Verwaltungsrecht

Streitwerte bei irrtümlich angenommener Vollziehbarkeit einer Gewerbeuntersagung

Aktenzeichen  22 C 19.87

Datum:
15.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1028
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1 S. 2
GKG § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 68 Abs. 1 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Die Bedeutung der Sache für den Antragsteller ist auch dann für die Streitwertfestsetzung maßgeblich, wenn es des Eilantrages nicht bedurft hätte, weil der Klage gegen eine Gewerbeuntersagung mangels Anordnung des Sofortvollzuges aufschiebende Wirkung zukommt. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 S 18.4223 2018-11-21 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Durch nicht für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 27. Juli 2018 sprach die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller eine Gewerbeuntersagung aus, die auf alle in § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO bezeichneten Tätigkeiten erstreckt wurde.
Im Rahmen der am 23. August 2018 hiergegen zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts erhobenen Anfechtungsklage beantragte der Antragsteller auch, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. In seiner Eingangsbestätigung vom 4. September 2018 wies ihn das Verwaltungsgericht darauf hin, dass die Antragsgegnerin die Gewerbeuntersagung nicht für sofort vollziehbar erklärt hatte und der Klage aufschiebende Wirkung zukomme. Gleichzeitig wurde der Antragsteller gebeten, bis zum 24. September 2018 mitzuteilen, ob er den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zurücknehme. Der Antragsteller äußerte sich hierzu nicht.
Durch Beschluss vom 21. November 2018 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ab und setzte den Streitwert des Antragsverfahrens auf 10.000,00 Euro fest.
Hiergegen richtet sich die am 4. Dezember 2018 eingelegte Beschwerde des Antragstellers, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Da zugunsten des Antragstellers davon ausgegangen werden kann, dass er eine Festsetzung des Streitwerts in der geringstmöglichen Höhe erstrebt, wird der nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG erforderliche Beschwerdewert erreicht. Denn bei einem Streitwert von 500,00 €, bis zu dem die niedrigsten Gerichtsgebühren anfallen, beliefe sich die 1,5-fache Gebühr nach der Nummer 5210 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz auf 42,50 €, während diese Gebühr auf der Grundlage des festgesetzten Streitwerts 361,50 € beträgt.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Gemäß § 52 Abs. 1 GKG, hier anzuwenden in Verbindung mit § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG, ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Rechtsschutzsuchenden für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Bedeutung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO für den Antragsteller ist in seinem Wunsch zu sehen, die von den Nummern 1 und 2 des Tenors des Bescheids vom 27. Juli 2018 erfassten Tätigkeiten bis zu dessen Bestandskraft ausüben zu dürfen. Zwar ist er hierzu bereits aufgrund der Tatsache berechtigt, dass der von ihm erhobenen, vor dem Verwaltungsgericht noch anhängigen Klage aufschiebende Wirkung zukommt. Der Umstand, dass der unter der Nummer II der Niederschrift vom 23. August 2018 gestellte Antrag deshalb ins Leere geht, unterscheidet den vorliegenden Fall jedoch nicht von anderen Sachverhaltsgestaltungen, in denen ein Rechtsschutzsuchender in Verkennung der rechtlichen Gegebenheiten einen überflüssigen Rechtsbehelf anhängig macht; das damit verfolgte Interesse liegt in der Abwehr einer nur vermeintlich bestehenden Beschwer. Ähnlich stellt sich die Situation dar, wenn ein Rechtsbehelf ergriffen wird, der zur Abwehr einer tatsächlich bestehenden Beschwer objektiv ungeeignet ist. In all diesen Fällen bildet die vom Kläger oder Antragsteller angenommene Bedeutung der Sache für ihn den Ausgangspunkt der Streitwertbemessung.
Die Beschwer, die sich für den Antragsteller aus der vermeintlichen sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids vom 27. Juli 2018 ergibt, kann nicht hinreichend sicher quantifiziert werden. Denn die Höhe eines etwaigen Ertrags, den er aus dem untersagten Gewerbe oder aus der Ausübung derjenigen Tätigkeiten, die ihm gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO verboten wurden, bis zum Eintritt der Bestandskraft jenes Bescheids erzielen könnte, lässt sich nicht einmal näherungsweise abschätzen. Zudem ist unbekannt, wann der streitgegenständliche Bescheid unanfechtbar werden wird. Es entspricht deshalb pflichtgemäßer Ausübung des durch § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG eingeräumten Ermessens, wenn das Verwaltungsgericht auf die Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zurückgegriffen hat. Dieser sieht, wie im Nichtabhilfebeschluss vom 11. Dezember 2018 zutreffend dargelegt wurde, für einstweilige Rechtsschutzverfahren der vorliegenden Art einen Mindeststreitwert von 10.000 Euro vor.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Verfahren über die Streitwertbeschwerde gemäß § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG gerichtsgebührenfrei ist, sich bereits aus § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG ergibt, dass der Antragsteller etwaige im Beschwerdeverfahren angefallene gerichtliche Auslagen zu tragen hat, und außergerichtliche Kosten nach § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht erstattet werden.
Die Beurteilung der Frage, ob das Schreiben des Antragstellers vom 3. Dezember 2018 deswegen einen zur erhobenen Streitwertbeschwerde hinzutretenden Rechtsbehelf enthält, weil darin auf eine (in den vorgelegten Akten nicht feststellbare) Entscheidung vom 7. November 2018 Bezug genommen wird und der Antragsteller sein Unvermögen behauptet, einen von ihm geforderten Betrag in Höhe von 1.040,00 € zu begleichen, obliegt derzeit nicht dem Verwaltungsgerichtshof, sondern dem Verwaltungsgericht.
Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel eröffnet (§ 66 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben