Verwaltungsrecht

Schulische Ordnungsmaßnahmen wegen Alkoholkonsums während einer schulischen Veranstaltung

Aktenzeichen  AN 2 K 16.01663

Datum:
23.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG BayEUG Art. 30 S. 2, Art. 58 Abs. 4 S. 2, Art. 86 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 9, Abs. 3 Nr. 5, Art. 88 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3
GG GG Art. 103 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Art. 103 Abs. 2 GG ist auf schulische Ordnungsmaßnahmen nach dem BayEUG nicht anwendbar. Die Beurteilung eines Fehlverhaltens aufgrund einer nach dem Zeitpunkt des Fehlverhaltens geänderten Rechtslage stellt keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende allgemeine Rückwirkungsverbot dar, wenn die Änderung der Rechtslage keine belastende Wirkung entfaltet. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2 Soll nach dem Fehlverhalten eines Schülers gegen ihn ein Bündel an Ordnungsmaßnahmen verhängt werden, für die verschiedene Organe zuständig sind, muss sich im Rahmen der Ermessensentscheidung jedes Organ auch mit den Maßnahmen beschäftigen, für die das andere Organ zuständig ist. Die Befassung mit Maßnahmen außerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs stellt daher keinen formellen Fehler dar. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei einer Verkehrszählung, die Schüler unter Befreiung vom Unterricht im Auftrag einer Stadt durchführen, handelt es sich um eine sonstige schulische Veranstaltung nach Art. 30 S. 3 Hs. 2 BayEUG. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
4 Ein übermäßiger Alkoholkonsum durch Schüler während einer in Zusammenarbeit zwischen Schule und Stadt organisierten Verkehrszählung stellt ein schweres Fehlverhalten dar, das die Androhung der Entlassung von der Schule (Art. 86 Abs. 2 Nr. 9 BayEUG) rechtfertigt. (Rn. 44 – 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit sich die Klage gegen die Anordnung der Vorstellung in der Drogenberatungsstelle, des Ausschlusses von der P-Seminarfahrt und der Sozialstunden gerichtet hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
4. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit sich die Klage gegen die Anordnung der Vorstellung in der Drogenberatungsstelle, des Ausschlusses von der P-Seminarfahrt und der Sozialstunden gerichtet hat. Die Parteien erklärten das Verfahren in diesen Punkten übereinstimmend für erledigt. Der Kläger erklärte in der mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2017 den Rechtsstreit insoweit für erledigt, als die Schule dem Kläger aufgegeben hat, einen Termin bei der Drogenberatungsstelle wahrzunehmen, die Leistung von Sozialstunden zu erbringen und ihm untersagt hat, an der P-Seminarfahrt teilzunehmen. Der Beklagte stimmte der Erledigungserklärung in der mündlichen Verhandlung am 23. Mai 2017 zu. Bei einer teilweisen Erledigung der Hauptsache muss kein gesonderter Beschluss hinsichtlich der Einstellung ergehen (vgl. BVerwG, B.v. 7. August 1998 – 4 B 75/98 – juris Rn. 2).
Soweit sich die Klage im Übrigen gegen die Anordnung der Androhung der Entlassung und den Ausschluss von der Q11-Studienfahrt richtet, ist sie zwar als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO zulässig aber unbegründet. Der Bescheid der Schule vom 1. August 2016 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
Die Beurteilung der Klage richtet sich nach dem Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der ab 1. August 2016 geltenden Fassung, da der Bescheid am 1. August 2016 erlassen wurde. Die Erfolgsaussichten einer Anfechtungsklage sind grundsätzlich nach der im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geltenden Sach- und Rechtslage zu beurteilen. Bei Erlass des Bescheides galt bereits das geänderte BayEUG und die Entscheidung ist damit an dieser Gesetzesfassung zu messen. Dass der Vorfall, der zur Anordnung der Maßnahmen geführt hat, am … Juli 2016 und damit vor Inkrafttreten der neuen Fassung des BayEUG stattfand, begründet keine unzulässige Rückwirkung. Art. 103 Abs. 2 GG, der bestimmt, dass die Strafbarkeit einer Tat grundsätzlich an der zum Tatzeitpunkt geltenden Rechtslage zu bestimmen ist, ist hier nicht einschlägig, da schulische Ordnungsmaßnahmen nach dem BayEUG keine Strafen im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG darstellen (vgl. Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1, 4. Aufl. 2006, Rn. 383). Die Beurteilung des Vorfalls am … Juli 2016 nach der am 1. August 2016 geltenden Rechtslage stellt auch keinen Verstoß gegen das allgemeine Rückwirkungsverbot nach dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 2, 3 GG dar. Die Änderung des BayEUG entfaltet gegenüber dem Kläger keine belastende Wirkung, so dass von vornherein keine unzulässige Rückwirkung vorliegt (vgl. BVerfG, B.v. 22.3.1983 – 2 BvR 457/78 – BVerfGE 63, 343/356 f.). Die Änderung des BayEUG bewirkt nicht etwa, dass Ordnungsmaßnahmen unter erleichterten Voraussetzungen möglich sind oder andere Ordnungsmaßnahmen, als bisher geregelt, angeordnet werden können. Nach Art. 86 Abs. 7 BayEUG a.F. war die An-drohung der Entlassung nur zulässig, wenn ein Schüler durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten die Erfüllung der Aufgaben der Schule oder Rechte anderer gefährdet. Nach Art. 86 Abs. 2 Nr. 9 BayEUG n.F. setzt die Androhung der Entlassung eine „schulische Gefährdung“ voraus. Der Gesetzesentwurfsbegründung ist zu entnehmen, dass mit dieser Änderung keine inhaltliche Abwandlung gewollt ist (LT-Drs. 17/10311, S. 15). Die Neufassung des BayEUG soll lediglich der Verwaltungsvereinfachung und der Anwenderfreundlichkeit dienen (LT-Drs. 17/10311, S. 2). Gleiches gilt für die Regelung hinsichtlich sonstiger Erziehungsmaßnahmen. Gemäß Art. 86 Abs. 1 Satz 1 BayEUG n.F. können Erziehungsmaßnahmen getroffen werden. Art. 86 Abs. 1 BayEUG a.F. regelte, dass Ordnungsmaßnahmen möglich sind, soweit sonstige Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichen. Auch die ältere Fassung ging somit von der Zulässigkeit von sonstigen Erziehungsmaßnahmen aus. Ohnehin folgt das Recht der Schule, Erziehungsmaßnahmen beziehungsweise pädagogische Maßnahmen zu treffen, bereits aus der allgemeinen Schulpflicht beziehungsweise dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule (Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1, 4. Aufl. 2006, Rn. 339). Im Rahmen der Änderung der Verfahrensvorschriften ergeben sich keine relevanten Änderungen, die über eine bloße Neuordnung der einzelnen Vorschriften hinausgehen.
Der Bescheid der Schule vom 1. August 2016 ist formell rechtmäßig.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Bescheid nicht wegen fehlender Beteiligung des Elternbeirats formell rechtswidrig. Die Eltern des Klägers wurden mit Schreiben der Schule vom 22. Juli 2016 gemäß Art. 88 Abs. 3 Satz 4 BayEUG darauf hingewiesen, dass sie eine Beteiligung des Elternbeirats beantragen können. Nachweislich des Schreibens vom 26. Juli 2016 hat die Mutter des Klägers nicht die förmliche Beteiligung des Elternbeirats nach Art. 88 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayEUG beantragt, sondern lediglich die Beteiligung der Elternbeiratsvorsitzenden. Diese war bei der Sitzung des Disziplinarausschusses und der Anhörung der Schüler im Rahmen der Sitzung anwesend und hatte demnach die Möglichkeit, sich zu äußern. Ihre Stellungnahme zu der Glaubwürdigkeit der Schüler wurde ausweislich der Niederschrift über die Sitzung bei der Beschlussfassung berücksichtigt. Eine konkrete Nachfrage nach ihrer Position ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht erforderlich. Es wurde gerade nicht die förmliche Anhörung des Elternbeirats nach Art. 88 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BayEUG n.F. (Art. 86 Abs. 10 Satz 2 BayEUG a.F.) beantragt. Dass sich die Elternbeiratsvorsitzende vor der Sitzung des Disziplinarausschusses gegenüber der Mutter des Klägers gegen eine Androhung der Entlassung aussprach, ist nicht relevant. Die Elternbeiratsvorsitzende hätte die Möglichkeit gehabt, mögliche Bedenken gegen diese Ordnungsmaßnahme in der Sitzung des Disziplinarausschusses vorzutragen. Ebenso hätte der Kläger oder seine Mutter die Elternbeiratsvorsitzende gezielt ansprechen und um Stellungnahme bitten können.
Über die beiden Ordnungsmaßnahem der Androhung der Entlassung und der Versagung der Teilnahme an der …-Studienfahrt hat im Ergebnis das zuständige Organ entschieden. Für die Androhung der Entlassung hat der gemäß Art. 88 Abs. 1 Nr. 3 BayEUG zuständige Disziplinarausschuss entschieden, der nach Art. 58 Abs. 1 Satz 3 BayEUG an die Stelle der Lehrerkonferenz tritt. Aber auch im Hinblick auf die Versagung der Teilnahme an der …-Studienfahrt liegt kein Verstoß gegen die Zuständigkeitsnormen des BayEUG vor. Gemäß Art. 88 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG entscheidet die Schulleitung über den Ausschluss von Klassenfahrten. Dabei ist es grundsätzlich als formeller Fehler anzusehen, wenn statt der zuständigen Schulleitung der Disziplinarausschuss beziehungsweise die Lehrerkonferenz über den Ausschluss von einer Schulfahrt entscheidet (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2006 – 7 CS 06.154, 7 CS 06.155 – juris Rn. 4). Dies gilt aber insbesondere dann, wenn neben dem Ausschluss von einer Klassenfahrt keine weitere Ordnungsmaßnahme erlassen wird, die im Zuständigkeitsbereich des Disziplinarausschusses beziehungsweise der Lehrerkonferenz steht. Für den Fall, dass – wie hier – ein Bündel von Maßnahmen, die jeweils in verschiedene Zuständigkeitsbereiche fallen, beschlossen werden soll, muss sich zwangsläufig jedes Organ auch mit den Maßnahmen befassen, für die das andere Organ zuständig ist. Für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung muss jedes Organ auch solche Maßnahmen in die Überlegungen einbeziehen, die ein anderes Organ erlässt. Der Disziplinarausschuss musste sich hier also auch mit einem Ausschluss von der …-Studienfahrt beschäftigen, um eine sachgerechte Entscheidung über die Androhung der Entlassung zu treffen. Zudem ist aus Art. 58 Abs. 4 Satz 2 BayEUG zu folgern, dass die Lehrerkonferenz beziehungsweise der Disziplinarausschuss die Möglichkeit haben, Beschlüsse in Angelegenheiten zu fassen, für die sie keine Zuständigkeit besitzen. Art. 58 Abs. 4 Satz 2 BayEUG bestimmt, dass solche Beschlüsse Empfehlungen bedeuten. Diese Empfehlung hat sich die Schulleiterin spätestens mit der Unterschrift des Bescheids zu eigen gemacht. Die Schulleiterin hat unabhängig vom Disziplinarausschuss eine Entscheidung getroffen. Die Schulleiterin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie den Ausschluss von der Klassenfahrt nach den durch sie durchgeführten „Vorermittlungen“ geplant und dem Disziplinarausschuss empfohlen habe. Daraus ergibt sich, dass die Schulleiterin vor der Diskussion im Disziplinarausschuss eine eigenständige Entscheidung getroffen hat und gegebenenfalls auch unabhängig von einem Beschluss durch den Disziplinarausschuss durchgesetzt hätte.
Der Bescheid der Schule vom 1. August 2016 ist zudem hinsichtlich der Androhung der Entlassung und des Ausschlusses von der …-Studienfahrt materiell rechtmäßig.
Die Auswahlentscheidung der Schule, welche Ordnungsbeziehungsweise Erziehungsmaßnahmen sie erlässt, ist eine pädagogische Ermessensentscheidung, die vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbar ist. Bei ihrer Entscheidung haben die Gerichte zu prüfen, ob die Schule die Verfahrensvorschriften eingehalten hat, ob sie ihre Entscheidung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt hat, die einer sachlichen Überprüfung standhalten, ob die Schule frei von sachfremden Erwägungen entschieden hat und ob die pädagogische Bewertung der Schule angemessen und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (vgl. BayVGH U.v. 12.12.2000 – 7 ZS 00.3088 – juris). Die Schule muss ihre pädagogischen Erwägungen daran ausrichten, ob das Verhalten des Schülers der betreffenden Schule im Hinblick auf die unbeeinträchtigte Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags nicht mehr hingenommen werden kann und ob dem Schüler in dieser Deutlichkeit und Konsequenz vor Augen geführt werden muss, dass sein Verhalten nicht geduldet wird und nicht geduldet werden kann (VG Regensburg, U.v. 30.4.2015 – RO 2 K 14.1784 – juris). Die Ordnungsmaßnahme muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des zu ahndenden oder zu unterbindenden Verhaltens stehen. Für die Richtigkeit der Auswahl einer Ordnungsmaßnahme unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kommt es vor allem darauf an, ob und in welchem Maße die Erziehungsverantwortung der Schule beeinträchtigt wurde, wie sie in Art. 131 BV, Art. 1, 2 BayEUG niedergelegt ist (vgl. BayVGH, U.v. 12.12.2000 – 7 ZS 00.3088 – juris).
Die Ordnungsmaßnahme der Androhung der Entlassung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 86 Abs. 1, 2 Nr. 9 BayEUG.
Es ist davon auszugehen, dass es sich bei der Verkehrszählung um eine sonstige schulische Veranstaltung handelt, so dass die besonderen Voraussetzungen nach Art. 86 Abs. 3 Nr. 5 BayEUG nicht vorliegen müssen. Eine sonstige Schulveranstaltung ist gemäß Art. 30 Satz 2 BayEUG eine Veranstaltung einer Schule, die einen unmittelbaren Bezug zu den Aufgaben der Schule, nämlich Erziehung und Unterricht, aufweist. Es handelt sich um Veranstaltungen, die außerhalb des stundenplanmäßigen Unterrichts organisiert und durchgeführt werden (Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Art. 89 BayEUG Rn. 11). Die Verkehrszählung weist zwar keinen unmittelbaren Bezug zum Unterricht auf. Gemäß Art. 30 Satz 3 Halbs. 3 BayEUG kann eine Schulveranstaltung aber auch vorwiegend der Erziehung oder der Bereicherung des Schullebens dienen. Im Rahmen einer Verkehrszählung lernen die Schüler, eine Aufgabe verantwortungs- und pflichtbewusst wahrzunehmen. Insoweit dient sie dem Bildungs- und Erziehungsauftrag, wie er in Art. 1 BayEUG niedergelegt ist. Die vom Kläger angeführte Ziffer aus den Durchführungshinweisen zu Schülerfahrten des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, wonach eine Schulveranstaltung im organisatorischen Verantwortungs- und Aufsichtsbereich der Schule durchgeführt werden muss, erfordert keine andere Beurteilung. Die Schule hatte maßgeblichen Anteil an der Organisation und an der Aufsicht der Verkehrszählung. Die Verkehrszählung wurde in Zusammenarbeit der Stadtbehörde und der Schule durchgeführt, wobei die Schule die Klassen auswählte, welche die Verkehrszählung durchführten. Die Einführung durch die städtischen Mitarbeiter fand während der Unterrichtszeit in der Schule statt. Zudem diente die Verkehrszählung als Ersatz für den Unterricht, so dass die Schüler zur Mitwirkung an der Verkehrszählung verpflichtet waren.
Jedenfalls kommt es hier nicht entscheidend darauf an, ob es sich um eine Schulveranstaltung handelt. Gemäß Art. 86 Abs. 3 Nr. 5 BayEUG sind auch bei außerschulischem Verhalten Ordnungsmaßnahmen zulässig, wenn die Aufgaben der Schule durch das Verhalten gefährdet wurden. Die Voraussetzung des Art. 86 Abs. 3 Nr. 5 BayEUG liegt hier jedenfalls vor. Die Aufgaben der Schule nach Art. 2 BayEUG, wonach die Schule die Schüler unter anderem zu eigenverantwortlichem Handeln und zu verantwortlichem Gebrauch der Freiheit befähigen soll, sind gefährdet, wenn Schüler während einer Verkehrszählung, die jedenfalls in Zusammenarbeit von Schule und Stadt durchgeführt wurde, maßlos Alkohol konsumieren und die Aufgabe infolgedessen nicht wahrnehmen. Gleiches gilt dafür, dass das Ansehen der Schule gegenüber der Stadtverwaltung in Mitleidenschaft gezogen wurde, was ebenfalls Auswirkungen auf die Aufgabenwahrnehmung der Schule hat (vgl. VG Augsburg, U.v. 5.2.2013 – Au 3 K 12.969 – juris). Entgegen der Ansicht des Klägers ist keine bloße Freistellung vom Unterricht für eine außerschulische Aktivität erfolgt. Die Durchführung der Verkehrszählung ist nicht vergleichbar mit der Teilnahme eines Schülers an einem Sportwettbewerb oder an kirchlichen Veranstaltungen. Bei letzteren besteht keinerlei Kooperation mit der Schule. Die Ministranten werden kaum eigenverantwortlich durch die Schule bestimmt. Die Verkehrszählung wurde aber jedenfalls in Zusammenarbeit mit der Schule durchgeführt.
Nach Art. 86 Abs. 2 Nr. 9 BayEUG ist die Androhung der Entlassung nur bei einer schulischen Gefährdung zulässig. Da die Änderung des BayEUG durch § 1 des Gesetzes vom 23. Juni 2016 (GVBl. S. 102, 241) keine inhaltlichen Veränderungen mit sich bringen sollte (s.o.), ist davon auszugehen, dass die Voraussetzung „schulische Gefährdung“ ebenso auszulegen ist, wie die frühere Voraussetzung nach Art. 86 Abs. 7 BayEUG a.F., wonach eine Androhung der Entlassung nur zulässig war, wenn durch ein schweres oder wiederholtes Fehlverhalten des Schülers die Erfüllung der Aufgabe der Schule oder die Rechte anderer gefährdet werden.
Ein solches schweres Fehlverhalten seitens des Klägers liegt vor. Der Kläger hat während der Verkehrszählung in einem völlig übermäßigem Maße Alkohol konsumiert. Der Kläger hat hier nicht nur eine geringe Menge Wodka zu sich genommen, sondern zusammen mit seinen drei Mitschülern zwei Flaschen. Dies hat schließlich dazu geführt, dass der Kläger wegen einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt werden musste. Bereits der dort festgestellte Promillewert von 1,86 Promille zeigt, dass der Alkoholkonsum in keinem vernünftigen Maß lag. Der Konsum von Alkohol ist auf Schulveranstaltungen gemäß § 23 Abs. 1 BaySchO untersagt. Bei der Verkehrszählung handelte es sich – wie dargestellt – um eine Schulveranstaltung. Selbst wenn man dies anders beurteilen wollte, ist der hier vorliegende Alkoholkonsum ein erhebliches Fehlverhalten, da die Schüler die Aufgabe hatten, gewissenhaft und ordentlich die Verkehrszählung durchzuführen. Dies ist unter dem Einfluss von derart viel Alkohol kaum möglich. Unabhängig von einer etwaigen vorsätzlichen Manipulation der Unterlagen der Verkehrszählung musste dem Kläger bewusst gewesen sein, dass er die Verkehrszählung auf Grund des Alkoholkonsums nicht mehr ordnungsgemäß durchführen konnte. Der Vortrag der Schüler, sie hätten die Wirkung des Alkohols unterschätzt, es sei sehr warm gewesen und sie hätten wenig gegessen, ändert an der Beurteilung des Verhaltens des Klägers nichts. Der Kläger hat selbst im Rahmen der Anhörung vor dem Disziplinarausschuss angegeben, dass ihm die Wirkung von Alkohol bekannt ist. Von einem 16-jährigen kann zudem erwartet werden, dass er weiß, dass Spirituosen eine stärkere Auswirkung haben als Bier und dass eine geringe Nahrungsaufnahme vor dem Konsum von Alkohol die Wirkung desselbigen beeinflusst.
Entgegen des Vortrags des Klägers ist ein Wodka-Mischgetränk mitnichten vergleichbar mit Bier oder Wein, da auch in der Mischung die Spirituose eine stärkere Wirkung entfaltet als Bier oder Wein. Auch wenn der Wodka mit Red Bull oder Orangensaft verdünnt wird, bleibt er doch eine Spirituose, zumal nicht bekannt ist, in welchem Verhältnis gemischt wurde. Wie der Kläger richtig darstellt, verleitet das Mischgetränk eher zu mehr Alkoholkonsum, da der Geschmack des Alkohols verfremdet wird.
Schlussendlich ist die Schule zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger zusammen mit den anderen drei Schülern die Unterlagen der Verkehrszählung bewusst falsch ausgefüllt und damit manipuliert hat. Die Mitarbeiter der Stadt … haben angegeben, dass sie bei ihrer Kontrolle um 21:30 Uhr festgestellt hätten, dass die Formulare bis einschließlich 23:00 Uhr mit fiktiven Daten ausgefüllt worden seien. Die Schüler haben zudem übereinstimmend ausgesagt, dass sie vereinbart hätten, die Unterlagen mit fiktiven Daten zu füllen. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger letztlich selbst die falschen Daten in die Unterlagen eingetragen hat. Daher ist nicht davon auszugehen, dass die Schule bei Erlass des Bescheides von falschen Tatsachen ausgegangen ist. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Manipulation der Unterlagen erst unter Alkoholeinfluss erfolgte, bleibt es doch bei einem zusätzlichen Fehlverhalten. Der Klägerbevollmächtigte gab in der mündlichen Verhandlung an, dass der Kläger und seine Mitschüler die falschen Daten gerade deswegen eintrugen, um ihren Alkoholkonsum zu verschleiern. Damit hat der Kläger aber jedenfalls billigend in Kauf genommen, dass die falschen Daten von der Stadt … im Rahmen ihrer Verkehrsplanung übernommen werden, statt die Verantwortung für den Alkoholkonsum zu übernehmen und zuzugeben, dass die Verkehrszählung nicht mehr durchgeführt werden konnte. Dem Kläger wurde durch die Mitarbeiter der Stadt … im Rahmen der Einweisung und durch den ausdrücklichen Hinweis auf die Bedeutung einer korrekten Erfassung der Daten die Tragweite der Verkehrszählung deutlich gemacht.
Angesichts dieses Fehlverhaltens ist die Androhung der Entlassung nicht unverhältnismäßig. Sie ist geeignet, dem Kläger sein Fehlverhalten vor Augen zu führen, da die Androhung der Entlassung eine deutliche Warnung gegenüber dem Kläger ist. Die Schule ist auch nicht auf mildere Maßnahmen, wie beispielsweise einen Verweis oder den bloßen Ausschluss von den Klassenfahrten zu verweisen, da diese dem Kläger nicht in gleichem Maße deutlich machen würden, dass ein solches Verhalten nicht geduldet wird. Die Androhung der Entlassung ist damit erforderlich, um dem Kläger vor Augen zu führen, dass er sein Verhalten ändern muss. Hinzu kommen generalpräventive Aspekte, da die Schule in besonderem Maße verhindern muss, dass die Schüler während Schulveranstaltungen beziehungsweise solchen Veranstaltungen, die mit der Schule zusammenhängen, Alkohol konsumieren. Ziel einer Ordnungsmaßnahme kann es auch sein, zu verhindern, dass das Fehlverhalten Nachahmer findet (vgl. BayVGH, B.v. 10.6.1997 – 7 ZS 97.1403 – BayVBl. 1998, 54; VG München, U.v. 28.4.2008 – M 3 K 07.4554 – juris; VG Regensburg, U.v. 30.4.2015 – RO 2 K 14/1784 – juris). Die Mitberücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte ist nicht per se eine sachfremde Überlegung. Die vorliegende Maßnahme dient auch nicht in erster Linie der Generalprävention, sondern vorwiegend dazu, den Kläger selbst zukünftig zu einem anderen Verhalten zu veranlassen. Die Androhung der Entlassung ist auch angemessen. Bei der Androhung der Entlassung handelt es sich zwar um eine Maßnahme, die mit nicht unerheblichen Nachteilen für den Kläger verbunden ist (vgl. VG Regensburg, U.v. 30.4.2015 – RO 2 K 14.1784 – juris). Für den Kläger spricht zudem, dass es sich um sein erstes schulisches Fehlverhalten handelt und er im Rahmen der Anhörung Reue gezeigt hat. Das Fehlverhalten seitens des Klägers hatte jedoch nicht nur zur Folge, dass die Gefahr einer Verfälschung des Ergebnisses der Verkehrszählung entstand, sondern zusätzlich dem Ansehen der Schule in der Öffentlichkeit geschadet wurde. Indem die Schule die Schüler vom Unterricht befreit und ihnen eine andere für die Gemeinschaft wichtige Aufgabe überträgt, bringt sie den Schülern Vertrauen entgegen. Die Schule muss sich darauf verlassen können, dass die übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß ausgeführt werden und sich die Schüler, ähnlich wie im Unterricht, angemessen verhalten. Das Verhalten des Klägers beeinträchtigt in großem Maße den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule, der nach Art. 1 Abs. 1 BayEUG als Bildungsziele unter anderem Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit umfasst. Angesichts des Maßes des Alkoholkonsums und des Vertrauensbruchs durch den Kläger steht die Androhung der Entlassung nicht außer Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens.
Die Ermessensentscheidung des Disziplinarausschusses hinsichtlich der Androhung der Erlassung ist nicht zu beanstanden. Für die Überprüfung, ob eine Behörde eine Ermessensentscheidung fehlerfrei getroffen hat, steht bei einem schriftlichen Verwaltungsakt in erster Linie dessen Begründung zur Verfügung. Ergänzend können sonstige Unterlagen, insbesondere aus den Akten, herangezogen werden, aus denen sich die Überlegungen der Behörde ergeben, weshalb sie unter mehreren denkbaren Maßnahmen gerade die getroffene Maßnahme ausgewählt hat. Zu diesen Unterlagen zählt insbesondere die Niederschrift der Sitzung des Disziplinarausschusses. Die Schule hat das ihr zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Dem Kläger gelingt es nicht darzulegen, dass der Disziplinarausschuss übersehen hätte, dass ihm insbesondere hinsichtlich der Auswahl der Maßnahmen Ermessen zusteht oder dass sonstige Ermessensfehler vorliegen. Nach dem Bescheid vom 1. August 2016 hat die Schule die Androhung der Entlassung nach ausführlicher Beratung und unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Klägers beschlossen. Aus der Niederschrift der Sitzung des Disziplinarausschusses geht hervor, dass eine Beratung unter Berücksichtigung der Angaben der Schüler und der Einschätzungen der Elternbeiratsvorsitzenden sowie des Vertrauenslehrers stattgefunden hat.
Der Ausschluss von der …-Studienfahrt hat seine Rechtsgrundlage in Art. 86 Abs. 1, 2 Nr. 4 BayEUG. Ein solcher Ausschluss kann gemäß Art. 86 Abs. 1 BayEUG zur Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags getroffen werden, soweit andere Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichen und der Ausschluss im Übrigen verhältnismäßig ist. Wie bereits dargestellt, haben der übermäßige Alkoholkonsum und die Manipulation der Zählunterlagen zu einer Gefährdung der schulischen Aufgaben geführt.
Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens muss sich die Schule nicht auf mildere Ordnungsmaßnahmen oder bloße Erziehungsmaßnahmen verweisen lassen. In Anbetracht der Gesundheitsschädigung, die sich der Kläger durch den übermäßigen Alkoholkonsum zugeführt hat, muss dem Kläger deutlich vor Augen geführt werden, dass ein solches Verhalten nicht hinzunehmen ist. Daher ist es auch nicht unverhältnismäßig, zusätzlich zu der Androhung der Entlassung den Ausschluss von einer Klassenfahrt anzuordnen. Da die Androhung der Entlassung für den Kläger zunächst keine unmittelbar spürbaren Auswirkungen hat, ist der Ausschluss von den Klassenfahrten erforderlich, um dem Kläger sein Fehlverhalten unmittelbar vor Augen zu führen. Hinzu kommt, wie die Schule dargelegt hat, dass auf Grund der vielen Freizeitaktivitäten während der …-Studienfahrt die Gefahr besteht, dass der Kläger erneut übermäßig Alkohol konsumiert.
Die Ermessenentscheidung der Schulleiterin ist nicht zu beanstanden. Die Schulleiterin konnte in der mündlichen Verhandlung überzeugend darlegen, dass sie vor der Sitzung des Disziplinarausschusses eine eigenständige Entscheidung über die Wahl der richtigen Ordnungsmaßnahmen getroffen und den Ausschluss von der Klassenfahrt geplant hat. Dem Kläger gelingt es nicht darzulegen, dass die Schulleiterin bei ihrer Entscheidung sachfremde Erwägungen berücksichtigt hätte oder sonstige Ermessensfehler vorliegen. Solche sind auch nicht ersichtlich. Es ist entgegen der Ansicht des Klägers auch sachgerecht, dass die Schule die Teilnahme an der P-Seminarfahrt unter der Bedingung, dass der Kläger einen Termin bei einer Drogenberatungsstelle wahrnimmt, zugelassen, den Ausschluss von der …-Studienfahrt aber abschließend bestimmt hat. Zum einen hat die P-Seminarfahrt eine höhere Wichtigkeit für die schulische Laufbahn des Klägers. Zum anderen besteht im Rahmen der P-Seminarfahrt eine geringere Gefahr, dass der Kläger Alkohol konsumiert, da während dieser Fahrt eine durchgängigere Aufsicht durch die Lehrkräfte gewährleistet ist als während der …-Studienfahrt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO und auf § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit das Verfahren nach übereinstimmender Erledigungserklärung einzustellen war, richtet sich die Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Es entspricht hier billigen Ermessen die Kosten des Verfahrens zu einem Fünftel dem Beklagten aufzuerlegen, da der Kläger mit seiner Klage im Hinblick auf die Anordnung der Sozialstunden Erfolg gehabt hätte. Der Beklagte hat unter Berücksichtigung des Beschlusses des Gerichts vom 13. September 2016 (AN 2 S. 16.01643) den Bescheid insoweit aufgehoben. Hinsichtlich der Anordnung der Wahrnehmung eines Termins bei der Drogenberatungsstelle und dem damit verknüpften Verbots der Teilnahme an der P-Seminarfahrt, wäre die Klage hingegen nach bisherigem Sach- und Streitstand erfolglos gewesen (vgl. Beschluss im Verfahren AN 2 S. 16.01643), so dass zwei Fünftel der Verfahrenskosten insoweit der Kläger trägt. Da der Kläger auch im Übrigen mit seiner Klage erfolglos geblieben ist, trägt er die restlichen zwei Fünftel der Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Dieses Urteil ist hinsichtlich Ziffer 1. entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO unanfechtbar. Ziffer 2. ist gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar, soweit die Kosten des Verfahrens zu einem Fünftel der Beklagten und zu zwei Fünftel dem Kläger auferlegt wurden (vgl. BVerwG, B.v. 7. August 1998 – 4 B 75/98 – juris Rn. 2).


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