Verwaltungsrecht

Tierschutzrechtliche Anordnung zum Schutz von Schafen

Aktenzeichen  23 CS 21.1131

Datum:
30.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18523
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2, § 16a Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4 S. 6

 

Leitsatz

Sowohl bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, als auch im Hinblick auf die Einschätzung, ob den Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt worden sind, kommt dem beamteten Tierarzt eine vorrangige Beurteilungskompetenz zukommt, so dass dessen fachliche Beurteilungen jedenfalls nicht durch schlichtes Bestreiten und auch nicht durch unsubstantiierte, pauschale Behauptungen entkräftet werden können. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 S 21.265 2021-03-25 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. März 2021 (RN 4 S 21.265), deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt ist, bleibt ohne Erfolg.
I.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2021 hatte das Landratsamt gegenüber dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzuges (Ziffer 2) und unter Androhung von Zwangsgeldern (Ziffern 3. – 4.) in Ziffer 1. aufgegeben, sämtliche für die von ihm gehaltenen Schafe verletzungsträchtigen Gegenstände aus den Weiden zwischen S. und P. zu entfernen (Ziffer 1.1.) und die Zäune zu erneuern sowie den einschlägigen Vorgaben/Empfehlungen der Schafhaltungsverbände für stationäre Weiden o.Ä. zu folgen (Ziffer 1.2).
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. März 2021 (RN 4 S 21. 265) lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Dieser Beschluss wurde dem Antragsteller am 30. März 2021 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 12. April 2021 hat der Antragsteller hiergegen Beschwerde erhoben und diese mit Schriftsatz vom 30. April 2021 begründet. Diese Anordnungen hätten den Antragsteller, der seit 30 Jahren gesunde Schafe halte, völlig grundlos getroffen. Der Antragsteller habe dennoch für 10.000 € eine Umzäunung errichtet, auch um zu verhindern, dass ihm wegen der heranrückenden Wohnbebauung die Nutzung der Wiese dauerhaft untersagt werde. Zur Meidung von Zwangsgeldern habe der Antragsteller vorsichtshalber zwischenzeitlich „alles weitgehend so gestaltet, wie es der Antragsgegner im streitigen Bescheid angeordnet“ habe. In den Empfehlungen für die Haltung von Schafen und Ziegen der Deutschen Gesellschaft für die Krankheiten der kleinen Wiederkäuer, Fachgruppe der DVG, Teil 1 vom 13. August 2012 (vgl. Tierärztliche Praxis Großtiere 5/12) werde ausgeführt, dass die Anforderungen an die Haltung von Schafen und Ziegen oft im Blick der Öffentlichkeit stünden und häufig aus Vermenschlichung empfundene Mängel sofort aus Tierschutzgründen zur Anzeige gebracht würden. Die Schafe des Antragstellers seien daran gewöhnt, natürlich und menschenfern gehalten zu werden, sie wüssten, wie man sich am besten verhalte, falls sie mit verletzungsträchtigen Gegenständen in Berührung kämen bzw. würden diese von vornherein meiden. Die Anordnungen im streitigen Bescheid seien daher überflüssig und zudem unbestimmt und deshalb rechtswidrig.
Mit Schreiben vom 8. Juni 2021 hat der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und dies im Einzelnen begründet. Auf die Ausführungen im Schreiben vom 8. Juni 2021 wird insoweit Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten sowie das weitere vom Antragsteller anhängig gemachte Beschwerdeverfahren 23 ZB 21.1133 (RN 4 S 21.255) Bezug genommen.
II.
1. Die in der Beschwerde dargelegten Gründe sind nicht geeignet, die entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Die in Ziffer 1 ausgesprochenen Anordnungen in Bezug auf die Schafhaltung des Antragstellers am Standort zwischen S. und P. finden ihre Rechtsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 Tierschutzgesetz (TierSchG). Nach dieser Vorschrift trifft die Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen. Gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (vgl. BayVGH, B.v. 10.9.2012 – 9 B 11.1216 – juris Rn. 27; B.v. 9.7.2019 – 23 CS 19.1194 – juris Rn. 5).
Diese Voraussetzungen liegen nach den summarischen Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Eilverfahren (B.v. 25.3.2021 – RN 4 S 21.265) vor. Die vom Antragsteller dagegen erhobenen Einwendungen, auf deren Prüfung der Senat im Beschwerdeverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Ergänzend zu den ausführlichen verwaltungsgerichtlichen Feststellungen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), ist darauf hinzuweisen, dass – wie bereits das Erstgericht zutreffend erläutert hat – sowohl bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, als auch im Hinblick auf die Einschätzung, ob den Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt worden sind, dem beamteten Tierarzt eine vorrangige Beurteilungskompetenz zukommt, so dass dessen fachliche Beurteilungen jedenfalls nicht durch schlichtes Bestreiten und auch nicht durch unsubstantiierte, pauschale Behauptungen entkräftet werden können (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2020 – 23 ZB 20.1254 – juris Rn. 37; B.v. 31.1.2017 – 9 C 16.2022 – juris Rn. 13; Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 16a TierSchG Rn. 46).
Soweit der Antragsteller rügt, das Verwaltungsgericht bzw. das Landratsamt seien zu Unrecht von falschen Annahmen und Voraussetzungen ausgegangen, kann er dadurch die Feststellungen der Amtsveterinärin nicht entkräften. Sein Hinweis auf die Empfehlungen für die Haltung von Schafen und Ziegen der Deutschen Gesellschaft für die Krankheiten der kleinen Wiederkäuer, Fachgruppe der DVG, Teil 1 vom 13. August 2012 (vgl. Tierärztliche Praxis Großtiere, Heft 5/12) verfängt nicht. Der Antragsgegner führt in seiner Stellungnahme vom 8. Juni 2021 insoweit zutreffend aus, dass aus der Empfehlung der DVG – entgegen der antragstellerseitigen Behauptung – gerade nicht entnommen werden kann, dass die verfahrensgegenständlichen Anordnungen (Entfernung verletzungsträchtiger Gegenstände und Zaunerneuerung) rechtswidrig sind. Der Antragsteller selbst räumt ebenfalls ein, dass die von ihm gehaltenen Schafe verletzungsträchtigen Gegenständen ausgesetzt sind, da sie „wissen“, wie sie sich verhalten müssen, „wenn sie mit verletzungsträchtigen Gegenständen in Berührung kommen“ (Beschwerdebegründung vom 30.4.2021, S. 3). Auch aus der vom Antragsteller vorgelegten Stellungnahme des von ihm beauftragten Tierarztes vom 10. Februar 2021 lässt sich die Entbehrlichkeit und Unverhältnismäßigkeit der verfahrensgegenständlichen Anordnungen nicht entnehmen, vielmehr wurde auch danach mit dem Antragsteller die komplette Beseitigung der alten Befestigung besprochen und von diesem zugesichert, neues Zaunmaterial zur Erneuerung des Zauns bereits bestellt zu haben (vgl. BA S. 138, Anlagekonvolut 3 zur Klagebegründung vom 16.2.2021). Allein die gegenteilige Darstellung des Antragstellers zur Situation vermag daher die fachliche Einschätzung der Amtstierärztin nicht zu entkräften. Besondere Einwände gegen die Richtigkeit der tierärztlichen Feststellungen trägt der Antragsteller nicht vor. Daher ist der Vortrag des Antragstellers im Beschwerdeverfahren nicht geeignet, die Begutachtung der Amtstierärztin zu erschüttern und die Rechtmäßigkeit der streitigen Anordnungen substantiiert in Frage zu stellen. Vielmehr ist der Vortrag des Antragstellers unschlüssig und in sich widersprüchlich. Es leuchtet nicht ein, warum der Antragsteller bereits vor Abschluss des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens – wie von ihm behauptet – „annähernd 10.000 €“ investiert haben möchte, um das, „was das Landratsamt D. abverlangt“, umzusetzen, obwohl ihm die Notwendigkeit und Erforderlichkeit ganz und gar nicht nachvollziehbar seien.
Der Antragsteller rügt außerdem die Unbestimmtheit des Bescheids, ohne sich – wie erforderlich – konkret mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen und aufzuzeigen, worin die Unbestimmtheit des angegriffenen Bescheids – entgegen den vertieften Ausführungen des Erstgerichts (BA S. 10) – liegen soll. Dies ist jedoch nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts. Abgesehen davon ist das Beschwerdevorbringen auch insoweit in sich widersprüchlich, da es sich dem Gericht nicht erschließt, wie der Antragsteller die streitigen Anordnungen – wie von ihm behauptet – für annähernd 10.000 € umsetzen konnte, wenn er wegen der Unbestimmtheit des Bescheids nicht wissen könne, „was ihm das Landratsamt D. abverlangt“ (vgl. Beschwerdeschriftsatz vom 30.4.2021, S. 1).
Auch soweit der Antragsteller weiter einwendet, er habe zwischenzeitlich „alles weitgehend so gestaltet, wie vom Antragsgegner im streitigen Bescheid angeordnet“, so dass kein Verstoß gegen § 2 TierSchG (mehr) vorliege, stellt dies die Richtigkeit des erstinstanzlichen Beschlusses nicht in Frage (BayVGH, B.v. 1.2.2012 – 9 CS 12.87 – juris Rn. 17), sondern allenfalls das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (vgl. VGH Mannheim, B.v. 8.2.2021 – 1 S 3952/20 – BeckRS 2021, 1750 Rn. 18 m.w.N.; Bostedt in: HK-VerwR/Achim Bostedt, 5. Aufl. 2021, VwGO § 80 Rn. 171 u. 187). Im Ergebnis kann dies jedoch ebenso wie die Frage der zwischenzeitlich (teilweisen) Erledigung des angefochtenen Bescheids dahinstehen, da jedenfalls die oberflächlichen und pauschalen Einwendungen des Antragstellers, auf deren Prüfung der Senat im Beschwerdeverfahren gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
Im Übrigen tritt die Beschwerde dem Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht entgegen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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