Verwaltungsrecht

Statthafte Klageart gegen Säumniszuschläge bei Kommunalabgaben, Formanforderungen an die Erhebung eines Widerspruchs, Ausstandsverzeichnis kein Verwaltungsakt

Aktenzeichen  B 4 K 20.98

Datum:
19.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30965
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43 Abs. 2, § 42 Abs. 1 2. Alt., § 74 Abs. 1 Sätze 1, 2, § 70 Abs. 1 S. 1
AO Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG i.V.m. § 218 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2, Abs. 2
VwVfG § 3a Abs. 2
BayVwZVG Art. 24 Abs. 1 Nr. 2
BayVwVfG Art. 35

 

Leitsatz

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.  

Gründe

Die Klage hat insgesamt keinen Erfolg.
I. Die auf Feststellung gerichtete Klage, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, an die Beklagte 2.676,22 EUR zu zahlen, ist nicht zulässig. Die Feststellungsklage ist nach § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO nicht statthaft, da der Kläger seine Rechte hätte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen können. Denn die in dieser Gesamtforderung, die vom Gerichtsvollzieher mit Schreiben vom 06.01.2020 geltend gemacht wurde, enthaltenen Teilbeträge sind zuvor jeweils von der Beklagten festgesetzt worden oder, soweit es sich um Säumniszuschläge handelt, nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 lit. a des Kommunalabgabengesetzes – KAG – i.V. m. § 218 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 der Abgabenordnung – AO – mit Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes entstanden. Gegen die Festsetzungen war jeweils die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO statthaft. Gegen die mit Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes entstandenen Säumniszuschläge war die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO auf Erlass eines Abrechnungsbescheids nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG i.V. m. § 218 Abs. 2 AO statthaft, der darüber hinaus zuvor bei der Beklagten zu beantragen gewesen wäre.
II. Die Klage ist auch unzulässig, soweit mit dem Klageantrag zu 2 begehrt wird, den Bescheid der Beklagten vom 16.08.2017 hinsichtlich der geforderten Zahlung von 2002,00 EUR für das Grabnutzungsrecht für ungültig zu erklären.
1. Auch wenn diese Klage unter Zugrundelegung des Klagebegehrens (§ 88 VwGO) als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 16.08.2017 bezüglich der Festsetzung von Grabnutzungsgebühren in Höhe von 2.002,00 EUR auszulegen ist, ist die Klage aufgrund des Ablaufs der Klagefrist nach § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO von einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheides unzulässig.
a) Für den Beginn der Klagefrist ist nach § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO auf die Bekanntgabe des Bescheides und nicht nach § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO auf die Zustellung eines Widerspruchsbescheides, der vorliegend nicht ergangen ist, abzustellen. Denn das nach § 68 Abs. 1 S. 2 1. Alt. VwGO i.V. m. Art. 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO – fakultative Widerspruchsverfahren wurde nicht durchgeführt, da vom Kläger kein Widerspruch in der nach § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO erforderlichen Form erhoben wurde. Danach ist der Widerspruch schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetztes – VwVfG – oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat.
aa) Die E-Mail des Klägers vom 23.08.2017 an den Leiter des Referats Bau-, Grün- und Bäderbetrieb der Beklagten genügt weder der Schriftform noch der elektronischen Form nach § 3a Abs. 2 VwVfG.
Die Schriftform bezweckt, eine zuverlässige Grundlage für die weitere Sachbehandlung zu schaffen. Dies erfordert zum einen die schriftliche Festlegung des Inhalts der Erklärung und zum anderen müssen der Urheber der Widerspruchserklärung und sein Wille erkennbar werden, die Erklärung in den Rechtsverkehr zu bringen. Dies erfordert in aller Regel die eigenhändige Unterschrift (vgl. § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 70 Rn. 2). Zwar ist mit der E-Mail der Inhalt der darin enthaltenen Erklärung festgelegt, dies allerdings nicht in einer gegen nachträgliche Manipulation gesicherten Weise. Darüber hinaus sind der Urheber der Widerspruchserklärung und sein Wille, die Erklärung in den Rechtsverkehr zu bringen, nicht hinreichend zuverlässig erkennbar. Denn eine einfache E-Mail lässt nicht erkennen, ob diese tatsächlich vom in der E-Mail genannten Absender stammt und ob diese auch tatsächlich mit Willen des genannten Absenders versendet wurde.
Die elektronische Form setzt nach § 3a Abs. 2 S. 2 VwVfG ein elektronisches Dokument voraus, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist. Mit einer solchen Signatur ist die E-Mail des Klägers nicht versehen. Weiter wurde die E-Mail auch nicht in einer die Schriftform nach § 3a Abs. 2 S. 4 VwVfG ersetzenden Weise an die Beklagte übermittelt.
bb) Der Kläger hat auch nicht formwirksam zur Niederschrift bei der Beklagten Widerspruch erhoben. Die Erhebung eines Widerspruchs zur Niederschrift erfordert die Anwesenheit des Widersprechenden sowie dessen mündliche Erklärung und Unterschrift unter der schriftlich aufgenommenen Erklärung (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 70 Rn. 2).
Für eine formwirksame Widerspruchserhebung fehlt die schriftliche Aufnahme der Widerspruchserklärung des Klägers sowie dessen Unterschrift. Deshalb war dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, die Zeugen Frau L. und Herrn M. zu der Tatsache zu vernehmen, dass der Kläger fristgerecht Widerspruch erhoben hat, nicht nachzukommen. Denn es ist unbestritten, dass der Kläger innerhalb der Widerspruchsfrist bei den bei der Beklagten tätigen Zeugen vorgesprochen hat, allerdings ist auch unstreitig, dass im Rahmen dieser Vorsprachen kein Schriftstück mit der Unterschrift des Klägers gefertigt wurde. Die mündliche Erklärung allein genügt für die formgerechte Erhebung des Widerspruchs nicht.
b) Die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO von einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheides vom 16.08.2017 war zum Zeitpunkt der Klageerhebung mit Eingang der Klage bei Gericht am 29.01.2019 bereits abgelaufen. Sie endete nach § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1, 2 der Zivilprozessordnung – ZPO -, § 188 Abs. 2 1. Alt. BGB spätestens mit Ablauf des 25.09.2017, denn dem Kläger war der Bescheid spätestens am 23.08.2017 bekanntgegeben, da der Kläger mit E-Mail vom 23.08.2017 auf den Bescheid Bezug nahm. Da der 23.09.2017 ein Samstag war, endete die Frist nach § 222 Abs. 2 ZPO mit Ablauf des nächsten Werktages, also am Montag, den 25.09.2017.
2. Die Klage auf Ungültigerklärung des Bescheides der Beklagten vom 16.08.2017 wäre auch unzulässig, würde man sie unter Zugrundelegung des Klagebegehrens (§ 88 VwGO) als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO) auslegen, mit der Zielrichtung, die Beklagte zu verpflichten, die bereits begonnene Vollstreckung aus dem Bescheid vom 16.08.2017 nach Art. 21 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – BayVwZVG – für unzulässig zu erklären oder einzustellen. Für eine darauf gerichtete Klage fehlt das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, da der Kläger das Ziel, eine Entscheidung nach Art. 21 BayVwZVG zur erhalten, schneller und einfacher durch einen zunächst bei der Beklagten als Anordnungsbehörde (Art. 20 Nr. 1 BayVwZVG) zu stellenden Antrag erreichen kann. Darüber hinaus hätte der Kläger mit einem solchen Antrag – ohne dass es darauf für die Entscheidung über die Klage ankäme – wohl in der Sache keinen Erfolg, da die vom Kläger gegen den Bescheid vom 16.08.2017 geltend gemachten Einwendungen nicht erst nach Erlass des Bescheides entstanden sind (Art. 21 S. 2 BayVwZVG).
III. Weiter ist auch die Klage auf Aufhebung des Ausstandsverzeichnisses vom 10.12.2019 unzulässig. Gegen das Ausstandsverzeichnis ist die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO nicht statthaft, da das Ausstandsverzeichnis keinen Verwaltungsakt i. S. d. Art. 35 S. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG – beinhaltet. Der Klausel nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG zur Vollstreckbarkeit des Ausstandsverzeichnisses fehlt die Außenwirkung. Denn bei der mit Erstellung des Ausstandsverzeichnisses getroffenen Vollstreckungsanordnung handelt es sich um eine rein innerbehördliche Mitteilung an den Gerichtsvollzieher (VG Augsburg, B.v. 20.12.2016 – Au 7 E 16.1598 – juris Rn. 42; LG München II, B.v. 29.10.2010 – 6 T 4893/10 – BeckRS 2011, 27562 Rn. 17). In Bezug auf den erstmals mit dem Ausstandsverzeichnis geltend gemachten weiteren Säumniszuschlag in Höhe von 20 EUR fehlt eine Regelung, da Säumniszuschläge nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 lit. b lit. dd des Kommunalabgabengesetzes – KAG – i.V. m. § 240 Abs. 1 der Abgabenordnung – AO – gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 lit. a KAG i.V. m. § 218 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 AO mit Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes entstehen, also keiner Festsetzung durch Verwaltungsakt bedürfen.


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