Verwaltungsrecht

Sofortvollziehbare Anordnung zur Duldung denkmalschutzrechtlicher Maßnahmen

Aktenzeichen  9 CS 20.1278

Datum:
10.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32766
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1, Abs. 5, § 146 Abs. 4 S. 6
BayDSchG Art. 4 Abs. 3 S. 1, S. 2
BauGB § 35 Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

1. An das Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO sind inhaltlich keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, soweit die schriftliche Begründung zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet.(Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. In Fällen, in denen sich die Gründe für den Erlass des Verwaltungsakts und für die Anordnung der sofortigen Vollziehung decken, also insoweit eine „(Teil-) Identität“ besteht, darf die Behörde zum Zweck der Vereinfachung auch auf die Begründung des Verwaltungsakts Bezug nehmen, soweit sie in ihrem Bescheid deutlich macht, dass sie in der Begründung des Verwaltungsakts auch die Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung sieht.(Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Duldungsanordnung nach Art. 4 Abs. 3 Sätze 1 und 2 DSchG hat den Charakter einer vorläufigen Sicherungsmaßnahme. Mit ihr wird nicht festgelegt, dass der Betroffene die Kosten der Sicherungsmaßnahme zu tragen hat. Deshalb ist die Frage der (insbesondere wirtschaftlichen) Zumutbarkeit, das Baudenkmal zu erhalten, bei den Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Duldungsanordnung nicht zu prüfen.(Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 S 19.1144 2020-04-23 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwird für das Beschwerdeverfahren wird auf 14.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 29. April 2019 sofort vollziehbar und zwangsgeldbewährt angeordnete Duldung denkmalschutzrechtlicher Maßnahmen an dem jeweils in ihrem Miteigentum stehenden Anwesen „G …“, M …weg …, N … (FlNr. …, Gemarkung W …). Die Antragsgegnerin ist zu 1/8 ebenfalls Miteigentümerin.
Dem Erlass der Duldungsanordnung ging ein Klageverfahren (Az. AN 9 K 16.00540) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. April 2011 voraus, mit dem die Antragsteller und eine weitere, mittlerweile verstorbene Miteigentümerin nach Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BayDSchG zu Maßnahmen an den denkmalgeschützten Gebäuden Herrenhaus, Scheune, Stall und Tagelöhnerhaus verpflichtetet wurden. Dieses gerichtliche Verfahren endete in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 15. November 2016 mit einem Vergleich. Die Antragsgegnerin hob unter Nr. 1 des Vergleichs ihren Bescheid vom 21. April 2011 auf. Unter Nr. 2 wurde geregelt: „Die Beklagte wird auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 3 DSchG die notwendigen und erforderlichen Notmaßnahmen ergreifen um den weiteren Verfall bzw. die weitere Beschädigung der denkmalgeschützten Gebäude zu verhindern und einen entsprechenden Duldungsbescheid erlassen.“
Gegen den Bescheid vom 29. April 2019, mit dem die Antragsgegnerin die Antragsteller verpflichtete, im Einzelnen bezeichnete „Notsicherungsmaßnahmen“ am sogenannten Herrenhaus und der Scheune zu dulden, haben die Antragsteller Anfechtungsklage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Den gleichzeitig gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen diesen Duldungsbescheid wiederherzustellen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. April 2020 abgelehnt. Die Antragsgegnerin habe das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Duldungspflicht ausreichend begründet. Bei den gegenständlichen Gebäuden Herrenhaus und Scheune handele es sich um Einzeldenkmäler, die in die Denkmalliste eingetragen seien und deren Zustand Maßnahmen zu ihrer Instandhaltung, Instandsetzung oder zu ihrem Schutz erforderlich machten, ohne dass eine vollstreckbare Entscheidung nach Art. 4 Abs. 2 BayDSchG vorliege. Die Antragsteller seien die dinglich Berechtigten und die Antragsgegnerin habe ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Gegen den Vergleich sei nicht verstoßen worden. Der lange Zeitraum zwischen dem Vergleich und der Duldungsanordnung ändere nichts an deren Dringlichkeit. Das öffentliche Interesse an der Umsetzung der Maßnahmen sei höher zu bewerten als die privaten Interessen der Antragsteller, zumal mit der Duldungsanordnung nicht deren Kostentragungspflicht verbunden sei.
Hingegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Die Sofortvollzugsanordnung sei nicht ausreichend begründet. Der angefochtene Bescheid sei eine schwerwiegende Maßnahme, dessen Vollzug den Antragstellern in der Folge erhebliche Kosten verursachen werde und nicht mehr rückgängig zu machende Zustände schaffe. Letztlich gehe es um eine Kostenlast von über 400.000,00 Euro. Das Gewicht der Maßnahme werde durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung verstärkt, weil dadurch die Entscheidung in der Hauptsache im Kern vorweggenommen werde. Auch aus diesem Grunde sei ein besonderes Vollzugsinteresse zu fordern, dass nicht gleichlautend mit dem Interesse am Erlass des Duldungsbescheids sei. Besondere Gründe würden im vorliegenden Fall weder in dem Bescheid vom 29. April 2019 noch in der Entscheidung des Erstgerichts in rechtlich gebotener Weise dargelegt. Der Fall des § 80 Abs. 3 Satz 2 VwGO sei nicht gegeben. Der Allgemeinwohlbelang des Denkmalschutzes genüge insoweit nicht. Der lange Zeitraum zwischen der Feststellung der Schäden und dem Erlass der Duldungsanordnung spreche gegen die Dringlichkeit der Anordnung. Gemessen am Zeitraum seit dem Erlass des Bescheids vom 21. April 2011 könne nicht die Rede davon sein, dass ein die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit rechtfertigendes und über den Erlass des Duldungsbescheids hinausgehendes besonderes öffentlichen Interesses nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bestehe. Da Nr. 2 des Vergleichs vom 15. November 2016 der Antragsgegnerin lediglich gestatte, einen Duldungsbescheid hinsichtlich der notwendigen und erforderlichen Notmaßnahmen, um den weiteren Verfall bzw. die weitere Beschädigung der denkmalgeschützten Gebäude zu verhindern, zu erlassen, sei die Antragsgegnerin nicht berechtigt, darüberhinausgehende Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung der Gebäude durchzusetzen.
Die Antragsteller beantragen,
unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. April 2020 die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen den Duldungsbescheid der Antragsgegnerin vom 29. April 2019 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Verfügung vom 29. April 2019 sei ausreichend begründet worden. Es sei anerkannt, dass die Gründe für den Anlass des Verwaltungsakts im Einzelfall einen so hohen Dringlichkeitsgrad und ein solches Gewicht aufweisen könnten, dass sie zugleich das besondere Vollzugsinteresse einschlössen. Ein „überschießendes“ Vollzugsinteresse sei insbesondere nicht erforderlich, wenn es um die Beseitigung von Gefahren für hochrangige Sachgüter gehe. Dies gelte auch für das Denkmalschutzrecht. Der Duldungsbescheid stelle zudem keine so schwerwiegende Maßnahme dar, dass dem Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung der Vorrang eingeräumt werden müsse. Insbesondere verursache die Durchführung der zu duldenden Maßnahmen keine unmittelbaren Kosten. Die lange Zeitdauer zwischen der streitgegenständlichen Duldungsverfügung und dem Bekanntwerden der Schäden an den Gebäuden des G … hindere die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nicht. Die Antragsgegnerin sei nicht untätig geblieben, sondern es sei nach einer einvernehmlichen Lösung gesucht worden. Zur Wirkung des Vergleichs sei bereits umfassend vorgetragen worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zwar als offen anzusehen, die demnach vorzunehmende Abwägung der gegenseitigen Interessen (vgl. BayVGH, B.v. 19.7.2019 – 9 CS 19.794 – juris Rn. 20) fällt aber zu Lasten der Antragsteller aus.
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit genügt dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO – wie hier betreffend die Duldungsanordnung – das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind regelmäßig die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe anzugeben, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2018 – 9 CS 18.996 – juris Rn. 14). Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung wird nicht schon dadurch ausreichend Rechnung getragen‚ dass überhaupt eine Begründung gegeben wird. Pauschale oder formelhafte Wendungen, mit denen nicht das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung im jeweiligen Einzelfall darlegt wird, genügen grundsätzlich nicht (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2019 – 10 CS 19.180 – juris Rn. 10). Andererseits sind an das Begründungserfordernis inhaltlich jedoch keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, soweit die schriftliche Begründung, zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 16 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat dementsprechend in den Ausführungen der Antragsgegnerin, dass es im öffentlichen Interesse liege, einen weiteren Verfall des denkmalgeschützten G … zu verhindern und dass für den Fall, dass die genannten Notsicherungsmaßnahmen nicht zügig durchgeführt werden könnten, die Baudenkmäler noch mehr einer Beschädigung durch Wasser und Feuchtigkeit ausgesetzt seien, weshalb mit der Umsetzung der Notsicherungsmaßnahmen nicht bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens abgewartet werden könne, eine ausreichende, wenn auch knappe Begründung der Sofortvollziehungsanordnung gesehen. Dagegen ist nichts zu erinnern. Die Begründung bezieht sich ersichtlich auf den vorliegenden Einzelfall. Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht darauf abgestellt, dass sich die Dringlichkeitsgründe, von denen die Antragsgegnerin nach dem statischen Begehungsbericht des Ingenieurbüros L … vom Juli 2017 ausgegangen ist und die sie ihrer Duldungsanordnung zugrunde gelegt hat, zugleich auf die Anordnung des Sofortvollzugs auswirken. In Fällen, wie hier, in denen sich die Gründe für den Erlass des Verwaltungsakts und für die Anordnung der sofortigen Vollziehung decken, also insoweit eine „(Teil-) Identität“ besteht, darf die Behörde zum Zweck der Vereinfachung auch auf die Begründung des Verwaltungsakts Bezug nehmen, soweit sie in ihrem Bescheid deutlich macht, dass sie in der Begründung des Verwaltungsakts auch die Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung sieht (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2019 – 10 CS 19.180 – juris Rn. 11). Hierüber ist die Antragsgegnerin sogar hinausgegangen. Ob die genannten Aspekte das besondere Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO tatsächlich tragen, spielt für die Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs keine Rolle (BayVGH, B.v. 27.2.2019 – 10 CS 19.180 – juris Rn. 12). Dies ist eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der Vollzugsanordnung.
2. Für den Erfolg der Anfechtungsklage der Antragsteller kommt es maßgeblich darauf an, ob die streitgegenständliche Duldungsanordnung unter Berücksichtigung des im Verfahren (Az. 9 K 16.00540) in der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2016 geschlossenen Vergleichs auf Art. 4 Abs. 3 Satz 2 BayDSchG gestützt werden kann. Dies kann im hier vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend beurteilt werden.
Rechtsgrundlage für die getroffene Duldungsanordnung ist Art. 4 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BayDSchG. Danach kann die zuständige Denkmalschutzbehörde Maßnahmen durchführen oder durchführen lassen, wenn der Zustand eines Baudenkmals solche zu seiner Instandhaltung, Instandsetzung oder zu seinem Schutz erforderlich macht, ohne dass eine vollstreckbare Entscheidung nach Absatz 2 des Art. 4 BayDSchG vorliegt. Die dinglich und obligatorisch Berechtigten können zur Duldung der Maßnahmen verpflichtet werden. Das Verwaltungsgericht hat die Voraussetzungen dieser Norm bejaht. Auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass das Verwaltungsgericht eine sich aus Nr. 2 des Vergleichs vom 15. Mai 2016 ergebende Ermessensbeschränkung für die Anordnung der Durchführung solcher Maßnahmen auf nur „notwendige und erforderliche Notmaßnahmen, um den weiteren Verfall beziehungsweise die weitere Beschädigung der denkmalgeschützten Gebäude zu verhindern“, mit denen sich die Antragsgegnerin neben der Aufhebung ihres Bescheids vom 29. April 2019 (Nr. 1 des Vergleichs) einverstanden erklärt hat, nur unzureichend berücksichtigt hat.
Dem Verwaltungsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass dem betreffenden Vergleichstext nicht entnommen werden kann, dass nur der kurzfristigen bzw. notfallmäßigen oder provisorischen Sicherung dienende Maßnahmen zulässig sein sollen. Damit wäre das Ziel, den Ist-Zustand zu sichern und den weiteren Verfall der Baudenkmäler zu verhindern, nicht effektiv zu erreichen. Vielmehr bedarf es hierzu Maßnahmen mit gewisser Wirkdauer (vgl. Martin, BayDSchG, 2019, Art. 4 Rn. 100; Spennemann in Eberl/Martin/Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2016, Art. 4 Rn. 70).
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, demzufolge eine Einschränkung der nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 BayDSchG möglichen und für den Erhalt notwendigen Maßnahmen durch den in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts vom 15. November 2016 geschlossenen Vergleich weder bewirkt noch gewollt sei, spricht aber nach dem Wortlaut von Nr. 2 des Vergleichs einiges dafür, dass Art. 4 Abs. 3 BayDSchG als Rechtsgrundlage für die in Aussicht gestellte Duldungsanordnung nur für solche Sicherungsmaßnahmen herangezogen werden sollte, die notwendig sind, um dem weiteren Verfall bzw. der weiteren Beschädigung der denkmalgeschützten Gebäude entgegenwirken, die Antragsgegnerin hinsichtlich ihrer Ermessensausübung, welche Maßnahmen sie ergreift, also von vornherein auf Erhaltungsmaßnahmen nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 BayDSchG in diesem engeren Sinne, beschränkt ist. Andernfalls hätte es der betreffenden Ergänzung in der Nr. 2 des Vergleichs, mit der der Begriff der „erforderlichen Notmaßnahmen“ konkretisiert wird, nicht bedurft. Daher ist unabhängig davon, ob nicht schon aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Beschränkung auf das umständehalber Notwendige oder auf Maßnahmen, die den Erhalt des Denkmals „noch“ sichern (vgl. Martin, BayDSchG, 2019, Art. 4 Rn. 100; Spennemann in Eberl/Martin/Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2016, Art. 4 Rn. 70), anzunehmen wäre, voraussichtlich davon auszugehen, dass die Frage, welche Maßnahmen und ob insbesondere Instandsetzungsmaßnahmen hier einer Duldungspflicht unterworfen werden durften, danach zu beantworten ist, ob sie für den Erhalt des Ist-Zustandes bzw. zur Verhinderung weiteren Verfalls jeweils geeignet und zugleich auch erforderlich sind. Die Erforderlichkeit in diesem Sinne dürfte aber zumindest hinsichtlich einzelner im Bescheid vom 29. April 2019 aufgeführter Maßnahmen fraglich sein und noch einer weiteren Aufklärung im Hauptsachverfahren bedürfen, auch wenn das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege in seiner E-Mail vom 11. Januar 2020 die von der Unteren Denkmalschutzbehörde aufgelisteten Sicherungsmaßnahmen, die in Bezug auf Herrenhaus und Scheune in den streitgegenständlichen Bescheid aufgenommen wurden, als dringend erforderlich angesehen und einen akuten Handlungsbedarf bestätigt hat.
Soweit die Antragsgegnerin hinsichtlich des Daches des sogenannten Herrenhauses einerseits eine Duldungspflicht in Bezug auf die Anbringung eines temporären Schutzdaches aus Wellplatten o.ä. anordnet, sich alternativ aber vorbehält, eine vollständig neue Dacheindeckung inklusive neuer Traglattung anzubringen, könnte dies zwar mit dem Bestimmtheitsgebot noch in Einklang zu bringen sein, da das Ziel der alternativ in Betracht kommenden Handlungen der Antragsgegnerin und was jeweils von den Antragstellern zu dulden ist, hinreichend klar sein dürfte (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 37 Rn. 32a). Weiterer Aufklärung bedarf jedoch die Frage, ob die Neueindeckung des Daches überhaupt als erforderliche Notsicherungsmaßnahme angesehen werden kann. Nach dem statischen Begehungsbericht des Ingenieurbüros L … ist als Sicherungsmaßnahme zum Erhalt, da die vorhandene Dachlattung schadhaft und aufgrund ihrer geringen Abmessungen nicht ausreichend für eine Ergänzung und Reparatur der Dachdeckung sei, entweder eine neue Dacheindeckung mit neuer Traglattung oder die Anbringung eines temporären Schutzdaches aus Wellplatten oder Trapezblech notwendig. Die kostengünstigere temporäre Dacheindeckung („Variante Notdach als Sicherung für 10 bis 15 Jahre“), zu der der Gutachter als Einzelmaßnahmen das Abdecken des Daches, das Sichern wiederverwendbarer Ziegel, temporäre Abstützungsmaßnahmen und kleinere Reparaturen sowie das Eindecken mit Bitumenwellplatten bzw. Trapezblech mit neuen Rinnen zählt, sei allerdings aufgrund der Dachform aufwändig und regelmäßig kontrollbedürftig. Auch im Hinblick auf die Ausführungen des Gutachters zum Dach der Scheune, bei dem die Problematik der unzureichenden Traglattung ebenfalls besteht und zu dem er die „Variante Notdach für 10 bis 15 Jahre“ aufgrund der einfachen Dachform als möglich bezeichnet, soweit die vorhandenen Fledermausgauben abgebaut würden, bleibt unklar, ob der Gutachter die temporäre Lösung für das Dach des Herrenhauses als weniger geeignet und die Instandsetzungsalternative („Variante Teilreparatur und Ziegeleindeckung zur dauerhaften Dachinstandsetzung“) deshalb als vorzuziehende und auch erforderliche Notsicherungsmaßnahme betrachtet.
Hinsichtlich der Gliederungspunkte „Sicherung von Konstruktionshölzern“ im Bescheid vom 29. April 2020, jeweils zu Herrenhaus und Scheune, wonach die an der Dachkonstruktion inklusive der Zerrbalkenanlage vorzunehmende Reparatur der stark feuchtgeschädigten Konstruktionshölzer (First- und Fußpunkte, Pfetten, Kehlbalken und Aufschieblinge beim Herrenhaus bzw. First- und Fußpunkte, Pfetten, Deckenbalken, Mauerschwellen bei der Scheune) sowie temporäre Abstützungen bzw. statische Sicherungen zu dulden sind, ist fraglich, ob sämtliche dort aufgeführten Maßnahmen noch als erforderliche Notsicherungsmaßnahmen angesehen werden können. Die Reparatur der Zerrbalkenanlage findet sich im statischen Begehungsbericht jeweils unter den aufgeführten Maßnahmen zur dauerhaften Instandsetzung des gesamten betreffenden Gebäudes Herrenhaus oder Scheune. Ebenfalls dort aufgeführt ist die Reparatur der Fachwerkwände, die Unterfangung bzw. Nachgründung einzelner Wandabschnitte, die Wiederherstellung der Oberflächen innen und außen und die Rissesanierung bei Herrenhaus und Scheune, während nach dem angefochtenen Bescheid betreffend das Herrenhaus die Behebung von Feuchteschäden am Fachwerkgiebel an der Südwestseite, vor allem im Schwellen- und Stützenfußbereich, und neben der Festlegung notwendiger Sofortmaßnahmen unter Hinzuziehung eines Steinmetzes ein kraftschlüssiges Schließen und Verpressen der Risse im Mauerwerk sowie Festigen von desolaten Steinen und ggf. Vernadeln nach Absprache mit einem Tragwerksplaner durchzuführen sei. Das Dach im Übergangsbereich von der Scheune zum Stall soll nach dem Bescheid der Antragsgegnerin ergänzt bzw. geschlossen werden. Nach dem statischen Begehungsbericht ist dagegen der Übergang zum Stall, für den nach Aktenlage schon fraglich ist, ob er als Teil des Einzeldenkmals Scheune anzusehen ist (vgl. Abbruchgenehmigung für Dachkonstruktion Scheunenanbau und Verbindungsbau vom 30. Mai 2011, Bl. 460 der Verfahrensakte), bei Errichtung des Notdaches zurückzubauen. Dem Begehungsbericht lässt sich außerdem nicht entnehmen, dass die Herstellung einer kontrollierten Entwässerung oder die Verschalung sämtlicher schadhafter Fenster sowie offener Gauben als Notsicherungsmaßnahme angesehen wird. Die Anbringung neuer „Rinnen“ ist bei der Variante Notdach zwar jeweils angeführt, ansonsten kann dem Bericht aber nur die im Zuge der Durchführung der Maßnahmen vorzunehmende Demontage und Montage der bestehenden Fallrohre als Posten der Kostenschätzung entnommen werden.
3. Die allgemeine Interessenabwägung bei offenen Erfolgsaussichten fällt zu Lasten der Antragsteller aus.
a) Dem statischen Bericht, auf den sich die Antragsgegnerin hinsichtlich der Duldungsanordnung grundsätzlich stützt, ist nachvollziehbar zu entnehmen, dass sich die denkmalgeschützten Gebäude des G … in einem Zustand befinden, der einzelne Notsicherungsmaßnahmen an ihnen notwendig und dringlich macht, weil andernfalls die zunehmende Beschädigung von Bauteilen durch eindringendes Wasser und Feuchtigkeit droht. Letztlich ist durch alsbaldiges Eingreifen das Erreichen eines nicht mehr umkehrbaren Verfallszustandes zu verhindern, mit dem der Verlust der Denkmäler einhergehen würde. Andererseits sind Anhaltspunkte dafür, dass entgegen der behördlichen Beurteilung die Erhaltung der beiden Baudenkmäler und letztlich auch deren Gesamtsanierung wegen des schlechten Bauzustands offensichtlich nicht mehr möglich wären, was gegen die Dringlichkeit spräche, nicht ersichtlich. Die Feststellungen im statischen Begehungsbericht, bei denen nach Notsicherungsmaßnahmen und dauerhaften Instandsetzungsmaßnahmen unterschieden wird, lassen vielmehr auf das Gegenteil schließen.
Da von fortgesetzter Dringlichkeit den Erhalt der Denkmäler sichernder Maßnahmen auszugehen ist, steht der Anordnung des Sofortvollzugs auch der Zeitraum zwischen dem Vergleich vom 15. November 2016 oder dem Erlass des Bescheids vom 21. April 2011 und dem Erlass der Duldungsanordnung nicht entgegen. Insbesondere kann das Recht der Antragsgegnerin, Maßnahmen zum Erhalt des Denkmals zu ergreifen und die Antragsteller – sofort vollziehbar – zu entsprechender Duldung zu verpflichten, auch nicht als verwirkt angesehen werden. Die Antragsgegnerin ist in der Zeit seit dem Erlass des mit Sofortvollzug ausgestatteten Bescheids vom 21. April 2011, gegen den die Antragsteller Klage erhoben und einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellten, schon nicht untätig geblieben. Im damaligen Eilverfahren (AN 9 S 11.01174) schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich die Antragsteller verpflichteten, bis zum 30. Juni 2012 bei der Antragsgegnerin ein Nutzungskonzept für die zukünftige Nutzung des Guts vorzulegen sowie einen Vorbescheidsantrag zu stellen. Die Antragsgegnerin verpflichtete sich im Gegenzug, den Sofortvollzug aus dem Bescheid vom 21. April 2011 im Übrigen aufzuheben und die noch nicht erfüllten Anordnungen aus dem Bescheid vom 21. April 2011 mit einer Frist bis zum 30. Juni 2012 auszusetzen. Das Eilverfahren wurde ruhend gestellt. In der Folge wurde von Antragstellerseite ein Nutzungskonzept „Reiterhof“ vorgelegt, über das mit der Antragsgegnerin jedoch keine Einigung erzielt werden konnte; ein Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids zu diesem Nutzungskonzept wurde mit Bescheid vom 23. Mai 2014 bestandskräftig abgelehnt, weil durch das Außenbereichsvorhaben Belange nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB beeinträchtigt seien und es auch nicht um die Nutzungsänderung von erhaltenswerten Gebäuden gehe, sondern zum Großteil um deren Beseitigung und die Errichtung diverser Neubauten. Eine Klage gegen den Versagungsbescheid der Antragsgegnerin vom 20. März 2013 zu einem Antrag auf Abbruchgenehmigung für den Stall wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 15. November 2016 (AN 9 K 14.00389) abgewiesen. Der Erlass der ebenfalls am 15. November 2016 vergleichsweise vereinbarten, hier streitgegenständlichen Duldungsanordnung bedurfte der gutachterlichen Vorbereitung und war wiederum, auch im Rahmen der notwendigen Gehörsgewährung durch die Antragsgegnerin, mit Verhandlungen zwischen den Beteiligten, u.a. zur Auslegung des Vergleichs, verbunden. Einem Kaufangebot der Antragsgegnerin vom 10. April 2018 traten die Antragsteller nach Briefwechsel hierzu bis Ende 2018 nicht näher. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin den weiteren Verfall der Gebäude unbeanstandet hingenommen hätte.
Dem somit nach wie vor bestehenden besonderen öffentlichen Interesse am Erhalt der Denkmäler durch hierzu erforderliche dringliche Sicherungsmaßnahmen stehen nach dem Beschwerdevorbringen und auch sonst ersichtlich keine gleichwertigen oder höher zu bewertenden privaten Interessen der Antragsteller gegenüber. Sie werden durch die ihnen auferlegte Pflicht, die Durchführung der im Bescheid vom 29. April 2019 aufgeführten Maßnahmen zu dulden, weder tatsächlich noch in wirtschaftlicher Hinsicht unangemessen belastet. Die Antragsteller zeigen mit ihrer Beschwerde nicht auf, dass sich aus Instandsetzungsmaßnahmen, soweit sie über erforderliche Notsicherungsmaßnahmen hinausgehen sollten, Nachteile für sie ergeben könnten. Die Duldungsanordnung hat den Charakter einer vorläufigen Sicherungsmaßnahme. Mit ihr wird nicht festgelegt, dass der Betroffene die Kosten der Sicherungsmaßnahme zu tragen hat. Deshalb ist die Frage der (insbesondere wirtschaftlichen) Zumutbarkeit, das Baudenkmal zu erhalten, bei den Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Duldungsanordnung nicht zu prüfen. Sollte sich erweisen, dass den Antragstellern eine Sanierung im getätigten Umfang nicht zuzumuten ist oder dass eine sinnvolle Nutzung der Gebäude nicht mehr möglich ist, müssten sie die Kosten der hier in Rede stehenden Sicherungsmaßnahmen nicht zur Gänze bzw. gar nicht tragen, weil sich diese dann insoweit als unverhältnismäßig darstellen würden (vgl. BayVGH, B.v. 20.8.2010 – 15 CS 10.1669 – juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 5.2.2008 – 15 CS 08.45 – juris Rn. 20).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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