Verwaltungsrecht

Somalia (Puntland) – Kein drohender ernsthafter Schaden bei angeblich verhängter Todesstrafe

Aktenzeichen  M 11 K 17.30967

Datum:
8.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3797
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4, § 77 Abs. 2, § 83b
EMRK Art. 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwGO § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Kommt es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr nach Somalia nicht zu einer Verhaftung mit anschließender Vollstreckung der Todesstrafe aufgrund des geschilderten Umstandes, dass der somalische Schutzsuchende durch Zahlung eines Bestechungsgeldes illegal aus der Haft entlassen wurde und die (illegale) Entscheidung der Verantwortlichen, von einer weiteren Verfolgung abzusehen, als endgültig anzusehen ist, kann ein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AsylG nicht begründet werden.  (Rn. 18 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für einen jungen, arbeitsfähigen Mann besteht auch unter Berücksichtigung einer angeblichen Zugehörigkeit zum Minderheitenclan der Midgan eine inländische Fluchtalternative iSd § 4 Abs. 3 S. 1 iVm § 3e AsylG innerhalb Puntlands (Rn. 22 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Unabhängig von der Frage, ob in den Regionen Puntlands, die nicht zu den umstrittenen Grenzgebieten und auch nicht zu den umkämpfteren Städten Bossaso und Gaalkacyo gehören, überhaupt ein bewaffneter Konflikt iSd § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG besteht, erreicht dieser jedenfalls nicht eine solche Intensität, dass jedem Zivilisten allein aufgrund seiner Anwesenheit in dem betreffendem Gebiet bereits ein ernsthafter Schaden droht. (Rn. 26 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine etwaige Diskriminierung vor einem Gericht des Herkuntslandes ist für die Frage gefahrerhöhender Umstände hinsichtlich willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts von vorneherein irrelevant. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat – soweit über sie noch zu entscheiden war – keinen Erfolg.
1. Soweit die Klage sich ursprünglich auch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und mithin gegen Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids gerichtet hat, ist hierüber nicht mehr zu entscheiden, da der Kläger in der mündlichen Verhandlung insoweit die Klagerücknahme erklärt hat. Diesbezüglich ist somit die Rechtshängigkeit entfallen, § 92 VwGO.
2. Soweit über die Klage noch zu entscheiden war, ist sie unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des Bundesamts ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG) rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO). Er hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG oder auf die Feststellung, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes liegen nicht vor. Der Kläger hat, unabhängig davon, ob sein Vorbringen als glaubhaft bewertet werden kann oder nicht, keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm in seinem Herkunftsland Somalia ein ernsthafter Schaden droht (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG), insbesondere die Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2. Alt. AsylG), unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder als Zivilperson eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG).
Dem Kläger droht kein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG.
Die Verhängung der Todesstrafe im Sinne der ersten Alternative droht dem Kläger bereits deshalb nicht, da bei Wahrunterstellung seines Vortrags die Todesstrafe bereits verhängt worden ist, sodass diese Alternative bereits deshalb ausscheidet.
Auch droht dem Kläger bei Wahrunterstellung seines Vorbringens nicht die Vollstreckung der Todesstrafe. Dies folgt daraus, dass es gemäß den Schilderungen des Klägers zu den angeblichen Vorfällen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Verhaftung des Klägers mit anschließender Vollstreckung der Todesstrafe kommen wird.
Bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags ist er gegen Zahlung von 3.000,- US-Dollar durch seine Mutter auf rechtswidrige Art und Weise aus der Haft entlassen worden.
Somalia (bezogen auf alle Landesteile) war laut Transparency International im Jahr 2015 zum wiederholten Male das korrupteste Land der Welt. Auch das Justizsystem ist von Korruption durchdrungen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia – vom 25.4.2016 – im Folgenden: Länderinformationsblatt, S. 43 f.).
Sollte der Vortrag des Klägers zutreffen, ist nicht nachvollziehbar, wieso er bei einer Rückkehr nach Puntland tatsächlich den Vollzug der Todesstrafe befürchtet. Dies gilt insbesondere, da nach der Zahlung des Bestechungsgeldes und der illegalen Haftentlassung davon auszugehen ist, dass er sich freigekauft hat bzw. freigekauft wurde und die, wenn auch illegale Entscheidung der Verantwortlichen, von einer weiteren Verfolgung des Klägers abzusehen, endgültig ist. Zum einen ist bei einer Gesellschaft, die sich durch Zahlung von Bakschisch organisiert erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass dieser – wenn auch extralegalen – Zahlung jedenfalls doch eine Abrede zugrunde liegt, die eingehalten wird, im Sinne eines Worthaltens. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass in den von der jeweiligen Regierung kontrollierten Gebieten Somalias, wie Puntland, die Todesstrafe nur für schwerste Verbrechen verhängt und vollzogen wird (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 1.1.2017 – im Folgenden: Lagebericht, S. 15). Gerade in solchen Fällen, in denen es also um schwerste Verbrechen geht, ist davon auszugehen, dass den jeweiligen Verantwortlichen bzw. Entscheidungsträgern, die den Kläger illegalerweise aus der Haft entlassen haben, gerade daran gelegen ist, den Fall als abgeschlossen zu behandeln und kein Aufsehen zu erregen, das eventuell zu der Frage führt, wie der Kläger aus der Haft gelangen konnte. Dem widerspricht nicht, dass die puntländische Good Governance and Anticorruption Commission im Jahr 2015 keine Behördenmitarbeiter oder Politiker vor Gericht gebracht hat (vgl. Länderinformationsblatt, S. 44), da dies aus Sicht der jeweiligen Beamten für die Zukunft nicht sicher ausgeschlossen werden kann, sodass kein Interesse erkennbar ist, den Kläger erneut strafrechtlich zu verfolgen und Fragen aufkommen zu lassen. Hinzu kommt, dass seit dem Vorfall und der Ausreise des Klägers mit fast vier Jahren bereits ein relativ langer Zeitraum vergangen ist und es den Behörden nach dem eigenen Bekunden des Klägers wohl hauptsächlich darum ging, einen Schuldigen zu finden und zu präsentieren, da er zu Unrecht eingesperrt worden sei und sich gegen die Vorwürfe nicht in fairer Weise verteidigen konnte. All dies zeigt allerdings auch, dass das Interesse der Behörden, den vermeintlichen Anschlag tatsächlich aufzuklären und den oder die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen, letztlich nicht so groß sein kann, wenn schlicht der am leichtesten Greifbare beschuldigt und verurteilt wird. Dies spricht auch eher dafür, dass mit dem Kläger zwar nun auf dem Papier ein Schuldiger präsentiert worden ist, was wohl auch beabsichtigt war, dass jedoch, wie sich auch an der anschließenden Entlassung zeigt, das Interesse, den Prozess, einschließlich der Vollstreckung der Todesstrafe, zu Ende zu führen, nicht sonderlich hoch sein kann.
Schließlich geht das Gericht davon aus, dass dem Kläger jedenfalls gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG die Möglichkeit offensteht, sich in zumutbarer Weise in einer anderen Stadt oder Region Puntlands niederzulassen und dort sein Leben zu bestreiten, mithin für den Kläger eine inländische Fluchtalternative innerhalb Puntlands besteht.
Das Gericht geht davon aus, dass in einer anderen Stadt bzw. Region Puntlands für den Kläger erst Recht keine Gefahr besteht, erneut verhaftet und hingerichtet zu werden, da davon auszugehen ist, dass die dortigen Sicherheitskräfte ihn nicht kennen und auch die lokale Bevölkerung nichts von dem behaupteten Vorfall mitbekommen hat. Dass sein Fall überregional Aufsehen erregt hätte, hat der Kläger nicht vorgetragen. Auch erscheint es in einer anderen Stadt oder Region Puntlands nahezu ausgeschlossen, dass Polizisten, Soldaten oder Justizangestellte, die mit seinem Fall betraut waren, dem Kläger zufällig begegnen. Hinzu kommt noch, dass selbst in diesem Falle, wie oben dargelegt, die Entscheidungsträger, die an der illegalen Entlassung des Klägers beteiligt waren, wohl kein Interesse daran hätten, ihn erneut zu verhaften. Auch erscheint es, bei einem Wohnortwechsel des Klägers innerhalb Puntlands nahezu ausgeschlossen, dass die Behörden in irgendeiner anderen Form auf ihn aufmerksam werden. Es existiert kein Meldewesen. Nach Auskunft des Klägers in der mündlichen Verhandlung, verfügen die Bewohner Puntlands, inklusive ihm selbst, üblicherweise nicht einmal über Personaldokumente. Falls also der Kläger in einer anderen Region in eine Polizeikontrolle geraten sollte, besteht, unabhängig von der Frage, ob die Polizei vor Ort überhaupt über ein System verfügt, in dem die Daten des Klägers hinterlegt und in dem er als flüchtig genannt wird, aus Sicht des Gerichts keinerlei Gefahr, dass die wahre Identität des Klägers bekannt wird, da es nicht ungewöhnlich ist, keine Personaldokumente zu besitzen und er somit schlicht und ergreifend eine falsche Identität angegeben könnte. Auch besteht aus Sicht des Gerichts keine Gefahr, dass die Nachricht, dass der Kläger nun an einem anderen Ort lebt, über Clannetzwerke und Clanstrukturen zu den behördlichen Entscheidungsträgern, die mit dem Fall des Klägers befasst waren, vordringt, da nicht davon auszugehen ist, dass der nun bereits länger zurückliegende Vorfalls des Klägers überregional Aufsehen erregt hat, sodass seine Ankunft kein besonderes Ereignis darstellt, das als besondere Neuigkeit durch Clanstrukturen weitergegeben bzw. verbreitet wird. Dies gilt umso mehr, da der Kläger nach seinem Vorbringen dem Minderheitenclan der Midgan angehört, der am Rande der Gesellschaft steht. Das Gericht hat Zweifel an diesem Vorbringen und daher den Kläger in der mündlichen Verhandlung auch hierzu befragt, da der Vortrag der Zugehörigkeit zu den Midgan, die traditionell nur bestimmte Berufe ausüben, wie z.B. Schuster oder Metallarbeiter, und am Rande der Gesellschaft stehen, in gewissem Widerspruch zum klägerischen Vorbringen steht, dass er als Midgan ein Restaurant besessen habe, das regelmäßig von Regierungssoldaten besucht worden sei und insbesondere zu den angeblich seitens seiner Familie geleisteten hohen Zahlungen (Der Kläger selbst habe für die Ausreise 1.500,- US-Dollar gespart, dazu weitere 3.000,- US-Dollar von seiner Familie erhalten als er in Libyen gewesen sei, vgl. S. 3 der Biederschrift der persönlichen Anhörung beim Bundesamt vom 19.12.2016, und zudem seien noch seitens seiner Mutter 3.000,- US-Dollar Bakschisch für seine Freilassung gezahlt worden). Wie Angehörige eines Clans, der laut den Erkenntnismitteln tatsächlich am Rande der Gesellschaft steht und die traditionell nur bestimmte, insbesondere als minderwertig angesehene Berufe ausüben dürfen, über derartige Mittel verfügen sollen, dass sie scheinbar mühelos und ohne weiteres mehrere Tausend US-Dollar für den Kläger aufwenden können, erschließt sich dem Gericht nicht. Darauf kommt es allerdings ohnehin nicht an, da der Kläger sich an seinem Vorbringen festhalten lassen muss und da selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vorbringens, nicht davon auszugehen ist, dass die Ankunft eines neuen Midgan sich bei den Angehörigen der etablierten Clans vor Ort wie ein Lauffeuer verbreitet.
Auch ist dem Kläger trotz seiner angeblichen Zugehörigkeit zu den Midgan zumutbar in einer anderen Stadt oder Region Puntlands seinen Lebensunterhalt zu bestreitend. Beim Kläger handelt es sich um einen jungen, arbeitsfähigen Mann. Zudem hat er sich in der mündlichen Verhandlung gerade so eingelassen, dass sich Angehörige der Midgan stets gegenseitig helfen würden. Daher habe er auch von einem Angehörigen seines Clans ohne weiteres und ohne Gegenleistung 50,- US-Dollar für seine Ausreise nach Äthiopien erhalten (vgl. S. 3 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Da die Midgan überall in Somalia, insbesondere in Puntland und Somaliland verteilt leben, ist dem Kläger jedenfalls die Niederlassung in einer anderen Stadt Puntlands unter Zurückgreifen auf das vom Kläger selbst behauptete Unterstützungsnetzwerk der Midgan zumutbar. Schließlich ist auch davon auszugehen, dass die eigentliche Familie des Klägers ihn erst Recht in einer anderen Stadt oder Region Puntlands unterstützten kann, da sie es nach den eigenen Angaben des Klägers es sogar geschafft hat, ihm 3.000,- US-Dollar nach Libyen zu schicken. Wieso diese familiäre Unterstützung in Puntland, wenn auch einer anderen Stadt, nicht möglich sein soll, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Ebensowenig droht dem Kläger eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Sollte man die Ausführungen des Klägers so verstehen, dass er aufgrund seiner Clanzugehörigkeit verhaftet worden ist bzw. keinen fairen Prozess hatte und daher eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung geltend macht, sind diese Ausführungen jedenfalls zu pauschal und unkonkret um daran festmachen zu können, dass dem Kläger ein ernsthafter Schaden drohe.
Auch ist der Kläger in seiner Heimatregion Puntland als Zivilperson keiner ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG).
Die Situation in Puntland stellt sich wie folgt dar:
Puntland ist relativ friedlich und stabil und von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. Puntland gilt als relativ sicheres Gebiet. Den Behörden von Puntland ist es in begrenztem Umfang gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten. Ausnahmen von dieser Stabilität bilden die Städte Bossaso und Gaalkacyo. Wenn es auch immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Clans kommt, so spielen Stammesmilizen doch eine untergeordnete Rolle. Es kommt ganz im Süden bzw. im Nordwesten immer wieder zu kleineren Scharmützeln, da die Grenzziehung in diesen Gebieten nicht eindeutig ist. Al-Shabaab kontrolliert in Puntland keine Gebite mehr, sondern ist nur in wenigen, schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten, namentlich in den Golis/Galgala-Bergen. Sporadisch kommt es zu Aktivitäten der al-Shabaab, z.B. bei einem Sprengstoffanschlag auf die UN in Garoowe mit mehreren Toten und Verletzten oder bei kleineren Angriffen in Bossaso. Die Aktivitäten richten sich vorwiegend gegen Vertreter der internationalen Gemeinde und der Verwaltung bzw. der Sicherheitskräfte von Puntland.
Aus dem ergibt sich, dass in den Regionen Puntlands, die nicht zu den umstrittenen Grenzgebieten und auch nicht zu den umkämpfteren Städten Bossaso und Gaalkacyo gehören, unabhängig von der Frage, ob ein Konflikts i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG überhaupt besteht, dieser jedenfalls nicht die Intensität erreicht, dass jedem Zivilisten allein aufgrund seiner Anwesenheit in dem betreffendem Gebiet bereits ein ernsthafter Schaden droht. Gefahrerhöhende Umstände bezogen auf den Kläger, die ihn von allgemeiner, ungezielter Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers auch nicht, dass die Zugehörigkeit zu den Midgan einen solchen Umstand darstellt. Der vom Kläger vorgebrachte Sprengstoffanschlag richtete sich nicht gegen ihn aufgrund seiner Clanzugehörigkeit. Der Kläger äußerte vielmehr die Vermutung, dass al-Shabaab dahinter stecke, um gezielt puntländische Soldaten in seinem Restaurant zu töten. Eine etwaige Diskriminierung vor Gericht ist für die Frage gefahrerhöhender Umstände hinsichtlich willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internen bewaffneten Konflikts von vorneherein irrelevant. Im Übrigen äußerte sich der Kläger sogar dahingehend, dass die Angehörigen seines Clans über ein ausgeprägtes Unterstützungsnetzwerk verfügten. Aufgrund all dessen ist nicht erkennbar, weshalb die Zugehörigkeit zu den Midgan den Kläger im Falle Puntlands von willkürlicher Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen sollten.
Auch die Voraussetzungen für nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK liegen nicht vor. Für eine Verletzung des Art. 3 EMRK reicht der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, allein nicht aus. Art. 3 EMRK erfasst zwar auch Gefahren, die nicht vom Staat oder staatsähnlichen Organisationen ausgehen (BVerwG, U.v. 13.6.2013 – 10 C 13/12 – juris Rn. 25). Aus der Menschenrechtskonvention leitet sich kein aber Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat ab, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 23 ff.). Soweit die schlechten humanitären Bedingungen – wie in Somalia – nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte oder indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, ist entsprechend der Rechtsprechung des EGMR davon auszugehen, dass die Fähigkeit des Betroffenen berücksichtigt werden muss, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 a.a.O. – juris Rn 25; EGMR, U.v. 28.6.2011 – 8319/07 – BeckRS 2012, 08036 – Rn. 282, 283).
Es ist zwar davon auszugehen, dass die allgemein schlechte Grundversorgung sich durch die aktuellen Dürrekatastrophen nochmals verschärft hat (vgl. BFA, Länderinformationsblatt, S. 6, 7, 87 ff.) und die schlechte humanitäre Lage auch in den verhältnismäßig sicheren Gebieten Puntlands immer noch die Folge des anhaltenden Konflikts in Somalia ist. Sie wird im Rahmen der auch dort noch immer bestehenden Clankonflikte infolge der schwachen staatlichen Strukturen direkt sowie durch die großen Flüchtlingsströme infolge des Bürgerkriegs indirekt beeinflusst. Für vulnerable Personengruppen aus den als minderwertig angesehenen Minderheitenclans bzw. -kasten und für Frauen gestaltet sich die Situation besonders schwierig.
Auch nach dem Maßstab einer konfliktbedingt schlechten humanitären Situation liegen die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot aber nicht vor. Der Kläger ist ein junger, arbeitsfähiger Mann, der insbesondere bereits Arbeitserfahrung hat. Er hat zudem in Puntland Familienangehörige, nämlich insbesondere seine Mutter, die ihn in der Vergangenheit nach seinem eigenen Vorbringen bereits tatkräftig unterstützt hat. Darüber hinaus helfen sich Angehörige der Midgan, denen der Kläger nach eigenem Vortrag angehört, gegenseitig aus, sodass ein ausgeprägtes Unterstützungsnetzwerk existiert. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass er bei einer Rückkehr schutzlos gestellt und nicht in der Lage wäre, seine Grundbedürfnisse zu sichern und ein Leben im Rahmen der in Puntland schwierigen, aber üblichen Lebensumstände zu führen.
Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht vor. Insofern wird nach § 77 Abs. 2 AsylG auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO


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