Verwaltungsrecht

Statthafte Klageart bei Antrag auf Urnenumbettung

Aktenzeichen  4 ZB 18.512

Datum:
1.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 25042
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 19 Abs. 4
VwGO § 42 Abs. 1, § 82 Abs. 1, § 91 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Lässt sich einer Klageschrift nicht eindeutig entnehmen, gegen wen sich die Klage richtet, kann als Auslegungshilfe der Gesichtspunkt dienen, dass sie im Zweifel nicht gegen den falschen, sondern gegen den nach dem Inhalt der Klage richtigen Beklagten gerichtet sein soll, wobei die Gerichte insoweit mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG einen großzügigen Maßstab anzulegen haben. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat ein Kläger den angefochtenen oder begehrten Verwaltungsakt von vornherein eindeutig bezeichnet, so stellt eine nachträgliche Umstellung auf den richtigen Beklagten eine stets sachdienliche und auch noch nach Ablauf der Klagefrist zulässige Klageänderung dar. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Erhebung einer isolierten Anfechtungsklage fehlt jedenfalls dann das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, wenn ein spezielles Interesse des Klägers an der bloßen Aufhebung eines Ablehnungsbescheids weder ersichtlich ist noch von ihm dargetan wird. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 5 K 17.296 2018-01-23 GeB VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich als Grabnutzungsberechtigter gegen einen Bescheid der Evangelisch-Lutherischen Kirchenstiftung E., mit dem sein Antrag auf Umbettung der Urne seines Vaters von dem kirchlichen Friedhof an seinen Wohnort abgelehnt wurde. Er erhob im Anschluss an ein bei der Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenstelle erfolglos durchgeführtes Widerspruchsverfahren eine Klage zum Verwaltungsgericht zunächst nur gegen die Landeskirchenstelle mit dem Antrag, „den Bescheid der Beklagten vom 25.1.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.3.2017 aufzuheben.“
Die Beklagte wandte dagegen ein, es fehle bereits an der Passivlegitimation, da die Evangelisch-Lutherische Landeskirchenstelle ein Verwaltungsamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern sei; richtige Beklagte sei die Evangelisch-Lutherische Kirchenstiftung E. als Trägerin des Friedhofs.
Der Kläger erklärte daraufhin, die Klage auf Aufhebung der Bescheide werde – falls das Gericht den Ausführungen der Beklagten folge – gegen die Evangelisch-Lutherische Kirchenstiftung E. gerichtet.
Mit Gerichtsbescheid vom 23. Januar 2018 wies das Verwaltungsgericht Bayreuth die Klage ab. Sie sei bereits unzulässig, weil sie ausschließlich auf die Aufhebung des Bescheids vom 25. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. März 2017 richte. Eine solche isolierte Anfechtungsklage sei in der vorliegenden Konstellation unstatthaft, da der Kläger mit der beantragten Umbettung den Erlass eines Verwaltungsaktes begehre, so dass hier nur eine Verpflichtungsklage (Versagungsgegenklage) statthaft sei. Eine Umdeutung des Klageantrages scheide angesichts der anwaltlichen Vertretung des Klägers und der insoweit eindeutigen Formulierung aus. Die Klage sei zudem jedenfalls unbegründet, da sie sich gegen die falsche Beklagte richte. Eine Auslegung bzw. Rubrumsberichtigung dahingehend, dass sich die Klage gegen die Evangelisch-Lutherische Kirchenstiftung E. richte, scheide hier aus. Nicht sachdienlich und daher unzulässig sei auch eine subjektive Klageänderung durch Wechsel der Beklagten, denn diese könne nur innerhalb der Klagefrist vorgenommen werden.
Gegen diesen Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Die Beklagte und die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses treten dem Antrag entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung (§ 84 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 124a Abs. 4 VwGO) hat keinen Erfolg. Der vom Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. An der Richtigkeit des angegriffenen Gerichtsbescheids bestehen jedenfalls im Ergebnis keine ernstlichen Zweifel.
a) Der Kläger trägt zur Begründung seines Antrags vor, die Anfechtungsklage sei in eine Verpflichtungsklage umzudeuten gewesen, da die begehrte Umbettung zuzulassen sei. Zulässig sei auch die Klageänderung, da die Beklagte selbst diese durch verwirrende Zuständigkeitsmitteilungen veranlasst habe und somit die Änderung für sachdienlich zu halten sei. Die beantragte Rubrumsberichtigung sei ebenfalls sachdienlich gewesen. Eine Abwägung der konkreten Umstände ergebe, dass der vom Kläger geltend gemachte Umbettungsanspruch das Gebot der Totenruhe überwiege.
b) Diese Ausführungen, in denen sich der Kläger zumindest ansatzweise mit der Begründung des klageabweisenden Gerichtsbescheids auseinandersetzt, genügen zwar dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO. Sie zeigen aber nicht auf, dass die Klageabweisung zu Unrecht erfolgt wäre.
Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob die in der angegriffenen Entscheidung enthaltene (Hilfs-)Begründung, wonach sich die Klage von Anfang an gegen den falschen Beklagten gerichtet habe, zutrifft. Die in der Klageschrift vom 13. April 2017 enthaltene Angabe des Beklagten („Evangelisch-Lutherische Landeskirchenstelle“), die sich auf ein Verwaltungsamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern bezieht, beruhte wohl auf einer irrtümlichen Falschbezeichnung, die jederzeit im Wege der Rubrumsberichtigung korrigiert werden konnte. Als Gegenstand des Aufhebungsbegehrens war der Bescheid vom 25. Januar 2017 genannt, der in Abdruck dem Klageschriftsatz beigefügt war. Dies legte zumindest die Annahme nahe, dass sich die Klage – entgegen der ausdrücklichen Parteienbezeichnung – gegen den Rechtsträger derjenigen Stelle richten sollte, die den angegriffenen Bescheid erlassen hatte, d. h. gegen die Evangelisch-Lutherische Kirchenstiftung E. Lässt sich einer Klageschrift nicht eindeutig entnehmen, gegen wen sich die Klage richtet, kann als Auslegungshilfe der Gesichtspunkt dienen, dass sie im Zweifel nicht gegen den falschen, sondern gegen den nach dem Inhalt der Klage richtigen Beklagten gerichtet sein soll (BVerwG, U.v. 18.11.1982 – 1 C 62.81 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 16.4.1984 – 6 B 82 A.1895 – BayVBl 1984, 407 [Ls. 1]; Stuhlfauth in Bader u.a., VwGO, 7. Aufl. 2018, § 82 Rn. 5); die Gerichte haben insoweit mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG einen großzügigen Maßstab anzulegen (Schübel-Pfister in Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 82 Rn. 13). Selbst wenn man aber die Klageschrift vom 13. April 2017 hinsichtlich der Beklagtenbezeichnung für nicht auslegungsfähig hielte, wäre die im Schriftsatz vom 20. Juni 2017 erklärte subjektive Klageänderung nach § 91 Abs. 1 VwGO auch ohne Einwilligung des bisherigen Beklagten zulässig gewesen. Denn hat ein Kläger den angefochtenen oder begehrten Verwaltungsakt von vornherein eindeutig bezeichnet, so stellt eine nachträgliche Umstellung auf den richtigen Beklagten eine stets sachdienliche und auch noch nach Ablauf der Klagefrist zulässige Klageänderung dar (BVerwG, B.v. 20.01.1993 – 7 B 158.92 – DVBl 1993, 562; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 91 Rn. 23; Schübel-Pfister, a.a.O., Rn. 14).
Die vorgenannten Fragen können hier aber letztlich offenbleiben, da die Klage in der vorliegenden Form jedenfalls unzulässig war, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat. Das vom Kläger verfolgte Rechtsschutzbegehren war – auch in der mit Schriftsatz vom 20. Juni 2017 geänderten Fassung – ausdrücklich auf gerichtliche Aufhebung des ihm gegenüber ergangenen Ablehnungsbescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids gerichtet. Dieser Antrag des anwaltlich vertretenen Klägers konnte aufgrund seines eindeutigen Wortlauts nur als eine Anfechtungsklage verstanden werden und ließ sich nicht umdeuten in eine Versagungsgegenklage auf Verpflichtung des Friedhofsträgers, die beantragte Urnenumbettung zuzulassen. Für die Erhebung einer isolierten Anfechtungsklage fehlte aber jedenfalls das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da ein spezielles Interesse des Klägers an einer bloßen Aufhebung des Ablehnungsbescheids weder ersichtlich noch von ihm dargetan war (vgl. dazu BVerwG, U.v. 12.4.1991 – 7 C 36.90 – BVerwGE 88, 111/114; Kopp, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 42 Rn. 30; Gärditz in ders., VwGO, a.a.O., § 42 Rn. 30; Pietzcker in Schoch u.a., VwGO, § 42 Rn. 110 ff.; Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 42 Rn. 82 ff.; Schmidt-Kötters in BeckOK VwGO, § 42 Rn. 46 m.w.N.).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 15.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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