Verwaltungsrecht

Stellplätze für ein Wettbüro

Aktenzeichen  9 ZB 20.3076

Datum:
8.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34551
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2, Abs. 4
BayBO Art. 47 Abs. 1, Abs. 2, Art. 63, Art. 81 Abs. 1
AEUV Art.56

 

Leitsatz

1. Die Zahl der notwendigen Stellplätze richtet sich entweder nach einer örtlichen Bauvorschrift oder der gemeindlichen Stellplatzverordnung, wobei die rechtsnormative Festlegung zugunsten des Letztentscheidungsrechts der Gemeinden über die Zahl der notwendigen Stellplätze subsidiär ausgestaltet wurde. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Gemeinde ist nicht gehindert, die Ablösung erforderlicher Stellplätze für ein Bauvorhaben zu verweigern, selbst wenn es planungsrechtlich zulässig ist, denn sie darf im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung eigene städtebauliche Zielsetzungen und Konzeptionen einbringen, die mit Mitteln des Städtebaurechts nicht zu erreichen wären. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der EuGH ist kein divergenzfähiges Gericht iSv § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 19.1803 2020-10-30 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 37.800,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Ladens in ein Pferde- und Sportwettbüro im Erdgeschoss des Anwesens K …traße …, N … (FlNr. … Gemarkung L …). Dieses Grundstück liegt im Geltungsbereich des am 5. Mai 1993 bekannt gemachten Bebauungsplans Nr. … innerhalb eines festgesetzten Kerngebiets, in dem Vergnügungsstätten mit Ausnahme von Lichtspieltheatern nicht zulässig sind.
Mit Bescheid vom 20. November 2019 versagte die Beklagte der Klägerin die beantragte Baugenehmigung. Bei dem Bauvorhaben handele es sich um eine nach dem Bebauungsplan ausgeschlossene Vergnügungsstätte, die zudem dem durch den Stadtrat am 26. Oktober 2017 beschlossenen Vergnügungsstättenkonzept hinsichtlich des Ausschlusses von Vergnügungsstätten in der Erdgeschosszone und eines städtebaulichen Mindestabstands widerspreche. Eine Befreiung komme, weil das Vorhaben den Grundzügen der Planung widerspreche, nicht in Betracht. Zudem sei der erforderliche Stellplatznachweis nicht geführt. Das Verwaltungsgericht hat die betreffende Verpflichtungsklage mit Urteil vom 30. Oktober 2020 abgewiesen. Mit dem vorliegenden Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Es liegen weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vor noch weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Sie hat auch nicht die behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und die geltend gemachte Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.
Soweit die Klägerin die Beiziehung weiterer Verwaltungsakten und Akteneinsicht in diese beantragt hat, ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen – wie den nachfolgenden Ausführungen zu entnehmen ist – nicht, dass diese entscheidungserheblich wären. Den Anträgen war damit, soweit die Klägerin nicht ohnehin teilweise in parallel anhängigen Streitverfahren Akteneinsicht erhalten hat, im Zulassungsverfahren nicht näher zu treten (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.2021 – 9 ZB 19.49 – juris Rn. 4 m.w.N.).
1. Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin als Rechtsmittelführerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier jedenfalls nicht, soweit das Verwaltungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung aus bauordnungsrechtlichen Gründen verneint hat, weil der von der Klägerin vorgelegte Stellplatznachweis nicht den Anforderungen des Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBO genügt. Ob die geltend gemachten ernstlichen Zweifel im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht ebenfalls angenommene bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Bauvorhabens begründet sind, kann daher dahinstehen.
a) Die Klägerin macht geltend, die Satzung der Beklagten über die Herstellung und Bereithaltung von Kraftfahrzeugstellplätzen und Fahrradabstellplätzen vom 14.12.2007 i.d.F. der Satzung vom 15.12.2016 (Stellplatzsatzung – StS) i.V.m. Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO sei entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts wegen unionsrechtswidriger Ungleichbehandlung von Wettbüros gegenüber Gaststätten in Bezug auf den Stellplatzschlüssel für Wettbüros unwirksam (s. S. 41 GA) bzw. unanwendbar, nicht aber nichtig. Wegen Letzterem könne nicht subsidiär auf die Garagen- und Stellplatzverordnung (GaStellV) zurückgegriffen und ein konkreter Stellplatzbedarf nicht berechnet werden (s. S. 39 GA). Verglichen mit den Vorgaben der GaStellV werde mit der Stellplatzsatzung der Beklagten der Stellplatzbedarf für Gaststätten gedrittelt (GaStellV: 1 St/10 m² Gastfläche, StS: 1 St/35 m² Grundstücksfläche bzw. Nutzfläche nach BauNVO) und für EU-Wettvermittler mit sportbarähnlichen Wettbüros verdoppelt (GaStellV zu Spiel- und Automatenhallen, Billard-Salons, sonst. Vergnügungsstätten: 1 St/20 m² Nutzfläche, mind. 3 St; StS zu Spielhallen, Spielclubs, Wettbüros: 1 St/10 m² Brutto-Grundfläche nach DIN 277-1, mind. 3 St). Die Erhöhung des Stellplatzbedarfs um das Doppelte für Spielhallen, Spielclubs, Wettbüros nach der Stellplatzsatzung gegenüber sonstigen Vergnügungsstätten nach der GaStellV sei im Übrigen auch unabhängig von der Behandlung der Gaststätten willkürlich. Getroffen würden hiermit vor allem die Wettbüros, weil die Spielhallen zum Großteil bereits vor 2007 nach dem damals noch geltenden allgemeinen Stellplatzschlüssel Genehmigungen erhalten hätten. Allerdings werde den Gemeinden keine Befugnis zu planerischer Gestaltung, sondern nur die Ermächtigung zur Konkretisierung, was im Gemeindegebiet das notwendige Maß an Stellplätzen sei, eingeräumt.
Das Verwaltungsgericht hat im Hinblick auf diese bereits erstinstanzlich vorgetragenen Bedenken gegen die Stellplatzsatzung der Beklagten zunächst auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Mai 2020 (9 B 17.710) verwiesen. Danach stehe der Beklagten ein gewisses Pauschalierungsermessen zu, weshalb die Festlegung der Richtzahlenwerte bei einer Überschreitung der Zahl der notwendigen Stellplätze nach § 20 GaStV i.V.m. der Anlage um 100 v.H., auch in Anbetracht der Großstadtsituation, nicht willkürlich erscheine. Die Unwirksamkeit einzelner Richtzahlenwerte führe nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs aber jedenfalls nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Stellplatzsatzung, sondern habe zur Folge, dass nach Nr. 7.1 der Richtzahlenliste entsprechend § 2 Abs. 3 StS notwendige Stellplätze unter Berücksichtigung der Richtzahlen für Vorhaben mit vergleichbarem Bedarf nachzuweisen seien (BayVGH, U.v. 26.5.2020 – 9 B 17.710 – juris Rn. 27 f.). Ein Verstoß gegen Vorschriften des europäischen Rechts, insbesondere eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit sei nicht ersichtlich, weil das Stellplatzerfordernis in seiner konkreten Ausgestaltung durch die Stellplatzsatzung für Inwie für EU-Ausländer eine allenfalls allgemeine Beschränkung ausspreche, die durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein könne. Das Stellplatzerfordernis diene der Entlastung des ruhenden Verkehrs und somit der Sicherung des fließenden Verkehrs und der Verkehrssicherheit, also nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH einem zwingenden Grund der Allgemeinheit. Die von der Beklagten vorgenommenen Differenzierungen hinsichtlich der Anzahl der nachzuweisenden Stellplätze, die nach ihrem weiten Pauschalierungsermessen zulässig und Ausfluss der kommunalen Planungshoheit seien, führten zu keiner anderen Betrachtungsweise. Zudem würden selbst bei Annahme einer vollständigen Unwirksamkeit bzw. Unanwendbarkeit der Stellplatzsatzung die Regelungen der GaStellV (1 St/20 m² Nutzfläche) greifen. Ausweislich des Versagungsbescheids der Beklagten habe die Baugenehmigung auch wegen fehlender ausreichender Stellplätze abgelehnt werden sollen, womit von der Möglichkeit des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO Gebrauch gemacht worden sei. Von der Klägerin sei kein einziger der Nutzungsänderung zugewiesener Stellplatz nachgewiesen worden. Die Bauunterlagen enthielten eine wohl fehlerhafte Berechnung zu einem Mehrbedarf von sechs Stellplätzen und keine Angaben dazu, wo sich Stellplätze befinden könnten.
Mit ihrem Zulassungsvorbringen setzt die Klägerin dem nichts Durchdringendes entgegen. Sie setzt sich insbesondere schon nicht dem Darlegungsgebot des § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend damit auseinander, dass das Verwaltungsgericht die Frage der Wirksamkeit der Stellplatzsatzung der Beklagten oder ihrer Vereinbarkeit mit Unionsrecht letztlich dahingestellt sein ließ, weil die Klägerin mit ihrem Bauantrag jedenfalls auch nicht dem Stellplatzerfordernis nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 BayBO i.V.m. § 20 GaStellV i.V.m. der Anlage Rechnung getragen habe. Die Rechtmäßigkeit der GaStellV hat die Klägerin nicht in Frage gestellt. Soweit sie im Zulassungsverfahren erneut vorbringt, die GaStellV sei hier nicht subsidiär anwendbar, wiederholt sie nur ihre eigene Rechtsauffassung (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2019 – 20 ZB 18.2196 – juris Rn. 3). Sie erläutert aber nicht, warum die GaStellV im Fall der von ihr angenommenen Unionsrechtswidrigkeit der Stellplatzsatzung nicht gemäß Art. 47 Abs. 2 BayBO nachrangig zur Anwendung kommen sollte. Dafür spricht auch nicht der Wortlaut des Art. 47 Abs. 2 BayBO. Nach dessen Satz 1 wird die Zahl der notwendigen Stellplätze nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBO durch das Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr durch Rechtsverordnung festgelegt, jedoch ist nach Satz 2 dann, wenn die Zahl der notwendigen Stellplätze durch eine örtliche Bauvorschrift oder eine städtebauliche Satzung festgelegt wird, diese Zahl maßgeblich. Die Zahl der notwendigen Stellplätze richtet sich danach entweder nach einer örtlichen Bauvorschrift oder, wenn eine solche nicht existiert bzw. keine Festlegung aus ihr resultiert, etwa weil sie in Gänze unwirksam ist, nach der GaStellV. Diesem Verständnis entspricht auch der gesetzgeberische Wille, der darauf gerichtet war, ein sicherheitsrechtlich unverzichtbares Minimum an Stellplätzen festzuschreiben und damit im Interesse der Rechtssicherheit eine klare und unzweideutig ablesbare rechtsnormative Festlegung sicherzustellen, die allerdings zu Gunsten eines Letztentscheidungsrechts der Gemeinden über die Zahl der notwendigen Stellplätze subsidiär ausgestaltet wurde (vgl. LT-Drs. 15/7161, S. 56; VG Augsburg, U.v. 9.3.2016 – Au 4 K 15.1371 – juris Rn. 69). Im Übrigen bleibt es ohnehin bei der Verpflichtung aus Art. 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayBO, Stellplätze in ausreichender Zahl für die durch die Nutzungsänderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge nachzuweisen, was hier nicht erfolgt ist. Zur Verpflichtung aus Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBO verhält sich die Klägerin nicht.
b) Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, es entstehe mit der Nutzungsänderung gegenüber der bisherigen Ladennutzung kein Mehrbedarf an Stellplätzen, führt auch das nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils.
Dies gilt einerseits hinsichtlich der vom Gericht zu Recht vorgenommenen Einstufung des Bauvorhabens nach seiner Ausstattung und Einrichtung als ein als Vergnügungsstätte anzusehendes Wettbüro (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2021 – 9 ZB 19.1610 – juris Rn. 13 m.w.N.). Diese vermag die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen, der Begriff des Wettbüros werde in anderen Bundesländern und von anderen Verwaltungsgerichten nicht allein über ein Live-Wettangebot definiert, er müsse aber unionsrechtlich vorhersehbar sein, nicht in Frage zu stellen. Das Verwaltungsgericht hat das Vorhaben mit einer Nutzfläche von 126,42 m² und einer Betriebszeit von 11.00 bis 23.00 Uhr als (kerngebietstypische) Vergnügungsstätte angesehen, weil es der kommerziellen Unterhaltung diene. Es hat dabei seiner Einschätzung zugrunde gelegt, dass nach den Bauantragsunterlagen für Kunden die Möglichkeit besteht, sich über Quotenmonitore und Livebildschirme über das Wettangebot zu informieren und neben SB-Terminals als Alternative zur Abgabe von Wetten an der Kasse auch verschiedene Sitz- und Stehplätze zum Verweilen einladen. Damit setzt sich die Klägerin nicht auseinander.
Aber auch der andererseits erhobene Einwand, wegen der Innenstadtlage und der Verkehrsanbindung mit nahegelegenem Hauptbahnhof und Busbahnhof entstehe kein weiterer Stellplatzbedarf gegenüber der vorherigen Ladennutzung, bleibt unbehelflich. Abgesehen davon, dass der Innenstadtlage im Rahmen der Stellplatzsatzung Rechnung getragen wird, indem in der Zone I (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 2 StS) Kraftfahrzeugstellplätze nur zu 80 v.H. der jeweils notwendigen Stellplatzzahl nachgewiesen werden müssen (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 StS), können Sonderfälle nur im Wege der Erteilung vollständiger oder teilweiser Abweichungen gemäß Art. 63 BayBO Berücksichtigung finden. Gemäß Art. 63 Abs. 2 BayBO sind diese ausdrücklich vom Bauherrn zu beantragen und deren Notwendigkeit zu begründen (Würfel in Busse/Kraus, BayBO, Stand Mai 2021, Art. 47 Rn. 125). Die Klägerin hat einen (begründeten) Antrag auf Erteilung einer Abweichung aber nicht gestellt.
c) Schließlich führt auch der Vortrag der Klägerin, die Beklagte müsse im Lichte des Art. 56 AEUV mit der Klägerin, die Untervermieterin einer EU-Wettvermittlerin sei, einen Ablösevertrag abschließen und es liege ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vor, zumal nicht nur die gute infrastrukturelle Verkehrsanbindung, sondern auch die Lage und Art des Betriebs dem Ziel der Vergnügungsstättenkonzeption der Beklagten entsprächen, nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags. Es kann dabei offenbleiben, ob der klagende Bauherr im Rahmen einer Verpflichtungsklage auf Genehmigungserteilung einen Anspruch auf Stellplatzablösung geltend machen kann (vgl. BayVGH, B.v. 29.9.2017 – 15 ZB 17.848 – juris Rn. 8 m.w.N.; vgl auch B.v. 15.4.2013 – 2 ZB 11.2926 – juris Rn. 7 f.). Denn abgesehen davon, dass die Klägerin kein auf eine bestimmte Stellplatzzahl bezogenes Angebot, einen Ablösevertrag abzuschließen, gegenüber der Beklagten abgegeben hat, sondern die Auffassung vertritt, die nachzuweisende Stellplatzzahl könne nicht berechnet werden, weshalb eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung nicht möglich sei, setzt sie sich wiederum nicht mit den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts auseinander. Dieses ist zu dem Schluss gekommen, es bestehe kein Anspruch der Klägerin auf Abschluss einer Ablösevereinbarung, nachdem die Beklagte mitgeteilt habe, dass ein derartiger Abschluss aus städtebaulichen Gründen nicht in Betracht komme. Nach deren Auffassung wiederspreche die geplante Erdgeschossnutzung ihrem Vergnügungsstättenkonzept. Außerdem beabsichtige sie eine Förderung vorzugswürdiger baulicher Entwicklung. Damit bewege sich die Beklagte im Rahmen ihrer Möglichkeit, Ablösungsverträge nur für Nutzungen anzubieten, die in die von ihr angestrebte und mit der Stellplatzherstellung zu fördernde Nutzungsstruktur passen. Ein Verstoß gegen Unionsrecht sei auch hier nicht ersichtlich. Die mit der Entscheidung über den Abschluss von Ablöseverträgen verbundene allgemeine Beschränkung könne unter Berücksichtigung der städtebaulichen Zielsetzungen gerechtfertigt werden.
Die Beklagte ist nicht gehindert, die Ablösung erforderlicher Stellplätze für ein Bauvorhaben zu verweigern, selbst wenn es planungsrechtlich – was hier offen bleiben kann – zulässig ist, denn sie darf im Rahmen ihrer diesbezüglichen Ermessensentscheidung, die keine der Bauaufsicht ist, sondern bei der die Gemeinde einen eigenen Sachbereich zu wahren hat, eigene städtebauliche Zielsetzungen und Konzeptionen einbringen, wie z.B. öffentliche Belange des Verkehrs, des Denkmalschutzes oder der innerstädtischen Struktur, die mit den Mitteln des Städtebaurechts nicht zu erreichen wären (vgl. BVerwG, B.v. 27.9.1983 – 4 B 122.83 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 26.5.2020 – 9 B 17.710 – juris Rn. 41 m.w.N.; Würfel in Busse/Kraus, BayBO, Stand Mai 2021, Art. 47 Rn. 319; Hensel in BeckOK BauordnungsR Bayern, BayBO, Stand November 2019, Art. 47 Rn. 98). Die Behauptung der Klägerin einer intransparenten und Wettbüros diskriminierenden Handhabung der Genehmigungspraxis der Beklagten zeigt in Bezug auf die Frage der Ablösung von Stellplätzen weder auf, dass die unionsrechtlichen Voraussetzungen für Einschränkungen nicht erfüllt wären (vgl. z.B. EuGH, U.v. 11.2.2021 – C-407/19 und C-471/19 – juris Rn. 58, 61; BVerwG, U.v. 7.7.2021 – 8 C 28/20 – juris Rn. 21; U.v. 20.6.2013 – 8 C 42/12 – juris Rn. 22 m.w.N.), noch, dass (bau-) rechtlich gleich gelagerte, aber ungleich behandelte Sachverhalte bestehen. Mit dem Verweis auf ein Internetcafé mit Lottoannahmestelle in der B … Straße …, einen Wettbetrieb in der K …traße … (evtl. stattdessen K …str. … mit T … Wettbüro im Obergeschoss des F … gemeint) oder darauf, dass bei anderen Wettbüros oder Spielhallen im Stadtgebiet Ablösevereinbarungen getroffen worden sein könnten, legt die Klägerin mit der hier in Rede stehenden Vergnügungsstätte in der Erdgeschosszone der K … straße, wo nach dem Vergnügungsstättenkonzept der Beklagten zur besseren Verträglichkeit und zum Schutz vor funktionalen Brüchen in der dortigen Hauptgeschäftslage Spielhallen und Wettbüros nicht zulässig sein sollen, nicht schlüssig dar, dass es sich um vergleichbare Fälle handeln könnte. Im Übrigen lässt weder die von der Klägerin angeführte Befangenheit einer an der Beschlussfassung zum Vergnügungsstättenkonzept vom 26. Oktober 2016 beteiligten Stadträtin auf die Nichtigkeit des betreffenden Beschlusses schließen (vgl. nur Art. 49 Abs. 4 GO). Noch lassen ihre Hinweise auf den noch in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan Nr. 4660 „Südstadt-Ost“, mit dem entgegen dem Vergnügungsstättenkonzept beabsichtigt sei, Spielhallen und Wettbüros im betreffenden Plangebiet nicht zuzulassen, und darauf, dass noch kein nach dem Konzept als geeignet anzusehender Bereich zugunsten der Ansiedlung von Wettbüros, im Gegensatz zu Bereichen, wo Wettbüros nach dem Konzept nicht zugelassen werden sollten, überplant worden sei, erkennen, dass die Beklagte mit ihrer auf das Vergnügungsstättenkonzept gestützten Ermessensentscheidung, eine Stellplatzablöse nicht zu vereinbaren, das im Gleichheitssatz (Art. GG Artikel 3 GG) wurzelnde Willkürverbot missachtet (vgl. auch Hensel in BeckOK BauordnungsR Bayern, BayBO, Stand November 2019, BayBO Art. 47 Rn. 96).
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen lassen sich, soweit sie überhaupt entscheidungserheblich sind, ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären. Besondere Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht; die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Beklagte genügt hierfür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2020 – 9 ZB 18.1493 – juris Rn. 26). Die Rechtssache weist keine entscheidungserheblichen Fragen auf, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereiten, sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren herausheben (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.2021 – 9 ZB 19.50 -juris Rn. 30 m.w.N.). Dies gilt sowohl für die unionsrechtlichen Einwände der Klägerin, auch im Hinblick auf ihre umfangreichen Ausführungen zu einer angeblichen Verhinderungspoltik der Beklagten in Bezug auf Wettbüros, insbesondere im Gegenzug zu Spielhallen, als auch für die Einstufung der beantragten Wettbüronutzung als Vergnügungsstätte.
3. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 20.5.2019 – 9 ZB 18.1261 – juris Rn. 17). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Hinsichtlich der aufgeworfenen Fragen der unionsrechtlichen Auswirkungen stadtweiter Planungspolitik im Glücksspielbereich auf die Einzelfallentscheidung bei der Versagung baurechtlicher Genehmigungen, der gewerberechtlichen Behördenpraxis im Bereich der Spielhallen und ihrer Auswirkungen auf das Baurecht, nach „der Modifikation des Offensichtlichkeitsgrundsatzes bei formeller Illegalität im Falle faktisch wie regulativ wirkender Regelungen aus dem Ordnungsrecht und dem Gewerberecht“ sowie in Bezug auf „die Anforderungen an eine zur Vermeidung des Willkürvorwurfs notwendigen konzeptionellen Aufsichtspraxis im Spannungsfeld staatlicher und privater Wettanbieter“ fehlt es bereits an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Soweit die Klägerin darüber hinaus noch die Abgrenzungskriterien für Vergnügungsstätten und Ladengeschäfte bei Wettvermittlungsstellen klären lassen möchte, ist von ihr nicht dargelegt, inwiefern durch das vorliegende Verfahren fallübergreifende Fragen aufgeworfen werden, die sich auf der Grundlage der bisher ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung nicht oder nicht mit der erforderlichen Sicherheit beantworten lassen (vgl. BVerwG, B.v. 24.11.2020 – 9 B 58.19 – juris Rn. 6). Auf die obigen Ausführungen zum geltend gemachten Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wird verwiesen.
4. Die Berufung ist auch nicht wegen Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang unter Berufung auf mehrere Entscheidungen des EuGH der Auffassung ist, bei Berücksichtigung dieser Rechtsprechung wäre die Baugenehmigung zu erteilen, weist der Senat darauf hin, dass der EuGH kein divergenzfähiges Gericht im Sinne dieser Vorschrift ist. Sofern von einer Regelungslücke auszugehen wäre, fehlt es jedenfalls an der hinreichenden Darlegung einander sich widersprechender Rechtssätze (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2021 – 1 B 2.21 – juris Rn. 9).
Die Klägerin trägt gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit dieser Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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