Verwaltungsrecht

Schulpflicht, Testpflicht, Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  M 3 S 22.265

Datum:
9.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11096
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayEUG Art. 76
LStVG Art. 7 Abs. 2
BayVwZVG Art. 36
BayVwVfG Art. 28

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen den sofortigen Vollzug eines Bescheids zur Durchsetzung der Schulpflicht.
Die Antragsteller sind Eltern des Kindes A. Ihr Kind ist Schüler der Grund- und Mittelschule P. (im Folgenden: die Schule) in Jahrgangsstufe 4. Da das Kind der Antragsteller der Testpflicht aus § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV nicht nachkommt, nimmt es derzeit nicht am Präsenzunterricht teil.
Mit Schreiben vom 15. November 2021 teilte die Schule dem Landratsamt E. (im Folgenden: Landratsamt) mit, die Antragsteller seien mit Einschreiben vom 14. September, 24. September und 8. Oktober 2021 von der Schule informiert worden, dass Präsenzpflicht bestehe und eine Beurlaubung vom Präsenzunterricht nur unter Vorlage eines ärztlichen Attests möglich sei. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2021 habe die Schule die Verlängerung der Bedenkzeit bis nach den Allerheiligenferien mitgeteilt. Das Kind der Antragsteller habe in der Zeit vom 8. bis 15. November 2021 unentschuldigt im Unterricht gefehlt.
Mit Schreiben des Landratsamts vom 18. November 2021 wurden die Antragsteller wegen des unentschuldigten Fehlens ihres Kindes vom Unterricht als Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit angehört.
Mit Schreiben vom 30. November 2021 und 14. Dezember 2021 hörte das Landratsamt die Antragsteller wegen der Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen des unentschuldigten Fehlens ihres Kindes in der Zeit vom 16. bis 26. November 2021 und vom 29. November bis zum 10. Dezember 2021 an.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2021, zugestellt am 24. Dezember 2021, verpflichtete das Landratsamt die Antragsteller, dafür zu sorgen, dass ihr Kind unter Erfüllung der Testobliegenheit nach § 12 Abs. 2 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnung regelmäßig am Unterricht der Klasse 4 der Schule und an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen teilnimmt (Nr. 1 des Bescheids). Für den Fall, dass die Antragsteller der Verpflichtung nach Nr. 1 des Bescheids nicht spätestens ab dem 10. Januar 2022 nachkommen, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,- EUR angedroht (Nr. 2 des Bescheids). Die sofortige Vollziehung von Nr. 1 wurde angeordnet (Nr. 3 des Bescheids). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 4. Januar 2022 hörte das Landratsamt die Antragsteller wegen der Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen des unentschuldigten Fehlens ihres Kindes in der Zeit vom 13. bis 23. Dezember 2021 an.
Am 10. Januar 2022 teilte die Schulleiterin der Schule mit, die Antragstellerin zu 2) habe ihr Kind krankgemeldet. Vorgelegt wurde eine ärztliche Bescheinigung der Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Dr. S., wonach A. vom 10. bis einschließlich 14. Januar 2022 die Schule nicht besuchen könne.
Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, haben die Antragsteller durch ihren Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid vom 21. Dezember 2021 zum Verwaltungsgericht München erhoben (M 3 K 22.100). Weiter wird beantragt,
den Antragstellern einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, insbesondere die aufschiebende Wirkung der Klage (… gegen den Bescheid des Landratsamts E. vom 21. Dezember 2021 wiederherzustellen.
Zur Begründung machen die Antragsteller im Wesentlichen geltend, eine vorherige Anhörung der Antragsteller sei nicht erfolgt. Die Anhörung im Bußgeldverfahren ersetze die gebotene Anhörung zum angefochtenen Bescheid nicht, da es sich um unterschiedliche öffentlich-rechtliche Maßnahmen handele, für die auch unterschiedliche Sachgebiete des Landratsamts zuständig seien. Zudem hätte eine Anhörung auch, im Hinblick auf die Weihnachtsferien, nicht die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt. Die Antragsteller trügen in dem ihnen zumutbaren Umfang dafür Sorge, dass ihr Kind seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkomme. Die Antragsteller dürften nicht durch Verwaltungsakt dazu gebeugt werden, dass ihr Kind am Unterricht und an sonstigen Schulveranstaltungen unter Erfüllung der Testobliegenheit nach § 12 Abs. 2 15. BayIfSMV teilnehme. Geltend gemacht werde der Parlamentsvorbehalt, die Wesentlichkeitslehre des Bundesverfassungsgerichts und die auch im Ordnungswidrigkeitsrecht geltende verfassungsrechtliche Direktive des Art. 103 Abs. 2 GG. Der ermessensfehlerhafte Bescheid sei zudem unverhältnismäßig.
Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2022 legte das Landratsamt die Akten vor.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2022 hat das Gericht dem Bevollmächtigten der Antragsteller Akteneinsicht gewährt.
Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2022 legte das Landratsamt dem Gericht ein an die Antragsteller gerichtetes Schreiben vom 21. Januar 2022 vor, wonach klarstellend zu Nr. 2 des Bescheids vom 21. Dezember 2021 mitgeteilt werde, dass das Zwangsgeld in Höhe vom 1.500,- EUR einmalig und gesamtschuldnerisch angedroht werde. Die Antragsteller als Adressaten des Bescheids hafteten im Falle der Vollstreckung gesamtschuldnerisch für den Gesamtbetrag von 1.500,- EUR.
Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2022 tragen die Antragsteller durch ihren Bevollmächtigten weiter vor, gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Januar 2022 (7 CS 21.3152) und die vorausgegangene Entscheidung des Gerichts bestünden die bereits geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken; die Gerichte wie auch das Landratsamt hätten Bedeutung, Wirkkraft und Tragweite der verfassungsrechtlichen Direktiven verkannt. Hingewiesen werde auf den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Dezember 2014 (7 B 1570/14). Infolgedessen habe der hessische Gesetzgeber § 67 Abs. 1 Satz 3 Hessisches Schulgesetz geschaffen. Eine dementsprechende Ermächtigungsgrundlage fehle im Schulrecht Bayerns. Vorsorglich werde auch insoweit der Anspruch auf rechtliches Gehör geltend gemacht.
Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2022 lassen die Antragsteller weiter vortragen, aus dem angefochtenen Bescheid werde nicht klar, wer von beiden Adressaten verpflichtet werde. Die Verfügung sei nicht hinreichend bestimmt. In den besonderen Schutz der Ehe und Familie und der Elternschaft einzugreifen, sei nicht Amt der Verwaltungsbehörde, sondern allenfalls des Familiengerichts. In zahlreichen Ländern sei die Präsenzschulpflicht ausgesetzt. In Ansehung der Rechtslage und der Verwaltungspraxis anderer Länder sei der Bescheid ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig.
Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2022 wird von den Antragstellern weiter geltend gemacht, rechtliche Bedenken bestünden auch deshalb, weil die Zulassungsbeschränkung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV nur durch Rechtsverordnung erlassen worden sei. Art. 103 Abs. 2 GG stünde der Annahme einer Ordnungswidrigkeit und damit der Annahme einer rechtsstaatskonformen Ermächtigungsgrundlage des Bescheids entgegen. Die Zulassungsbeschränkung könne nicht wirksam durch Rechtsverordnung erlassen werden. § 12 Abs. 2 Satz 1 BayIfSMV beruhe nicht mehr auf § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG. Zwar bestimme § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG, dass die Erteilung von Auflagen für die Fortführung des Betriebs von Schulen eine notwendige Schutzmaßnahme sein könne, dies jedoch nur für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Bundestag. Eben diese Feststellung gelte als am 25. November 2021 aufgehoben. An einer Normierung der Schulbesuchspflicht schulpflichtiger Kinder unter Erfüllung der Testobliegenheit und der entsprechenden Pflichten der Eltern, hierfür Sorge zu tragen, durch den Landesgesetzgeber fehle es. Schließlich befänden sich die Antragsteller in einem Dilemma, da ihr Kind das Tragen der vorgeschriebenen Maske und die Erfüllung der Testpflicht ablehne, es sei physisch und psychisch hoch belastet. Von den Antragstellern könne nicht verlangt werden, gegen ihr Elternprimat, ihr Innerstes und die Direktiven des § 1631 Abs. 2 BGB zu verstoßen. Vorgelegt wird ein nicht unterzeichnetes Schreiben der Antragsteller („Gründe, warum A. nicht in die Schule gehen wollte und immer noch nicht gehen will“) sowie ein Schreiben der Antragsteller vom 8. Mai 2021 an die Schulleiterin der Schule, mit dem mitgeteilt wurde, dass auf die Teilnahme am Präsenzunterricht verzichtet werde, woraufhin die Schule am 10. Mai 2021 eine Befreiung vom Präsenzunterricht erteilt habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Gerichtsakte im Klageverfahren (M 3 K 22.100) Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Antrag ist nach §§ 122 Abs. 1, 188 VwGO im Sinne eines umfassenden Rechtschutzes dahin auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Nr. 1 des Bescheids wiederhergestellt und hinsichtlich Nr. 2 des Bescheids angeordnet werde.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 a) VwGO anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu. Ist die Erfolgsaussicht mit genügender Eindeutigkeit zu verneinen, ist der Antrag grundsätzlich abzulehnen; ist sie offensichtlich zu bejahen, ist die aufschiebende Wirkung in der Regel wiederherzustellen. Im Übrigen kommt es auch darauf an, wie schwer die angegriffene Maßnahme durch ihren Sofortvollzug in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreift, ob und unter welchen Erschwernissen sie wieder rückgängig zu machen ist und wie dringlich demgegenüber das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung des angegriffenen Verwaltungsakts zu bewerten ist (vgl. BayVGH, B. v. 14.6.2002 – 7 CS 02.776 – juris Rn. 30 m.w.N.).
a) Vorliegend genügt die schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung (Fortdauer der fehlenden Teilnahme am Präsenzunterricht, fehlende schulische Bildung mangels Distanzunterricht bis zur Entscheidung in der Hauptsache, Fortdauer des unentschuldigten Fernbleibens von Leistungsnachweisen mit der Folge der Gefährdung des erfolgreichen Besuchs des laufenden Schuljahres) den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Tatsache, dass sich hier die Gründe, die nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO für den Sofortvollzug berücksichtigt sind, teilweise mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsakts decken, steht der Annahme einer ausreichenden Begründung nicht entgegen.
b) Die Interessensabwägung geht im vorliegenden Fall zu Lasten der Antragsteller aus, da sich der Bescheid des Antragsgegners nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweist.
aa) Rechtsgrundlage von Nr. 1 des Bescheids ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2011-2-I) veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. April 2020 (GVBl. S. 236). Danach können die Sicherheitsbehörden, soweit sie nicht anderweitig hierzu ermächtigt sind, Anordnungen für den Einzelfall nur treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen, zu verhüten oder zu unterbinden.
bb) Der Bescheid vom 21. Dezember 2021 ist voraussichtlich nicht wegen formeller Bedenken aufzuheben.
(1) Das Landratsamt war als zur Durchsetzung des Schulzwangs (Art. 118 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen – BayEUG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000, GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Juli 2021, GVBl. S. 432) sachlich und gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) BayVwVfG örtlich zuständige Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG) zum Erlass des Bescheids zuständig.
(2) Der Bescheid ist nicht bereits wegen fehlender vorangegangener Anhörung (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG) aufzuheben. Zwar liegt in der Anhörung des Betroffenen nach § 55 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 163a Abs. 1 StPO nicht zugleich die Anhörung für die hier verfügte Anordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 119 Abs. 1 Nr. 2, Art. 76 Satz 2 BayEUG, da eine Anhörung voraussetzt, dass die beabsichtigte behördliche Maßnahme gegenüber dem Beteiligten konkretisiert wird (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 – juris Rn. 12). Allerdings ist bei Nachholung der erforderlichen Anhörung der Verfahrensfehler unbeachtlich (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG); die Nachholung ist bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich (Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG). Vorliegend hatten die Antragsteller Gelegenheit, ihre Argumente im Rahmen des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorzutragen (zur Möglichkeit der Nachholung im Rahmen des Verfahrens auf vorläufigen Rechtsschutz OVG Münster, B.v. 18.5.2011 – 5 B 1323/10 – juris Rn. 11).
(3) Der Bescheid vom 21. Dezember 2021 ist den Antragstellern gegenüber wirksam bekannt gegeben worden (Art. 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 BayVwVfG i.V.m. Art. 3, Art. 8a Satz 1 VwZVG).
cc) Gegen die Anordnung in Nr. 1 des Bescheids bestehen auch in materieller Hinsicht keine rechtlichen Bedenken.
(1) Zur Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 76 Satz 2 BayEUG können nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG vollziehbare Anordnungen getroffen werden. Weder Art. 118 Abs. 1 BayEUG, wonach die Kreisverwaltungsbehörde befugt ist, den Schulpflichtigen zwangsweise der Schule zuführen zu lassen, noch Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG, wonach Verstöße gegen Art. 76 Satz 2 BayEUG mit Geldbuße belegt werden können, treffen abschließende Regelungen; vielmehr bleibt daneben Raum für die zwangsweise Durchsetzung der Schulpflicht gegenüber Erziehungsberechtigten minderjähriger Schulpflichtiger (VG Augsburg, B.v. 7.5.2002 – Au 9 S 02.507 – juris Rn. 17, bestätigt durch BayVGH, B.v. 20.8.2002 – 7 CS 02.1302 – Rn. 20).
Soweit die Antragsteller auf den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Dezember 2014 (7 B 1570/14 – juris) verweisen, betreffen die dortigen Ausführungen (insbesondere Rn. 8 ff.) die Auslegung hessischen Landesrechts, insbesondere die (verneinte) Frage, ob die Regelung zur elterlichen Verantwortlichkeit für den Schulbesuch auch Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Verfügungen ist, die den Eltern mit Verwaltungszwang durchsetzbare Handlungspflichten auferlegen. Aus dem Vorbringen der Antragsteller wird bereits nicht deutlich, welche Folgerungen sie hieraus für ihr Verfahren ableiten wollen; insbesondere ist die Anordnung in Nr. 1 des Bescheids vom 21. Dezember 2021 nicht auf Art. 76 Satz 2 BayEUG, sondern auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG (i.V.m. Art. 119 Abs. 2 Nr. 2, Art. 76 Satz 2 BayEUG) gestützt, der ausdrücklich zum Erlass von Anordnungen für den Einzelfall ermächtigt.
(2) Die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG liegen hier vor. Das Landratsamt konnte die streitgegenständliche Anordnung für den Einzelfall treffen, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit (Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 76 Satz 2 BayEUG, BayObLG, B.v. 14.10.1999 – 3 ObOWi 96/99 – juris Rn. 9 ff.) verwirklicht, zu verhüten und zu unterbinden.
Das Verhalten der Antragsteller verwirklicht den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit (Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG). Das Kind der Antragsteller ist nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 BayEUG schulpflichtig, besucht jedoch derzeit nicht die entsprechende Pflichtschule (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayEUG), deren Besuch mit dem angefochtenen Bescheid gefordert wird. Die Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht und zum Besuch verpflichtender Schulveranstaltungen ergibt sich für Schüler aus Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG; nach Art. 76 Satz 2 BayEUG müssen die Erziehungsberechtigten dafür sorgen, dass minderjährige Schulpflichtige am Unterricht regelmäßig teilnehmen und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besuchen. Der Verstoß der Antragsteller hiergegen erfüllt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 76 Satz 2 BayEUG (BayObLG, B.v. 14.10.1999 – 3 ObOWi 96/99 – juris Rn. 9 ff.).
(a) Eine etwaige Unterweisung des Kindes durch die Antragsteller stellt keinen Unterricht im Sinne des Art. 76 Satz 2 BayEUG dar. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayEUG haben die Schulen den in der Verfassung verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag zu verwirklichen; die Schulen haben dabei das verfassungsmäßige Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder zu achten (Art. 1 Abs. 3 BayEUG). Die Schulpflicht (Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayEUG) wird erfüllt durch den Besuch der in Art. 36 Abs. 1, 2 BayEUG genannten Schulen; eine Beschulung durch die Eltern ist dagegen nicht vorgesehen.
Vorliegend sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Kind der Antragsteller einen Anspruch auf Hausunterricht durch die Schule hätte. Die Voraussetzungen für Hausunterricht nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 BayEUG liegen nicht vor, insbesondere sind die von den Antragstellern geltend gemachte Sensibilität ihres Kindes, insbesondere auch in Bezug auf das Tragen einer Maske und das Testen, nicht geeignet, Zweifel an der Schulbesuchsfähigkeit ihres Kind aus gesundheitlichen Gründen aufzuwerfen.
(b) Das vorgelegte ärztliche Attest für das Kind für die Zeit vom 10. bis 14. Januar 2022 bleibt bereits deshalb außer Betracht, da es einen Zeitraum nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids betrifft.
(c) Das Kind der Antragsteller ist weder vom Schulbesuch beurlaubt noch hat es einen Anspruch hierauf. Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 der Bayerischen Schulordnung (BaySchO) vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 164, 241, BayRS 2230-1-1-1-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 8. Juli 2021 (GVBl. S. 479), können Schülerinnen und Schüler auf schriftlichen Antrag in begründeten Ausnahmefällen vom Unterricht in einzelnen Fächern befreit oder vom Schulbesuch beurlaubt werden. Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Die Testpflicht trifft das Kind der Antragsteller nicht in irgendeiner anderen Weise als andere Kinder. Auch was den Schulbesuch an sich angeht, ist nicht ersichtlich, dass dieser für das Kind der Antragsteller mit (gegenüber der Situation anderer Kinder) weitergehenden Gefährdungen oder anderweitigen Belastungen verbunden wäre. Soweit die Antragsteller geltend machen, ihr Kind habe Schwierigkeiten mit der Maske und den Hygienemaßnahmen in der Schule, sind diese bereits nicht mit ärztlichem Zeugnis konkretisiert und glaubhaft gemacht worden. Im Übrigen wäre bei mit ärztlichem Zeugnis glaubhaft gemachter Unzumutbarkeit des Maskentragens eine Befreiung von der Maskenpflicht nach § 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Fünfzehnte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (15. BayIfSMV – vom 23. November 2021, BayMBl. Nr. 816, BayRS 2126-1-19-G, zuletzt geändert durch Verordnung vom 8. Februar 2022, BayMBl. Nr. 89) vorrangig.
(d) Ein Verstoß der Antragsteller gegen die Pflicht nach Art. 76 Satz 2 BayEUG entfällt auch nicht etwa deswegen, weil ihrem Kind Distanzunterricht nach § 19 Abs. 4 BaySchO zu erteilen wäre. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor. Weder ist die Schule derzeit von einer Schließung betroffen bzw. die Klasse oder ein Kurs des Kindes der Antragsteller ausgeschlossen, § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a) BaySchO, noch der Ausschluss des Kindes der Antragsteller i.S.v. § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b) BaySchO durch die zuständigen Behörden zum Schutz von Leben oder Gesundheit angeordnet oder genehmigt. Die letztgenannte Regelung umfasst bereits ihrem Wortlaut nach nicht den Fall, dass bei Geltung der Zugangsbeschränkung mit Testobliegenheit nach § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV, ein Schüler an der Teilnahme am Präsenzunterricht lediglich deshalb gehindert ist, weil er die Testobliegenheit nicht erfüllt. Einer erweiternden Auslegung von § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b) BaySchO steht die Begründung der Änderungsverordnung zur 14. BayIfSMV vom 5. Oktober 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 716) entgegen.
(e) Die Weigerung, der in § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV geregelten Zugangsvoraussetzung nachzukommen, mit der Folge der Nichtteilnahme am Präsenzunterricht führt jedenfalls seit Inkrafttreten der Verordnung zur Änderung der 14. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. Oktober 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 715) zu einer Verletzung der sich aus Art. 129 Abs. 1 BV und Art. 35 Abs. 1 BayEUG ergebenden Schulpflicht. Jedenfalls seit diesem Zeitpunkt besteht eine Testpflicht für schulpflichtige Schülerinnen und Schüler (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 – n.v., Rn. 9).
(aa) Die Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur gleichlautenden Vorschrift des § 13 Abs. 2 Satz 1 14. BayIfSMV vom 1. September 2021 (BayMBl. Nr. 615, BayRS 2126-1-18-G), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. November 2021 (BayMBl. Nr. 799), auf die Bezug genommen wird, voraussichtlich materiell rechtmäßig (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 – n.v., Rn. 16; B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – BeckRS 2021, 30069 Rn. 14 ff.; B.v. 28.10.2021 – 25 NE 21.2579 – n.v.).
Jedenfalls bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine durchgreifenden Bedenken dahingehend, dass § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen – Infektionsschutzgesetz (IfSG – vom 20.7.2000, BGBl I 1045, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.12.2021, BGBl I 5162) – eine ausreichende Verordnungsermächtigung für die durch die Testpflicht erfolgenden Grundrechtseingriffe darstellen und sie insbesondere auch dem Wesentlichkeitsgrundsatz und dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechen (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – n.v. Rn. 13).
Entgegen der Auffassung der Antragsteller beruht § 12 Abs. 2 Satz 1 BayIfSMV weiterhin auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage. Auch nach Ende einer durch den Deutschen Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG bleiben § 28a Abs. 1 bis 6 IfSG bis längstens zum Ablauf des 19. März 2022 für Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG anwendbar, die bis zum 25. November 2021 in Kraft getreten sind (§ 28a Abs. 9 IfSG); gleiches gilt für Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 32 IfSG entsprechend, sofern – wie vorliegend – das Parlament in dem betroffenen Land die Rechtsverordnungen nicht aufhebt. Darüber hinaus liegt für die Regelung von Zugangsbeschränkungen nach § 32 Abs. 1, § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG weiterhin nach Maßgabe des § 28a Abs. 7 IfSG eine Ermächtigungsgrundlage vor.
Die Regelung der Zugangsbeschränkung durch Rechtsverordnung dürfte entgegen der Auffassung der Antragsteller keinen Bedenken mit Blick auf den Parlamentsvorbehalt („Wesentlichkeitstheorie“) begegnen. Der im Rechtsstaatsprinzip und im Demokratiegebot wurzelnde Parlamentsvorbehalt gebietet, dass in grundlegenden normativen Bereichen, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung, die wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber selbst getroffen werden. Wann es einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den dort verbürgten Grundrechten, zu entnehmen (BVerfG, B.v. 1.4.2014 – 2 BvF 1/12 u.a. – juris Rn. 102 m.w.N.). Im Hinblick auf die Ermächtigungsgrundlage des § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG ist zu berücksichtigen, dass Regelungsziel ist, den Infektionsschutzbehörden und dem Verordnungsgeber ein breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen zu eröffnen, und dass die jeweils geeigneten „notwendigen Schutzmaßnahmen“ im Sinne des § 28a Abs. 1 IfSG sich im Vorfeld nicht näher bestimmen lassen. Das Ermessen der zuständigen Behörden bzw. des Normgebers nach § 32 IfSG ist dabei durch das Erfordernis „notwendiger“ Schutzmaßnahmen und durch § 28a Abs. 2, 3, 6 Satz 2 IfSG weiter eingeschränkt. In § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG hat der Gesetzgeber selbst schon vorgesehen, dass Personen verpflichtet werden können, bestimmte Orte nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. In § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG ist die Erteilung von Auflagen für die Fortführung des Betriebs einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 IfSG ausdrücklich als eine Maßnahme genannt. Was den mit einer Testung als Zugangsbeschränkung verbundenen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) betrifft, ist zu berücksichtigen, dass dieser im ganz unteren Bereich der Eingriffsintensität liegt (BayVGH, B.v. 28.10.2021 – 25 NE 21.2579 – n.v., Rn. 39 unter Verweis auf VerfGH E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 27 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund dürften keine weiteren Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage mit Blick auf den Parlamentsvorbehalt bestehen (vgl. auch VGH BW, B.v. 29.4.2021 – 1 S 1204/21 – juris Rn. 153).
Die vom Verordnungsgeber getroffene Gefährdungsprognose, dass die Testpflicht bei summarischer Prüfung eine geeignete, erforderliche und gemäß § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 IfSG notwendige Schutzmaßnahme darstellt, ist nicht zu beanstanden (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O., Rn. 17ff.; B.v. 28.10.2021 – 25 NE 21.2579 – n.v. Rn. 26 ff.).
Auch wenn keine absolute Zuverlässigkeit der verwendeten oder von der Schule zur Verfügung gestellten Tests bestehen mag, kann so zumindest ein Teil infizierter und damit in der Regel auch infektiöser Schüler festgestellt werden. Im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeit von Antigen-Schnelltests ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass – auch wenn sie weniger ergebnissicher als PCR-Tests sein mögen – diese aus Sicht des Verordnungsgebers, dem hierbei eine Einschätzungsprärogative zukommt, einen unverzichtbaren Beitrag im Rahmen seines Gesamtkonzepts leisten (BayVGH, B.v 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 22 f. unter Bezugnahme auf VerfGH, E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 29).
Im Hinblick auf die Angemessenheit der Regelung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV den Schülern die Wahl belässt, den Test entweder durch geschultes Personal und damit außerhalb der Wahrnehmungsmöglichkeiten der Mitschüler vornehmen zu lassen oder aber diesen direkt an der Schule durchzuführen (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O., Rn. 27 zum gleichlautenden § 13 Abs. 2 Satz 1 14. BayIfSMV).
Selbst wenn vor dem Hintergrund, dass Schüler, die erforderliche Testnachweise nicht erbringen, im Unterricht und bei Prüfungen unentschuldigt fehlen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 BaySchO), mangels Freiwilligkeit ein Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) vorläge, wäre die Regelung angemessen (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 29ff.). Die Koppelung des Schulbesuchs an einen vorangegangenen Test ist auch in Bezug auf das (Teilhabe-) Recht der betroffenen Eltern und Schüler auf Erziehung und Bildung von Kindern in der Schule (Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 und 2 GrRCh) nicht unverhältnismäßig (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 31). Weiter liegt der Bestimmung im Hinblick auf den damit verfolgten Zweck, der Abwehr von Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potentiell großen Zahl von Menschen und die Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems in Deutschland, jedenfalls kein offensichtlicher Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zugrunde (BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 25 NE 21.2525 – a.a.O. Rn. 33). Auch ein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG durch die Testpflicht liegt nicht vor. Die Garantie der Menschenwürde umfasst vor allem die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität (vgl. BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20/207 – juris Rn. 539). Damit ist ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch verbunden, der es verbietet, den Menschen zum „bloßen Objekt“ staatlichen Handelns zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (vgl. BVerfG, U. v. 17.1.2017, a.a.O., m.w.N.). Einer solchen sie zum Objekt degradierenden Behandlung werden die Schüler durch die Testpflicht, die dem Schutz vor einer potentiell tödlichen Erkrankung dient, nicht ausgesetzt (VGH BW, B.v. 29.4.2021 – 1 S 1204/21 – juris Rn. 182; BayVGH, B.v. 28.10.2021 – 25 NE 21.2579 – n.v., Rn. 51).
(bb) Die infektionsschutzrechtliche Zugangsbeschränkung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BayIfSMV führt in Verbindung mit den Bestimmungen zur Schulpflicht (Art. 129 Abs. 1 BV, Art. 35 Abs. 1, Art. 36 Abs. 1, Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG), welche in der Regel durch Besuch des Präsenzunterrichts erfüllt wird (vgl. Art. 19 Abs. 4 Satz 3 BaySchO), für die von dieser Zugangsbeschränkung betroffenen Schülerinnen und Schüler zu einer unbedingten Testpflicht (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 – n.v., Rn. 13).
Soweit die Antragsteller rügen, der Landesgesetzgeber habe nicht normiert, dass schulpflichtige Kinder regelmäßig am Schulunterricht und an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen unter Erfüllung einer durch Rechtsverordnung angeordneten „Testobliegenheit“ teilnehmen müssten und dass die Erziehungsberechtigten hierfür Sorge zu tragen hätten, lassen sie dieses Ineinandergreifen von Rechtsnormen verschiedener Rechtsgebiete unberücksichtigt (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 – n.v., Rn. 13 ff.; OVG NW, B.v. 8.12.2021 – 19 B 1664/21 – juris Rn. 10).
Der weitere Einwand der Antragsteller, im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG sei zu beanstanden, dass die Testpflicht nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BayIfSMV lediglich in einer Rechtsverordnung geregelt sei, greift bereits deshalb nicht durch, weil die Anordnung in Nr. 1 des Bescheids gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG an die Verwirklichung des Tatbestands einer – durch Parlamentsgesetz geregelten – Ordnungswidrigkeit nach Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 76 Satz 2 BayEUG anknüpft.
(f) Die Verpflichtung der Antragsteller, für den regelmäßigen Unterrichtsbesuch ihres Kindes zu sorgen (Art. 76 Satz 2 BayEUG), entfällt auch nicht im Hinblick auf ihren Vortrag, ihr Kind sei sehr sensibel und lehne Testungen ab. Auch bei einer gewaltfreien Erziehung im Sinne des § 1631 BGB bestehen ausreichende erzieherische Möglichkeiten, das Verhalten des Kindes zu beeinflussen, ohne dabei Gewalt im Sinne des Gesetzes ausüben zu müssen. Vielmehr geht es vorliegend darum, dass die Antragsteller meinungsbildend auf ihr (Grundschul-)Kind einwirken und es von der Notwendigkeit und Angemessenheit der Testungen überzeugen und ihm vor Augen führen, dass der durch Testungen begleitete Präsenzunterricht die bessere Alternative zu Schulschließungen und Distanzunterricht ist (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 Rn. 28). Vorliegend ist weder aus dem Vortrag der Antragsteller noch anderweitig ersichtlich, dass die Antragsteller bisher alles getan hätten, ihr Kind zu einer regelmäßigen Teilnahme am Präsenzunterricht unter Durchführung der vorgeschriebenen Tests zu bewegen.
(3) Anordnungen nach Art. 7 Abs. 2 LStVG stehen im Ermessen der Behörde. Das Landratsamt hat dies erkannt und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben hiervon ordnungsgemäßen Gebrauch gemacht.
(a) Die hier vorgenommene Ermessensausübung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt der Durchsetzung der Schulpflicht den Vorrang vor den Interessen der Antragsteller gegeben hat, weiterhin zur Vermeidung der Testung ihr Kind nicht zur Schule zu schicken.
(b) Ein Ermessensfehler folgt insbesondere nicht aus einer unzureichenden Berücksichtigung des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG. Die allgemeine Schulpflicht beschränkt in zulässiger Weise das elterliche Erziehungsrecht der Antragsteller aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 – n.v., Rn. 29; B.v. 20.8.2002 – 7 CS 02.1302 – juris Rn. 18 m.w.N.; VG Augsburg, B.v. 7.5.2002 – Au 9 S 02.507 – juris Rn. 19 ff.). Der staatliche Erziehungsauftrag ist darauf gerichtet, das Kind durch die gemeinsame Bildung und Erziehung mit anderen Kindern bei der Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zu unterstützen und zu fördern. Die Antragsteller sind verpflichtet, auf die Teilnahme ihres Kindes am Präsenzunterricht hinzuwirken, auch wenn das Kind dabei eine infektionsschutzrechtliche Zugangsvoraussetzung hinnehmen muss, die die Antragsteller – sei es allgemein, sei es in Bezug auf ihr Kind – kritisch sehen (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2022 – 7 CS 21.3154 – n.v., Rn. 29).
dd) Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 des Bescheids erweist sich bei summarischer Überprüfung als rechtmäßig.
(1) Die Androhung des Zwangsgelds findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29, 31 und 36 VwZVG.
(2) Die Androhung des Zwangsgelds ist hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Vorliegend werden, wie auch mit Schreiben des Landratsamts vom 21. Januar 2022 klargestellt, beide Antragssteller als Gesamtschuldner herangezogen. Denn trotz Adressierung an beide Elternteile und deren persönlicher Anrede wird in Nr. 2 des Bescheids vom 21. Dezember 2021 lediglich ein Betrag genannt, auch ist nichts dafür ersichtlich, dass das Landratsamt das festgesetzte Zwangsgeld zweimal, nämlich jeweils vom Antragsteller zu 1) und von der Antragstellerin zu 2), fordern wollte. Zudem richtet sich die zugrunde liegende Aufforderung, für die Einhaltung der Schulpflicht ihres Kindes Sorge zu tragen, auf ein einheitliches Ziel, nämlich auf die Einhaltung der Schulpflicht des Kindes. Dies entspricht Art. 76 Satz 2 BayEUG, wonach „die Erziehungsberechtigten“, und nicht lediglich „ein Elternteil“ oder auch nur „jeweils die Elternteile“ dafür verantwortlich sind, dass das schulpflichtige Kind am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnimmt. Diese von den Eltern rechtlich nur gemeinschaftlich ausübbare und in diesem Sinne gesamthandsähnliche Pflicht ist Ausfluss des gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB beiden Elternteilen gemeinschaftlich zustehenden Sorgerechts (zum Ganzen VG Köln, U.v. 15.10.2008 – 10 K 2150/08 – juris Rn. 22 ff.). Bedenken gegen die Heranziehung der Antragsteller als Gesamtschuldner ergeben sich vorliegend auch nicht aus der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach dann, wenn sich der zu vollziehende Verwaltungsakt gegen mehrere Personen richtet, von denen nur eine die gebotene Handlung vornehmen muss, die Behörde entscheiden muss, gegen welchen der Adressaten sie Zwangsmittel anwenden will, weil andernfalls unter Verstoß gegen die Grundsätze des Gesamtschuldverhältnisses eine Vollstreckung gegen mehrere Personen möglich wäre (BayVGH, B.v. 12.5.1997 – 23 CS 96.2922 – juris Rn. 44). Denn wie oben ausgeführt, betrifft das den Antragstellern aufgegebene Verhalten, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Kind seiner Schulpflicht nachkommt, eine gesamthandsähnliche Pflicht als Eltern. Diese gemeinsame Verantwortlichkeit beider Elternteile wird nicht dadurch zu einer gesamtschuldnerischen und nur von einem Elternteil umzusetzenden Pflicht, dass sie letztlich nur auf einen Erfolg, hier die Einhaltung der Schulpflicht, abzielt (VG Köln, U.v. 15.10.2008 – 10 K 2150/08 – juris Rn. 31ff.).
(3) Die vorliegend gesetzte Erfüllungsfrist (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) ist hinreichend bemessen, insbesondere sind keine Gründe dafür ersichtlich, warum für die Wiederaufnahme des Schulbesuchs längere Vorbereitungen nötig gewesen wären.
(4) Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds und die hierzu angestellten Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Das Zwangsgeld beträgt nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG mindestens 15 und höchstens 50.000 EUR. Das Verhalten der Antragsteller stellt keine Bagatelle dar. Vielmehr verstoßen sie nicht nur erheblich gegen schulrechtliche Verpflichtungen, sondern vor allem gegen das Interesse ihres Kindes. Das Landratsamt war daher berechtigt, die Höhe des Zwangsgelds in deutlich spürbarem Umfang festzulegen.
ee) Unter Berücksichtigung der fehlenden Erfolgsaussichten der Klage fällt die Interessenabwägung zwischen den Interessen der Antragsteller und den öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 21. Dezember 2021 zu Lasten der Antragsteller aus.
Der Antrag war daher abzulehnen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154, 159 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters des Verfahrens auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Nr. 1.1.1, 1.1.3, 1.5, 1.7.2 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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