Verwaltungsrecht

Schulbegleitung für Autisten

Aktenzeichen  M 18 E 17.4960

Datum:
11.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 25699
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2
SGB VIII § 35a Abs. 1 S. 1
ZPO § 920 Abs. 2

 

Leitsatz

Bei Entscheidungen über die geeignete und notwendige Hilfeart steht dem Jugendamt ein Beurteilungsspielraum zu. Die Entscheidung über die Geeignetheit und Notwendigkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme ist daher nur auf ihre Vertretbarkeit hin überprüfbar (vgl. BVerwG BeckRS 1999, 30064649). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Die Parteien tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens je zur Hälfte.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Bereitstellung einer vollumfänglichen Schulbegleitung.
Der am … … … geborene Antragsteller leidet an einer Autismus-Spektrum-Störung im Sinne eines frühkindlichen Autismus sowie einer Sprachentwicklungsstörung mit Schwerpunkt im Bereich der semantisch-pragmatischen Entwicklung.
Mit Schreiben vom 2. Juli 2017 beantragten die Eltern des Antragstellers vollumfängliche Schulbegleitung nach § 35a SGB VIII ab 1. September 2017. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt auf das Gymnasium wechsle. Der Antragsteller habe aus eigenem Antrieb und ohne strukturelle Hilfen sowohl den Übertritt in die Regelschule als auch die Qualifikation für das Gymnasium geschafft. Er zeige jedoch bereits ein hohes Stresslevel. Im ungewohnten Umfeld der weiterführenden Schule würde sich dies mit hoher Wahrscheinlichkeit verstärken. Eine Schulbegleitung lediglich über 15 Zeitstunden, wie im Rahmen des Hilfeplangesprächs angekündigt, sei für den Antragsteller bei weitem nicht ausreichend.
Mit Bescheid vom 24. Juli 2017 bewilligte der Antragsgegner ab dem 12. September 2017 bis zunächst längstens 31. Juli 2018 für den Antragsteller im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII die Kostenübernahme für eine Schulbegleitung in einem Umfang von maximal 15 Stunden wöchentlich inklusive Vor- und Nachbetreuungszeiten von täglich bis zu 30 Minuten sowie inklusive einer Stunde wöchentlich für indirekte Leistungen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass aus sozialpädagogischer Sicht alle im Hilfeplan genannten Ziele zu erreichen seien, wenn der Antragsteller stundenweise allein am Unterricht teilnehmen und die Situationen einüben könne. Eine vollumfängliche Begleitung widerspräche ganz klar den Leistungen des Antragstellers und wäre nicht zielführend.
Der Widerspruch des Antragstellers vom 2. August 2017 wurde mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 13. September 2017 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dem Antragsgegner für den Umfang der zu gewährenden Leistung ein Beurteilungsrahmen zustehe; Rechtsfehler seien nicht erkennbar.
Die Bevollmächtigten des Antragstellers erhoben am 16. Oktober 2017 Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragten, den Bescheid vom 24. Juli 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2017 aufzuheben, insoweit er die Kostenübernahme für vollumfängliche Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII nicht gewähre und dem Kläger die Kosten für vollumfängliche Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII zu gewähren. Hilfsweise wurde beantragt, den Beklagten zu verpflichten, den Kläger auf seinen Antrag, ihm Schulbegleitung zu gewähren, erneut zu bescheiden unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts (Verfahren M 18 K 17.4944).
Mit Schreiben vom gleichen Tag, eingegangen am 18. Oktober 2018, beantragten die Bevollmächtigten zusätzlich, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, dem Antragsteller Kostenübernahme für vollumfängliche Schulbegleitung zu gewähren.
Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass der Antragsteller in den ersten Tagen des Schuljahres eine vollumfängliche Schulbegleitung erhalten habe. Diese sei in den letzten zwei Wochen reduziert worden. An den Tagen ohne Schulbegleitung würden die Kompensationsfähigkeit sowie das Frustrationsniveau des Antragstellers merklich sinken; er sei in der Hausaufgabenbetreuung kaum in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen.
Mit Bescheid vom 27. Oktober 2017 erließ der Antragsgegner einen Änderungsbescheid und gewährte ab 27. Oktober 2017 bis längstens 31. Juli 2018 eine Schulbegleitung in einem Umfang von maximal 30,40 Stunden wöchentlich inklusive Vor- und Nachbetreuungszeiten von täglich bis zu 30 Minuten sowie inklusive einer Stunde wöchentlich für indirekte Leistungen.
Mit Schreiben vom 30. Oktober 2017 beantragte der Beklagte sinngemäß, den Antrag zurückzuweisen und führte aus, dass sich aufgrund des Hilfeplangesprächs vom 26. Oktober 2017 eine Erhöhung der Wochenstunden als notwendig erwiesen habe. In der weiteren Hilfeplanfortschreibung werde der weitere Hilfeplanverlauf auch weiterhin beobachtet und je nach Bedarf die Wochenstunden nochmals erhöht bzw. reduziert.
Mit Schreiben vom 21. November 2017 teilten die Bevollmächtigten des Antragstellers mit, dass mit dem Änderungsbescheid vom 27. Oktober 2017 zwar nunmehr die Betreuung der reinen Unterrichtszeit abgedeckt werde, darüber hinaus jedoch auch die Notwendigkeit bestehe, dass der Antragsteller auch während der Hausaufgabenzeiten von jemandem begleitet werde. Das Verfahren habe sich bezüglich der Betreuungszeiten während der regulären Schulstunden erledigt, nicht jedoch hinsichtlich der Hausaufgabenzeit.
Mit Schreiben vom 21. Juni 2018 teilte der Antragsgegner mit, dass am 29. Mai 2018 eine Fachkonferenz für den Antragsteller stattgefunden habe. Aufgrund der positiven Rückmeldung durch die Schule habe man entschieden, dass die bereits genehmigten 30,40 Stunden nicht erhöht würden. Jedoch dürften diese Stunden flexibel nach Absprache zwischen den Eltern und dem Träger sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag während der offenen Ganztagsschule eingesetzt werden.
Mit Schreiben vom 13. Juli 2018 teilten die Bevollmächtigten mit, dass auch diese nunmehr bewilligte Lösung für den Antragsteller nicht ausreiche.
Mit Bescheid vom 17. August 2018 bewilligte der Antragsgegner ab 1. August 2018 bis zunächst längstens 31. Juli 2019 die Übernahme der Kosten für eine Schulbegleitung in einem Umfang von maximal 30,40 Stunden wöchentlich inklusive Vor- und Nachbetreuungszeiten von täglich bis zu 30 Minuten sowie einer Stunde wöchentlich für indirekte Leistungen. In den Gründen wird ausgeführt, dass die Schulbegleitung nach Absprache zwischen den Eltern und dem Träger während des Schulunterrichts (Vormittag) und während der offenen Ganztagsschule (Nachmittag) erbracht werden könne.
Die Bevollmächtigten des Antragstellers legten Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. August 2018 ein.
Mit Schreiben vom 19. September 2018 legten die Bevollmächtigten einen Bericht der Schulbegleiterin vor. Dieser kommt abschließend zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller in den folgenden Jahren umfassende Unterstützung durch vollumfängliche Begleitung im schulischen Alltag benötige.
Der Antragsgegner führte daraufhin am 25. und 26. September 2018 Hospitationstermine während des Vormittagsunterrichts, der offenen Ganztagsschule sowie eines Schulprojekts am Nachmittag durch.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2018 teilte der Antragsgegner mit, dass aufgrund der Beobachtungen bei den Hospitationen eine Schulbegleitung nicht voll vollumfänglich notwendig sei und es bei der bisherigen Bedarfsfeststellung verbleibe.
Die Antragstellerseite nahm hierzu nochmals, u.a. mit einer Schilderung der Mutter des Antragstellers als auch unter Vorlage eines Attestes einer Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie vom 10. Oktober 2018, Stellung. Dort wird ausgeführt, dass die Bewilligung der bereits installierten Schulbegleitung und auch die Ausdehnung auf die Erledigung der Hausaufgaben empfohlen werde, da dies den Antragsteller stark entlasten würde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Hauptsacheverfahren (M 18 K 17.4944) sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf eine über die im Laufe des Verfahrens von dem Antragsgegner ergänzend gewährte hinausgehende Hilfe nicht glaubhaft machen können.
Ein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII liegt dann vor, wenn die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Das Abweichen der seelischen Gesundheit nach § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII ist gemäß § 35a Abs. 1a Satz 1 SGB VIII durch die Stellungnahme eines Facharztes festzustellen. Unstreitig liegen für den Antragsteller die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35a SGB VIII vor. Ebenso unstreitig ist die Eingliederungshilfe in Form der Schulbegleitung zu gewähren. Strittig zwischen den Parteien ist lediglich der wöchentliche Stundenumfang der zu gewährenden Leistung.
Dem Jugendamt steht bei seiner Entscheidung über die geeignete und notwendige Hilfeart ein Beurteilungsspielraum zu. Denn die Entscheidungen unterliegen einem kooperativen, sozialpädagogischen Entscheidungsprozess unter Mitwirkung der Fachkräfte des Jugendamtes und des betroffenen Hilfeempfängers, der nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, sondern vielmehr eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation beinhaltet, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich in diesem Fall darauf, dass allgemeingültige fachliche Maßstäbe beachtet wurden, keine sachfremden Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind. Die Entscheidung über die Geeignetheit und Notwendigkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme ist daher nur auf ihre Vertretbarkeit hin überprüfbar (BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 12 C 16.2159 – juris, Rn. 11, m.w.N.).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Einschätzung des Antragsgegners, dass die gewährte Hilfe in dieser Form ausreichend erscheint, nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat die wesentlichen Gesichtspunkte erfasst und seine Entscheidung nachvollziehbar begründet. Diese beruht insbesondere auf den Erkenntnissen aus den vorgenommenen Hospitationen durch drei verschiedene Mitarbeiterinnen des Antragsgegners zu unterschiedlichen Unterrichtszeiten und -formen.
Entgegen der Darstellung der Schulbegleiterin kamen die drei Fachkräfte des Jugendamtes bei ihren Beobachtungen nicht zu dem Ergebnis, dass eine vollumfängliche Schulbegleitung, die sowohl die komplette Unterrichtszeit als auch die Hausaufgabenzeit der offenen Ganztagsschule am Nachmittag abdeckt, erforderlich ist. Entsprechend den Stellungnahmen der Sozialpädagoginnen sei der Antragsteller in der Lage, selbständig und konzentriert zu arbeiten, auf Kritik einzugehen und diese umzusetzen. Insbesondere im Rahmen der Musikstunde sei ein Eingreifen der Schulbegleiterin nicht von Nöten. Der Antragsteller habe am Unterricht aufmerksam teilgenommen und habe diesem ohne Unterstützung folgen können. Auch im Rahmen der Englischstunde habe der Antragsteller dem Unterricht folgen können, trotzdem habe er immer wieder die Unterstützung seiner Schulbegleitung eingefordert. Der Antragsteller habe sich im Unterricht aktiv beteiligt, allerdings zuvor eine Rückversicherung durch die Schulbegleitung eingeholt.
Von Antragstellerseite wird hierzu ausgeführt, dass sich der Antragsteller am Tag der Hospitationen sehr angestrengt habe, alles richtig zu machen, so dass sein Verhalten an diesem Tag außergewöhnlich gewesen sei. Dieser Perfektionismus mit ausgeprägten Kompensationsphänomenen sei ein typisches Krankheitsbild. Für Außenstehende sei die Anspannung und Überforderung mangels entsprechender Mimik und Körpersignale nicht wahrnehmbar. Der Antragsteller sei an den Nachmittagen der Hospitationen völlig am Ende gewesen.
In der Stellungnahme der Schulbegleiterin wird ausgeführt, dass insbesondere eine Kontaktaufnahme zu den anderen Kindern durch den Antragsteller selbständig nicht erfolge. Die Schulbegleiterin fungiere hier häufig als Dolmetscherin um das gegenseitige Verhalten zu klären. Der Antragsteller habe eine äußerst geringe Frustrationstoleranz, sodass ein frühzeitiges Eingreifen erforderlich sei. Sein Perfektionismus stehe dem Antragsteller immer wieder im Weg und sei beinah täglich Auslöser für Krisen. Solche Krisensituationen ließen sich nicht vorhersehen. Mündlich durchgenommene Inhalte könne der Antragsteller gelegentlich nicht sofort und in vollem Umfang aufnehmen, sodass sie diese auf einem Block mitschreibe, da dem Antragsteller das Lernen auf visueller Basis wesentlich leichter falle. Auch beim Anfertigen von Hefteinträgen sei der Antragsteller sehr auf Perfektion bedacht und dadurch auch entsprechend langsam, sodass sie auch hier ergänzende Mitschriften, insbesondere auch das Notieren der Aufgaben in sein Hausaufgabenheft, zum Teil übernehme. Der Antragsteller habe aufgrund seiner Beeinträchtigung große Schwierigkeiten, sich die Hausaufgaben einzuteilen und zu strukturieren. Um strukturiert an die Aufgaben herangehen zu können, benötige der Antragsteller zunächst Hilfe bei der Aufteilung des zu erledigenden Stoffs und dann auch eine klare Aussage dazu, in welcher Reihenfolge er die Aufgaben am sinnvollsten erledige. Eine solche Betreuung sei im Rahmen der offenen Ganztagsschule für die sechste und siebte Jahrgangsstufe nicht mehr vorgesehen. Das Erledigen der Hausaufgaben an sich bewerkstellige der Antragsteller alleine, allerdings sei für ihn die abschließende Kontrolle der Arbeit auf Vollständigkeit sehr wichtig.
Diese Problematik wurde auch von einer Betreuerin der offenen Ganztagsschule gegenüber der hospitierenden Sozialpädagogin angesprochen. Demnach habe der Antragsteller im Schnitt zweimal wöchentlich einen „Austicker“. Der Antragsteller möchte immer, dass seine Hausaufgaben kontrolliert würden, lasse sich jedoch nicht auf Fehler hinweisen und beharre auf seine Lösung. Die Betreuerinnen wüssten damit nicht umzugehen. Diese Situation sei für die Betreuerinnen, den Antragsteller und auch die restliche Gruppe frustrierend.
Die Einschätzung des Antragsgegners, dass aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen, der Erkenntnisse aus den regelmäßig stattfindenden Hilfeplangesprächen sowie den Einschätzungen durch die Klassenleitung die gewährte Hilfe derzeit für ausreichend erscheint, ist nachvollziehbar. Hierbei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass sich die in dem Bericht der Schulbegleiterin angesprochenen Probleme des Antragstellers, die zu einem Einschreiten ihrerseits führen, überwiegend im Rahmen der Hausaufgabenbetreuung nicht stellen. So benötigt der Antragsteller bei der Hausaufgabenbetreuung weder ein unterstützendes Mitschreiben von Unterricht oder Hausaufgaben, noch steht er im sozialen Kontakt mit seinen Mitschülern. Die tatsächliche Bewältigung der Hausaufgaben ist dem Antragsgegner hingegen auch nach Ansicht der Schulbegleiterin selbständig möglich. Eine möglicherweise erforderliche Unterstützung bei der Strukturierung der Hausaufgaben sowie eine Vollständigkeitskontrolle erscheinen auch durch die anwesenden Hausaufgabenbetreuerinnen unproblematisch möglich. Die inhaltliche Kontrolle der Hausaufgaben hingegen stellt sich als eine Anforderung des Antragstellers dar, die tatsächlich im Rahmen der Hausaufgabenbetreuung – zumindest in dem gewünschten Umfang – gerade nicht geleistet werden soll. Hausaufgaben dienen dazu, das Gelernte zu vertiefen und selbstständig anwenden zu können. Ein Eingreifen und Verbessern der Hausaufgaben – sei es durch Betreuer, Schulbegleiter oder Eltern – konterkariert diesen Zweck der Hausaufgaben und nimmt den Lehrern die Möglichkeit, entsprechende Lücken frühzeitig zu entdecken und den Unterricht daran auszurichten. Zwar mag es dem Krankheitsbild des Antragstellers geschuldet sein, dass er auf Grund seines ausgeprägten Perfektionismus die vollständige Kontrolle einfordert. Dennoch kann dies – auch im Sinne einer Regelbeschulung – nicht dazu führen, dass der Antragsteller diese indirekt hierdurch erzielte zusätzliche schulische Förderung, die er auf Grund seiner unzweifelhaft vorliegenden weit überdurchschnittlichen Begabung auch nicht benötigt, zwingend erhalten muss. Vielmehr erscheint der Ansatz des Antragsgegners, den Antragsteller, das Selbstbewusstsein und die Selbstständigkeit des Antragstellers durch gewisse Zeiten ohne Schulbegleitung zu fördern, nachvollziehbar.
Im Übrigen bleibt es dem Antragsteller in Abstimmung mit seiner Schulbegleiterin freigestellt, die gewährten 30,40 Stunden flexibel auf die Unterrichtszeit und die Hausaufgabenbetreuung zu verteilen. Hierbei erscheint insbesondere vorstellbar, gewisse Fächer, wie zum Beispiel Musik, vollständig ohne Schulbegleitung durchzuführen und so weitere Stunden für gelegentliche Unterstützungen bei der Hausaufgabenbetreuung zur Verfügung zu haben.
Soweit die Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 6. September 2018 ausführen, dass eine flexible Gestaltung bereits daran gescheitert sei, dass die Schulbegleitung nicht bereit gewesen sei, ihre Arbeitszeit der Art aufzusplittern, kann auch dies nicht zu einer Ungeeignetheit der bewilligten Hilfe führen. Art und Umfang der Hilfe nach § 35a SGB VIII haben sich an dem Bedarf des Hilfeempfängers auszurichten und nicht an den Bedürfnissen und Wünschen der Hilfeträger. Ein stundenweiser Einsatz mit Pausenzeiten, die im Übrigen auch für die ebenfalls gewährte Verwaltungstätigkeit genutzt werden können, erscheint zumutbar und stellt sich im Rahmen der Schulbegleitung als üblich dar.
Aufgrund der steigenden Anforderungen des Gymnasiums, insbesondere auch an die Selbstständigkeit und Schnelligkeit der Schüler, erscheint jedoch ein weiterer engmaschiger und regelmäßiger Austausch im Rahmen der Hilfeplangespräche mit Einbeziehung der Schulbegleitung sowie der Lehrkräfte und Betreuerinnen in der Hausaufgabenbetreuung weiterhin für sinnvoll und notwendig, um gegebenenfalls zeitnah reagieren zu können.
Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass im Sinne des Antragstellers auch zukünftig eine kooperative Zusammenarbeit zwischen den Parteien notwendig ist. Aus dem bisherigen Verfahren konnte das Gericht nicht den Eindruck erhalten, dass dies nicht gegeben ist. Vielmehr waren beide Seiten bemüht, sich regelmäßig auszutauschen und zeitnah neue Erkenntnisse einzuführen und für das weitere Verfahren zu berücksichtigen. Dementsprechend begrüßt das Gericht ausdrücklich sowohl die zusätzliche Unterstützung der Antragstellerseite bei der Vorlage des Berichtes der Schulbegleiterin, als auch die kurzfristig und zeitintensiv durchgeführten Hospitationen durch den Antragsgegner. Insoweit gegenseitig erhobenen (Verfahrens-)Einwände sollten für das zukünftige Miteinander daher unberücksichtigt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Insoweit war zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner im Verlauf des gerichtlichen Eilverfahrens mehrfach die Leistung erhöht hat und insoweit dem Antrag des Antragstellers entsprochen hat, so dass hierzu keine gerichtliche Entscheidung mehr erforderlich wurde.
Das Verfahren ist nach § 188 VwGO gerichtskostenfrei.


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