Verwaltungsrecht

Schulpflicht, Testpflicht, Zwangsgeld

Aktenzeichen  M 3 S 22.276

Datum:
14.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11097
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayEUG Art. 76
LStVG Art. 7 Abs. 2
VwZVG Art. 36
BayVwVfG Art. 28

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 3.125,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen den sofortigen Vollzug eines Bescheids zur Durchsetzung der Schulpflicht und gegen dessen Vollstreckung.
Die Antragsteller sind Eltern des Kindes C. C. ist Schülerin der Mittelschule (Jahrgangsstufe 5) in P. Da das Kind der Antragsteller der Testobliegenheit aus § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV nicht nachkommt, nimmt es derzeit nicht am Präsenzunterricht teil.
Mit Schreiben vom 18. November 2021 hörte das Landratsamt E. (im Folgenden: Landratsamt) die Antragsteller als Betroffene wegen der Ordnungswidrigkeit, nicht dafür gesorgt zu haben, dass ihr schulpflichtiges Kind am Unterricht teilnimmt, an. Für die weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 11 f. der Behördenakte verwiesen.
Mit Schreiben vom 22. November 2021 nahmen die Antragsteller hierzu Stellung. Der Verweis auf eine Ordnungswidrigkeit sei eine Anmaßung. Es werde aus einer nicht bestehenden Rechtslage ein Straftatbestand manipuliert. Die Antragsteller seien keine Erziehungsberechtigten, höchstens Erziehungsverpflichtende. Soweit die Schule in ihrem Verhalten unterstützt werden solle, werde um Darlegungen und Nachweis eines Gesetzes gebeten, welches einen Impfzwang, einen Testzwang und einen Maskenzwang beinhalte. Aus den Begriffen „möchte und will“ lasse sich keine Pflicht erzeugen. Die Pflicht ergebe sich aus dem Schulgesetz, was bedeute, dass der Anbieter Tatsachen und Regularien schaffen müsse, um Menschen die Schulpflicht zu ermöglichen. Es liege kein unentschuldigtes Fehlen vor, da dem Kind der Zutritt zur Schule und sämtliches Lernmaterial verweigert werde. Vorschriften aus dem Schulgesetz zu zitieren, in dem nichts zum Infektionsschutz stehe, zeuge von Unwissen. Schulpflicht als Veranstaltungszwang sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Mit Bescheid vom 22. Dezember 2021 verpflichtete das Landratsamt die Antragsteller, dafür Sorge zu tragen, dass C. unter Erfüllung der Testobliegenheit nach § 12 Abs. 2 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnung regelmäßig am Unterricht in der Mittelschule P. teilnimmt und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besucht (Nr. 1 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung von Nr. 1 wurde angeordnet (Nr. 3 des Bescheids). Für den Fall, dass die Antragsteller der Verpflichtung nach Nr. 1 des Bescheids nicht spätestens ab dem 10. Januar 2022 nachkommen, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500 EUR angedroht (Nr. 2 des Bescheids). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Die Rechtsbehelfsbelehrungbelehrte ausschließlich über die Möglichkeit einer Klage, ein Widerspruch wurde nicht erwähnt.
Mit Schreiben vom 10. Januar 2022 stellte das Landratsamt das im Bescheid vom 22. Dezember 2021 angedrohte Zwangsgeld fällig und erließ mit demselben Schreiben einen Bescheid, nach dem für den Fall, dass die Antragsteller der Nr. 1 des Bescheides vom 22. Dezember 2021 nicht innerhalb von 7 Tagen nach Zustellung nachkommen, erneut ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 EUR zur Zahlung fällig wird.
Hiergegen erhoben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 10. Januar 2022, bei Gericht eingegangen am 12. Januar 2022, Klage zum Verwaltungsgericht München. Weiter beantragen die Antragsteller sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheids vom 22. Dezember 2021 wiederherzustellen.
Zur Begründung machen die Antragsteller im Wesentlichen geltend, dass es kein Landes- oder Bundesgesetz gebe, welches eine Impf-, Test- oder Maskenpflicht vorschreibe. Es gebe im Schulgesetz keine Definition der Begriffe Distanz und Präsenz. Es lägen Nötigung und weitere Straftatbestände des Landesgesetzgebers über Dritte in Form von Verordnungen vor. Der Bundesgesetzgeber entledige sich der Haftung einer Impfpflicht mit einem experimentellen Impfstoff, der Haftung einer Testpflicht und einer Haftung für Schäden durch das Tragen von Masken. Es gebe kein Gesetz, durch das dem Arbeitgeber erlaubt würde, Menschenrechte, Völkerrechte und Grundrechte einzuschränken. Der Schriftverkehr mit der Schule und dem Landratsamt, in dem aufgezeigt werde, dass der gesamte Schulapparat im Unrecht sei, sei eventuell nicht gelesen worden. Nicht die leiblichen Eltern würden gegen ihre Pflicht handeln, sondern die Schulbehörde, die folglich zur Bußgeldzahlung aufgefordert werden müsse. Die Deklaration der Bußgelder sei eine vorsätzliche Straftat, die nie verjähre. Die Schulpflicht betreffe beide Parteien und sei nicht einseitig. Die Schulbehörde müsse Voraussetzungen schaffen, damit auch Kinder ohne Test- und Maskenpflicht ihr Schulrecht nutzen könnten. Der Distanzunterricht sei ohne eine Verbesserung der pandemischen Lage abgeschafft worden. Die Schule würde sämtliche Unterrichtsmaterialien und anderweitigen Zugang zum Unterricht verweigern. Auf eine Anhörung sei verzichtet worden, da die Antragsteller schon Gelegenheit gehabt hätten sich zu äußern. Es seien im gesamten Landkreis inhaltlich identische Bescheide verschickt worden. Es werde brutal hartnäckig Geld generiert. Die Schulpflicht habe nichts mit der Testpflicht zu tun. Niemand könne die wöchentlichen Änderungen irgendwelcher Landesverordnungen aufschlüsseln. Die Schulbehörde sei verpflichtet, für andersdenkende Kinder und Eltern die Voraussetzungen zu schaffen. Die Antragsteller seien dem Kindeswohl verpflichtet. In anderen Bundesländern werde Distanzunterricht erteilt. In keinem Gesetz stünde Schulpflicht als Gebäude- oder Raumpflicht. Die Pflicht der Eltern ende am Schultor und dort werde der Zutritt des Kindes verweigert. Ab dort stehe die Schule in der Pflicht, dem Kind Bildung zukommen zu lassen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird auf die Begründung des Bescheides vom 22. Dezember 2021 verwiesen. Es seien inhaltlich keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen. Die Nachteile durch den fehlenden Präsenzunterricht seien gravierender als der Eingriff in Rechtspositionen. Dem Kind würden durch den fehlenden Schulbesuch Entwicklungsmöglichkeiten vorenthalten. Durch die verschiedenen Möglichkeiten Tests durchzuführen, sei die Testpflicht zumutbar.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gericht- und Behördenakte dieses und des Verfahrens in der Hauptsache (M 3 K 22.145) Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt ohne Erfolg.
1. Da ein ausdrücklicher Antrag nicht gestellt wurde, ist das Antragsbegehren nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO auszulegen. Im Sinne eines umfassenden Rechtschutzes ist das Begehren so zu verstehen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Nr. 1 des Bescheides vom 22. Dezember 2021 wiederhergestellt und hinsichtlich Nr. 1 des Bescheides vom 10. Januar 2022 angeordnet wird sowie dass hinsichtlich des in Nr. 2 des Bescheides vom 22. Dezember 2021 angedrohten und mit Schreiben vom 10. Januar 2022 bereits fällig gestellten Zwangsgelds die aufschiebende Wirkung angeordnet und die Aufhebung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO angeordnet wird. Das so verstandene Antragsbegehren ist zulässig, aber unbegründet.
2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich Nr. 1 des Bescheides vom 22. Dezember 2021 hat keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt grundsätzlich aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass dieser zunächst nicht befolgt werden muss und nicht vollstreckt werden kann. Die aufschiebende Wirkung entfällt indes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, wenn der Verwaltungsakt im öffentlichen Interesse von der Behörde, die ihn erlassen hat, für sofort vollziehbar erklärt wird. Dies ist vorliegend geschehen. Dem Erfordernis aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, das besondere Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen, ist die Behörde nachgekommen.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht, das über eine Klage zu entscheiden hat, auf Antrag deren aufschiebende Wirkung wiederherstellen oder anordnen. Für die vom Gericht im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende eigene Ermessensentscheidung kommt es auf eine Abwägung der öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung mit den privaten Interessen der Antragsteller an. In erster Linie fallen dabei die Erfolgsaussichten der Antragsteller in einem eventuellen Hauptsacheverfahren, wie sie augenblicklich beurteilt werden können, ins Gewicht. Ist die Erfolgsaussicht mit genügender Eindeutigkeit zu verneinen, ist der Antrag grundsätzlich abzulehnen; ist sie offensichtlich zu bejahen, ist die aufschiebende Wirkung in der Regel wiederherzustellen. Im Übrigen kommt es auch darauf an, wie schwer die angegriffene Maßnahme durch ihren Sofortvollzug in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreift, ob und unter welchen Erschwernissen sie wieder rückgängig zu machen ist und wie dringlich demgegenüber das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung des angegriffenen Verwaltungsakts zu bewerten ist (vgl. BayVGH, B. v. 7.4.1995, 7 CS 95.1163 – m.w.N.).
a) Vorliegend genügt die schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung (Sicherstellung zeitnaher Erfüllung Schulpflicht, Sicherstellung schulischer Bildung, Gefährdung des erfolgreichen Besuchs des laufenden Schuljahres) den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Tatsache, dass sich hier die Gründe, die nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO für den Sofortvollzug berücksichtigt sind, teilweise mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsakts decken, steht der Annahme einer ausreichenden Begründung nicht entgegen.
b) Die Interessensabwägung geht im vorliegenden Fall zu Lasten der Antragsteller aus, da sich der Bescheid des Antragsgegners nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweist.
aa) Rechtsgrundlage der Nr. 1 des Bescheids ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2011-2-I) veröffentlichten bereinigten Fassung. Danach können die Sicherheitsbehörden, falls sie nicht anderweitig hierzu ermächtigt sind, Anordnungen für den Einzelfall treffen, um rechtswidrige Taten zu unterbinden, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen.
bb) In formeller Hinsicht ist Nr. 1 des Bescheids nicht zu beanstanden.
Das Landratsamt war die zur Durchsetzung des Schulzwangs (Art. 118 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K)), sachlich und gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) BayVwVfG örtlich zuständige Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG).
Der Bescheid ist nicht bereits wegen fehlender vorangegangener Anhörung (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG) aufzuheben. Zwar liegt in der Anhörung des Betroffenen nach § 55 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 163a Abs. 1 StPO nicht zugleich die Anhörung für die hier verfügte Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 119 Abs. 1 Nr. 2, Art. 76 Satz 2 BayEUG, da eine Anhörung voraussetzt, dass die beabsichtigte behördliche Maßnahme gegenüber dem Beteiligten konkretisiert wird (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 – juris Rn. 12). Allerdings ist bei Nachholung der erforderlichen Anhörung der Verfahrensfehler unbeachtlich (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG); die Nachholung ist bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich (Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG). Vorliegend hatten die Antragsteller Gelegenheit, ihre Argumente im Rahmen des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorzutragen (zur Möglichkeit der Nachholung im Rahmen des Verfahrens auf vorläufigen Rechtsschutz OVG Münster, B.v. 18.5.2011 – 5 B 1323/10 – juris Rn. 11).
Der Bescheid vom 22. Dezember 2021 ist den Antragstellern gegenüber wirksam bekannt gegeben worden (Art. 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 BayVwVfG); nach Art. 8a Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2010-2-I) veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98), reicht es aus, Ehegatten eine Ausfertigung eines Verwaltungsakts unter ihrer gemeinsamen Adresse zuzustellen, wenn dieser sie beide betrifft.
cc) Gegen die Anordnung in Nr. 1 des Bescheids vom 22. Dezember 2021 bestehen auch in materieller Hinsicht keine rechtlichen Bedenken.
(1) Zur Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 76 Satz 2 BayEUG können nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG vollziehbare Anordnungen getroffen werden. Weder Art. 118 Abs. 1 BayEUG, wonach die Kreisverwaltungsbehörde befugt ist, den Schulpflichtigen zwangsweise der Schule zuführen zu lassen, noch Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG, wonach Verstöße gegen Art. 76 Satz 2 BayEUG mit Geldbuße belegt werden können, treffen abschließende Regelungen; vielmehr bleibt daneben Raum für die zwangsweise Durchsetzung der Schulpflicht gegenüber Erziehungsberechtigten minderjähriger Schulpflichtiger (VG Augsburg, B.v. 7.5.2002 – Au 9 S 02.507 – juris Rn. 17, bestätigt durch BayVGH, B.v. 20.8.2002 – 7 CS 02.1302 – Rn. 20).
(2) Das Verhalten der Antragsteller verwirklicht den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit (Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG). Das Kind der Antragsteller ist nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 BayEUG schulpflichtig, besucht jedoch derzeit nicht die entsprechende Pflichtschule (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayEUG), deren Besuch mit dem angefochtenen Bescheid gefordert wird. Nach Art. 76 Satz 2 BayEUG müssen die Erziehungsberechtigten dafür sorgen, dass minderjährige Schulpflichtige am Unterricht regelmäßig teilnehmen und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besuchen. Der Verstoß der Antragsteller hiergegen erfüllt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 76 Satz 2 BayEUG (BayObLG, B.v. 14.10.1999 – 3 ObOWi 96/99 – juris Rn. 9 ff.).
Für die Verwirklichung des Tatbestands ist keine generelle Verweigerungshaltung der Antragsteller erforderlich. Es genügt, dass sich die Antragsteller weigern, durch entsprechende Erziehungsmaßnahmen dafür zu sorgen, dass ihr Kind regelmäßig die Schule besucht.
(a) Eine eventuelle Unterweisung des Kindes zu Hause stellt keinen Unterricht im Sinne des Art. 76 Satz 2 BayEUG dar. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayEUG haben die Schulen den in der Verfassung verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag zu verwirklichen; Die Schulpflicht wird erfüllt durch den Besuch der in Art. 36 Abs. 1 und 2 BayEUG genannten Schulen; eine Beschulung durch die Eltern ist nicht vorgesehen.
Vorliegend sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Kind der Antragsteller einen Anspruch auf Hausunterricht durch die Schule hätte. Die Voraussetzungen für Hausunterricht nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 BayEUG liegen nicht vor, insbesondere sind allgemeine Bedenken gegen die Maskenpflicht im Unterricht oder das Testen nicht geeignet, Zweifel an der Schulbesuchsfähigkeit des Kindes aus gesundheitlichen Gründen aufzuwerfen.
(b) Das Kind der Antragsteller ist weder vom Schulbesuch beurlaubt noch ist ein Anspruch hierauf (vgl. § 20 Abs. 3 BaySchO) ersichtlich oder vorgetragen.
(c) Ein Verstoß der Antragsteller gegen die Pflicht nach Art. 76 Satz 2 BayEUG entfällt auch nicht etwa deswegen, weil dem Kind Distanzunterricht nach § 19 Abs. 4 der Bayerischen Schulordnung (BaySchO) vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 164, 241, BayRS 2230-1-1-1-K), zu erteilen wäre. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Weder ist die Schule derzeit von einer Schließung betroffen bzw. die Klasse oder ein Kurs des Kindes der Antragsteller ausgeschlossen, § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a) BaySchO, noch der Ausschluss des Kindes der Antragsteller i.S.v. § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b) BaySchO durch die zuständigen Behörden zum Schutz von Leben oder Gesundheit angeordnet oder genehmigt. Die letztgenannte Regelung umfasst bereits ihrem Wortlaut nach nicht den Fall, dass bei Geltung der Zugangsbeschränkung mit Testpflicht nach § 12 Abs. 2 Satz 1 der Fünfzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (15. BayIfSMV) vom 23. November 2021 (BayMBl. Nr. 816, BayRS 2126-1-19-G), ein Schüler an der Teilnahme am Präsenzunterricht lediglich deshalb gehindert ist, weil er die Testpflicht nicht erfüllt. Einer erweiternden Auslegung von § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b) BaySchO steht die Begründung der Änderungsverordnung zur 14. BayIfSMV vom 5. Oktober 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 716) entgegen.
(d) Soweit die Antragsteller vorbringen, es gebe kein Gesetz, das eine Testpflicht an Schulen vorschreibe, irren sie.
§ 13 Abs. 2 Satz 1 14. BayIfSMV führt in der ab dem 6. Oktober 2021 geltenden Fassung (jetzt § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV) in Verbindung mit den einschlägigen schulrechtlichen Bestimmungen für die von der Zugangsbeschränkung betroffenen Schülerinnen und Schüler zu einer unbedingten Testpflicht (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3152 – BeckRS 2022, 179, Rn. 13).
Die Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV beruht auf § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG (Auflagen für die Fortführung des Schulbetriebs) und damit auf einer verfassungsmäßigen Rechtsgrundlage. Bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine durchgreifenden Bedenken, dass die vorgenannten Bestimmungen eine ausreichende Verordnungsermächtigung für den durch sie erfolgenden Grundrechtseingriff darstellen und sie insbesondere auch dem Wesentlichkeitsgrundsatz und dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechen (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2021 – 25 NE 21.2471 – juris Rn. 19 m.w.N.). Die wesentliche Entscheidung, dass der Schulpflicht grundsätzlich durch Teilnahme am Präsenzunterricht nachzukommen ist, hat der bayerische Gesetzgeber in Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG getroffen. An der Verhältnismäßigkeit des infektionsschutzrechtlich verhängten Verbots, ohne einen hinreichenden Testnachweis oder eine in der Schule durchgeführte Selbsttestung am Präsenzunterricht, an schulischen Veranstaltungen in Präsenz oder an Mittags- und Notbetreuung teilzunehmen, bestehen nach summarischer Prüfung keine Zweifel. Die Testpflicht ist eine geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um die mit dem Präsenzbetrieb in den Schulen einhergehenden Infektionsgefahren zu verringern. Der Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der Schülerinnen und Schüler liegt im unteren Bereich der Eingriffsintensität. Die mit der Testpflicht einhergehende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität ist nur von kurzer Dauer und von niedrigschwelliger Intensität (so auch BayVGH, B.v. 12.10.2021 – 25 NE 21.2471 – juris Rn. 45 ff. mit Verweis auf BayVerfGH, E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 27 f. zur Verhältnismäßigkeit bei angenommener Testpflicht). Insbesondere belastet eine Pflicht, sich wöchentlich mehrfach auf das Vorliegen einer Infektion testen zu lassen, Schülerinnen und Schüler weniger als der Wegfall von Präsenzunterricht (vgl. BVerfG, B.v. 19.11.2021 – 1 BvR 971/21 u.a. – juris Rn. 125; zum Ganzen auch BayVGH B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3152 – BeckRS 2022, 179, Rn. 16 ff.).
(e) Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Maskenpflicht wird auf die fortlaufende Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen, der sich das Gericht anschließt (vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2021 – 25 NE 21.2471; B.v. 28.9.2021 – 25 NE 21.237; B.v. 29.7.2021 – 25 NE 21.1757; B.v. 5.7.2021 – 25 NE 21.1779; B.v. 22.6.2021 – 25 NE 21.1654; B.v. 10.5.2021 – 20 NE 21.1328; B.v. 4.5.2021 – 20 NE 21.1119; B.v. 16.3.2021 – 20 NE 21.627; B.v. 15.2.2021 – 20 NE 21.411; B.v. 29.1.2021 – 20 NE 21.201; B.v. 28.1.2021 – 20 NE 21.136 und B.v. 7.9.2020 – 20 NE 20.1981).
(3) Anordnungen nach Art. 7 Abs. 2 LStVG stehen im Ermessen der Behörde. Das Landratsamt hat dies erkannt und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben hiervon ordnungsgemäßen Gebrauch gemacht.
3. Auch die Zwangsgeldandrohungen in Nr. 2 des Bescheides vom 22. Dezember 2021 und Nr. 1 des Bescheides vom 10. Januar 2022 erweisen sich bei summarischer Überprüfung als rechtmäßig, so dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzw. Aufhebung der Vollziehung keinen Erfolg hat.
a) Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 des Bescheides vom 22. Dezember 2021 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds ist nicht zu beanstanden. Das Zwangsgeld beträgt nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2010-2-I) veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch § 1 Abs. 26 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98) geändert worden ist, mindestens fünfzehn und höchstens fünfzigtausend Euro. Das Verhalten der Antragsteller stellt mitnichten eine Bagatelle dar. Vielmehr verstoßen sie nicht nur erheblich gegen schulrechtliche Verpflichtungen, sondern vor allem gegen das Interesse ihres Kindes. Das Landratsamt war so berechtigt, die Höhe des Zwangsgelds in deutlich spürbarem Umfang festzulegen.
Da Ausführungen zum Zwangsmittel im Bescheid enthalten sind, ist allein deshalb schon nicht von einem Ermessenausfall auszugehen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 9.11.2021 – 9 ZB 19.1586 – juris Rn. 10; a.A. VG Bayreuth, B.v. 27.1.2022 – B 3 S 22.43). Ausführungen zum wirtschaftlichen Interesse des Pflichtigen nach Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG sind außerdem nicht zu fordern, da es vorliegend bei der Verpflichtung zu Erfüllung der Schulpflicht offensichtlich nicht um ein wirtschaftliches Interesse i.S.v. Art. 31 Abs. 2 Satz 2 und 4 VwZVG, sondern um ein ideelles Interesse, das die Pflichtigen am Unterbleiben der Handlung haben, handelt (a.A. VG Bayreuth, B.v. 27.1.2022 – B 3 S 22.43).
Die Androhung des Zwangsgelds ist auch hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Vorliegend handelt es sich um ein mit einem Betrag festgesetztes Zwangsgeld in einem an beide Elternteile gerichteten Bescheid. Ausweislich der Adressierung und Anrede des Bescheides vom 22. Dezember 2021 werden die Antragsteller als Vollstreckungsschuldner herangezogen. Weil trotz Adressierung an beide Elternteile und deren persönlicher Anrede lediglich ein Betrag genannt wird und nichts dafür ersichtlich ist, dass das Landratsamt das festgesetzte Zwangsgeld zweimal, nämlich jeweils vom Antragsteller zu 1) und von der Antragstellerin zu 2), fordern wollte, ist – wie auch mit Schreiben des Landratsamts vom 2. Februar 2022 klargestellt – von einer Gesamtschuld auszugehen. Zudem zielt die zugrunde liegende Aufforderung, für die Einhaltung der Schulpflicht ihres Kindes Sorge zu tragen, auf ein einheitliches Ziel, nämlich auf die Einhaltung der Schulpflicht des Kindes. Dass das gegen beide Elternteile festgesetzte Zwangsgeld insgesamt 1.500 EUR beträgt und nicht gegen jeden Elternteil jeweils ein Zwangsgeld in dieser Höhe festgesetzt worden ist, folgt aus Art. 76 Satz 2 BayEUG, wonach „die Erziehungsberechtigten“, und nicht lediglich „ein Elternteil“ oder auch nur „jeweils die Elternteile“ dafür verantwortlich sind, dass das schulpflichtige Kind am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnimmt. Diese danach von den Eltern rechtlich nur gemeinschaftlich ausübbare und in diesem Sinne gesamthandsähnliche Pflicht ist nämlich Ausfluss des gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB beiden Elternteilen gemeinschaftlich zustehenden Sorgerechts, das nur durch eine familiengerichtliche Entscheidung entzogen oder beschränkt werden kann (zum Ganzen VG Köln, U.v. 15.10.2008 – 10 K 2150/08 – juris Rn. 22 ff.).
b) Auch die Zwangsgeldandrohung in Nr. 1 des Bescheides vom 10. Januar 2022 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Insbesondere ist die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels vorliegend erfolglos geblieben. Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Die Betreibung bzw. Begleichung des zunächst angedrohten Zwangsgeldes ist nicht Voraussetzung für die Androhung eines erneuten Zwangsgeldes, denn die Beugewirkung des Zwangsgeldes tritt bereits mit dessen Androhung ein (BayVGH, B.v. 12.01.2012 – 10 ZB 10.2439 – juris Rn. 12 m.w.N.).
4. Die Erfolgsaussichten der Antragsteller in der Hauptsache sind also aus den dargestellten Gründen als gering anzusehen. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war deshalb abzulehnen.
5. Eine weitergehende Auslegung des Begehrens der Antragsteller dahingehend, dass es auch ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf vorläufige Außervollzugsetzung der Beitreibung des mit Schreiben vom 10. Januar 2022 fällig gestellten Zwangsgeldes umfasst, ist nicht geboten. Im Übrigen hätte ein solcher Antrag auch keinen Erfolg, da kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wäre.
Denn Verwaltungsakte können, wenn – wie hier – die sofortige Vollziehung angeordnet ist (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG), vollstreckt werden. Erst die Erklärung der Vollstreckungsmaßnahme für unzulässig, die rechtskräftige Aufhebung des zu vollstreckenden Verwaltungsakts, das offensichtliche Erlöschen der Verpflichtung oder ein entsprechendes Ersuchen der Anordnungsbehörde hätte zur Einstellung der Vollstreckungsmaßnahme geführt (Art. 22 VwZVG). Ein solcher Fall liegt nicht vor, insbesondere haben die Antragsteller ihre Verpflichtung nicht erfüllt, auch am 10. Januar 2022 besuchte ihr Kind nicht die Schule (vgl. Bl. 50 der Behördenakte). Das Zwangsgeld war deshalb gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG fällig.
6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154, 159 Satz 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters des Verfahrens auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 2014 (BGBl. I S. 154) i.V.m. Nr. 1.5, 1.7.1 und 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dabei sind gemäß Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs die Werte zu addieren.


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