Verwaltungsrecht

Stellenbesetzung, Bundesfinanzhof, Präsidentenstelle, Anlassbeurteilungen, Voreingenommenheit

Aktenzeichen  M 5 E 21.1681

Datum:
23.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23792
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 123

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 44.424,75 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Seit … August 2020 ist das Amt der Präsidentin/ des Präsidenten des Bundesfinanzhofs (Besoldungsgruppe R 10) neu zu besetzen. Von einer Ausschreibung der Stelle hat die Antragsgegnerin abgesehen.
Auf diese Stelle bewarben sich die Antragstellerin sowie der Beigeladene.
Die Antragstellerin steht als Richterin am Bundesfinanzhof (Besoldungsgruppe R 6) in Diensten der Antragsgegnerin. In der im Rahmen eines parallel laufenden Stellenbesetzungsverfahrens um eine Vorsitzendenstelle erstellten Anlassbeurteilung vom … Juli 2020 für den Beurteilungszeitraum … Januar 2015 bis … März 2020 erhielt die Antragstellerin die Eignungsprognose für den Vorsitz eines Senats des Bundesfinanzhofs “ungeeignet”. Die von der Antragstellerin mit Schreiben vom … August 2020 gegen die Anlassbeurteilung erhobene Gegenvorstellung, ist mit Schreiben vom … Dezember 2020 zurückgewiesen worden. Die Anlassbeurteilung lasse keine Rechtsfehler erkennen, die zu einer Aufhebung oder Änderung der Beurteilung führen könnten. Am … Januar 2020 ist gegen die Antragstellerin ein Disziplinarverfahren aufgrund der Weigerung, ihre richterlichen Dienstpflichten in dem zugewiesenen Senat zu erfüllen, eingeleitet worden über das – soweit ersichtlich – noch nicht abschließend entschieden worden ist.
Der Beigeladene stand bis zu seiner Wahl als Bundesrichter am … Oktober 2020 als Ministerialdirigent (Besoldungsgruppe B 7) in den Diensten des Landes Nordrhein-Westfalen. In der aus Anlass der Wahl des Beigeladenen zum Richter am Bundesfinanzhof und des von ihm bekundeten Interesses am Amt des Präsidenten des Bundesfinanzhofs erstellten Anlassbeurteilung vom … Dezember 2020 für den Beurteilungszeitraum vom … Dezember 2018 bis … September 2020 erhielt der Beigeladene die bestmögliche Gesamtnote “sehr gut (18 Punkte)” sowie die Beförderungseignung/Verwendungseignung “hervorragend geeignet (oberer Bereich)” durch seinen seinerzeitigen Dienstherrn nach dessen für das maßgebliche Ressort geltenden Beurteilungsrichtlinien.
Mit Schreiben vom … Juli 2020 nahm der Präsidialrat des Bundesfinanzhofs zum Wahlvorschlag des Beigeladenen für die Wahl zum Richter am Bundesfinanzhof durch den Richterwahlausschuss sowie zur vorgesehenen Übertragung des Amtes des Präsidenten des Bundesfinanzhofs Stellung und teilte mit, dass er den Beigeladenen für beide Ämter in persönlicher und fachlicher Hinsicht für geeignet halte.
Mit Vermerk vom … Dezember 2020 legte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz die für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Kriterien fest. Die Anforderungen speziell an das Präsidenten- und Vizepräsidentenamt würden sich aus dem Gesetz ergeben. Mit Blick auf die besondere Stellung von Präsident/in und Vizepräsident/in würden die für diese beiden Ämter maßgeblichen Anforderungen nicht allein anhand des Anforderungsprofils für Vorsitzende Richterinnen und Vorsitzende Richter an den obersten Bundesgerichten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz bestimmt werden können. Dieses Anforderungsprofil sei mit Blick auf die besonderen Aufgaben im Bereich der Gerichtsverwaltung zu präzisieren und fortzuentwickeln; die Anforderungen würden als fakultative Merkmale festgelegt und sind dort weiter ausformuliert.
Mit Auswahlvermerk vom … Februar 2021 entschied die Antragsgegnerin, die streitgegenständliche Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen. Die Beurteilungen der Bewerber seien sowohl in zeitlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht miteinander vergleichbar, auch wenn sie von verschiedenen Beurteilern in unterschiedlichen Beurteilungssystemen erstellt worden seien. Die Leistung des Beigeladenen sei mit der bestmöglichen Gesamtnote “sehr gut (18 Punkte)” sowie der Beförderungs-/Verwendungseignung “hervorragend geeignet (oberer Bereich)” beurteilt worden. Die Ausführungen zur Beförderungs- und Verwendungseignung würden insbesondere belegen, dass dieser die Anforderungen an das angestrebte Amt des Präsidenten des Bundesfinanzhofs in jeder Hinsicht erfülle und neben einer breitgefächerten Führungskompetenz über ausgeprägte Fähigkeiten zur Leitung von Verwaltungen verfüge, die er in unterschiedlichen Verwendungen eindrucksvoll unter Beweis gestellt habe. Die Antragstellerin sei demgegenüber mit dem Gesamturteil “ungeeignet” für einen Senatsvorsitz beurteilt worden und müsse daher unter Leistungsgesichtspunkten hinter dem Beigeladenen zurückstehen. Der deutliche Leistungsvorsprung des Beigeladenen werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Antragstellerin eine Gegenvorstellung gegen ihre Anlassbeurteilung erhoben sowie mehrfach Befangenheitsanträge und Dienstaufsichtsbeschwerden gestellt habe. Unschädlich sei, dass die Beurteilung der Antragstellerin aus Anlass der Bewerbung um eine Vorsitzendenstelle erstellt worden sei und sich die Eignungsprognose daher nicht auf die Eignung als Präsidentin, sondern auf die Eignung als Vorsitzende beziehe. Daher folge, dass sie erst Recht nicht für das höherwertige Amt einer Präsidentin geeignet sei. Der Umstand, dass die Antragstellerin in einem Amt der Besoldungsgruppe R 6, der Beigeladene in einem Amt der Besoldungsgruppe B 7 beurteilt worden sei, sei auf die Auswalentscheidung ohne Einfluss und bestätige den Leistungsvorsprung des Beigeladenen.
Ebenfalls mit Schreiben vom … Februar 2021 wurde die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz an dem Verfahren beteiligt. Sie hat keine Einwendungen erhoben.
Am … Februar 2021 ist die Auswahlentscheidung von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz gebilligt worden.
Mit Schreiben vom … Februar 2021, der Antragstellerin zugestellt am … Februar 2021, wurde dieser mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Stelle dem Beigeladenen zu übertragen.
Mit Schriftsatz vom 24. März 2021, eingegangen bei Gericht am 29. März 2021, hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die beim Bundesfinanzhof (BFH) freien Posten von Vorsitzenden Richter/Innen betreffend den I., den II., den V. und den IX. Senat einstweilen nicht mit anderen Personen (namentlich Dr. M., Dr. T. – der Beigeladene -, Dr. B., Dr. W.) zu besetzen, bevor nicht über das beim Richterdienstgericht des Bundes anhängige Verfahren RiZ 2/16 sowie über das beim VG München anhängige Verfahren M 5 K 15.5394 und über die beim BFH unter den Aktenzeichen Z-PV1040/21-5/2020#10 und Z-PV-1040/20-6/2020#4 und Z-PV-1040/22-9/2020#1 geführten Verfahren jeweils rechtskräftig entschieden und über die Stellenbewerbung der Antragstellerin erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entschieden worden ist.
Ein Anordnungsgrund sei glaubhaft gemacht, da die von der Antragstellerin angestrebte Stelle anderweitig besetzt werden soll. Die Auswahlentscheidung sei rechtswidrig. Die der Auswahl zugrundeliegende dienstliche Beurteilung der Antragstellerin stelle keine tragfähige Grundlage für eine Auswahlentscheidung dar. Der Präsident des Bundesfinanzhofs a.D. sei nicht zur Fertigung der Beurteilung legitimiert. Er sei als “Beteiligter” in diesem Verfahren ausgeschlossen und individuell und institutionell befangen. Das Verhältnis zur Antragstellerin sei aufgrund eines jahrelangen Konfliktes zerrüttet. Der Anlassbeurteilung würden in entscheidungserheblicher Weise unrichtige Sachverhalte zugrunde liegen. Das nachgewiesene Ausblenden zahlreicher von der Antragstellerin ausgeübter ehrenamtlicher Funktionen und fachlicher Aktivitäten sei entscheidungserheblich, weil sich im Verhältnis zu anderen Mitbewerbern/innen hierdurch weit überdurchschnittliche fachliche Qualifikationen ergeben würden. Aufgrund der in der Zeit von 2015 bis 2020 vorliegenden, unzumutbaren Arbeitssituation für die Antragstellerin hätten alle davorliegenden Zeiträume seit 2005 im Rahmen einer fiktiven Nachzeichnung in die Beurteilung einfließen müssen. Die relevante Aktenlage spiegele wider, dass die Antragstellerin seit ihrem Dienstantritt am Bundesfinanzhof durchgängig weit überdurchschnittliche Leistungen erbracht habe. Die Gesamtbewertung, wonach die Antragstellerin zur Übernahme eines Senatsvorsitzes ungeeignet sei, stehe im Widerspruch zu den Behauptungen guter bis sehr guter überdurchschnittlicher theoretischer Kenntnisse, zu der bejahten Annahme von Führungskompetenz und Verantwortungsbewusstsein, der Fähigkeit zur Moderation, ihrem Organisationsgeschick, den sehr guten Genderkompetenzen und zum freundlichen Auftreten einschließlich Repräsentationsfähigkeit. Die Anlassbeurteilung widerspreche inhaltlich und in allen Bewertungen allen über die Antragstellerin früher gefertigten Regelbeurteilungen. Es sei nicht weiter begründet worden, weshalb eine solche “Herabstufung” stattgefunden habe. Der ausgewählte Bewerber erfülle das Anforderungsprofil von vorneherein nicht in vollem Umfang, da er entsprechend dem Gebot des Anciennitätsprinzips zuvor in keiner Weise am Bundesfinanzhof tätig gewesen sei, mithin die genannte Mindestvoraussetzung von einer vorherigen fünfjährigen Tätigkeit an diesem obersten Bundesgericht schon dem Grunde nach nicht vorliege. Die Antragstellerin erfülle das Anciennitätsprinzip geradezu im Übermaß, da sie dem Bundesfinanzhof bereits seit mehr als 16 Jahren angehöre und ihre entsprechende Führungserfahrung faktisch und rechtlich dokumentiert sei. Die Auswahl der Antragstellerin sei auch möglich, die Anlassbeurteilung stehe dem nicht entgegen. Es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin bei einer sachlich dringend gebotenen “Nachzeichnung” und nach Behebung der aufgezeigten Rechtsfehler bei einer fairen und korrekten Beurteilung mit einer hervorragenden Beurteilung rechnen dürfe, welche zu einem Erfolg ihrer Bewerbung führen müsse. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass sich die Antragstellerin seit geraumer Zeit auf die Nichtigkeit der sie betreffenden Geschäftszuweisung berufe. Die Antragstellerin sei infolge ihrer bislang ergriffenen, legalen und verfassungsrechtlich gebotenen Hinweise und Gegenmaßnahmen gezielt und aus sachfremden Gründen in eine unzumutbare Arbeitssituation gebracht worden.
Mit Schriftsatz vom 12. Mai 2021 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin die Vertretung dieser angezeigt und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die in einem anderen verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren getroffenen Feststellungen, wonach der Vortrag der Antragstellerin sich in Vorwürfen erschöpfe, die jeglicher Grundlage entbehren, würden auch für dieses Verfahren gelten. Es könne nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass die Antragstellerin für die Position einer Präsidentin am Bundesfinanzhof im Hinblick auf den Leistungsgrundsatz schlechterdings ungeeignet sei. Der Beurteiler habe sich die für die Beurteilung erforderlichen Erkenntnisgrundlagen verschafft und lediglich auf ein Interview mit der Vorsitzenden eines Senats verzichtet, da sich diese aufgrund der Arbeitsverweigerung der Antragstellerin in diesem Senat über deren richterliche Leistungen kein eigenes Bild habe machen könne. Dies ändere nichts an der Richtigkeit der Feststellung, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer Arbeitsverweigerung, ihrer unzureichenden Sozialkompetenzen und mangelnden Teamfähigkeit für das Amt einer Präsidentin ungeeignet sei. Auf die weiteren Angriffe der Antragstellerin, die ebenso unbegründet seien, wie ihre zahlreichen Befangenheitsanträge, komme es nicht an. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass es eine “Änderung des Anforderungsprofils” nicht gegeben habe. Das “Anforderungsprofil für Vorsitzende Richterinnen und Vorsitzende Richter an den obersten Bundesgerichten”, wonach “in der Regel eine mindestens fünfjährige richterliche Bewährung an dem jeweiligen obersten Bundesgericht” vorgesehen gewesen sei, habe nach gängiger Praxis keine Anwendung auf die Gerichtsleitung von Bundesgerichten gefunden. Das zeige das Beispiel einer Präsidentin eines anderen Bundesgerichts. Hinzu komme, dass gegenüber der Antragstellerin der Verlust der Dienstbezüge ab dem … Januar 2019 – mit Ausnahme der Krankheits- und Urlaubstage – festgestellt worden (Bescheid vom …7.2020, Widerspruchsbescheid vom …4.2021 unter teilweiser Anordnung des Sofortvollzugs, hiergegen Klage durch die Antragstellerin unter dem Aktenzeichen M 5 K 21.2694 anhängig).
Der ausgewählte Bewerber wurde mit Beschluss vom 3. Mai 2021 zum Verfahren beigeladen. Er hat keinen Antrag gestellt.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der von der Antragstellerin gestellte Antrag umfasst die Auswahlentscheidungen zur Besetzung von vier Vorsitzendenstellen am Bundesfinanzhof (BFH). Jedes Auswahlverfahren – die Antragstellerin hat jeweils die ausgewählten Bewerber namentlich benannt – wird in einem eigenen Verfahren unter einem eigenen Aktenzeichen geführt. Denn die von der Antragstellerin geltend gemachte Verletzung ihres Bewerbungsvefahrensanspruchs ist bezüglich jeder Auswahlentscheidung isoliert rechtlich zu prüfen. Das vorliegende Verfahren betreffend die Präsidentenstelle, für die sich die Antragstellerin ausdrücklich beworben hat und für die der von der Antragstellerin in ihrem Antrag namentlich benannte Beigeladene ausgewählt wurde, wird unter dem Aktenzeichen M 5 E 21.1681 bearbeitet. Den Verfahren betreffend die übrigen von der Antragstellerin in ihrer Rechtmäßigkeit bestrittenen Auswahlentscheidungen hinsichtlich der Dienstposten der/des Vizepräsidentin/en und zweier weiterer Vorsitzendenstellen am BFH sind jeweils andere Aktenzeichen zugeordnet.
2. Der Antrag ist sachgerecht dahin auszulegen (§ 122 Abs. 1, § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO), dass beantragt ist, den Posten der Präsidentin / des Präsidenten des Bundesfinanzhofs nicht mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin für diesen Posten erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entschieden worden ist.
Soweit die Antragstellerin beantragt, die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, die vier ausgeschriebenen Vorsitzendenstellen – und damit auch die Präsidentenstelle – nicht zu besetzen, bevor nicht über das beim Richterdienstgericht des Bundes anhängige Verfahren RiZ 2/16 sowie über das beim Verwaltungsgericht München anhängige Verfahren M 5 K 15.5394 und über die beim Bundesfinanzhof unter den Aktenzeichen Z-PV1040/21-5/2020#10 und Z-PV-1040/20-6/2020#4 und Z-PV-1040/22-9/2020#1 geführten Verfahren jeweils rechtskräftig entschieden worden ist, ist der Antrag unstatthaft. Denn das Stellenbesetzungsverfahren nach § 123 VwGO dient der Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des unterlegenen Bewerbers. Zwischen der jeweiligen Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin und den von der Antragstellerin benannten Verfahren besteht keinerlei Zusammenhang; das Begehren der Antragstellerin ist insoweit von ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch nicht umfasst.
3. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d.h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerpartei hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
4. Der Anordnungsgrund in Form der besonderen Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Anordnung mag gegeben sein. Das Auswahlverfahren für die streitgegenständliche Stelle ist grundsätzlich abgeschlossen. Eine Ernennung des Beigeladenen steht unmittelbar bevor. Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin als unterlegene Bewerberin lässt sich nur vor der Ernennung des ausgewählten Konkurrenten mittels einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO effektiv sichern, da sich der um eine Stellenauswahl geführte Rechtsstreit mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erledigt (vgl. BVerfG, B.v. 29.6.2003 – 2 BvR 311/03 – NVwZ 2004, 95). Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358) ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Besetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren der Antragstellerin, die Auswahlentscheidung zu ihren Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, weil der Dienstherr die Ernennung des Beigeladenen in der Regel nicht mehr rückgängig machen könnte.
5. Die Antragstellerin hat jedoch keinen Anordnungsanspruch betreffend die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen glaubhaft gemacht.
Einen Rechtsanspruch auf Übertragung der streitgegenständlichen Stelle hat die Antragstellerin nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das vom Beamten bekleidete Amt beschränkt und somit amtsbezogen ist. Die Antragstellerin hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, d.h. einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Grundgesetz/GG, § 46 des Deutschen Richtergesetzes/DRiG i.V.m. § 9 des Bundesbeamtengesetzes/BBG normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746 und vom B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194).
Anhand dieser Vorgaben hat der Dienstherr unter mehreren Bewerbern den am besten Geeigneten ausfindig zu machen. Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Ein Bewerber hat daher Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung (BVerwG, U. v. 25.8.1988 – 2 C 28/85 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565; VG München, B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris). Aus der Verletzung dieses Anspruchs folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder auf Vergabe des begehrten Dienstpostens. Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl in einem neuen Verfahren möglich erscheint (BVerfG, B. v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746).
6. Die streitgegenständliche Auswahlentscheidung entspricht diesen Grundsätzen und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Der Auswahlvermerk vom … Februar 2021 genügt den formellen rechtlichen Anforderungen an die Darstellung der wesentlichen Auswahlerwägungen.
Aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt die Verpflichtung des Dienstherrn, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen – deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber ggf. durch Akteneinsicht verschaffen kann – wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber zu befinden, ob er die Entscheidung hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Bewerbungsverfahrensanspruch bestehen. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen (vgl. Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, 2. Auflage 2018, Anhang 5 Rn. 2; BayVGH, B.v. 8.2.2018 – 3 CE 17.2304 – juris Rn. 4; BVerfG, B.v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07 – juris Rn. 22; BVerwG, B.v. 16.12.2008 – 1 WB 19/08 – juris Rn. 35).
Im Auswahlvermerk vom … Februar 2021 ist ausführlich dargestellt, dass der Beigeladene anhand der Anlassbeurteilung als deutlich leistungsstärker einzustufen sei als die Antragstellerin (Beigeladener: “sehr gut (18 Punkte)”, für Beförderung “hervorragend geeignet (oberer Bereich)” gegenüber Antragstellerin: “ungeeignet” für Senatsvorsitz).
Der Präsidialrat des Bundesfinanzhofs wurde ordnungsgemäß beteiligt. In dieser Hinsicht trägt die Antragstellerin auch keine Einwände vor.
b) Auch materiell ist die Auswahlentscheidung nicht zu beanstanden.
aa) Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass der Beigeladene das Anforderungsprofil nicht in vollem Umfang erfülle, da er bisher noch nie am Bundesfinanzhof tätig gewesen sei, mithin eine vorherige fünfjährige Tätigkeit an diesem obersten Bundesgericht nicht vorliege, kann die Antragstellerin damit nicht durchdringen. Denn die Antragsgegnerin hat eine mindestens fünfjährige Tätigkeit am Bundesfinanzhof nicht als konstitutives Anforderungsprofil für die Besetzung des Dienstpostens der Präsidentin / des Präsidenten des Bundesfinanzhofs bestimmt.
Die Auswahl der für die ausgeschriebene Stelle besonders wichtigen Beurteilungsmerkmale obliegt der Entscheidung des Dienstherrn; ihm steht es im Rahmen seines (weiten) Organisationsermessens zu, als Maßstab für die Auswahl der Bewerber bei der Besetzung einer Stelle besondere, sachgerechte Anforderungen aufzustellen, die dann ein “Anforderungsprofil” bilden (BVerwG v. 25.10.2011 – 2 VR 4.11 – juris Rn. 27 ff.; BayVGH v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – juris Rn. 76 ff.; B.v. 28.5.2015 – 3 CE 15.727 – juris Rn. 29). Das konstitutive – oder auch spezifische, spezielle – Anforderungsprofil zeichnet sich dadurch aus, dass es für die Bestenauslese einen neuen, von den dienstlichen Beurteilungen jedenfalls vom Ausgangspunkt her abgekoppelten Maßstab enthält. Wer ein konstitutives Anforderungsprofil nicht erfüllt, kommt für die Auswahl von vornherein nicht in Betracht und darf nicht in einen Leistungsvergleich mit anderen Bewerbern einbezogen werden, die das konstitutive Anforderungsprofil erfüllen (BayVGH, B.v. 17.8.2017, 3 CE 17.815, juris Rn. 31; B.v. 14.8.2015, 3 CE 15.1410, juris Rn. 18).
Die Antragsgegnerin hat eine mindestens fünfjährige Tätigkeit am Bundesfinanzhof ausdrücklich nicht als konstitutives Anforderungsmerkmal für die Stelle der Präsidentin / des Präsidenten des Bundesfinanzhofs festgelegt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass diese Voraussetzung in der Vormerkung vom … Dezember 2020 (Bl. 124 ff.) nicht genannt ist. Dort sind – mit Blick auf die besonderen Aufgaben der Präsidentin / des Präsidenten des Bundesfinanzhofs – ausdrücklich nur fakultative und keine konstitutiven Anforderungsmerkmale beschrieben. Zudem wurde ein konstitutives Anforderungsprofil in der Besetzungsentscheidung (Bl. 208 ff.) nicht erörtert. Das im September 2016 festgelegte Anforderungsprofil für Vorsitzende Richterinnen und Vorsitzende Richter an obersten Bundesgerichten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz hat – wie auch im vorliegenden Fall – nach gängiger Praxis keine Anwendung auf die Auswahlentscheidung betreffend den Präsidentenposten gefunden.
bb) Bei einem Leistungsvergleich anhand der Anlassbeurteilungen stellt sich der Beigeladene als erheblich leistungsfähiger gegenüber der Antragstellerin dar.
Die Anlassbeurteilung für den Beigeladenen wurde in einem Statusamt B 7 erteilt. Dieser Bewerber erreichte die maximal zu erreichende Punktezahl (“sehr gut – 18 Punkte”) und die Beförderungseignung wurde mit “hervorragend geeignet (oberer Bereich)” bewertet. Auch wenn diese Beurteilung nicht in einem Richteramt erteilt wurde, handelt es sich um einen Bewerber mit höchster dienstlicher Leistungsfähigkeit. Die Anlassbeurteilung für die Antragstellerin im Statusamt R 6 schließt demgegenüber mit der Einschätzung, dass die Richterin schon ungeeignet sei, den Vorsitz in einem Senat des BFH zu übernehmen. Damit ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn im Auswahlvermerk vom … Februar 2021 festgehalten ist, dass der Beigeladene einen wesentlichen Leistungsvorsprung gegenüber der Antragstellerin bei der Auswahl für die Präsidentenstelle aufweist. Das gilt auch mit Blick auf das Erfordernis einer die jeweilige Situation berücksichtigende Vergleichsbetrachtung der Beurteilungen von Richtern und Beamten (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 24.4.2017 – 3 CE 17.434 – BayVBl 2017, 816, juris Rn. 46 ff.). Denn aus dem Abstand der Endprädikate folgt ein ganz erheblicher (“eklatanter”, vgl. BVerfG, B.v. 4.2.2016 – 2 BvR 2223/15 – ZBR 2016, 312, juris Rn. 85) Leistungsvorsprung des Beigeladenen.
cc) Die der Auswahlentscheidung zugrundeliegende Anlassbeurteilung für die Antragstellerin vom … Juli 2020 konnte auch als taugliche Grundlage für den Leistungsvergleich herangezogen werden.
(1) Einwendungen gegen die Beurteilung können unmittelbar in einem Bewerbungsverfahren als auch in einem ggf. daran anschließenden Konkurrentenstreitverfahren geltend gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 28.2.2014 – 3 CE 14.32 – juris Rn. 25; BVerwG, U.v. 18.4.2002 – 2 C 19/01 – juris Rn. 15). Die – mögliche – Fehlerhaftigkeit einer Beurteilung bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu beachten, wenn sie Einfluss auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens haben kann (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.2004 – 2 VR 3/03 – juris Rn. 11).
Bei der Rechtskontrolle einer dienstlichen Beurteilung im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens ist die Geltendmachung eines durchgreifenden Mangels der Beurteilung erforderlich, der dazu führt, dass der Dienstherr plausibel machen muss, dass und wie die Beurteilung ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Zwar ist ein Beamter wie auch Richter, der die Rechtswidrigkeit der Beurteilung rügt, grundsätzlich nicht gehalten anzugeben, auf welche Weise die Beurteilung rechtmäßig hätte erstellt werden können; dies festzulegen ist Sache des Dienstherrn. Doch ist von ihm zu verlangen, dass er insoweit nicht nur moniert, die Beurteilung sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, sondern dass er konkret darlegt, aus welchem Grund die Beurteilung fehlerhaft ist und warum dieser Mangel auf das Ergebnis der Auswahlentscheidung durchschlägt (BayVGH, B.v. 28.2.2014 – 3 CE 14.32 – juris Rn. 28; OVG NRW, B.v. 5.6.2012 – 1 B 368/12 – juris Rn. 8; VG München, B.v. 14.4.2014 – M 5 E 14.442; B.v. 30.10.2014 – M 5 E 14.3148). Die pauschale Rüge, es werde bestritten, dass Wertungsmaßstäbe sachgerecht und fehlerfrei angesetzt und die unmittelbaren Vorgesetzten ordnungsgemäß beteiligt worden seien, bedingt keine Geltendmachung eines durchgreifenden Mangels der dienstlichen Beurteilung, die zu einer eingehenden Überprüfung führt (BayVGH, B.v. 28.2.2014 – 3 CE 14.32 – juris Rn. 29; VG München, B.v. 14.4.2014 – M 5 E 14.442). Um eine eingehende Prüfung der dienstlichen Beurteilung im Rahmen des Verfahrens im vorläufigen Rechtsschutz betreffend eine Stellenbesetzung zu veranlassen, muss daher substantiiert vorgetragen werden, warum der Bewertungsspielraum in rechtlich zu beanstandender Weise durch den Beurteiler überschritten worden ist (vgl. zum Ganzen: VG München, B.v. 10.2.2015 – M 5 E 14.4011).
(2) Nach diesen Grundsätzen sind bei der Anlassbeurteilung für die Antragstellerin keine Rechtsfehler ersichtlich.
Der Beurteiler hat aus Anlass der Bewerbung der Antragstellerin für eine Vorsitzendenstelle am Bundesfinanzhof für die Antragstellerin eine Anlassbeurteilung erstellt. Den Beurteilungszeitraum hat der Beurteiler auf fünf Jahre festgelegt. Auch wenn die Beurteilungszeiträume der Anlassbeurteilungen nicht identisch sind, ermöglichen sie einen Leistungsvergleich ohne ins Gewicht fallende Benachteiligung eines Bewerbers (BayVGH, B.v. 2.9.2020 – 6 CE 20.1351 – juris Rn.12; BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – ZBR 2020, 35, juris Rn. 59). Denn die Zeiträume überschneiden sich hinreichend (über 15 Monate), sodass eine ausreichende Vergleichsbasis besteht.
Beurteilungsgrundlagen waren Interviews mit den Senatsvorsitzenden, die Sichtung von Verfahrensakten, die Erhebung der Erledigungen im Beurteilungszeitraum, die Auswertung der Personalakten und Gespräche mit weiteren Angehörigen des Bundesfinanzhofs. Da die Antragstellerin die Mitarbeit in einem Senat verweigere, wurde auf ein Gespräch mit der Vorsitzenden dieses Senats verzichtet. Das Gesamtergebnis “Für den Vorsitz eines Senats am Bundesfinanzhof ungeeignet” wird im Wesentlichen darauf gestützt, dass es der Antragstellerin an der erforderlichen Sozialkompetenz und Teamfähigkeit fehle. In schwierigeren Situationen verweigere sie ein sachbezogenes Gespräch. Fachliche Kritik im Senat werde von ihr nach Auskunft der Senatsvorsitzenden als persönlicher Angriff gewertet. Ihre eigene Rechtsauffassung vertrete sie vehement, gelegentlich mit persönlichen Vorwürfen. Angebote, eine gemeinsame Lösung zur Förderung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit im Senat in einem Gespräch auch unter Beteiligung Dritter zu suchen, lehne sie regelmäßig ab. Sie beharre auf eigenen Rechtspositionen und habe Schwierigkeiten, Mehrheitsentscheidungen, die zu einem anderen Ergebnis führen, vorbehaltlos anzuerkennen. Seit 2018 habe sich die Antragstellerin nahezu vollständig, seit 2019 vollständig aus der spruchrichterlichen Tätigkeit zurückgezogen. Sie sei nicht mehr bereit, ihre Kenntnisse in dem ihr vom Präsidium zugewiesenen Senat zur Anwendung zu bringen. In ihrem gesamten Verhalten zeige sich, dass sie ihre eigenen Rechtspositionen absolut in den Vordergrund stelle, in der Rechtsprechung anerkannte Positionen nicht akzeptiere, Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit den Kollegen im Senat habe und nicht in der Lage sei, die für eine einvernehmliche Lösung von Konflikten notwendige Gesprächsbereitschaft aufzubringen. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Diese Erwägungen sind plausibel und nachvollziehbar; sie halten sich innerhalb des dem Beurteiler eingeräumten Beurteilungsspielraums, der vom Gericht nur eingeschränkt nachprüfbar ist (vgl. hierzu nur: BayVGH, B.v. 2.9.2020 – 6 CE 20.1351 – juris Rn. 31).
Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt worden sei, da insbesondere der Lebenslauf der Antragstellerin verkürzt, nicht alle fachlichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten, Sprachkenntnisse, etc. in der Beurteilung aufgeführt worden und die zahlreichen Geschehnisse rund um die beiden Umsetzungen der Antragstellerin unerwähnt geblieben seien, ist dieser Argumentation nicht zu folgen. In der Anlassbeurteilung der Antragstellerin sind der dienstliche Werdegang der Antragstellerin sowie ihre richterlichen Tätigkeiten dargestellt. Ein Anspruch darauf, dass Lebenslauf und sämtliche Tätigkeiten in allen Einzelheiten nachgezeichnet werden, besteht nicht. Grundlage jeder dienstlichen Beurteilung ist eine Tätigkeitsbeschreibung, in der die wichtigsten, den Arbeitsplatz prägenden Tätigkeiten aufzuführen sind. Dies ist vorliegend der Fall. Im Übrigen liegen die Geschehnisse, die die Antragstellerin in der Beurteilung genannt haben möchte, teilweise außerhalb des Beurteilungszeitraums, sodass sie schon deshalb zurecht nicht berücksichtigt worden sind.
Wenn die Antragstellerin meint, dass die vom Beurteiler aufgestellte Behauptung, die Antragstellerin verfüge im Steuerrecht nur über “durchschnittliche” Kenntnisse und lediglich “vertiefte” Kenntnisse im Umsatzsteuerrecht, unwahr sei und die von der Antragstellerin ausgeübten Ehrenämter und andere Aktivitäten eine überdurchschnittliche Sozialkompetenz und Teamfähigkeit belegen würden, liegt darin eine unbeachtliche Selbsteinschätzung. Die Beurteilung der Leistung obliegt allein dem Beurteiler.
Die Anlassbeurteilung ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht widersprüchlich. Die Gesamtbewertung, wonach die Antragstellerin zur Übernahme eines Senatsvorsitzes ungeeignet ist, steht nicht im Widerspruch zu den festgestellten guten Kenntnissen im Steuerrecht und sehr guten Kenntnissen auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts, zu der bejahten Annahme von Führungskompetenz und Verantwortungsbewusstsein, zur Fähigkeit zur Moderation und zum Ausgleich, zum Organisationsgeschick, zur sehr guten Genderkompetenz und zum freundlichen Auftreten einschließlich Repräsentationsfähigkeit. Der Beurteiler hat die Ungeeignetheit der Antragstellerin zur Übernahme eines Senatsvorsitzes am Bundesfinanzhof ausführlich dargelegt. So fehle es der Antragstellerin an der erforderlichen Sozialkompetenz und Teamfähigkeit. Das wird vom Beurteiler – wie gerade dargelegt – eingehend begründet.
Wenn die Antragstellerin einwendet, dass durch entscheidungserhebliche Auslassungen bzw. unrichtige Darstellungen von Sachverhalten zu Unrecht eine unberechtigte “Verweigerungshaltung” der Antragstellerin suggeriert werde, verkennt sie, dass sie bis zu einer rechtskräftigen Feststellung der Rechtswidrigkeit des Präsidiumsbeschlusses verpflichtet ist, ihren richterlichen Pflichten in dem Senat nachzukommen, dem sie zugewiesen ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.11.1975 – VII C 47.73 – BVerwGE 50, 11 – juris).
Der Einbezug der Zeiträume seit 2005 in die Anlassbeurteilung im Rahmen einer fiktiven Nachzeichnung der Beurteilung kommt nicht in Betracht. Eine fiktive Laufbahnnachzeichnung ist nur dann angezeigt, wenn keine Leistung vorliegt, die Grundlage einer Beurteilung sein kann, etwa bei einer Freistellung oder einer familienpolitischen Beurlaubung. Die Antragstellerin war während des gesamten Beurteilungszeitraums im Dienst, sodass eine bewertbare Leistung vorliegt.
Dass die Bewertungen in der Anlassbeurteilung von den bisher gefertigten Regelbeurteilungen für die Antragstellerin abweichen (nach Ansicht der Antragstellerin diesen widersprechen) bedingt keinen Rechtsfehler. Eignung, Befähigung und fachliche Leistung sind in jedem Beurteilungszeitraum selbständig zu bewerten, unabhängig von der Vorbeurteilung (BayVGH, U.v. 12.11.2015 – 3 B 14.2012 – juris Rn. 23). Es mag durchaus sein, dass die Antragstellerin in früheren Beurteilungen besser bewertet worden ist. Für den maßgeblichen Beurteilungszeitraum der Anlassbeurteilung ist dies jedoch ohne Belang. Die Leistung der Antragstellerin ist in der Anlassbeurteilung – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – plausibel dargelegt, bewertet und festgestellte Defizite nachvollziehbar begründet worden.
Es bestehen auch keine konkreten und objektiv feststellbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Beurteiler gegenüber der Antragstellerin bei der Erstellung der Anlassbeurteilung vom … Juli 2020 voreingenommen und so weder Willens oder in der Lage wäre, die Richterin sachlich und gerecht zu beurteilen (BayVGH, B.v. 2.9.2020 – 6 CE 20.1351 – juris Rn. 27 ff.; BVerwG, B.v. 19.7.2018 – 1 WB 31.17 – NVwZ-RR 2019, 54, juris Rn. 31). Die Besorgnis der Befangenheit aus der subjektiven Sicht der Beurteilten genügt nicht, vielmehr muss die tatsächliche Voreingenommenheit eines Beurteilers aus der Sicht eines objektiven Dritten festgestellt werden (BVerwG, U.v. 23.4.1998 – 2 C 16.97 – BVerwGE 106, 318, juris Rn. 13; vgl. auch allgemein: Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Februar 2021, Art. 54 LlbG Rn. 28). Die kritische Einschätzung der Arbeitsweise und des sonstigen dienstlichen Verhaltens des beurteilten Beamten durch den Beurteiler oder das Bestehen dienstlich veranlasster Spannung geben noch keinen Anlass für die Annahme von Befangenheit (BVerwG, U.v. 12.3.1987 – 2 C 36/86 – NVwZ 1988, 66-67, juris Rn. 16).
Die Antragstellerin trägt vor, die Voreingenommenheit des Beurteilers ergebe sich daraus, dass es seit Jahren Konflikte um ihre Person u.a. mit dem Präsidenten des Bundesfinanzhofs a.D. gebe und das Verhältnis zerrüttet sei. Hieraus ist jedoch nicht zu folgern, dass der Beurteiler voreingenommen gewesen sein könnte. Ständige dienstliche Zusammenarbeit bringt naturgemäß auch die Möglichkeit von Konflikten mit sich. Entsprechend lässt grundsätzlich weder eine kritische Einschätzung der Arbeitsweise und des sonstigen dienstlichen Verhaltens noch das Bestehen dienstlich veranlasster Spannungen auf eine Voreingenommenheit des Vorgesetzten schließen. Anhaltspunkte für sachfremde Erwägungen des Beurteilers sind vorliegend nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen. Dass die Antragstellerin mit den von dem Präsidenten des Bundesfinanzhofs a.D. eingeleiteten Maßnahmen nicht einverstanden ist, kann eine Voreingenommenheit der Antragstellerin gegenüber nicht begründen.
Dass die Senatsvorsitzenden mit dem Beurteiler persönlich und beruflich verbunden seien, ist eine unsubstantiierte Behauptung, die die Antragstellerin nicht weiter belegt. Im Übrigen legt sie auch nicht dar, inwieweit dies eine Voreingenommenheit begründen könnte.
7. Aufgrund des ganz erheblichen Leistungsunterschieds im Ergebnis der Anlassbeurteilungen der Antragstellerin im Vergleich zum Beigeladenen erscheint eine Auswahl der Antragstellerin in einem erneuten Auswahlverfahren ausgeschlossen. Selbst wenn das Auswahlverfahren an einem Fehler leiden würde – wofür aber keine Anhaltspunkte bestehen – könnte sich das auf den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin nicht auswirken. Denn bei einem erneuten Vergleich besteht keine Chance auf eine Auswahl zugunsten der Antragstellerin.
Die Voraussage, das mit einem Eilantrag letztlich verfolgte Ziel, dass der Dienstherr das Auswahlermessen zugunsten der Antragstellerin ausübt, sei unerreichbar, ist nur in Ausnahmefällen zu treffen (BayVGH, B.v. 1.12.2015 – 3 CE 15.1947 – juris Rn. 39). Die Möglichkeit eines Erfolgs der Bewerbung ist dann zu verneinen, wenn bei einer Gesamtbetrachtung des vorgenommenen Leistungsvergleichs die Auswahl der Antragstellerin offensichtlich ausgeschlossen erscheint (VGH BW, B.v. 27.10.2015 – 4 S 1733/15 – juris Rn. 77 f.; BVerfG, B.v. 4.2.2016 – 2 BvR 2223/15 – ZBR 2016, 312, juris Rn. 83 ff.).
Bei einem Vergleich der Anlassbeurteilungen für die Antragstellerin und den Beigeladenen ergibt sich vorliegend jedoch ein “eklatanter” Vorsprung (BVerG, a.a.O., Rn. 85) zugunsten des Beigeladenen. Es erscheint daher offensichtlich ausgeschlossen, dass für die Antragstellerin die ernsthafte Möglichkeit bestehen könnte, den gravierenden Leistungsvorsprung des ausgewählten Bewerbers selbst in einem erneuten Auswahlverfahren wettzumachen. Denn aufgrund des Umstands, dass die Antragstellerin das schlechteste Gesamtergebnis (“ungeeignet”) und der Beigeladene das bestmöglichste Gesamtergebnis (“sehr gut – 18 Punkte”, Beförderungseignung: “hervorragend geeignet (oberer Bereich)”) erhalten hat, ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Antragstellerin auch bei einer erneuten Auswahlentscheidung chancenlos wäre.
8. Die Antragstellerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst, da er weder einen Antrag gestellt noch sonst das Verfahren wesentlich gefördert hat (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 162 Rn. 41).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 Gerichtskostengesetz (GKG) – ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen. Das ergibt bei einer im Streit stehenden Stelle der Besoldungsgruppe R 10 einen Betrag von 44.424,75 EUR (BayVGH, B.v. 24.10.2017 – 6 C 17.1429 – BayVBl 2018, 390 für die Besoldung nach Bundesrecht; hier: 14.808,25 EUR x 3).


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