Abs. 1, § 123

 

Leitsatz

1 Die Rücknahme eines Antrags bzw. einer Zustimmung hinsichtlich einer Ruhestandsversetzung ist nur bis zum Zeitpunkt der Zustellung der Versetzungsverfügung möglich (Anschluss an BayVGH BeckRS 2016, 45099). (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Einwand, der Antrag auf Ruhestandsversetzung sei nur auf ausdrückliches Anraten des damaligen Rechtsbeistandes abgegeben worden, führt nicht zur wirksamen Anfechtung der Erklärung, da es sich hierbei um einen unbeachtlichen Motivirrtum handelt.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
a) Die Klage ist zulässig. Zwar hat der Kläger mit Schreiben vom 04.04.2014 selbst seine Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit beantragt. Jedoch kann dem Vorbringen des Klägers im Klageverfahren entnommen werden, dass er diesen Antrag als unwirksam bzw. unbeachtlich ansieht. Eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten (§ 42 Abs. 2 VwGO) ist daher nicht von vorneherein ausgeschlossen, so dass dem Kläger eine Klagebefugnis und ein Rechtsschutzbedürfnis zusteht (vgl. BayVGH, U.v. 18.2.1996 – 3 B 95.1333).
b) Die Klage ist nicht begründet (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Ruhestandsversetzung ist schon nicht erkennbar (hierzu unter Buchst. aa), was hier aber keiner abschließenden Klärung bedarf, weil der Kläger jedenfalls durch die angefochtene Ruhestandsversetzung nicht in seinen Rechten verletzt werden kann (hierzu unter Buchst. bb).
aa) An der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung bestehen für die Kammer deshalb keine offensichtlichen Zweifel, weil sich die von der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von Oberfranken (MUS) mit amtsärztlichen Gesundheitszeugnis vom 03.07.2014 festgestellte dauernde Dienstunfähigkeit des Klägers jedenfalls als plausibel darstellt. Dem Beiblatt zum Untersuchungsbefund vom 26.06.2014 über die am gleichen Tag durchgeführte Untersuchung des Klägers (Akte der MUS, Beiakte III) lässt sich entnehmen, dass die Amtsärztin sich ausführlich mit der gesundheitlichen Situation des Klägers befasst hat. Hinsichtlich bestehender somatischer Erkrankungen des Klägers wird auf bereits vorliegende medizinische Befunde Bezug genommen. Insoweit erscheint es auch gut nachvollziehbar, dass dann im Rahmen der Untersuchung des Klägers am 26.06.2014 die Abklärung der psychischen Komponente im Rahmen des Untersuchungsgesprächs im Vordergrund gestanden hat, zumal der Kläger ja selbst unter Bezugnahme auf die psychische Belastung durch das gegen ihn laufende Strafverfahren seine Ruhestandsversetzung mit Schreiben vom 04.04.2014 beantragt hat.
Auch steht dass Gesundheitszeugnis der MUS nicht im Widerspruch zur Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landratsamts … vom 04.12.2014. Letztere veranlasste die Regierung von Oberfranken lediglich zu der mit Schreiben vom 08.01.2014 gegenüber dem Kläger abgegebenen Erklärung, dass eine Ruhestandsversetzung zum damaligen Zeitpunkt nicht erfolgen konnte, weil bei der Untersuchung im Gesundheitsamt … eine dauernde Dienstunfähigkeit nicht festgestellt werden konnte. Berücksichtigt man aber, dass die Untersuchung in der MUS bei der Regierung von Oberfranken über ein halbes Jahr später stattgefunden und die psychische Belastungssituation beim Kläger (Untersagung der Dienstgeschäfte, Hausverbot in der Schule und eingeleitetes Strafverfahren) zum Zeitpunkt der Untersuchung im Gesundheitsamt … gerade erst begonnen hatte, erscheint es jedenfalls als plausibel, dass mit zunehmender Dauer der Belastungssituation Mitte des Jahres 2014 eine dauernde Dienstunfähigkeit auf Grund der bis dahin angestiegenen psychischen Belastung und der sonstigen Erkrankungen des Klägers festgestellt werden konnte. Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben, weil die Klage wegen der nicht gegebenen Verletzung des Klägers in seinen Rechten keinen Erfolg haben kann.
bb) Der Kläger ist durch die angefochtene Ruhestandsversetzung nicht in seinen Rechten verletzt. Bei dieser Einschätzung stützt sich das Gericht auf folgende Erwägungen:
Nach Art. 71 Abs. 1 Satz 2 BayBG kann auch die Versetzung in den Ruhestand – nur – bis zum Beginn des Ruhestandes zurückgenommen werden. Diese Bestimmung, die sich auch in den Beamtengesetzen anderer Länder und des Bundes findet, dient nicht nur dem Vertrauensschutz des in den Ruhestand versetzten Beamten, sondern auch dem allgemeinen Interesse der Rechtsbeständigkeit der Statusentscheidung und der Rechtsklarheit. Damit erweist sie sich als das Gegenstück der Ämterstabilität, die aus ähnlichen Gründen den Widerruf und die Rücknahme der Ernennung von den allgemeinen Vorschriften ausnimmt und an spezielle, im Beamtengesetz selbst geregelte Voraussetzungen knüpft. Die Versetzung in den Ruhestand ist – wie die Ernennung des Beamten – ein statusverändernder Verwaltungsakt. Sie ist nach dem Ruhestandsbeginn nicht mehr korrigierbar. Somit sind inhaltliche Änderungen ab Beginn des Ruhestandes ausgeschlossen, so dass auch eine nach Beginn des Ruhestands erfolgte Rücknahme eines Antrags auf Ruhestandsversetzung unbeachtlich sein muss. Demnach ist die Rücknahme eines Antrags bzw. einer Zustimmung hinsichtlich einer Ruhestandsversetzung nur bis zum Zeitpunkt der Zustellung der Versetzungsverfügung möglich (vgl. BayVGH, U.v. 18.2.1996 – 3 B 95.13333 – bestätigt durch BVerwG, B.v. 17.9.1996 – 2 B 98/96; zuletzt BayVGH, B.v. 11.4.2016 – 3 ZB 14.919).
Gemessen daran fehlt es hier an einer Rechtsverletzung des Klägers, weil er die Ruhestandsversetzung selbst beantragt hat und dieser Antrag nicht rechtzeitig zurückgenommen wurde oder aus sonstigen Gründen unwirksam oder unbeachtlich ist.
Die Verfügung über die Ruhestandsversetzung vom 21.07.2014 wurde dem Kläger am 25.07.2014 zugestellt. Mit Beginn des 01.08.2014 befand sich der Kläger im Ruhestand. Eine Rücknahme seines Antrags auf Ruhestandsversetzung hat der Kläger erst konkludent mit seinem Widerspruch vom 01.08.2014, eingegangen bei der Regierung von Oberfranken am 04.08.2014, erklärt. Die Rücknahme ist damit zu spät erfolgt und daher unbeachtlich.
Der Kläger hat durch den eingelegten Widerspruch seinen Antrag auf Ruhestandsversetzung auch nicht wirksam angefochten. Ein Anfechtungsgrund nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB ist hier nicht gegeben. Bei dem Vortrag des Klägers – er habe seinen Antrag auf Ruhestandsversetzung nur auf ausdrückliches Anraten seines damaligen Rechtsbeistandes abgegeben – handelt es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Jedenfalls aber hätte dem Kläger auf Grund der am 26.06.2014 durchgeführten Untersuchung in der MUS klar sein müssen, dass der Antrag tatsächlich ein auf seine Ruhestandsversetzung gerichtetes Verfahren bewirkt hat, so dass spätestens zu diesem Zeitpunkt die Anfechtung zu erklären gewesen wäre. Da der Kläger dies aber frühestens mit seinem Widerspruch vom 01.08.2014 getan hat, scheidet eine Anfechtung wegen eines Irrtums gemäß § 119 Abs. 1 BGB wegen nicht unverzüglich erklärter Anfechtung (§ 121 Abs. 1 BGB) aus.
Auch liegt hier keine arglistige Täuschung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB vor, die vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich nicht geltend gemacht wurde (S. 2 der Niederschrift). Da zudem auch nichts dafür ersichtlich ist, dass der Beklagte eine derartige Täuschung kannte oder hätte kennen müssen, sofern man denn eine solche annehmen wollte, ist eine Anfechtung auf Grund arglistiger Täuschung jedenfalls nach § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen.
cc) Im Ergebnis ist daher wegen seines erklärten Willens auf Ruhestandsversetzung aus gesundheitlichen Gründen im Zeitpunkt der Zustellung der Versetzungsverfügung und des Beginns des Ruhestands eine Verletzung des Klägers in seinen Rechten ausgeschlossen. Die Klage gegen die Ruhestandsversetzung erweist sich als unbegründet.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache evtl. eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben