Aktenzeichen 3 ZB 20.8
Leitsatz
Verfahrensgang
W 1 K 18.1029 2019-11-26 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 153.444,07 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Berufungszulassungsgründe liegen – soweit sie den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt worden sind – nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
a) Die Klägerin meint, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liege ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG und damit ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG wegen unterbliebener Beförderung und nach § 15 Abs. 2 AGG wegen des geltend gemachten Nichtvermögensschadens vor. Ihre Begründung, der Senat habe bereits im Urteil vom 28. Februar 2018 (3 B 16.1996) in den Rn. 66 ff. zum Kausalzusammenhang zwischen Ruhestandsversetzung und Behinderung Ausführungen gemacht, trifft indes nicht zu. Eine solche Feststellung ist dem Urteil nicht zu entnehmen. In Rn. 78 wird nur die Suchpflicht des Dienstherrn und eine etwaige behindertengerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erörtert.
§ 7 AGG verbietet Benachteiligungen wegen aller in § 1 AGG genannten Merkmale. Der damit geforderte Kausalzusammenhang liegt vor, wenn die Benachteiligung an ein Merkmal gemäß § 1 AGG anknüpft oder dadurch motiviert ist. Darlegungspflichtig für die Merkmalsabhängigkeit ist die Klägerin. Sie muss gemäß § 22 AGG Indizien vortragen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen des Kausalzusammenhangs schließen lassen. Dazu reicht ihr Sachvortrag auch unter Berücksichtigung von S. 10 f. des Begründungsschriftsatzes vom 4. Februar 2020 nicht aus. Dass eine von einem Nachteil betroffene Person ein Merkmal gemäß § 1 AGG tatsächlich aufweist, indiziert nicht, dass der Nachteil auf dem Merkmal auch kausal beruht (vgl. ErfK/Schlachter, 22. Aufl. 2022, AGG § 7 Rn. 3). Über einen solchen Sachvortrag ist die Klägerin indes nicht hinausgekommen; sie hat eine die Verletzung des Benachteiligungsverbots begründende Motivation des Beklagten nicht nachweisen können. Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Rechtsansicht der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Juli 2006 (Rs. C-13/05) falsche Schlussfolgerungen gezogen, nicht weiter an.
b) Soweit die Klägerin das angefochtene Urteil deshalb angreift, weil das Verwaltungsgericht ein Verschulden bezüglich eines Schadensersatzanspruchs verneint hat, weil ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Ruhestandsversetzung zunächst für rechtmäßig gehalten hat, dringt sie ebenfalls nicht durch. Der vermeintliche Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird unter 4. abgehandelt. Wenn die Klägerin weiter ausführt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trage der Verpflichtete grundsätzlich das Risiko eines Irrtums über die Rechtslage selbst, zeigt sie nicht auf, in welchem Verhältnis die angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kollegialgerichtsleitlinie stehen soll.
c) Ernstliche Zweifel an der Feststellung des Verwaltungsgerichts, ein Mobbingvorwurf sei nicht substantiiert dargelegt, können nicht damit aufgezeigt werden, dass die beim Verwaltungsgericht vorgelegten Anlagen wiederholend geschildert werden. Insoweit fehlt eine Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung. Zum Sachvortrag in Bezug auf die arbeitsmedizinische Begleitung wird auf unten 5. verwiesen.
d) Der Vortrag der Klägerin zum Beförderungsschaden kann dem Klageantrag zu 2. schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, da ein Verschulden des Beklagten wegen der Kollegialgerichtsleitlinie ausscheidet.
2. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sieht die Klägerin darin, dass die Rechtsstreitigkeit signifikant von anderen verwaltungsgerichtlichen Verfahren abweiche. Sie stellt darauf ab, dass zahlreiche Schriftsätze gewechselt und zwölf Personalakten des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vorgelegt worden seien. Weiter handele es sich vorliegend um einen Präzedenzfall, da eine vergleichbare Konstellation bisher weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht bekannt sei.
Damit legt die Klägerin weder rechtliche noch tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache dar (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Der Vortrag zu diesem Berufungszulassungsgrund benennt kein Rechtsproblem und argumentiert auch zum Tatsächlichen nur mit dem Umfang der Akten. Es wird nicht verdeutlicht und ist auch sonst nicht ersichtlich, weshalb der Sachverhalt besonders unübersichtlich oder besonders schwierig zu ermitteln sein soll.
3. In Bezug auf den geltend gemachten Steuerprogressionsschaden, den die Klägerin darin sieht, dass ihr wegen des Urteils des Senats vom 28. Februar 2018 (3 B 16.1996) die einbehaltene Besoldung für die Jahre 2013 bis 2017 in Höhe von 149.411,36 Euro im August 2018 nachgezahlt worden sei, so dass u.a. eine Lohnsteuer in Höhe von 62.753,00 Euro fällig geworden sei, macht die Klägerin den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend. Das Verwaltungsgericht verneine einen ersatzfähigen Schaden, weil das Besoldungs- und Versorgungsrecht vom Bruttoprinzip geprägt sei, wonach bei der Festsetzung der Dienst- und Versorgungsbezüge, aber auch bei der Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge sowie sonstigen besoldungs- und versorgungsrechtlich relevanten Einkünften jeweils auf den Bruttobetrag abzustellen sei, es sei denn, der Gesetzeswortlaut sehe ausdrücklich die Berücksichtigung des Nettobetrags vor. Indes gehe aus Art. 66 Abs. 2 BayBG nicht hervor, nach welchem Prinzip (brutto oder netto) die das Ruhegehalt übersteigenden Bezüge einzubehalten seien. Ein höchstrichterliches Urteil hierzu sei nicht bekannt. Neben dem Anspruch auf Verzinsung des Rückzahlungsbetrages (gemeint wohl Nachzahlungsbetrags) seien nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs am 4. Mai 2018 auch Verzugszinsen entstanden.
Die damit sinngemäß aufgeworfene Frage, ob für die gemäß Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBG zu leistende Nachzahlung das Bruttoprinzip gilt, ist in Rechtsprechung und Literatur (Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand Januar 2022, Art. 66 BayBG Rn. 13c; Conrad, a.a.O., § 45 BeamtStG Rn. 66) geklärt. Der Beklagte war – wie bereits im Beschluss des Senats vom 18. April 2007 (3 ZB 03.2728 – BeckRS 2007, 29683) ausgeführt – gehalten, den noch offenstehenden Bruttoverdienst, wie geschehen, sogleich und in einem Betrag auszuzahlen (zur Anwendung des Bruttoprinzips: BVerwG, U.v. 9.5.2006 – 2 C 12.05 – NVwZ-RR 2006, 627; U.v. 3.11.2005 – 2 C 16.04 – NVwZ-RR 2006, 259; BayVGH, B.v. 1.9.1999 – 3 ZB 99.2213 – juris Rn. 3). Die steuerrechtlichen Folgen treffen den Beamten.
Ein verschuldensunabhängiger Folgenbeseitigungsanspruch kann nur auf die Wiederherstellung des durch einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff veränderten rechtmäßigen Zustand gerichtet sein, der im Zeitpunkt des Eingriffs bestand. Er ermöglicht keinen Ausgleich für Schäden, die durch rechtswidriges Verwaltungshandeln verursacht worden sind (BVerwG, U.v. 21.9.2000 – 2 C 5.99 – BayVBl 2001, 216 ff). Schadensersatz wegen Fürsorgepflichtverletzung (hier: Schaden durch Steuerprogression) ist nur unter der Voraussetzung des Verschuldens zu leisten; dabei ist ein Verschulden der für eine Behörde handelnden Bediensteten regelmäßig zu verneinen, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht ihr Verhalten als objektiv rechtmäßig beurteilt hat (BVerwG a.a.O.). Davon ist hier, wie das Verwaltungsgericht zutreffend näher dargelegt hat, auszugehen.
4. Zum Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) trägt die Klägerin vor, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur sog. „Kollegialgerichtslinie“ stünden im Widerspruch zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2004 (4 C 1.03 – BVerwGE 121, 169 – juris Rn. 21). Das Verwaltungsgericht sei auf das zugrundeliegende Spezialgesetz nicht eingegangen. Des Weiteren habe es ein „besseres Wissen“ des Beklagten verneint, obgleich dieses mit dem Bemühen um eine Reaktivierung bereits am 28. März 2014, noch vor der Kollegialgerichtsentscheidung am 22. Juli 2014 auf der Hand gelegen habe.
Damit legt die Klägerin schon nicht dar, welchen Rechts- oder Tatsachensatz das Verwaltungsgericht aufgestellt hätte. Es ist seinerseits ebenfalls von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 21.9.2000 – 2 C 5.99 – juris Rn. 65 ff.) ausgegangen. Im Übrigen liegt selbst eine bloß unrichtige Subsumtion unter den wiedergegebenen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts, die eine Divergenz nicht begründen könnte, nicht vor. Die Anwendung des Beamtenrechts ist, wie der Beklagte im Schriftsatz vom 30. März 2020 zutreffend ausgeführt hat, keine dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus überantwortete Spezialmaterie. Die (grundsätzliche) Zuständigkeit für das öffentliche Dienstrecht liegt vielmehr beim Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat. Der von der Klägerin gezogene Schluss vom Reaktivierungsangebot auf eine von Anfang an bestehende Kenntnis des Beklagten von der Rechtswidrigkeit der Ruhestandsversetzung trägt ebenfalls nicht. Schon der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung stimmt nicht mit dem Zeitpunkt des Reaktivierungsangebots überein. Letzteres ist nicht geeignet, den Nachweis zu führen, dass es die handelnden Beamten „besser“ als das Verwaltungsgericht hätten wissen müssen, sondern kann – wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt – seinen Grund auch darin haben, dass man sich bemühte, die Klägerin entsprechend ihren gesundheitlichen Fähigkeiten möglichst rasch wieder in den aktiven Dienst zurückzuholen.
5. Als Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) macht die Klägerin geltend, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, die von ihr vorgelegten 88 Anlagen zu würdigen, mit denen der erhobene Vorwurf des Mobbings nachzuvollziehen sei. Auch sei trotz ausdrücklichem Beweisangebot eine Ladung der Zeugin Dr. H. unterblieben, welche zu der nach wie vor nicht erfolgten ärztlichen Vorsorge hätte aussagen können.
Mit dem unsubstantiierten Hinweis auf die Gesamtheit der vorgelegten Anlagen wird kein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) dargetan. Vielmehr erschöpft sich der Sachvortrag in der bloßen Behauptung, es wäre anders zu entscheiden gewesen. In Bezug auf den angeregten Zeugenbeweis ist weder ein rechtlicher Zusammenhang mit den geltend gemachten Streitgegenständen erkennbar noch ist überhaupt in der mündlichen Verhandlung ein Beweisantrag gestellt worden. Bloße Ankündigungen von Beweisanträgen in vorbereitenden Schriftsätzen ersetzen weder förmliche Beweisanträge noch lösen sie für sich genommen eine Ermittlungspflicht aus. Die Rüge unzureichender Sachaufklärung kann nicht dazu dienen, Beweisanträge zu ersetzen, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (vgl. BVerwG, B.v. 6.5.2013 – 4 B 54.12 – juris Rn. 3 m.w.N.).
6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3, § 39 Abs. 1 GKG (wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).